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Der rollende Tod
Bis zum letzten Tropfen hatte sie das Blut des Mannes genossen. Jetzt musste er noch getötet werden, damit er später nicht als Vampir durch die Lande zog.
Justine Cavallo drehte sich. Weit lag das Opfer nicht entfernt. Zwei Schritte nur. Aber das stimmte nicht, denn der blutleere Russe war verschwunden.
Für Justine Cavallo begann eine mörderische Jagd ...
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Seitenzahl: 117
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Der rollende Tod
Jason Dark’s Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Boris Ryaposov; LightField Studios; Isabell Schatz; hanohiki/shutterstock
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7663-0
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der rollende Tod
Sie war satt, sehr satt sogar. Bis zum letzten Tropfen hatte sie das Blut des Mannes genossen. Jetzt musste noch vollendet werden, was sie begonnen hatte. Er musste getötet werden, damit er später nicht als Vampir durch die Lande zog.
Justine Cavallo drehte sich um. Das Opfer der Vampirin lag nicht weit entfernt. Eigentlich. Im Dämmerlicht hätte sie den Mann erkennen können. Doch da war nichts mehr. Der blutleere Mann war verschwunden …
»Also doch«, sagte Erich Müller, »das ist er.«
Victor Reich, der fuhr, hielt an. »Wo genau?«
»Vor den Bäumen.«
Reich sagte nichts. Er musste den Kopf ein wenig drehen und nickte dann.
»Und? Was meinst du?«
»Du hast recht, Kollege, wirklich. Das muss er sein.«
»Okay. Und was machen wir jetzt?«
»Das kann ich dir auch nicht sagen. Unseren Job vielleicht?«
»Wenn du meinst.«
Dann schwiegen beide. Victors Vorschlag war naheliegend, doch sie fühlten sich beide unwohl, obwohl es keiner aussprach. Sie waren keine Polizisten, sondern Männer vom Ordnungsamt. Deshalb trugen sie auch keine Waffen, und so war ihnen etwas mulmig zumute. Denn obwohl sie zu zweit waren, betrachteten sie ihre Zielperson mit Vorsicht.
»Ein Callboy?«, murmelte Erich Müller fragend.
»Genau.«
»Sind die gefährlich?«
»Keine Ahnung. Ich habe nur gehört, dass sie wie Nutten sind. Und die sind im Normalfall auch nicht gefährlich, oder?«
»Ich glaube nicht.«
»Wir müssen uns entscheiden. Entweder gehen wir hin oder lassen es bleiben.«
»Wir gehen!«, entschied Müller.
Obwohl es noch nicht ganz dunkel war, schnappten sie sich ihre Taschenlampen, stiegen aus und marschierten los. Es war noch angenehm warm, deshalb spürten sie die kühle Luft, die aus dem Wald vor ihnen kam. Wer hier parkte, der wartete nicht auf Kundschaft, der wollte übernachten. Der Wagen ihres Zielobjektes war schon mehrere Male als Falschparker aufgefallen. Da war auch bei dem Mann kassiert worden. Anscheinend nicht oft genug. Er versuchte es immer wieder. Fragte sich nur, warum er trotzdem nicht Leine zog. Das wollten sie jetzt ein für alle Mal klären.
Nebeneinander gingen die Männer auf das Wohnmobil zu. Sie wollten an der Fahrertür anklopfen, und wer jetzt einen Blick in die Gesichter der Männer geworfen hätte, der hätte gesehen, dass sie nicht eben begeistert waren.
Erich Müller erreichte die Fahrertür als Erster. Er blieb stehen und versuchte, einen Blick in den Wagen zu werfen. Der Wagen schien leer zu sein.
»Und?«, fragte Reich.
»Ich sehe nicht viel. Vor allen Dingen keinen Fahrer.«
»Wo könnte er denn sein?«
»Keine Ahnung. Vielleicht schläft er ja hinten im Wagen. Wir sollten nachschauen.«
»Vorausgesetzt, er hat die Tür nicht abgeschlossen.«
»Er ist ein Callboy, der auf Kunden wartet. Typen wie er machen die Tür nicht zu.«
»Du kennst dich aus.«
»Immer.« Der Mann griff nach der Türklinke. Dann der Ruck nach vorn, und plötzlich schwang die Tür auf.
