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Terra pestem teneto - salus hic maneto!
So lautete die Formel, die mich oft genug gerettet hat. Ich hatte sie viele Male gerufen, doch dann fiel ich aus allen Wolken.
Es gab jemanden, der sie ebenfalls einsetzte. Es war ein Engel, aber einer, den die Hölle auf ihre Seite gezogen hatte. Es war der Engel mit dem Flammenschwert ...
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Seitenzahl: 118
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Geblendet vom Flammenschwert
Jason Dark’s Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manfred Smietana/Rainer Kalwitz
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7463-6
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Geblendet vom Flammenschwert
Die Schlacht war geschlagen. Wieder einmal hatte der Tag gegen die Nacht verloren. Aber er würde sich rächen, das stand fest. Es war ein ewiger Kreislauf.
Das wusste auch Domenico Diaz, der am Fenster seines Hauses stand und in die Dunkelheit starrte. Still war es geworden. Als würde es kein Leben mehr geben. Die Nacht hatte alles verschluckt.
Alles?
Nein, nicht ganz …
Der große Mann mit dem kantigen Gesicht lächelte. Dann drehte er sich um und blickte in den Raum, der vor ihm lag.
Es war sein Arbeitsplatz.
Man konnte ihn auch als Atelier bezeichnen. Geräumig, übersichtlich. Versehen mit einem Dach aus Glas, damit das Licht besser fließen konnte. Jetzt war es dunkel. Man musste schon gute Augen haben, um Einzelheiten zu erkennen.
Diaz brauchte kein Licht. Er kannte sich aus. Es war sein Arbeitsplatz und für ihn ein Ort, der an Wichtigkeit nicht zu übertreffen war. Überall gab es kleinere Hindernisse, die er umging, und er stolperte auch nicht über Gegenstände, die verstreut auf dem Boden lagen.
Domenico Diaz erreichte den Punkt, an dem er innehielt. Dann streckte er seinen Arm aus und fand genau das, was er gesucht hatte. Es war ein Schalter, der an einer Säule versteckt lag und den er nur zu drücken brauchte.
Plötzlich wurde es hell. So schnell und auch gleißend, dass Diaz die Augen zusammenkniff und einen Schritt zurücktrat. Schnell hatte er sich wieder gefangen. Als er die Augen wieder öffnete, da gab es nichts, was ihn noch blendete.
Was er jetzt sah, erfüllte ihn mit Euphorie. Das Ergebnis seiner Arbeit, sein Projekt, sein Erfolg, für den er lange gearbeitet hatte.
Es war eine menschliche Figur. So groß wie er. Aber man hätte im ersten Moment nicht sagen können, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau handelte. Er hatte dieses Werk als Bildhauer geschaffen und betrachtete es voller Ehrfurcht.
Auf den zweiten Blick erkannte man, dass es um eine Frau handeln musste. Er hatte seiner Figur zwei kleine Brüste mitgegeben.
Eine kraftvolle Gestalt aus Bronze, die einen kupferfarbenen Teint hatte. Die Figur war vollkommen nackt, die Augen in dem ebenmäßigen Gesicht geschlossen.
Das Licht im Raum war so geschaltet, dass es den gesamten Körper erfasste. Es war ein beeindruckendes Kunstwerk, das Domenico geschaffen hatte, und er war sehr stolz drauf.
Zwar hatte er es mit den eigenen Händen geformt, aber die genaue Beschreibung hatte er von einer anderen Stelle bekommen. Nicht von Angesicht zu Angesicht. Sie war immer nur in seinen Träumen erschienen, um wieder neue Hinweise zu geben.
Und so war er dann entstanden. Dieser Engel. Halb Frau und halb Mann. Ein Wunderwerk der Schaffenskraft, aber das war nicht alles, denn die große Überraschung würde noch folgen, das wusste Diaz genau. In dieser Nacht sollte es soweit sein. Da würde sein Engel von dem wahren Meister in Besitz genommen, und der Künstler war stolz darauf, dass man ihn ausgesucht hatte. Er hatte sich bei der Erschaffung des Engels alle Zeit der Welt gelassen, denn jedes Detail dabei war wichtig. Besondere Aufmerksamkeit hatte er der Stirn geschenkt. Denn dort war etwas zu sehen, was bei einem normalen Menschen nicht der Fall ist. Aus der breiten Stirn wuchsen kleine Hörner hervor. Allerdings waren es keine normalen Hörner. Das hatte Domenico Diaz erlebt, als er sie fertiggestellt hatte. Da waren sie plötzlich heiß geworden. So heiß, dass man sie nicht anfassen konnte. Jetzt nicht mehr. Da waren sie kalt, aber der Künstler wusste, dass sie etwas Besonderes waren.
