John Sinclair 2140 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair 2140 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Böses Erwachen

Spiegel können etwas Wunderbares sein. Viele Menschen sind zufrieden, wenn sie hineinsehen und ihr Gesicht betrachten. Andere wiederum nicht. Aber jeder muss damit zurechtkommen.
Doch es gab einen Spiegel, der war etwas Besonderes. Wer hineinblickte, sah nicht mehr sein Gesicht, sondern das eines Monsters, eine grausame Fratze. Da starrte dem Betrachter das Böse entgegen und machte ihn zu seinem Diener ...

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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Böses Erwachen

Jason Dark’s Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Augusto Peixoto und Rainer Kalwitz/Rainer Kalwitz

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8312-6

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Böses Erwachen

1. Teil

»Gehen Sie weiter, Madam, bitte.«

»Aber der Vorhang?«

»Den können Sie zur Seite ziehen. Das ist alles. Sie wollen doch IHN sehen.«

»Sicher, sicher …« Die Stimme hatte schon recht unsicher geklungen.

»Dann gehen Sie bitte weiter.«

Grace Hopper nickte, obwohl ihr plötzlich unwohl war. Innerhalb von Sekunden stellte sie ihr Vorhaben infrage, aber sie wusste auch, dass es kaum ein Zurück gab …

Das war nicht ihre Umgebung. Der alte Laden, der Geruch der kaum zu beschreiben war, und auch der Typ, dem der Laden gehörte.

Er nannte sich Rasmus. Ob das sein richtiger Name war, das wusste die Frau nicht, aber er war ihr unsympathisch. Klein von der Gestalt her, grauhaarig und mit einem verschlagenen Blick bedacht.

Grace Hopper bereute es, den Weg in diesen Laden gefunden zu haben, aber die Neugierde auf das Objekt war stärker gewesen.

Sie hatte ein ungewöhnliches Hobby, denn sie sammelte Spiegel. Und dieser Rasmus sollte einen der ungewöhnlichsten Spiegel besitzen, die es auf der Welt gab. Daran war die Frau interessiert.

Über den Preis wusste sie nichts, aber sie würde sich schon mit dem Verkäufer einig werden. Außerdem wusste sie, dass dieser Spiegel nur Eingeweihten bekannt war. Antiquitäten-Freunden, und es hatte schon lange gedauert, bis Grace in diesen Kreis aufgenommen worden war.

Nun gehörte sie dazu und würde den Spiegel bald mit eigenen Augen sehen können. Wenn andere über ihn gesprochen hatten, dann meist nur flüsternd, damit sie nicht gehört wurden.

Grace Hopper verspürte den leichten Druck im Rücken und hatte das Gefühl, von einem Knochenfinger berührt worden zu sein.

»Was ist? Wollen Sie den Vorhang nicht öffnen? Wollen Sie den Spiegel nicht sehen?«

»Doch, doch.«

»Dann ziehen Sie den Vorhang zurück.«

»Natürlich. Klar.« Eine Hand hatte Grace Hopper bereits in den dunklen Stoff gekrallt, der nicht eben angenehm roch. Er steckte voller Staub, und die Frau schüttelte unwillkürlich den Kopf.

Das war eine Umgebung, die sie als fremd ansah, und wenn sie den Typen betrachtete, der hinter ihr stand und hechelnd atmete, dann hätte sie am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre verschwunden.

Das war jetzt zwar noch möglich, aber sie wollte es nicht und sagte sich, dass dieses Hindernis von Mensch auch bald nur noch Vergangenheit war. Wenn ihr der Spiegel gefiel, dann war Grace Hopper auch bereit, jede Menge Geld dafür zu bezahlen.

Ihre Hand zog den Stoff nach links. Der Vorhang glitt zur Seite und gab die Sicht frei auf einen kleinen Raum, den man schon mehr als Kammer bezeichnen konnte.

Und da war er, der Spiegel!

Er hing an der gegenüberliegenden Wand, hatte einen normalen Rahmen, der leicht golden schimmerte.

Und da gab es noch die Fläche!

Angeblich sollte der Spiegel sehr alt sein, dem Rahmen war das nicht anzusehen, und auch die Spiegelfläche war wunderbar blank und klar. Grace Hopper sah sich perfekt in dieser quadratischen Fläche.

Ja, völlig normal, aber eine so klare Sicht hätte sie der Spiegelfläche nicht zugetraut.

»Und?«, flüsterte hinter ihr die Stimme des Kerls. »Was sagst du zu diesem Anblick? Er ist fantastisch. Ihr beide werdet euch gut verstehen.«

»Wie meinen Sie das denn?«

»Abwarten …«

Mit dieser Antwort konnte die Frau nicht viel anfangen. Sie ging auch nicht auf die letzten Worte ein, sondern versuchte, sich auf die Gegebenheiten zu konzentrieren.

