John Sinclair 2149 - Oliver Müller - E-Book

John Sinclair 2149 E-Book

Oliver Müller

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Beschreibung

Schule des Grauens

Ich seufzte, als ich den Papierkram in meinem Büro sah. Wie sollte ich in dieses Chaos jemals Ordnung bringen?
Doch dann fiel mein Blick auf den Bericht eines Kollegen aus der Abteilung, die Entführungen aufklärte. Ich fragte mich zunächst, was der auf meinem Schreibtisch zu suchen hatte - bis ich über einen Satz stolperte, den ich nach erstem Lesen wiederholte und dabei laut aussprach.
"Deine Seele für die Hölle ..."

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Seitenzahl: 158

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Inhalt

Cover

Impressum

Schule des Grauens

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: JPagetRFPhotos; Aunging; Inked Pixels/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8479-6

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Schule des Grauens

von Oliver Müller

Etwas war in sein Reich eingedrungen. Die magische Sicherung, die sein Refugium umspannte, hatte ihm ein eindeutiges Zeichen gegeben. War es ein neues Opfer? Es wäre der perfekte Zeitpunkt, denn die Zeit lief ab. Er brauchte neue Energie. Und er würde sie sich holen …

Kurz zuvor

Lenny Baxters Lungen brannten. Schweiß lief ihm aus den blonden, verklebten Haaren über die Stirn und in die Augen, sodass seine Sicht verschwamm. Er warf einen Blick über die Schulter, vorbei an dem Schultornister, der bei jedem Schritt hart gegen seinen Rücken schlug.

Niemand zu sehen. Hatte er es geschafft?

Er war sich nicht sicher, verlangsamte sein Tempo aber leicht, denn ihm ging immer mehr die Luft aus. Vielleicht hatte es ja tatsächlich geklappt, und Steven und Tim hatten seine Spur verloren. Er hatte absichtlich nicht den direkten Weg nach Hause genommen, denn den kannten seine beiden Klassenkameraden natürlich. Auch wenn heute von Kameradschaft nicht viel zu spüren war. Und das alles nur wegen dieser dämlichen Mathearbeit!

Steven und Tim hatten sie voll verhauen. Und dafür gaben sie ihm jetzt die Schuld! Das war doch lächerlich. Er hatte selbst gerade so eine Vier Minus hingekriegt, war also kaum besser als die beiden. Okay, bei Tim und Steven ging es um die Versetzung, aber das war doch kein Grund, ihm Schläge anzudrohen.

Tim und Steven sahen das anders. Er hatte zwischen ihnen gesessen und nicht auf ihre geflüsterten Fragen reagiert. Logisch, schließlich wollte er nicht selbst dabei erwischt werden, wie er ihnen half.

Als Tim ihm, nachdem er seine Arbeit zurückhatte, unter dem Tisch mit dem Ellbogen in die Seite geschlagen und ihm ins Ohr gezischt hatte: »Das ist deine Schuld, Baxter! Dafür verpassen wir dir eine Abreibung!«, wusste er, was ihm blühte.

Während der Pausen hatte er sich in der Nähe der Aufsicht gehalten, da war er sicher. Als dann der Gong die letzte Stunde beendet hatte, war er losgerannt. Steven hatte ihm noch hinterhergerufen, er solle stehen bleiben, aber das hatte ihn nur zu noch mehr Eile angetrieben.

Tim und Steven waren bereits einmal sitzen geblieben, also ein Jahr älter und auch deutlich stärker als er. Wie stark genau sie waren, wollte er lieber nicht feststellen.

Lenny sah sich um, als müsse er sich orientieren, wohin ihn seine Flucht geführt hatte. Verblüfft stellte er fest, dass er vor der Schule stand. Allerdings nicht vor der, auf die er ging. Er stand vor der Sutton International School, einer ehemaligen Privatschule, die schon vor vielen Jahren geschlossen worden war. Heute stand sie leer, und das Gebäude zerfiel langsam.