Und jetzt?
Sein Werk war vollendet. Er war stolz und traurig zugleich.
Denn er wusste, dass er sein Werk loslassen musste. Er kannte nur noch nicht den genauen Zeitpunkt.
Als er den Blick senkte, sah er die Hände des Wesens. Sie umspannten den Griff eines Schwerts, dessen Klinge schräg nach unten gestellt war und mit der Spitze den Boden berührte.
Und jetzt? Nun musste er abwarten, dass etwas geschah, denn das war ihm versprochen worden. Um Mitternacht sollte es geschehen. Jetzt war der neue Tag schon zehn Minuten alt, und passiert war bislang nichts. Diaz war etwas enttäuscht, aber er war es gewohnt, zu warten. Das Licht ließ er an, um sein Kunstwerk weiter betrachten zu können. Neugierig blickte er auf das glatte Gesicht, das einer Frau oder einem Mann gehören könnte. So genau wollte er es gar nicht wissen.
Er wartete und dachte daran, eine Zigarette zu rauchen. Er spürte den Drang, aber er riss sich zusammen und ließ das Etui mit den Glimmstängeln in der Tasche.
Weitere Minuten vergingen. Nichts passierte. Alles blieb, wie es war, und Diaz fragte sich, ob er sich doch nicht geirrt hatte. Ob er etwas falsch verstanden hatte.
Und dann schrak er zusammen, als hätte er einen leichten Schlag bekommen.
Etwas war geschehen. Nicht mit ihm, sondern mit seiner Schöpfung. Ein Zucken am Mund, dann ein knarrendes Geräusch, als wäre etwas zerbrochen, und in den folgenden Sekunden hielt Domenico Diaz den Atem an, denn die Augen der Gestalt hatten sich verändert. Sie waren plötzlich zu roten Inseln geworden. Man hätte auch sagen können, dass sie sich mit Blut gefüllt hatten …
☆
Das war es!
Ja, das war das Wunder, das ihm prophezeit worden war.
Es war vollkommen verrückt. Er hatte keine Erklärung für das, was hier passierte. Er wusste aber, dass hier Mächte am Werk waren, auf die er keinen Einfluss hatte.
Diaz war unschlüssig. Er wäre gern weggelaufen, aber irgendetwas hielt ihn zurück.
Er wollte sehen, wie es weiterging. Was seine Figur, die er geschaffen hatte, machte. Ob sie vollständig zum Leben erwachte oder so blieb, wie sie war.
Über ihre Gestalt lief ein Zittern, der Mund öffnete und schloss sich wieder, zwischendurch war Dampf aus ihm gedrungen. Er hatte eine gelbliche Farbe. Man konnte ihm mit einem Brodem aus einem finsteren Reich vergleichen.
Das Wesen schüttelte den Kopf, als wollte er sich freimachen. Plötzlich nickte es, und starrte ihren Schöpfer an.
Die Augen der Gestalt hatten ihre rote Farbe verloren. Sie wirkten jetzt gläsern, aber nicht zerbrechlich.
Domenico Diaz holte tief Luft. Er hatte die Gestalt geschaffen, aber ihr kein Leben eingehaucht, das hatten andere Mächte übernommen.
Unheimliche Mächte. Böse Mächte. Mächte, die gern teuflisch genannt wurden.
Diaz hatte seine Probleme damit, aber er hatte keine Wahl.
Jetzt erst merkte er, dass der kalte Schweiß auf seiner Stirn stand, und er ahnte auch, dass das Ende noch nicht erreicht war, denn nun wurde seine Figur ihrer endgültigen Bestimmung zugeführt. Sie sollte, sie musste leben. Sie schüttelte den Kopf, sie stöhnte wie jemand, der aus einem langen Schlaf erwacht war und sich erst orientieren musste.