Beide Männer schauten sich an. Sie schienen überrascht zu sein und waren noch überraschter, als sie die Männerstimme hörten.
»Kommt doch rein, keine falsche Scham.« Die Stimme kam aus dem hinteren Teil des Wohnmobils und klang wenig einladend.
Beiden war unwohl. Erich Müller tat das für sie einzig Richtige.
»Nein, Sie kommen an die Tür. Wir sind vom Ordnungsamt Freiburg, und wir wissen, dass Sie schon einige Male aufgefordert wurden, sich mit Ihrem Wohnmobil von diesem Ort zu entfernen.«
»Ja, das stimmt.«
»Dann werden Sie das jetzt tun. Aber zuvor werden wir Ihnen fünfzig Euro abnehmen, denn Sie sind ein Wiederholungstäter.«
»Ich komme gleich.«
»Gut. Wir warten.«
Victor Reich schüttelte den Kopf. »Verdammt noch mal, das ist kein Deutscher.«
»Habe ich auch an der Aussprache gehört.« Müller zuckte mit den Schultern. »Ich denke an den Osten oder an den Südosten von Europa.«
»Ja, ich auch.«
Dann hörten sie ihn kommen.
Er war groß. Er musste sich beim Gehen bücken. Und am meisten fielen die blonden Haare auf, die bis auf die breiten Schultern fielen. Seine Hose und die Jacke waren aus Leder. In seinem Gesicht lag ein harter Ausdruck, und der war auch nicht aus seinen Augen verschwunden. Wer ihn ansah, der schien in Pupillen aus Eis zu schauen.
»So Freunde, was gibt’s?«
Erich Müller nickte, obwohl ihm nicht wohl war. »Sie parken hier Ihr Wohnmobil an einer Stelle, an der Sie es nicht dürfen. Es gibt genügend andere Stellplätze, an dem Sie ihrem Geschäft nachgehen können.«
»Das weiß ich.«
»Dann entfernen Sie sich bitte.«
»Nein, auf keinen Fall. Mir gefällt es hier. Und ich kann euch Kasperle-Figuren einen guten Rat geben. Haut ab, bevor es zu spät ist.«
»Hören Sie.« Müller schnappte nach Luft. »In so einem Ton lassen wir nicht mit uns sprechen.«
»In welchem denn?«
Miller wollte etwas erwidern, aber sein Kollege hielt ihn zurück.
»Lass gut sein, Erich. Wir gehen.«
»Ich lasse mich nicht beleidigen.«
»So ein Pech«, hörten sie die Stimme des Blonden. »Jetzt müsst ihr leider hierbleiben.«
»Und warum können wir nicht gehen?«
»Ganz einfach. Weil ich mit euch noch nicht fertig bin. Ich bedanke mich schon jetzt.«
»Und wofür?«
»Dass ihr gekommen seid.« Der Blonde lachte und riss dabei den Mund auf. Als die beiden Männer die ungewöhnlichen Zähne sahen, wussten sie, dass es nicht ihr Tag war.
Sie kamen allerdings nicht dazu, groß Fragen zu stellen, denn jetzt zeigte der Blonde, was in ihm steckte. Er holte mit der verdeckten Rechten aus, und wie aus dem Nichts spürte Müller den Treffer, der ihn von den Beinen riss. Nie zuvor in seinem Leben hatte er derartige Schmerzen in seinem Kopf gespürt. Benommen lag er auf dem Boden, als er noch einen weiteren Tritt gegen den Schädel erhielt.
Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann war Erich Müller im Reich der Dunkelheit verschwunden.
Auch Victor Reich hatte kein Glück. Zwar versuchte er noch zu fliehen, doch nach wenigen Metern erhielt er einen gewaltigen Tritt in den Rücken. Der schleuderte ihn nach vorn, und es war ihm unmöglich, sich auf den Beinen zu halten. Der Aufprall auf dem harten Boden war heftig.
Er wollte wieder hoch. Schaffte es nur bis zur Hälfte. Da erwischte es auch seinen Kopf, und innerhalb weniger Sekunden verlor er sein Bewusstsein.
