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Ihr Reich war der Wald, wo sie in der Einsamkeit der Natur lebte. Doch sie selbst war nicht natürlich, denn der Teufel hatte sie geschaffen und aus dem ehemaligen Menschen, der sich ihm verschrieben hatte, eine dämonische Kreatur gemacht.
Das sah man ihr jedoch erst an, wenn sie sich verwandelte, wenn sie ihr knöchernes Totengesicht zeigte. Und das bekamen nur jene zu sehen, die sie in ihre Falle lockte, auf den Friedhof des Satans.
Denn sie war Luzifers Waldfee ...
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Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Luzifers Waldfee
Jason Dark’s Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manfred Smietana/Rainer Kalwitz
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5847-6
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Luzifers Waldfee
Ihr Reich war der Wald, wo sie in der Einsamkeit der Natur lebte. Doch sie selbst war nicht natürlich, denn der Teufel hatte sie geschaffen und aus dem ehemaligen Menschen, der sich ihm verschrieben hatte, eine dämonische Kreatur gemacht.
Das sah man ihr jedoch erst an, wenn sie sich verwandelte, wenn sie ihr knöchernes Totengesicht zeigte. Und das bekamen nur jene zu sehen, die sie in ihre Falle lockte, auf den Friedhof des Satans.
Denn sie war Luzifers Waldfee!
Gary Hellman war Biologe und interessierte sich sehr für den Klimawandel. Er setzte sich auch sehr für den Schutz des Klimas ein. Da er aus Dundee stammte, hatte er sich seine Heimat Schottland als Forschungsgebiet ausgesucht. Unterwegs war er mit einem Van, und das auch noch zu jetzt, mitten im Winter. Der Wagen gehörte nicht zu den jüngsten Jahrgängen, aber er tat seine Pflicht.
Drei Monate hatte sich Gary Hellman gegeben, und so lang hielt er auch durch. Und das bei jedem schottischen Wetter. Mal war es ziemlich warm, dann gab es kühle und auch neblige Tage. Hin und wieder rief er in einer Uni an, mit der er zusammenarbeitete.
An diesem Freitag war er wieder unterwegs. Abseits der Menschen, die durch die schottischen Highlands wanderten. Er bewegte sich in der Mitte des Landes, wie er immer behauptete. Dort gab es noch ein paar dichte Wälder, und sie waren sein Forschungsgebiet.
Er hatte das Gebiet in mehrere Planquadrate unterteilt. So konnte er systematisch vorgehen, sich entsprechende Tabellen anlegen und die Ergebnisse in den Computer eingeben, um sie dann auszuwerten. Das hatte bisher gut geklappt, das würde auch weiterhin klappen. Davon ging er aus.
Der Wagen stand am Waldrand. Gary musste nur zwei Schritte gehen, dann befand er sich im Wald. Er hatte sich einen Tag ausgesucht, an dem es nicht zu kalt war, denn die Sonne schickte tapfer ihre Strahlen hinab.
Die Tasche nahm er mit. In ihr befanden sich einige Unterlagen und auch Messgeräte, die er für seinen Job brauchte.
Es war ein recht dichter Wald, der zumeist aus Nadelbäumen bestand. Allerdings gab es auch einige Laubbäume, die sich hierher verirrt zu haben schienen.
Der Biologe betrat den Wald. Schon nach drei Schritten war er höchstens zu hören, aber nicht mehr zu sehen. Er bewegte sich langsam und überlegt, aber geräuschlos geschah das nicht. Es lag an der Stille, die hier herrschte.
Sie irritierte den Mann. Er blieb stehen und schüttelte den Kopf. Irgendetwas stimmte hier nicht, da war er sich sicher. Er betrat den Wald nicht zum ersten Mal, aber so hatte er ihn noch nie erlebt. So still. Als würde die Natur den Atem anhalten.
Ein fast wolkenfreier Himmel spannte sich über dem Wald. Dort schickte die Sonne ihre Strahlen nach unten. Sie trafen auch den Wald, reichten aber nicht bis zum Boden. Sie erzeugten aber ein flirrendes Muster in den Kronen der Bäume.
Der Biologe setzte seinen Weg fort. Es gab keinen Pfad, keinen Wildwechsel, er musste schon Lücken zwischen den Bäumen finden, um weiterzukommen.
Den Weg nahm er nicht zum ersten Mal. Er würde bald eine Lichtung erreichen, an deren Rand Bäume wuchsen, die er für seine Forschungen markiert hatte.