Sie bewegte den Kopf, starrte ihren Schöpfer wieder an. Dann senkte sie den Kopf, und blieb in dieser gebückten Haltung.
Diaz tat nichts, obwohl ihm zahlreiche Fragen auf der Zunge lagen. Aber die mussten warten, weil etwas mit der Gestalt passierte.
Sie veränderte sich weiter. Nicht vorn und auch nicht im Gesicht, sondern am Rücken.
Was genau geschah, das sah Diaz nicht, aber er konnte seinen Blick nicht von der Gestalt lösen.
Sie zuckte plötzlich hoch und stieß ein Geräusch aus, das wie ein Brüllen klang. Das war für Diaz zu viel. Er zog den Kopf ein und bückte sich. Dann ging er langsam zurück. Nicht, dass er vor seiner eigenen Schöpfung Angst hatte, aber etwas mulmig war ihm schon.
Die Gestalt konnte nicht mehr ruhig stehen, denn an ihrem Rücken passiert etwas. Diaz sah es erst, als es über die beiden Schulterhälften ragte.
Flügel!
Genau, das waren Flügel oder Schwingen, und da sie zu einer bestimmten Gestalt gehörten, da wusste Diaz auch, in was er sich verwandelt hatte.
In einen Engel!
Nur Engel besaßen Flügel. Aber der Mann wusste auch, dass es kein normaler und netter Engel war. Nein, der hier sah anders aus. Den konnte man sogar als Todesboten bezeichnen. Domenico Diaz wusste im Moment nicht, wie er sich verhalten sollte. Er blieb nicht mehr auf seinem Platz stehen, sondern ging noch weitere Schritte zurück.
Aus der Entfernung konnte er noch besser sehen, wie sich seine Gestalt veränderte, denn die Flügel schraubten sich immer mehr in die Breite und auch in die Höhe.
Und dieses Bild war furchteinflößend. Das … das … nein … das waren niemals die Flügel eines Engels, diese hier waren anders. Nicht filigran, nicht leicht, sondern das Gegenteil. Man konnte hier schon von Schwingen sprechen, die aus einem dunklen und schweren Material bestanden. Als wären sie aus hartem Gummi. Und sie glänzten, als wären sie eingeölt worden, und ihre kantige Form passte nicht wirklich zu einem Engel.
Im Kopf des Künstlers überschlugen sich die Gedanken. Plötzlich wusste er, was er sah.
Ja, die Flügel gehörten eher zu einem Drachen als zu einem Engel.
Das war es, dachte Diaz. Vor mir steht ein Drache! Ein Geschöpf aus der Hölle.
Kein Engel. Eher ein Höllenengel. Und ich habe ihn erschaffen. Diaz zitterte. Er konnte seinen Blick nicht von dieser Gestalt abwenden, die sich plötzlich schüttelte, als wollte sie den Rest Starrheit loswerden.
Sie lebte. Die kupferne Gestalt war nicht mehr tot. Aber welch ein Leben steckte in ihr?
Die Hölle!, dachte er. Die Hölle hatte ihn benutzt, dieses Wesen zu erschaffen. Und wenn er es ehrlich war, dann hatte er tatsächlich einen Teufel erschaffen, der eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Engel besaß.
Die Augen hatten wieder die rote Farbe angenommen. Hinter dem Rücken wuchsen die Flügel weiter in die Höhe. Diaz wusste nicht, was er tun sollte, und er stellte sich die Frage, ob schon alles vorbei war. Irgendwie konnte er das nicht glauben.
Und er hatte recht. Der Höhepunkt war noch nicht erreicht. Er stand dicht bevor. Es war zu sehen, dass die Gestalt ihren Mund bewegte. So etwas wie knurrige Leute drangen ins Freie. Das Rot der Augen verschwand wieder, und Diaz hatte den Eindruck, als hätte die Gestalt genau darauf gewartet.
Der Engel fing an zu sprechen. Und er sagte Worte, die Diaz nicht verstand. Sie waren in der lateinischen Sprache formuliert worden. Die kannte der Künstler, aber er war zu sehr durcheinander, als dass er etwas begriffen hätte.