Lenny befand sich vor der Mauer, die das Gebäude umgab. Sie war noch ein Stückchen höher als er. Er ging einen Schritt zurück und legte den Kopf in den Nacken, dabei stellte er sich sogar auf die Zehenspitzen. Trotzdem konnte er nur den oberen Teil der alten Schule sehen.

Irgendwie wirkte sie düster auf ihn. Vielleicht lag das aber auch nur daran, dass seine Mutter ihm früher immer gesagt hatte, er dürfe auf keinen Fall dorthin gehen, denn dort würden Kinder verschwinden.

Damals war er klein gewesen und hatte nicht darüber nachgedacht, wie sie das meinte. Jetzt aber fragte er sich genau das. Viel Zeit zum Nachdenken blieb ihm aber nicht.

»Baxter!«

Lenny zuckte zusammen. Das war Stevens Stimme! Lenny sah nach links, denn von dort war die Stimme gekommen. Steven Mitchell bog gerade um die Ecke, ebenfalls reichlich verschwitzt und keuchend.

»Bleib endlich stehen!«, rief der Verfolger.

Lenny sparte sich eine Antwort. Er musste sofort weg. Wo war überhaupt Tim? Wo Steven war, war er meistens nicht weit.

Egal, er würde mit Sicherheit nicht darauf warten, dass er auftauchte.

»Wo willst du denn so eilig hin, Lenny?«

Das war Tim! Er musste die Schule auf der anderen Seite umrundet haben und stand plötzlich wie aus dem Nichts heraus hinter ihm. Verdammt, er hatte sich von Steven ablenken lassen. Tim Branson packte ihn, seine Hände schlossen sich wie Stahlklammern um seine Oberarme.

»Haben wir dich, Baxter!«

»Lass mich los, Tim!« Lenny versuchte, sich loszureißen, aber gegen den älteren Jungen hatte er keine Chance.

Böse sah der einen halben Kopf Größere ihn an. »Du hast wohl gedacht, du könntest abhauen und deiner Strafe entgehen, was?«

»Ich habe nichts gemacht«, verteidigte Lenny sich.

In dem Moment bekam er einen leichten Schlag gegen den Hinterkopf. Wahrscheinlich von Steven.

»Das sehen wir aber ganz anders. Schließlich hast du uns hängen lassen in der Arbeit.« Steven spuckte aus, direkt neben Lennys Füße. »Ein toller Freund bist du.«

Lenny war nicht klar, dass sie Freunde waren. Die beiden Sitzenbleiber hatten keine Freunde, sie schikanierten nur alle in der Klasse, darum legte er auch keinen Wert darauf, engeren Kontakt mit ihnen zu haben.

»Halt ihn fest«, forderte Tim Steven auf.

Der Angesprochene vergrub seine Hände seitlich in Lennys Tornister.

Tim ging einen halben Schritt zurück und holte aus, ein gemeines Grinsen auf den Lippen. Lenny sah schon die Faust auf sich zufliegen, als ihm die rettende Idee kam. Er ließ sich einfach in die Knie sacken, wobei er die Arme hob, damit sie aus den Tragegurten des Tornisters rutschten.

Tim konnte seinen Schlag nicht mehr stoppen, aber statt Lenny erwischte er Steven im Gesicht. Der heulte auf und presste sich die Hände vor die Nase. Blut rann zwischen den Fingern hervor, erkannte Lenny, der nicht hocken geblieben war, sondern sich direkt nach vorne geworfen und ein paar Schritte zwischen sich und seine Peiniger gebrachte hatte.

»Verdammte Scheiße!«, stieß Steven aus.

»Du kleine Ratte«, schrie Tim und sah sich nach dem Geflohenen um.