Wenn er damit fertig war, würde er wieder zurückgehen und für heute Feierabend machen. Zumindest was seine Arbeit in der Natur anging. Er würde sich dann noch an seinen Rechner setzen und die Ergebnisse festhalten.
Vor ihm wurde es heller. Für Gary der Beweis, dass er die Lichtung bald erreicht hatte. Dann würde es nicht mehr lange dauern, und er konnte sich wieder auf den Rückweg machen.
Unter den Ästen einer Buche duckte er sich und ging die letzten Schritte auf die Lichtung zu, die vor ihm lag, als wäre sie für ihn geschaffen worden.
Schließlich hatte er sein Ziel erreicht und stand auf der Lichtung.
Geschafft!
Wie so oft. Aber er konnte sich an diesem Tag nicht darüber freuen. Den Grund wusste er auch nicht, aber er war vorhanden, das ließ sich nicht vertreiben.
An die Bäume dachte der Biologe nicht mehr. Stattdessen glitt sein Blick über die freie Fläche bis hin zur gegenüberliegenden Seite. Dort standen auch Bäume. Allerdings waren die Räume zwischen ihnen nicht leer. Unterholz füllte sie aus.
Und das bewegte sich. Es war genau der Moment, als sich Gary Hellman in Bewegung setzen wollte. Das ließ er jetzt bleiben, denn er sah etwas, das ihn irritierte.
»Gott«, flüsterte er, »nein, das glaube ich nicht.«
Was er nicht glaubte, schob sich aus dem Hintergrund nach vorn, und jetzt sah Hellman, um wen es sich handelte.
Es war ein Tier.
Ein Wolf!
***
Nein!, schoss es Gary Hellman durch den Kopf. Das kann nicht sein. Das ist nicht wahr!
Er wischte sich über die Augen, doch als er sie wieder öffnete, war das Bild nicht verschwunden. Der Wolf stand noch immer an der gleichen Stelle.
Beinahe hätte der Biologe gelacht, aber das verkniff er sich, denn dazu war die Lage einfach zu ernst. Der Wolf stand da und starrte ihn an.
Und das aus kalt glitzernden Augen. Der Mensch wurde von ihm fixiert, als sollte er in der nächsten Zeit von ihm umgebracht werden.
Das war nur ein flüchtiger Gedanke, mehr nicht. Aber ungewöhnlich war es schon, dass hier ein Wolf erschien. Es gab keine Wölfe mehr.
Nun, das stimmt nicht ganz. Auf dem europäischen Festland waren sie gesichtet worden.
Aber hier? Auf der Insel?
Hellman hätte es nicht geglaubt, doch nun wurde er eines Besseren belehrt. Da stand der Wolf. Da stand er und starrte ihn an.
Was tun? Wie soll ich mich verhalten? Der Biologe war ein Naturmensch, in diesem Fall allerdings wusste er auch nicht weiter. Tiere waren nicht sein Fall, und erst recht keine Wölfe.
Und jetzt stand hier einer!
Gary Hellman spürte den Druck, der sich in ihm aufbaute. Ihm stieg sogar das Blut in den Kopf.
Und dann bewegte sich das Tier!
Fast hätte der Mann aufgeschrien. Er hatte damit zwar rechnen müssen, aber als es jetzt passierte, war er schon überrascht. Und es blieb nicht bei einer Bewegung. Der Wolf schien Anlauf genommen zu haben, denn plötzlich rannte er.
Sein Ziel war der Mensch.
Aber er rannte nicht nur. Als er nahe genug heran war, sprang er.
Der Biologe schaffte es nicht mehr, auszuweichen. Er ging nur nach hinten, das milderte den Aufprall um eine Idee, aber auf den Beinen halten konnte er sich nicht.
Er fiel zu Boden. Mit dem Hinterkopf landete er auf dem weichen Gras und rechnete damit, dass sein Ende in den nächsten Minuten eintreten würde, denn als er seine Augen öffnete, da er die offene Schnauze dicht vor seinem Gesicht.
Das Tier brauchte nur zuzubeißen, dann war es um ihn geschehen. Da würde sich sein Hals in einen blutigen Strunk verwandlen.
Der Biss trat nicht ein. Zumindest nicht so schnell. Der heiße Atem des Tieres streifte sein Gesicht, und er nahm den üblen Geruch wahr. Zu bewegen wagte er sich nicht. Noch hatte das Tier nicht zugebissen, und Gary hoffte, dass es so blieb.
Es tat sich etwas. Von der gegenüberliegenden Seite der Lichtung her ertönte ein scharfer Pfiff.