Da war der Spiegel. Er hing völlig normal an der Wand. Und er hing allein dort. Um ihn herum malte sich nichts ab. Kein Bild, keine Zeichnung, rein gar nichts. Nur eine graue Wand, die vielleicht mal weiß gewesen war.

Grace bewegte sich nicht. Sie starrte in den Spiegel und hielt die Lippen zusammengepresst. Dabei dachte sie daran, dass sie so heiß auf diesen Gegenstand war. Oder gewesen war, denn jetzt kamen ihr Zweifel.

Sie fragte sich, ob sie den Spiegel wirklich wollte. Okay, sie sammelte Spiegel, alte zumindest, aber dieser hier war völlig normal. Zu normal. Sie fragte sich, was ihre Bekannte ihr da erzählt hatte. Dieser Spiegel war nichts Besonderes, und doch hatte sie die Mühen aufgenommen, um ihn zu sehen.

Ja, zu sehen. Sie sah sich selbst. Das gescheitelte und kurz geschnittene Haar hatte eine leicht graue Färbung bekommen. Sie war künstlich und entsprach nicht dem Alter. Das Gesicht war glatt, die hohe Stirn fiel auf. Bei näherem Hinsehen auch der weiche Mund und die blauen Augen.

Genau das sah sie auch in der Spiegelfläche. Nichts anderes, und sie konnte wirklich mit ihrem Aussehen zufrieden sein, wäre da nicht das schwache Zucken gewesen.

Und das in ihrem Gesicht!

Oder? Vielleicht ein Irrtum?

Nein, sie sah es an der Stirn. Dort zuckte sie Haut nicht nur, sie war dabei, zu reißen.

In diesem Augenblick begriff Grace, dass sich etwas Fürchterliches ereignete.

Nicht mit ihr, sondern mit ihrem Spiegelbild. So richtig wollte sie daran nicht glauben, hob den rechten Arm und fuhr mit ihren Fingern über die eigene Stirn.

Da gab es nichts. Sie war glatt wie immer. Wie die Stirn auf dem Spiegelbild, aber sie war nicht nur durch die Haut glatt, sondern durch den blanken Knochen …

Das kann nicht sein. Das darf nicht sein!

Das war einfach zu furchtbar.

Und doch eine Tatsache.

Grace Hopper starrte gegen den Spiegel und musste mit ansehen, dass sich auch ihr Gesicht tatsächlich veränderte. Sie war immer stolz darauf gewesen und auch auf Kommentare wie: »Dein Alter sieht man dir wirklich nicht an«, aber jetzt konnte sie das vergessen.

Grace war dabei, ihr Gesicht zu verlieren. Es floss weg wie ein Schemen, die Nase fehlte bereits. Denn wo sie hätte sitzen müssen, gab es nur ein Loch. Die Lippen waren nicht verschwunden, aber aufgerissen, die einzelnen Fetzen standen nach oben und unten hin ab. Das alles passte auch zu den leeren Augenhöhlen, die sogar eine besondere Tiefe hatten.

Und dann gab es noch den Mund. Er bildete auch ein Loch, von der Form her nur eiförmig. Aber die spitzen Zähne malten sich darin sehr genau ab. Unten wie oben. Wer einen Biss dieser Zähne erlebte, der war nicht mehr zu retten.

Grace stand vor dem Spiegel und schaffte es kaum, normal zu atmen. Die schaurige Fratze jagte ihr eine Angst ein, die sie bisher noch nie in ihrem Leben gehabt hatte.

Sie traute sich kaum, ihre Hand zu heben und nach ihrem Gesicht zu fühlen. Der Arm sackte wieder nach unten, danach stand sie starr und sagte nichts.

Sie atmete nur, schüttelte den Kopf, und jetzt sah sie, dass die Fratze im Spiegel diese Bewegung mitmachte.

Das war zu viel für Grace Hopper. Sie schlug die Hände vors Gesicht und ging zur Seite. Einige zögerliche Schritte nach links, dann blieb sie stehen und ließ die Arme wieder sinken.

Grace Hopper sah nicht in den Spiegel, sondern in eine andere Richtung. Sie musste sich erst mal beruhigen.

Jetzt kam ihr auch der Gedanke an Rasmus. Sie hatte ihn in den letzten Minuten vor dem Spiegel nicht gesehen, aber sie glaubte nicht daran, dass er sich aus dem Staub gemacht hatte. Deshalb gab sie sich einen Ruck und drehte sich.