Erst jetzt war der Blonde zufrieden. Er rieb sich die Hände und lächelte – und spürte zugleich einen wahnsinnigen Durst nach Menschenblut …
☆
Erich Müller und Victor Reich ging es schlecht. Beide waren aus der Bewusstlosigkeit erwacht und versuchten sich zu orientieren. Sie merkten sehr schnell, dass sie nicht mehr draußen lagen, sondern im Innern eines Zimmers, in dem die Luft stickig war. Außerdem war da noch ein Geruch, der Müller irgendwie bekannt vorkam, aber er kam einfach nicht darauf, woher er stammte.
Die Männer lagen auf dem Rücken. Wenn sie ihre Köpfe etwas drehten, sahen sie die beiden Lampen, die von den Seiten her ihr Licht in die Mitte schickten.
Geblendet wurden sie nicht. Aber ihre Sicht war nicht besonders, und das lag an der drückenden Enge in ihrer Umgebung.
Jedenfalls lagen sie nicht auf der Erde, sondern auf einer weichen Unterlage. Möglicherweise eine Matratze.
»Und jetzt?«, flüsterte Erich Müller. »Wie stark fühlst du dich, Partner?«
»So stark, wie du dich fühlst.«
»Also beschissen und mit Schmerzen.«
»Genau das ist es.«
Die Männer schwiegen, weil sich vor ihnen ein Schatten bewegte, der auf sie zukam. Sie lagen auf dem Rücken, sahen ihm entgegen, und beide merkten, dass die Angst in ihnen hochstieg, denn die Unperson war mit einem Messer bewaffnet, dessen Stahl die Form einer zuckenden Flamme aufwies. Aber hier gab es nichts mehr zu rätseln, hier wusste jeder, was Sache war.
Die Männer kannten den Mann. Es war der Callboy, der außen an der Seite des Wohnmobils gelehnt und sie eiskalt ins Reich der Träume geschickt hatte.
Victor Reich sah ihn fragend an. Er sprach leise und dabei mit zitternder Stimme.
»Was soll das hier werden?«
Der Blonde stutzte, lachte laut auf und entgegnete: »Ratet doch mal.«
»Ich habe keine Lust auf solche Spiele. Sagen Sie einfach, was passieren wird!«
»Okay, damit habe ich keine Probleme. Ihr werdet einen besonderen Tod sterben.«
Jetzt hatten sie die Wahrheit gehört, und sie schwiegen betroffen. In dieser Umgebung kamen sich beide vor wie in einer dumpfen Vorhölle.
Der ganz in Schwarz gekleidete Typ hatte sich so hingestellt, dass er gut im Bild stand. Was sie sahen, bereitete ihnen große Sorgen, besonders weil der Typ seinen Mund nicht geschlossen hielt und seine beiden spitzen Zähne zu sehen waren, die wie zwei kleine kompakte Pfeile wirkten.
»Ihr wisst, wer ich bin?«
»Nein!«, flüsterte Erich Müller. »Ich kann Ihnen nur sagen, dass es besser für Sie wäre, wenn Sie uns freilassen würden. Wir sind staatliche Angestellte und besitzen fast den gleichen Schutz wie Polizisten.«
»Schön für euch. Aber das ist mir egal.«
Beide Männer hatten die Antwort gehört. Sie gefiel ihnen nicht, denn sie zeigte ihnen, dass die andere Seite keine Gnade kannte. Sie hatte ihren Plan und würde ihn auch durchziehen.
»Ich will euch noch meinen Namen sagen. Ich heiße Ivan Marow und werde derjenige sein, der euer Blut trinken wird. Aber keine Sorge, ich werde meine Zähne nicht in euren Hals schlagen. Ich werde euch so gut wie nicht berühren, und aus diesem Grunde werdet ihr auch nicht zu Vampiren werden. Ihr werdet einfach sterben. Das ist alles.«
Die beiden Männer schwiegen. Was sie da gehört hatten, war kaum zu glauben. Der Typ hatte über ihren Tod gesprochen wie über eine kleine Gutenachtgeschichte für Kinder.
Aber hier ging es um Mord, und dieser Marow schien nicht zu spaßen.
Er ließ seine Worte wirken und wartete ab. Er blickte die beiden Männer direkt an, denn er weidete sich an ihrer Angst. Bald würde er seinen Blutdurst stillen können.
Noch zögerte er. Das Messer legte er nicht aus der Hand. Er wollte die beiden zappeln lassen. Genussvoll streckte er seine Zunge aus dem Mund.
