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Die Welt, in der sich der Mann bewegte, war klein. Sie hätte ein Schutzwall sein können. Das war sie für die meisten auch. Aber dann hatten sich die Regeln geändert.
Jetzt stand die Welt auf dem Spiel. Und diese Welt besaß einen Namen, der wohl jeder kannte.
Es war der Vatikan!
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Seitenzahl: 115
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Das Vatikan-Gespenst
Jason Dark’s Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: João Martins/Rainer Kalwitz
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7350-9
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Das Vatikan-Gespenst
Er ging zu langsam. Augusto wusste es, denn er war sich sicher, dass man ihn verfolgte. Andererseits war es ihm fast egal. Es würde sich nichts ändern, auch wenn er seine Schritte beschleunigte.
Die Welt, in der er sich bewegte, war klein. Sie hätte ein Schutzwall sein können. Das war sie für die meisten auch. Leider nicht für ihn. Niemand in dieser Welt würde ihm helfen. Denn diese Welt war in Gefahr.
Ja, sie stand wirklich auf dem Spiel. Diese Welt hatte einen Namen, den wohl jeder kannte.
Es war der Vatikan!
Augusto kannte sich aus in dieser Welt. Er hätte auch Verstecke gefunden, aber er wusste genau, dass es aussichtslos war. Die andere Seite würde ihn finden und kurzen Prozess mit ihm machen. Er lief eine Treppe hinab, die nahe der Vatikanischen Museen lag. Dort würde er an eine breite Tür gelangen, die eigentlich ein Tor war. Ein Tor, durch das sonst Gegenstände in das Museum geschafft wurden und als Leihgaben in alle Welt wieder hinaus.
Augusto lief schnell. Es war nichts zu hören außer seinem heftigen Atem und seinen hastigen Schritten auf den Stufen. Von seinen Verfolgern hörte er nichts, aber er wagte es nicht, einen Blick nach hinten zu werfen.
Die letzten beiden Stufen nach unten sprang er, kam mit beiden Füßen auf und dachte daran, dass er nur noch durch die Tür laufen musste, die sich nicht weit von ihm im Mauerwerk befand. Es waren nur wenige Schritte. Eine Kleinigkeit, dann hätte er es geschafft.
Erleichtert drehte sich Augusto noch mal um.
Dann da sah er ihn!
Er stand am oben auf der Treppe. Sein Körper von einer dunklen Kutte umschlossen, das Gesicht durch die über den Kopf gezogene Kapuze verhüllt. Das ist er, schoss es Augusto durch den Kopf. Das ist mein Killer.
Das ist derjenige, der mich töten wird. Ich habe gegen ihn keine Chance.
Er dachte auch nicht daran, sich zu wehren. Es gab nur eine Möglichkeit: Die Flucht. Er kannte den Namen seines Verfolgers nicht. Er wusste nur, dass er zu einer Gruppe von Verschwörern gehörte, die sich hier im Vatikan festgesetzt hatte und die sogar in der Lage waren, die Welt zu vernichten.
Die Gedanken brachen ab, als sich sein Gegner in Bewegung setzte. Langsam, aber bedrohlich kam er näher, eine Stufe nach der anderen.
Es war wie eine kleine Folter, denn mit jeder Stufe, die er hinter sich ließ, wuchs Augustos Angst. Es gab nur diesen einen Weg, und der würde tödlich für ihn enden.
Er konnte sich nicht mehr rühren.
Er zitterte!
Seine Zähne schlugen aufeinander. Kälte strömte durch seinen Körper, und in seiner Stirn pochte es so laut, dass er sich fast die Ohren zuhalten wollte.
Noch eine Stufe, dann hatte der Fremde die Treppe hinter sich gelassen und stand auf der gleichen Höhe wie Augusto.
Der starrte seinen Jäger an. Suchte in seinem Gesicht nach Gnade, die er nicht fand, denn es gab kein Gesicht, weil die Kapuze fast alles bedeckte.
Der Killer blieb stehen.
Er schwieg.
Augusto hatte Todesangst, aber der Killer schwieg weiterhin. Dann bewegte er langsam seinen Arm nach oben und zog die Kapuze ein Stück weit aus dem Gesicht. August sah eine helle Stirn und zwei Augenbrauen. Und dann, mit einiger Verblüffung, die Augen. Augusto erstarrte.