Für einen kurzen Moment flog Lennys Blick zwischen Tim, Steven und seinem auf dem Boden liegenden Rucksack hin und her. Konnte er ihn sich schnell greifen? Nein, dann würde er in die Reichweite der beiden Schläger gelangen, das wollte er lieber nicht riskieren. Stattdessen ergriff er die Chance, die sich ihm bot und rannte los.

»Hey! Bleib hier!«, brüllte Steven hinter ihm her.

»Lass ihn laufen«, sagte Tim. »Morgen in der Schule kann er uns nicht entkommen.«

Das alles hörte Lenny schon nicht mehr. Er rannte, so schnell er konnte, bis er um die Ecke der Schulmauer bog. Dort blieb er stehen, denn ein Gedanke durchzuckte ihn. Der Tornister! Den brauchte er doch morgen wieder.

Vorsichtig wagte er einen Blick um die Ecke. Vielleicht hatte er ja das große Glück, und die beiden verschwanden einfach. Dann konnte er den Tornister holen, und alles war gut. Vorerst. Für morgen musste er sich etwas einfallen lassen. Zur Not stellte er sich eben krank und blieb zu Hause. Lenny sah, wie Tim sich vorbeugte und nach seinem Tornister griff.

»Baxter!«, hörte er, wie Tim seinen Namen rief.

Lenny zuckte zurück hinter die Mauer. Verdammt, hatten sie gesehen, dass er noch da war?

»Wir sehen uns morgen in der Schule! Viel Spaß dort ohne Schulsachen!«

Er hörte, wie etwas aufschlug, dann lachten Steven und Tim laut auf. Er wusste sofort, was passiert war. Tim hatte seinen Tornister über die Schulmauer geworfen.

Das Lachen wurde leiser und verstummte schließlich ganz. Lenny wartete noch eine halbe Minute und lauschte, ob sie sich vielleicht doch anschlichen. Als nichts geschah, riskierte er einen Blick.

Die Schläger waren nicht mehr zu sehen, sein Tornister ebenso wenig. Er hatte ihn erst ein paar Monate, dazu war er noch ziemlich teuer gewesen. Seine Mum hatte ihn extra für das neue Schuljahr gekauft und ihn gebeten, gut darauf acht zu geben.

Das hatte ja super funktioniert!

Langsam, und bereit, sofort wieder abzuhauen, ging er zu der Stelle, wo sein Tornister gestanden hatte.

Lenny betrachtete die Mauer. Kam er da rüber? Das müsste klappen. Es gab genug Spalten für die Hände und Füße. Er suchte sich eine geeignete Stelle und saß schnell oben auf. Jetzt konnte er das Schulhaus komplett sehen, was seine Meinung darüber nicht revidierte. Es war düster und abweisend. Teilweise waren Fenster vernagelt, das Dach wirkte alt und morsch, der Schulhof ungepflegt.

Genauer sah er nicht hin, denn er wollte nur seinen Tornister und endlich nach Hause. Seine Mum würde sich schon reichlich Sorgen machen.

Der Rucksack lag leicht rechts von ihm. Und er war offen! Tim und Steven hatten vor dem Wurf den Reißverschluss aufgezogen, Bücher und Hefte hatten sich über den Boden verteilt. Lennys Wut auf die beiden wuchs an. Wenn er könnte, wie er wollte, dann …

Er schob seine Rachefantasien beiseite und sprang hinunter. Schnell lief er zu dem Rucksack und begann, alles hineinzustopfen. Sortieren konnte er das auch zu Hause.

Er steckte gerade das letzte Buch ein, als er ein Geräusch vernahm. Jemand war hinter ihm. Steven und Tim? Nein, die hätten über die Mauer klettern müssen, einen anderen Weg hinein gab es nicht. Das Tor war immer verriegelt, wie er wusste. Wer war es dann?

»Deine Seele für die Hölle«, hörte er eine Stimme dicht hinter sich.