Der Pfiff galt dem Tier, und es gehorchte. In der folgenden Sekunde verließ es seinen Platz und trottete über die Lichtung dorthin, woher der Pfiff gekommen war.
Gary Hellman brauchte eine Weile, um zu fassen, dass er zunächst gerettet war. Er wollte auch nicht mehr auf dem Rücken liegen, gab sich einen Schwung und richtete sich auf.
Er blieb in einer sitzenden Haltung, rieb sich die Augen und richtete den Blick nach vorn.
Er sah den Wolf. Am anderen Rand der Lichtung war er stehen geblieben. Er wirkte nicht mehr so bedrohlich. Aber es gab etwas Neues, das sich jetzt aufbaute und einfach nicht zu übersehen war.
Neben dem Wolf wurden Baumzweige zur Seite geschoben, und jemand betrat die Lichtung.
Es war eine Frau!
Und es war ein Schuss, wie mancher Mann sagen würde. Rotes, dichtes langes Haar umrahmte ein bleiches ätherisch wirkendes Gesicht, und der hellgraue Rock, der bis zu den Füßen reichte, wies einen Schlitz auf, durch den die Frau ein Bein geschoben hatte. So lag es bis zum Oberschenkel hin frei. Die untere Hälfte aber wurde von einem langen Stiefel bedeckt.
Und noch etwas fiel auf. In der rechten Hand hielt die Frau einen Korb. Ob er leer war, erkannte Hellman nicht. Er konnte sich aber vorstellen, dass die Frau unterwegs gewesen war, um Beeren zu sammeln, die in ihrem Korb landeten.
Der Biologe hörte sich schwer atmen. In seinem Hirn wirbelten die Gedanken durcheinander, er konnte sich nicht vorstellen, was das alles sollte.
Aber er bildete sich nichts ein. Mensch und Tier gab es wirklich. Das war ein Wahnsinn.
Er wartete darauf, dass die Frau etwas sagte. Das tat sie nicht. Aber sie nickte ihm zu, und ihm kam es so vor, als hätte sie ihn in ihrem Gedächtnis gespeichert.
Und der Wolf?
Der reagierte wie seine Herrin. Er drehte sich um und war kurze Zeit später wieder im dichten Wald verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben …
***
Gary Hellman verstand die Welt nicht mehr. Was hatte das zu bedeuten? Wo kamen der Wolf und die Frau her, die beide so vertraut miteinander waren?
Er wusste es nicht, aber es war auch klar, dass er sie nicht vergessen würde. Für ihn war jetzt wichtig, dass er den Ort hier verließ, und das so schnell wie möglich, denn er wollte keinerlei Überraschungen mehr erleben.
Aber was war das eben gewesen? Traum oder Wirklichkeit? Nach wie vor war Gary Hellman unsicher. Er musste sich erst sammeln. Allein stand er auf dem Fleck. Um ihn herum breitete sich der Wald aus, den er zu kennen geglaubt hatte, doch in dieser Hinsicht war er nun eines Besseren belehrt worden. Er kannte ihn nicht mehr. Irgendetwas gab es, das sich aus den unheimlichen Tiefen befreit hatte.
Ein Wolf!
Okay, das hätte er noch akzeptiert. Aber was, zum Henker, war mit dieser Frau?
Sie einzuordnen bereitete ihm Probleme. Sie war da gewesen, sehr plötzlich sogar. Dann war sie wieder verschwunden, als hätte sie sich in Luft aufgelöst.
Noch einmal drehte er sich auf der Stelle und schaute sich um. Nein, da war nichts, was ihn hätte misstrauisch hätte machen können. Die Normalität hatte ihn wieder, und es zwitscherten auch wieder Vögel. Als wären sie froh, dass alles wieder zurück in die Normalität gerutscht war.
Es gab für den Biologen keinen Grund, noch länger in dieser Umgebung zu bleiben, in der er sich nicht wohlfühlte. Er musste weg, und er musste Abstand gewinnen.
Die Idee war kaum in seinem Kopf entstanden, als er sich in Bewegung setzte. Weit war es nicht bis zu seinem Wagen. Ein komisches Gefühl hatte er schon, und das bedrückte ihn weiterhin. Er ging nicht normal, sondern leicht gebückt und schaute sich öfter um als gewöhnlich. Alles, was ihm bisher so vertraut gewesen war, kam ihm manches Mal gespenstisch vor.