Ja, es waren Augen.
Aber was für welche. Ihre Form war merkwürdig, so als wären sie in das Gesicht hineingeschnitten worden. Aber noch merkwürdiger als ihre Form waren ihre Farben. Sie waren vollkommen blau!
Aber nicht so blau wie von einem normalen Menschen, sondern leuchtend blau. Eine Farbe, die einen magisch anzog und zugleich abstieß, weil sie so intensiv war, dass sie wehtat. So erging es auch Augusto, aber er war gezwungen hinzuschauen, denn er konnte dem Blick des Killers nicht ausweichen.
Das Blau bannte ihn.
Zugleich wusste er, dass dies kein normales Blau war.
Es kam ihm böse vor. Als enthielte es die Botschaft eines schrecklichen Dämons.
Erneut wurde Augusto von der Angst gepackt. Er fing an zu zittern. Sogar Tränen rannen an seinen Wangen entlang.
Dann hörte er die Stimme. Sie klang rau und alles andere als menschlich. »Du wirst der Beweis sein!«
Augusto verstand kein Wort. Aber er wollte reden. Vielleicht gab es ja eine Chance.
»Bitte … bitte … ich habe nichts getan. Was wollen Sie von mir? Ich lebe hier als braver Bürger. Kein Mensch kann mir etwas nachsagen. Davon bin ich überzeugt.«
»Es sei, wie es sei.« Die Stimme klang völlig emotionslos. »Ich habe meine eigenen Pläne, und du spielst darin eine Hauptrolle.«
»Und was soll ich tun, bitte?«
»Du wirst gar nichts tun. Einfach gar nichts. Außer sterben. Denn dein Tod wird der Beweis sein, dass dein Gott an diesem verflucht Platz keine Macht mehr hat.«
Augusto wollte nicht widersprechen. Er tat es trotzdem. Es kam automatisch über seine Lippen.
»Der Platz ist nicht verflucht. Er ist heilig.«
»Das kannst du sehen, wie du willst. Es ändert nichts daran, dass ich dich genau hier auf meine bestimmte Art vom Leben in den Tod befördern werde.«
»Ich will nicht sterben!«, flüsterte Augusto.
»Es ist mir verdammt egal, ob du sterben willst oder nicht. Ich habe es so beschlossen, und dabei wird es bleiben!«
Augusto sagte nichts mehr. Er fühlte sich kraftlos. Er spürte eine Kälte im Nacken und Hitzewellen, die in sein Gesicht stiegen.
Es war der Anfang. Der Anfang vom Ende.
Und es ging weiter.
Er spürte einen Druck am Kopf, der sich zum Hals hin verstärkte. Wie ein Schraubstock. Der Druck verwandelte sich innerhalb von Sekunden in einem rasenden Schmerz, der ihm sogar die Kraft zum Schreien nahm. Dann bekam er noch mit, wie sich sein Kopf nach links drehte. Die Schmerzen wurden unmenschlich, dann hörte er einen Knochen, der brach und im nächsten Moment wurde alles schwarz.
Augusto sackte zusammen. Er fiel auf die letzte Stufe vor dem Tor, dass seine Rettung bedeutet hätte.
Sein Mörder aber verließ mit ruhigen Schritten den Ort des Geschehens. Er lächelte. Er hatte damit ein Zeichen gesetzt. Andere würden folgen, da war er sich sicher …
☆
»Du musst herkommen, John. Ich habe ein ungutes Gefühl bei dieser Sache.«
Wer das gesagt hatte, das war der Chef der Weißen Macht, dem Geheimdienst des Vatikans. Father Ignatius und ich waren schon seit Jahren befreundet, und der eine würde für den anderen durchs Feuer gehen, das stand fest.
Durch die Flammen musste ich jetzt nicht schreiten, aber mein Gefühl war alles andere als positiv. Die Stimme des Fathers hatte besorgter geklungen als sonst. Sie hatte geklungen, als läge auf ihr ein besonderer Druck.
Und dann hatte mir Father Ignatius noch etwas gesagt. Er selbst würde mir kaum helfen können. Ihn hatte tatsächlich eine Grippe erwischt und ins Bett gezwungen.