Sie sah ihn. Er wirkte fast lustig, als sie ihn erblickte. Er hockte gekrümmt auf einem Stuhl, und jetzt konnte sie erkennen, dass der Mann einen Buckel hatte.

Seine Augen waren weit geöffnet. Den Mund hatte er zu einem Grinsen verzogen, und er stellte eine Frage.

»Na, wie hat Ihnen der Spiegel gefallen?«

Grace schluckte. Sie schüttelte den Kopf. Wollte etwas sagen, was sie nicht schaffte. Als sie den Atem ausstieß, klang es wie ein schwaches Pfeifen. Die Frage hatte sie so geschockt, dass sie keine Antwort geben konnte.

»Wollen Sie ihn kaufen?«

Erst jetzt brach bei Grace Hooper der Damm. »Nein, nein!« Sie lachte scheppernd. »Nein, das auf keinen Fall. Ich kaufe keine Dinge, die verflucht sind. Und dieser Spiegel ist verflucht, das kann ich beschwören.«

Rasmus verzog den Mund. »Wieso?«

Grace schnappte nach Luft. Diese Frage hätte sie nicht erwartet. Sie kam sich richtig verarscht vor und schüttelte wütend den Kopf.

»Bitte, was meinen Sie damit?« Rasmus ließ nicht locker.

»Ja, ja, ich habe mich darin gesehen.«

»Dann ist ja alles gut.« Er kicherte, denn er schien genau Bescheid zu wissen.

»Nein, verdammt, nichts ist gut. Mein Gesicht veränderte sich. Alles Menschliche verschwand, und es wurde zu einem Monster.«

»Wirklich?«

Grace zuckte zusammen. Dann war es mit ihrer Beherrschung vorbei. Die Hände ballte sie zu Fäusten und brüllte dem Zwerg ihre Antwort zu.

»Verdammt noch mal. Ich lüge hier nicht. Ich habe mein eigenes Gesicht im Spiegel nicht mehr gesehen. Stattdessen starrte ich ein Monster an. Eine widerliche Fratze. Da kann es mich nur schütteln. Das bin ich nicht gewesen …«

Er unterbrach sie. »Aber Sie haben doch in den Spiegel geschaut. Oder nicht?«

»Habe ich.«

»Soll der gelogen haben?«

»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das glaube ich aber. Jedenfalls sieht mein Gesicht nicht so aus wie die verfluchte Fratze innerhalb der Spiegelfläche.« Sie atmete aus und schwieg.

Rasmus nickte. Dann stand er auf. Viel größer wurde er nicht. Er war eben eine Sitzgröße. Als er ging, sagte er nichts, sondern lächelte nur irgendwie wissend.

Rasmus erreichte eine Stelle, wo eine Fußbank stand. Sie schob er sich zurecht und stellte sie so hin, dass er, wenn er auf sie stieg, einen Blick in den Spiegel werfen konnte.

Er sah sich. Er schüttelte den Kopf und verfolgte die Bewegung auch im Spiegel. Es gab da nichts, was ihn störte. Auch sein Gesicht nicht. Es war so vorhanden wie immer.

Dann winkte er seiner Besucherin zu. »Kommen Sie her. Sehen Sie sich das an.«

Grace zögerte noch. Sollte sie? Sollte sie nicht? Wollte man sie reinlegen?

Das trieb sie aus ihrem Kopf, gab sich einen Ruck und ging dorthin, von wo sie auch in den Spiegel blicken konnte und sie ein bestimmtes Bild in der Fläche sah.

Es war ein Kopf. Und der gehörte Rasmus. Deutlich zu erkennen, auch an seiner dicken Nase.

»Und?«, fragte er und grinste dabei.

Grace Hopper wusste zuerst nicht, was sie sagen sollte. Sie nickte dann und erklärte mit leiser Stimme, dass sie die Wahrheit im Spiegel sah.

»Das ist gut.« Rasmus lächelte. »Eine Frage habe ich: Wollen Sie den Spiegel denn jetzt kaufen? Ich weiß, dass Sie wegen ihm hergekommen sind.«

Grace hätte mit allem gerechnet, nur nicht mit einer derartigen Frage. Sie war fast geschockt, schnappte nach Luft und schüttelte heftig den Kopf.

»Also nicht?«

»So ist es. Sie können den Spiegel behalten. Er … er … ist nicht mein Ding.«

»Ja, das habe ich gemerkt.« Er sagte nichts von der Veränderung, und auch Grace sprach dieses Thema nicht an. Sie dachte an etwas anderes. Sprach es aus.