Aus den Tiefen der Kehle drangen die Worte nach draußen. Es war nur ein Satz, doch der hatte es in sich.
»Terra pestem teneto – salus hic maneto …«
Was danach geschah, das war für Domenico Diaz völlig unbegreiflich …
☆
Bisher war nur etwas mit dem Körper geschehen. Nicht mit dem Schwert. Das änderte sich jetzt. Dieser seltsame Ausspruch schien nur der Waffe gegolten zu haben, denn das ebenfalls von dem Bildhauer gefertigte Schwert reagierte jetzt.
Ein Zischen war zu hören. Einen Moment sah Diaz die Feuerzungen, die über das Schwert glitten. Sie hüpften und sahen aus wie kleine Federn, die sich ihren Weg suchten und die Klinge nicht verließen. Sie waren da, um sie zu verändern.
Das geschah auch. Die kleinen Flammen erloschen nicht, die tanzten auf der Klinge, wurden eins mit ihr und verwandelten sich eine heiße Glut, die die Klinge zum Leuchten brachte. Domenico Diaz schaute fasziniert zu. Er hielt den Atem an, denn was er hier zu sehen bekam, überstieg seinen Horizont. Das war einfach nicht möglich oder nicht vernünftig zu erklären.
Die Gestalt, die er durch seine eigenen Hände geschaffen hatte, senkte den Kopf und betrachtete seine Waffe. Es gab keine Flammen mehr, es gab nur das Glühen, das die Waffe von oben bis unten erfasst hatte und nicht mehr verschwand.
Diaz kam ein Begriff in den Sinn.
Flammenschwert!
Genau das war es. Ein Flammenschwert, oder ein Schwert aus Flammen geboren.
Die Gestalt hatte jetzt lange genug den Kopf gesenkt und auf das Schwert geschaut. Jetzt glitt ihr Blick in eine neue Richtung. Diesmal war sie auf den Künstler fixiert.
Domenico Diaz verkrampfte. Hielt den Atem an, stieß ihn nach einer Weile wieder aus, und über seine Lippen kam ein Stöhnen. Er wollte fliehen, aber er schaffte es nicht. Und so blieb er stehen und hielt dem Blick stand.
Passierte noch etwas? War er jetzt an der Reihe? Der Mann rechnete mit allem, aber er atmete auf, als er sah, dass nichts passierte. Wenigstens zu nächst nicht. Dann öffnete seine Schöpfung den Mund, und plötzlich konnte die Gestalt reden. Die Stimme schien tief aus der Kehle zu stammen. Sie klang dumpf und rau, aber sie war gut zu verstehen.
»Ich heiße Sariel!«
Diaz nahm es zur Kenntnis, indem er heftig nickte.
»Du hast mich geschaffen. Man hat dich ausgesucht, weil du ein perfekter Handwerker und Künstler bist. Du hast genau das geschaffen, was der Teufel wollte, und deshalb bist du zu einem Freund der Hölle geworden.«
Diaz hatte alles verstanden und schüttelte trotzdem den Kopf. »Nein, nein.. Ich bin kein Freund der Hölle, und ich werde auch nie einer sein.«
»Doch, das bist du schon. Du hast auf die Eingebungen gehört, die man dir gegeben hat.«
»Ach ja?« Diaz lachte gequält. »Wer hat sie mir gegeben?«
»Das war ich!«
Es war eine fremde Stimme, die der Künstler gehört hatte, und sie war in seinem Rücken erklungen. Diaz drehte sich ängstlich um.
Was er sah, war ein Mann, der sich im Schatten des Raumes aufhielt. Er war nicht zu erkennen, nur eines war nicht zu übersehen.
Zwei kalte blaue Augen!
☆
Domenico Diaz wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er hatte noch nie so etwas erlebt. Die Augen strahlten eine so große Kälte ab, dass er fast in sich zusammensank, von einer körperlichen Angst ergriffen.
Angst vor den Augen! Angst vor dem Blick, der ihn nicht loslassen wollte. Diaz spürte seine Hilflosigkeit, die ihn lähmte. Er wollte dagegen ankämpfen, war aber nicht in der Lage dazu und hörte dann eine Stimme, deren Klang ihm einen Schauer über den Rücken jagte. Da sprach jemand völlig ohne Emotion.