Er schimpfte sich im Stillen selbst aus. Atmete durch, wollte, dass es ihm besser ging, und das war tatsächlich der Fall. Ein wenig konnte er sich von dem Druck befreien, und das tat ihm gut. Er sah das Erlebte als nicht mehr so schlimm an.
Gary Hellman wusste, wo er seinen Wagen abgestellt hatte. Und er atmete auf, als er ihn sah.
Dann hatte er in seinem Fahrzeug Platz genommen. Der Biologe fühlte sich sicherer. Er wischte sich den Schweiß von den Handflächen, indem er damit über die Hosenbeine strich, dann griff er nach dem Zündschlüssel und startete den Motor.
Alles lief glatt. Der Geländewagen tat seine Pflicht, und Hellman konnte in Ruhe anfahren.
Es gab nur die eine Straße, die aus diesem menschenleeren Gebiet zurück in die Zivilisation führte. Und genau den Weg benutzte der Mann. Um sich nicht so einsam oder allein zu fühlen, schaltete er das Radio ein und war froh, als die ersten Melodien seine Ohren erreichten. Jetzt konnte er wieder lächeln.
Der Weg führte am Waldrand entlang. An der linken Seite war alles dicht. Rechts nicht. Da wuchsen keine Bäume oder nur sehr kleine. Dafür waren die Gräser auch jetzt noch relativ hoch, und ihre Spitzen wurden vom schwachen Wind gekämmt.
Gary musste langsam fahren. Das lag an der Beschaffenheit des Bodens, der auf keinen Fall glatt war. Immer wieder hoppelte der Wagen über Erhebungen hinweg oder rutschte in tiefer liegende Querrillen hinein.
Alles war wie immer. Alles blieb auch normal. Bis zu dem Zeitpunkt, als sich das Schicksal wieder veränderte.
Wo der Weg fast zu Ende war, da stand etwas. Ein Gegenstand, der einen kantigen Umriss hatte und recht hell war. Erst beim zweiten Hinsehen stellte der Biologe fest, um was es sich dabei handelte.
Es war ein Wohnmobil!
Aber wie kam es in diese einsame Gegend? Okay, jemand hatte es hingefahren, aber warum hatte er das getan?
Die Frage sorgte bei Hellman dafür, dass er stoppte und nicht mehr weiterfuhr.
Er dachte an die Begegnung mit dem Wolf und der seltsamen Frau.
Und jetzt erlebt er erneut etwas, das ganz und gar nicht in diese Gegend passte. Es war nichts Gefährliches und nichts Ungewöhnliches. Der Biologe wunderte sich nur darüber, dass dieses Fahrzeug praktisch mitten im Weg stand.
Warum?
Er kannte die Antwort nicht. Es wäre für ihn einfach gewesen, an diesem Hindernis vorbeizufahren, aber das tat er nicht. Zumindest noch nicht. Etwas hielt ihn davon ab.
Und so wartete er und behielt den Gegenstand im Blick. Er konzentrierte sich zudem auf das Fahrerhaus, um zu sehen, ob sich dort jemand aufhielt.
Das war nicht der Fall. Zumindest sah er niemanden.
Aber warum parkte das Wohnmobil an dieser Stelle? Es war nicht groß. Zwei schmale Fenster waren an der Seite zu sehen, ansonsten tat sich dort nichts.
Es wäre für ihn kein Problem gewesen, auszusteigen und auf den Wagen zuzugehen. Das wäre der Normalfall gewesen. Er tat es trotzdem nicht. Ein gewisses warnendes Gefühl hinderte ihn daran.
Und doch fuhr Gary Hellman nicht weiter. Es gab etwas, was ihn bannte. Das war sein Gefühl. Ihm war der Gedanke gekommen, dass er noch nicht alles erlebt hatte. Dass noch etwas auf ihn zukam. Dass es jetzt soweit war.
Der Biologe wartete. Das war alles, was er tat. Er stieg nicht aus, sondern konzentrierte sich einzig und allein auf den Wagen. Der blieb, wo und wie er war.
Minuten verstrichen. Die Zeit kam ihm lang vor. Dann fiel ihm das Fernglas ein, das auf dem Beifahrersitz lag. Er nahm es an sich, stellte es scharf und holte sich das Ziel nahe heran.
Besonders das Fahrerhaus interessierte ihn und das dazu gehörige Fenster. Da war nichts zu erkennen. Keine Bewegung hinter der Scheibe. Das Wohnmobil schien verlassen zu sein.
Aber war es das wirklich?
Hellman dachte wieder an die rätselhafte Frau mit den roten Haaren. War das ihr Wohnmobil?