Dann fühlte er einen Griff im Nacken, und er schrie auf. Die Hand war eiskalt. Lenny warf sich nach vorn, dabei stolperte er über seinen Tornister und fiel der Länge nach hin. Die Angst lähmte ihn fast. Es kostete ihn große Überwindung, sich auf den Rücken zu drehen.

Vor ihm, halb über ihn gebeugt, stand ein alter Mann. Das hätte ihm im Normalfall keine Angst eingejagt, aber mit dem Gesicht des Mannes stimmte etwas nicht. Es sah aus, als würde es sich verändern. Und was war das für ein Flirren, dass er zwischen den gehobenen Armen und dem Körper des Mannes sehen konnte? Ihm blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, denn der Angreifer fasste nach ihm.

Endlich fiel der Bann von Lenny ab. Er stemmte die Hacken in den Boden und schob sich zurück. Der Griff ging fehl. Es gelang Lenny, eine kurze Distanz zwischen sich und den Mann zu bringen. Sie reichte aus, um auf die Füße zu kommen.

»Gib auf«, forderte der Alte. »Deine Seele gehört der Hölle!

Der war doch verrückt! Lenny würden alles tun, aber nicht aufgeben. Da hätte er sich sogar lieber von Tim und Steven verprügeln lassen.

Er rappelte sich auf und rannte Richtung Mauer. Dass sein Tornister erneut zurückblieb, war ihm in diesem Moment herzlich egal. Er sprang die Mauer an, zog sich hoch und ließ sich auf der anderen Seite nach unten fallen. Dann rannte er, bis er zu Hause war. Er zitterte so stark, dass er den Schlüssel kaum ins Schloss bekam.

Als seine Mutter die Tür öffnete, fiel er ihr in die Arme und ließ den Tränen freien Lauf.

Sein Opfer war ihm entkommen. Das hätte nicht passieren dürfen. Es blieb ihm zwar noch etwas Zeit, aber nicht mehr viel. Die Kraft schwand dahin, das spürte er deutlich. Er musste sie durch eine neue Kraftquelle ersetzen, das war seine Pflicht. Gleichzeitig war es seine Lebensversicherung.

Doch so einfach wie früher war es heute nicht mehr. Damals hatten ihm Dutzende Opfer zur Verfügung gestanden. Jetzt musste er anders handeln. Und das würde er. Bald schon.

Ich seufzte, als ich einen Blick auf meinen Schreibtisch warf. Er war übersät mit Ausdrucken, Posteingängen und Notizzetteln, auf die ich bei Telefonaten Worte gekritzelt hatte, die ich schon nach einer halben Stunde kaum noch entziffern konnte. Wie sollte ich in dieses Chaos jemals Ordnung bringen?

Glenda, wohl durch mein steinerweichendes Seufzen angelockt, tauchte im Türrahmen auf. »Was quält dich so, John? Du klingst, als würde deine eigene Hinrichtung anstehen.«

Theatralisch breitete ich die Arme aus. »Wenn es nur das wäre, Glenda. Dann würde ich dem Zwang entgehen, hier klar Schiff machen zu müssen.«

Glenda stemmte die Hände in die Hüften, die von einem blauen Rock vorteilhaft zur Geltung gebracht wurden, und verzog den Mund zu einem Lächeln. Ihre Augen blitzten schadenfroh. »Dem könntest du für die Zukunft entgehen, wenn du die Dinge sofort erledigen würdest, wenn sie eingehen.«

»Sag das unseren Feinden«, brummte ich.

»Dann lass dir von deiner besseren Bürohälfte helfen.«

»Wenn du Suko meinst, der ist nicht da.«

»Das sehe ich selbst. Aber wo steckt er? Bei mir hat er sich nicht abgemeldet.«

»Er hat einen Anruf von einem seiner Vettern bekommen. Viel hat er nicht verraten, aber es könnte ein Fall sein, sagte er.«

»Könnte?« Glenda zog eine Augenbraue hoch.