Ich konnte mir auf dem Flug nach Rom den Kopf darüber zerbrechen, was der Grund für diesen Ausflug nach Italien war. Ich hatte keine Ahnung. Aber es musste etwas Großes sein, davon ging ich aus.
Ignatius residierte mitten im Vatikan. Die Büros der Weißen Macht gehörten in das große Gebäude, das auch das Geheimarchiv des Vatikans beherbergte.
Mehr wusste ich nicht. Ob der neue Fall mit einem alten zusammenhing, wusste ich auch nicht. Es war mir auch egal. ich hatte leider keinen Direktflug nach Rom buchen können, sodass wir in Frankfurt zwischenlandeten. Bisher war ich in meiner Sitzreihe allein. Jetzt wurde auch der Platz neben mir besetzt.
Mein Sitznachbar war älter als ich. Er trug einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd, das am Hals hochgeschlossen war. Auch wenn er sich nicht vorgestellt hatte, sah ich sofort, dass es sich bei ihm einen Priester handelte. Er schenkte mir ein schüchternes Lächeln.
Ich lächelte zurück. Das sah er wohl als Aufforderung an, mich anzusprechen.
»Sie fliegen nach Rom und wollen den Vatikan besuchen, Mister?«
»Das hatte ich vor,« sagte ich einigermaßen verblüfft.
»Sie sind auch zu dem Treffen eingeladen worden?«
Er hatte mir sein Gesicht zugewandt, und ich las die Neugierde darin.
»Ich bin mir nicht ganz sicher, Pater.« Jetzt lächelte ich. »Welches Treffen meinen Sie?«
»Zu dem der Vatikan eingeladen hat.«
»Und weiter?«
Seine Mimik bekam einen leicht verschwörerischen Ausdruck. »Unser Exorzisten-Treffen, das mal wieder fällig war.«
Jetzt bekam ich große Ohren. Von einem derartigen Treffen hatte mir Ignatius nichts gesagt, aber es konnte durchaus der Grund sein, warum ich ihn besuchen sollte.
»Tut mir leid«, sagte ich leise. »Aber ich bin kein Exorzist. Und ich habe auch keinen Exorzisten nötig, hoffe ich.«
»Dann entschuldigen Sie.«
»Alles in Ordnung.«
Jetzt war ich neugierig geworden. »Aber Sie reisen zu diesem Treffen, nehme ich an.«
»So ist es!«
»Dann erlauben Sie eine persönliche Frage. Sie glauben an den Teufel?«
Mit seiner Antwort zögerte er keine Sekunde. »Sicher glaube ich an ihn. Ich wäre sonst nicht auf dem Weg nach Rom. Der Papst glaubt übrigens, dass Satan eine Person ist.«
»Eine interessante These«, murmelte ich. »Wie sieht er denn aus? Hat der Papst davon auch gesprochen?«
»Nein, das hat er nicht. Das wäre auch unmöglich gewesen.«
»Warum?«
»Ganz einfach. Weil der Teufel ein großer Täuscher ist. Er muss sich nicht auf eine Person festlegen. Er kann mal das und dann wieder mal das sein.«
Ich nickte und lächelte anerkennend. »Sie kennen sich wirklich aus.«
Er winkte ab. »Ach ja, ich gehöre einer Gruppe an, die sich schon viele Jahre mit dem Exorzismus beschäftigt. Der Teufel muss bei manchen Menschen ausgetrieben werden. Und sein Erscheinen hat in der letzten Zeit zugenommen. Wir bekommen immer mehr zu tun.«
»Die Menschen sind also besessen«, sagte ich.
»Ja.«
»Kann diese Besessenheit nicht auch andere Gründe haben?«
»Welche denn?«
»Gründe, die man mit den Mitteln der Psychologie erklären kann.«
Mein Nachbar überlegte nicht lange. »Dagegen wehren wir uns auch nicht. Wir arbeiten durchaus manchmal mit Psychologen zusammen.« Nun schaute er mich mit großem Ernst an. »Vergessen Sie nie, dass schon Jesus Dämonen ausgetrieben hat.«
»Ja, das hörte ich.«
»Es stimmt. So steht es in der Bibel.«
Mein Nachbar blickte mich noch einmal skeptisch an, faltete dann die Hände und schloss die Augen.