Aber das war nicht alles. Es war nur ein Vorspiel für das, was kommen sollte, denn jetzt hob Marow seine Hand mit dem Messer an und brachte die Klinge in die Nähe seiner Zunge.
Danach erfolgte der kurze Schnitt.
Müller und Reich zuckten zusammen. Vor allem als sie sahen, dass kaum Blut aus der Zungenwunde drang.
Der Russe zog die Zunge wieder zurück. »Na, habt ihr gut aufgepasst?«, fragte er, bevor er anfing zu lachen. »Kein Blut. Da könnt ihr sehen, wie ausgetrocknet ich bin. Doch das wird sich ändern. Dank euch. Ihr werdet mich wieder satt machen.«
Das war alles. Er hatte genug gesagt. Und die beiden Männer wussten, dass sie keine Chance hatten, denn dieser bösartige Killer war stärker. Sie dachten auch nicht darüber nach, dass er die langen Blutzähne gezeigt hatte, denn jetzt ging es einzig und allein um ihr Leben.
Wichtig war das Messer, das vor ihnen in der Luft schwebte. Nur nicht mehr lange, da stieß der Blutsauger zu.
Und er traf genau dort, wo er auch hatte treffen wollen. Es war die Schlagader unter dem Hals. Das Blut floss weiter, nur blieb es jetzt nicht mehr im Körper, sondern strömte mit der Urgewalt einer Fontäne nach draußen.
Genau das hatte der Vampir beabsichtigt. Längst kniete er vor dem Opfer, beugte sich jetzt vor, öffnete den Mund und trank mit gierigen Schlucken vom Blutstrom.
Das genau war es, was er wollte. Sein wohliges Stöhnen war gut zu hören. Es übertönte das schmerzvolle Jammern des Mannes mit dem Namen Erich Müller.
Sein Kollege lag nicht weit entfernt und musste alles mit ansehen. Er wollte etwas sagen, doch das war ihm nicht möglich. Die Angst hatte ihn stumm gemacht.
Der Vampir trank weiter. Es war herrlich, so belebend, und es schmeckte ihm verdammt gut. Beim Trinken schmatzte er laut, während der Lebenssaft Erich Müller verließ.
Lebte Erich noch?
Es war sein Kollege Victor, der sich diese Frage stellte. Dabei überkam auch ihn das große Zittern und als er ein Stöhnen hörte, da wusste er, dass es der letzte Laut war, den er von seinem Freund hören würde. Für ihn musste es vorbei sein.
Obwohl es ihm schwerfiel, drehte sich Victor zur Seite. Er wollte es mit eigenen Augen sehen – und sah seinen Freund leblos auf dem Rücken liegen. Vor ihm stand sein Mörder. Er war dabei, sich über die Lippen zu lecken, um sich die letzten Blutstropfen einzuverleiben.
Jetzt hatte er Gewissheit. Sein Freund Erich Müller lebte nicht mehr.
Man hatte sein Blut getrunken. Als blutleere Leiche lag er auf dem Boden des Fahrzeugs.
Und ich?, dachte Victor.
Auf eine Antwort musste er nicht lange warten. Er bekam sie von dem Vampir.
Der kam näher und blieb vor ihm stehen. Dann senkte er fast zärtlich seinen Kopf und sagte mit einer beinahe sanft klingenden Stimme: »Ich habe noch Hunger.« Ein rasselndes Lachen folgte. »Und du wirst mich satt machen …«
☆
Victor Reich hatte den Satz nicht nur gehört, er hatte sich auch regelrecht in seinen Kopf eingebrannt. Er glaubte dem Blonden, der so eiskalt und grausam war.
Marow rieb seine Hände. Das Killermesser hatte er zur Seite gelegt. Jetzt nahm er es wieder an sich, ließ noch mal seine Zunge sehen und strich damit über die Schneide.
Jetzt war auf der Zunge Blut zu sehen. Es bildete einen langen Streifen, und der Vampir konnte ein Kichern nicht unterdrücken. Es passte zu ihm, denn es klang widerlich.
Victor bewegte sich nicht. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Außerdem war er zu schwach. Gegen einen Typen wie den Vampir brauchte man schon eine verdammt gute Kondition.
»Ja, dann lass mal deine letzten Gedanken hören«, erklärte der Vampir, »denn gleich ist alles vorbei.«