»Ja«, entgegnete ich schulterzuckend. »Zumindest meinte er, dass es erst mal ausreicht, wenn nur er nach dem Rechten sieht. Wann er zurück sein wird, konnte er aber noch nicht einschätzen.«

»Tja, mein lieber John, dann wirst du wohl alleine abheften müssen.«

Ich hob unwillig eines der Schreiben an, ließ es aber sofort wieder sinken. »Hey, habe ich dafür nicht die beste Sekretärin der Welt?«

Glenda lachte und drohte mir mit dem Finger. »Dafür nicht. Aber wenn du willst, kann ich dir einen Kaffee bringen.«

»Immerhin etwas«, befand ich, und warf einen genaueren Blick auf das Schriftstück, das ich mehr zufällig als geplant aus dem Stapel gezogen hatte.

Es war der Bericht eines Kollegen aus der Abteilung, die Entführungen aufklärte. Eigentlich kein Fall für mich und meinen Partner, aber der Mann, Inspektor Randy Dawson, schien zu wissen, womit wir uns befassten. Ich selbst hatte noch nie von Dawson gehört, aber seine Aktennotiz war explizit an mich gesandt worden.

Wenn der Mann sich so viel Mühe gemacht hatte, dann wollte ich das Schreiben wenigstens ausführlich lesen. Es war nur eine knappe Seite.

Der Fall klang zwar spannend, aber bis zum letzten Absatz war ich nicht überzeugt, dass ich mit der Meldung etwas anfangen konnte. Dort aber stolperte ich über einen Satz, den ich nach erstem Lesen wiederholte und dabei laut aussprach.

»Deine Seele für die Hölle …«

»Was hast du gesagt?«, wollte Glenda wissen.

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie zurückgekommen war, aber als ich sie sah, drang mir auch schon der Duft ihres Kaffees in die Nase. Ich atmete tief ein und verdrehte genießerisch die Augen. »Hmm, der riecht mindestens so gut, wie er schmeckt.«

»Danke für die Blumen. Aber statt Lobhudeleien interessiert mich mehr, was du gerade gesagt hast.«

»Oh, warte.« Ich suchte die Passage auf dem Zettel und las ihr die kurze Stelle vor. »Laut Aussage des Geschädigten griff der bisher unbekannte Täter ihn an und rief dabei Deine Seele für die Hölle! Der Angegriffene entging einem körperlichen Zugriff, leitete die Flucht ein und beugte so der vermeintlich versuchten Entführung vor. Wie das Opfer aussagte, sah der Täter von einer weiteren Verfolgung ab und wurde nicht mehr ansichtig.«

Glenda schüttelte den Kopf. »Was für Formulierungen. Das klingt sehr nach einem Beamten vom alten Schlag.«

Da musste ich ihr recht geben. Trotzdem begann mich der Fall zu interessieren. Auch Glenda schien neugierig geworden zu sein, denn sie fragte mich, worum es bei der ganzen Angelegenheit ging.

»Ein Junge ist auf dem Schulhof einer stillgelegten Privatschule von einem Mann attackiert worden, der genau das gesagt haben soll, was ich gerade wiederholte: deine Seele für die Hölle.« Je länger ich erzählte, desto mehr beschlich mich die Ahnung, dass dies doch ein Fall für mich sein könnte. Ich verließ mich hier auf mein Bauchgefühl. Und das meldete sich sehr deutlich.

»Wo ist das passiert?«, fragte Glenda.

»In Sutton, an der Südgrenze Londons. An, oder besser gesagt, auf dem Schulhof der ehemaligen Sutton International School«, nannte ich ihr den Namen, den ich im Bericht gefunden hatte. Diesen überflog ich noch einmal. »Kannst du mal schauen, ob du etwas mehr darüber herausfindest?«, bat ich Glenda.

»Du willst dich um die Sache kümmern?«, fragte sie.