Ich hatte ihn wohl nicht überzeugt. Na, wenn schon. Ich jedenfalls war mir sicher, dass mich Ignatius wegen des Exorzisten-Treffens in den Vatikan gerufen hatte.
Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass wir bald in Rom landen würden.
Als ich aus dem Fenster schaute, da sah ich unter mir bereits das Häusermeer der Millionenstadt.
Über Rom schien die Sonne. Die verfluchte ich zwar nicht, aber ich war auch nicht eben erfreut darüber, denn im Frühsommer konnte es in Rom bereits unangenehm heiß werden.
Die Zeit bis zur Landung verging schnell, und als die Maschine aufsetzte, öffnete der Mann neben mir wieder die Augen, strahlte mich an und sagte: »Übrigens, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Franz Block.«
»Angenehm. John Sinclair.«
»Hm«, machte er und nickte. Dann sah er mich erneut skeptisch an und fragte: »Kann es sein, dass ich Ihren Namen schon mal gehört habe?«
»Das mag sein. So einmalig ist er nicht.«
»Schon. Aber ich denke, dass ich Ihren Namen in einem bestimmten Zusammenhang gehört habe.«
»In welchem?«
»Das fällt wohl in ein Gebiet, das ebenfalls mit dem Teufel und seinem Einfluss zu tun hat.« Er blickte mich prüfend an. »Streiten Sie es nicht ab, Mister Sinclair. Man kennt Sie.«
»Gur möglich.«
»Und man kennt auch Ignatius, den Chef der Weißen Macht.«
Ich machte ein erstauntes Gesicht. »Sicher. Er ist eine Institution.«
»Dann werden wir uns bestimmt noch mal begegnen«, erklärte Franz Block und erhob sich von seinem Sitz, denn die Maschine war gelandet und hatte die Parkposition erreicht.
Tja, so war das also. Von wegen »geheime Ermittlungen«. Irgendwann war das vorbei. Aber so lange es nicht jeden zweiten Menschen betraf, war mir das egal.
Am Gepäckband traf ich Franz Block bei der Koffersuche wieder. Er nickte mir zu. »Bis bald«, sagte er vielsagend, bevor er sich Richtung Ausgang trollte.
Seine rötlichen Haarstoppeln leuchteten in der Sonne, die durch ein Fenster der Ankunftshalle schien. Ich dachte über seine Worte nach. Er wirkte harmlos, aber irgendetwas an ihm war es nicht. Und ich wusste noch immer nicht wirklich, weshalb ich nach Rom geflogen war. Ich musste kein Taxi nehmen, um zu meinem Ziel zu gelangen. Ein Fahrer holte mich ab. Er stand neben einer älteren Mercedes-Limousine und ließ mich einsteigen.
»Willkommen in der Ewigen Stadt, Mister Sinclair.«
»Danke.«
»Father Ignatius erwartet Sie.«
»Ich hoffe, er kann mich überhaupt empfangen.«
Als wir abfuhren, wurde der Fahrer gesprächiger. »Ignatius ist ernster krank, als er zugeben will. Wir mussten ihn beinahe gewaltsam daran hindern, in sein Büro zu gehen. Er macht sich Sorgen wegen des Kongresses der Exorzisten, der morgen beginnen soll. Er will wieder alles unter seiner Kontrolle haben.«
»So kenne ich ihn.« Ich lächelte. »Aber jetzt liegt er im Bett.«
»So ist es.«
»Das ist auch für uns eine Premiere. Ich bin gespannt.«
Sehr bald lag der römische Verkehr hinter uns. Wir konnten direkt in den Vatikan hineinfahren, der Schweizer Gardist winkte uns durch, und sofort hatte ich das Gefühl, eine andere Welt zu betreten.
Fernab der Touristenmassen herrschte eine wunderbare Ruhe, die man schon fast als andächtig bezeichnen konnte. Den Petersdom bekam ich nicht zu Gesicht, dafür aber den langen vor allem düsteren Bau, in dem mein alter Freund Ignatius residierte und wo er die Fäden zog.