»Ich werde wieder gehen.«

Der Händler stand auf. »Wollen Sie sich bei mir nicht noch ein wenig umschauen? Könnte ja sein, dass Sie etwas anderes finden, was Ihnen gut gefällt.«

»Nein, das möchte ich nicht.«

Rasmus nickte. »Gut, das ist Ihre Entscheidung. Ich will Sie da nicht aufhalten. Aber Sie sollten noch mal nachdenken, was den Spiegel angeht. So einen finden Sie so schnell nicht wieder.«

»Ja, das glaube ich Ihnen.« Sie fügte nichts mehr hinzu, warf dem Spiegel einen letzten Blick zu und machte sich dann auf den Weg. Erst an der Tür verschwand die Gänsehaut von ihrem Rücken.

Sekunden später hatte sie den Laden verlassen. Die kalte Winterluft erwischte ihr Gesicht. Es schneite nicht. Nur ein paar wenige Regentropfen fielen noch aus den tiefen Wolken.

Grace Hopper musste über einen Hof gehen, um ihr Auto zu erreichen, das dort in der Nähe der Straße parkte.

Der rote Ford Focus wirkte wie ein Farbklecks in der grauen Umgebung. Es war nichts mit ihm passiert. Darüber freute sich die Frau und stieg ein.

Hier atmete sie ein und aus. Dass die Scheiben beschlugen, störte sie im Augenblick nicht. Ein gewisses Glücksgefühl durchströmte sie und hinterließ ein breites Lächeln.

Was war jetzt zu tun?

Bleibe ich am Ball, oder vergesse ich das Ganze?

Sie wusste noch nicht, wohin sie tendieren sollte, aber es war schon komisch, wenn sie alles auf sich beruhen lassen sollte. Dieser Rasmus sah zwar harmlos aus, aber sie stufte ihn schon als gefährlich ein. Als einer, der mehr wusste, als er zugab. Dagegen musste man eigentlich etwas tun.

Aber was?

Grace fühlte sich nicht stark genug. Wenn sie etwas unternahm, dann nicht ohne Unterstützung. Oder ohne den Ratschlag eines Menschen, dem sie vertraute.

Ja, den gab es.

Es war kein Mann, sondern eine Frau, die sie länger nicht gesehen hatte, auf die man sich aber verlassen konnte.

Sie hieß Sheila Conolly!

Bill Conolly stand in der offenen Haustür, sah ins Freie und verzog seine Lippen. Hinter sich hörte er seine Frau Sheila, die sich leicht räusperte.

Bill drehte sich und verzog dabei die Lippen. »Willst du wirklich los?«

»Ja.«

»Bei diesem Wetter?«

»Es war so abgemacht. Außerdem regnet es Tropfen und keine kleinen Hunde.«

Bill gab nicht auf. »Ja, ja, das schon, Sheila, aber die Person, die dich treffen will, die kennst du doch nicht.«

»Falsch, mein Lieber. Ich kenne sie. Ich habe nur lange nichts mehr von ihr gehört.«

»Das meine ich auch. Und was kann sie dir schon sagen? Bestimmt nichts Wichtiges.«

»Warum hat sie dann angerufen?«

»Das frage ich mich auch.«

Sheila ging auf ihren Mann zu. »Ich kam mir ja mal anhören, was sie zu sagen hat. Außerdem treffen wir uns nicht in irgendeiner Höhle, sondern in einem Café, das erst vor Kurzem eröffnet hat, und sehr angenommen wurde mit seinem Wiener Charme.«

»Okay, okay. Geh hin und höre dir an, was sie zu sagen hat. Kann auch sein, dass es was Tolles ist.«

»Davon gehe ich aus. Mit einem einfachen Blabla werde ich mich nicht abspeisen lassen. Daran glaube ich auch nicht, und ich werde die Tube nehmen und meinen Wagen an der Haltestelle parken. Ist das genehm, Mister Conolly?«

»Es ist mir immer angenehm. Wie du auch.«

»Okay, dann bis heute Abend.«

»Mach’s gut.«

Sheila verließ das Haus, warf einen Blick in den grauen Himmel und konnte sich auch etwas Besseres vorstellen, als bei diesem Wetter unterwegs zu sein. Aber sie hatte dem Treffen zugesagt, und das Versprechen würde sie halten.

Sie ging zum Wagen, mit dem sie nur eine kurze Strecke fahren würde.

Sie würde ihn an der Station der U-Bahn abstellen. Quer durch halb London wollte sie nicht. Ihr Treffpunkt lag in der City, wo sich der Verkehr immer wieder verdichtete. Dem wich sie aus, wenn sie mit der Tube fuhr.