»Ich bin noch unschlüssig«, gestand ich schulterzuckend. »Aber irgendetwas sagt mir, dass ich zumindest nachhaken sollte, ob es nicht ein Fall für mich sein könnte.« Ich deutete auf meinen Bauch. Glenda wusste sofort, was ich meinte.

»Dann will ich mal sehen, was sich herausfinden lässt«, sagte sie und ging zu ihrem Rechner.

Ich wählte unterdessen die Nummer von Randy Dawson. Der Inspektor hob bereits nach dem zweiten Klingeln ab und meldete sich mit seinem Namen.

»Oberinspektor John Sinclair hier.«

»Ah, Sinclair. Haben Sie meinen Bericht bekommen?«

»Das habe ich.«

»Und die Sache interessiert sie?«

Randy Dawsons Stimme klang wesentlich jünger, als ich ihn vom Schreibstil her eingeschätzt hätte. Auch sprach er glücklicherweise wie ein normaler Mensch, sodass ich ebenfalls einfach drauflos reden konnte. »Sagen wir mal, ich möchte gerne ein paar mehr Informationen von Ihnen haben.«

Dawson lachte auf. »Schießen Sie los. Was wollen Sie wissen?«

»Gibt es weitere Erkenntnisse zum Täter?«

»Leider nein. Außer der etwas vagen Beschreibung des Jungen liegt uns nichts vor.«

»Waren Sie selbst vor Ort?«

»War ich«, bestätigte Dawson, »aber es gab nichts zu entdecken. Die Schule steht leer.«

»Haben Sie sie durchsuchen lassen?«

»Nein.«

Ich stutzte. »Warum nicht?«

»Es gab keinen Anlass, zu denken, dass der Täter sich dort aufhält. Ich gehe davon aus, dass es Zufall war, dass der Junge dort attackiert wurde.«

Davon war ich noch nicht überzeugt, darum hakte ich nach: »Was hat er da gemacht?«

»Lenny Baxter, so heißt der Junge, wohnt in der Nähe. Er war quasi auf dem Nachhauseweg. Allerdings war er nicht auf dem direkten Weg, denn er wollte zwei Schulschlägern entkommen, wie er aussagte. Vor der Schule haben sie ihn dann doch erwischt und seinen Tornister über die Mauer geworfen. So kam er auf das Gelände, und darum glaube ich, dass es Zufall war, dass er dort angegriffen wurde. Es konnte ja niemand wissen, dass er sich dort aufhalten würde.«

Das klang einleuchtend. Aber da blieb noch der eine Satz, den der Angreifer ausgestoßen hatte und der mich nicht losließ. Einen weiteren möglichen Grund wollte ich dennoch von vornherein ausschließen.

»Sind die Baxters reich? Ich meine, hätte eine Lösegeldforderung etwas eingebracht?«

»Nein. Eine ganz normale Familie, wenn mal davon absieht, dass die Mutter alleinerziehend ist. Aber auch das ist ja heute nicht mehr ungewöhnlich.«

Bisher sah es wirklich nicht nach einem Fall für meine Abteilung aus. Trotzdem war ich noch nicht bereit, das Gespräch zu beenden und den Vorfall zu vergessen.

Scheinbar hatte ich zu lange geschwiegen, denn Dawson fragte: »Sind Sie noch dran?«

»Natürlich«, sagte ich. »Ich habe nur über etwas nachgedacht.«

»Mit welchem Ergebnis?«

»Das weiß ich noch nicht genau.«

Dawson lachte auf. »Dann kann ich Ihnen wohl auch nicht helfen, oder?«

»Doch. Zumindest so weit, dass Sie mich darüber informieren, wenn in dem Fall noch irgendetwas geschieht, das in meinen Bereich fällt.«

Da er mir den Bericht geschickt hatte, ging ich davon aus, dass er wusste, womit ich mich Tag für Tag befasste. Dawson versprach, dass er sich melden würde. Damit beendeten wir das Gespräch.

Ich blickte auf und sah Glenda, die im Türrahmen stand. »Und?«, fragte ich.