Sie bekam sogar einen Sitzplatz in der Bahn und überlegte, was Grace Hopper wohl von ihr wollte.

Die Frau gehörte nicht zu ihrem engeren Freundeskreis. Getroffen hatten sie sich in der Regel beim Friseur und sich dort ausgetauscht.

Sheila hatte von ihrem Privatleben nicht viel erzählt, nur hatte sie zugegeben, dass sie und ihr Mann sich schon in wirklich ungewöhnlichen Situationen befunden hatten. Dass Sheila auch mit Dingen konfrontiert worden war, vor denen andere Menschen Respekt hatten. Den exakten Grund des Treffens hatte Grace Hopper nicht erwähnt, aber sie würde schon ihre Gründe haben, das stand fest.

Unter der Erde glitten sie weiterhin der City of London entgegen, in der das Café lag. Dort gab es den meisten Umsatz, denn in diesem Bereich wimmelte es von Menschen.

Auch der Wagen hatte sich mittlerweile gefüllt, und die Luft wurde immer schlechter. So war Sheila Conolly froh, die Tube verlassen zu können.

Weit musste sie nicht gehen. Auch in der City wehte ein scharfer Sommerwind, der in ihr Gesicht biss. Sie drückte ihren Kragen höher, und wenn sie anderen Passanten beobachtete, dann sah sie, dass diese nicht glücklich aussahen, was bestimmt am Wetter lag. Sie hätten um diese Jahreszeit lieber schönstes Sommerwetter gehabt.

Café Wien, so hieß das Lokal. Die Buchstaben standen als Schreibschrift über dem Eingang. Die Tür war geschlossen. Aufgrund des dunklen Glases war ein Hineinschauen durch die Fenster nicht so leicht möglich.

Sheila stieß die Tür auf und musste nach Luft schnappen. Ihr kam der Raum überheizt vor. Dann ging sie in die Mitte des Raums, in den ein Springbrunnen stand. Aus dem Mund einer liegenden Frau schoss ein Wasserstrahl in die Höhe und wurde in der Luft zu einem Fächer, bevor die Strahlen wieder zurück in den Brunnen klatschten.

Sheila Conolly bewegte suchend ihren Kopf. Da entdeckte sie ihre Bekannte schon. Sie saß allein an einem der runden Tische mit den gedrechselten Beinen und winkte ihr zu.

Sekunden später umarmten die beiden Frauen sich, und Sheila hörte den ersten Satz.

»Bin ich froh, dass du gekommen bist.« Das hatte verdammt echt geklungen. »Setz dich bitte.«

Die beiden Frauen nahmen ihre Plätze ein. Sheila sah, dass Grace Hopper Kaffee bestellt hatte. Das tat sie auch und ließ sich außerdem noch ein Kipferl kommen. Ein Glas Wasser bekam man dazu.

Sheila hörte die allgemeinen Fragen, wie es ihr wohl ging und so weiter. Sagte selbst kaum etwas, sondern beobachtete die Frau, die ihr gegenüber saß.

Sie machte einen gehetzten Eindruck, den sie nicht ganz überspielen konnte, und so war Sheila noch gespannter auf den Grund des Treffens.

Nach dem ersten Bissen hatte sie noch immer nichts erfahren, dann aber hielt sich Grace Hopper nicht länger zurück.

»Ich habe da ein Problem, Sheila.«

»Das habe ich mir gedacht. Um was geht es?«

Die Frau gab keine direkte Antwort. »Sheila, du bist doch ein Mensch, der mit zahlreichen Problemen überfrachtet worden ist. Was du alles erledigst, das wäre nichts für mich. Da käme ich nur durcheinander.«

»Alles eine Einteilung der Zeit.«

»Mag sein, aber ich schaffe das nicht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass wir hier zusammen an einem Tisch sitzen können.«

Sheila wiegte den Kopf. »Das hört sich aber sehr nach einem Hilferuf an.«

»Stimmt.«

»Und was ist das für ein Problem?«

Grace Hopper atmete ein und auch wieder aus. Dabei verzog sie ihre Lippen und machte auf Sheila den Eindruck einer Person, die Mühe hatte, sich auf das zu konzentrieren, was wichtig war. Sheila drängte sie auch nicht. Sie sollte mit der Wahrheit herauskommen und keinen Druck verspüren.

Grace hatte den Blick gesenkt. Sie zuckte mit den Schultern und sagte dann mit leiser Stimme: »Es geht um einen Spiegel.«

»Bitte?«

Grace hob den Kopf. »Ja, um einen Spiegel. Ob du es glaubst oder nicht.«

»Aber wieso das denn?« Sie fragte weiter. »Hast du einen Spiegel erworben?«