John Sinclair 2168 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair 2168 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Den Adel gab es nach wie vor noch. Viele freuten sich darüber. Die Gazetten hatten zu schreiben, aber es gab nicht nur den Hochadel, sondern auch einen anderen.
Und es gab Mörder und Mörderinnen. Sogar eine Adlige, die fünf Menschen auf dem Gewissen hatte und deren Stammbaum bis hin zu den Templern reichte ...

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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Templer-Schande

Jason Dark’s Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: camilkuo/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9285-2

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Templer-Schande

von Jason Dark

Es sollte die schlimmste Erfahrung seines Lebens werden, aber davon ahnte Uwe Müller nichts, als er kurz vor Mitternacht über die einsame Straße fuhr.

Trotz der Kälte, die draußen herrschte, fuhr er mit offenem Fenster. Er brauchte die Luft, die auch seine Müdigkeit vertreiben sollte. Ein langer, harter Tag lag hinter ihm …

Eine Pause wäre nicht schlecht. Doch davon nahm Uwe Müller Abstand, denn er konnte es sich auch nicht erlauben, einzuschlafen und erst am Morgen wieder zu erwachen.

Müller fuhr schon langsamer und griff nach dem Aufputschgetränk. Zwei kräftige Schlucke, dann war die Dose leer.

Er sah nach vorn und schaltete das Fernlicht ein. Es strahlte weit in die Dunkelheit, erhellte den nahen Wald und die Kurve, an der die Straße in den Wald hineinführte.

Müller kannte die Gegend einigermaßen. Wenn er den Wald hinter sich hatte, würde er bald durch einen Ort fahren, zu dem auch eine hohe Burg gehörte, die wie ein steinerner Ausguck über allem schwebte, aber nicht verändert worden war. Das heißt, es gab kein Restaurant. Wer hochkam, der musste sich sein Essen und seine Getränke selbst mitbringen, und das taten die wenigsten.

Der Waldrand, der sich nur an der rechten Seite befand, rückte näher.

Die Fahrbahn glänzte im hellen Licht der Scheinwerfer. Sie rissen alles aus der Dunkelheit, was angestrahlt wurde, so auch das Hindernis, das plötzlich mitten auf der Straße lag!

Es war nicht leicht, es zu umfahren, das sah Müller mit einem Blick. Deshalb hielt er an, um es aus dem Weg zu räumen. Er dachte an ein totes Tier oder etwas Ähnliches, doch als er genauer hinsah, da erkannte er einen runden Gegenstand.

Uwe Müller stieg aus. Die Luft kam ihm noch schwerer vor, aber sie war auch kühler geworden, ein Vorteil.

Er hatte lange im Auto gesessen. Dementsprechend steif sahen seine Bewegungen aus. Er schüttelte den Kopf, als wollte er auf diese Art und Weise seine Müdigkeit loswerden.

Eine Taschenlampe hatte er auch mitgenommen.

Müller ging auf den Gegenstand zu, lächelte in sich hinein und blieb schließlich stehen, denn jetzt brauchte er nur den Blick zu senken, um etwas zu erkennen.

Er tat es.

Und er hatte das Gefühl, von einem mächtigen Blitz durchbohrt zu werden, denn vor seinen Füßen lag der Kopf eines Menschen …

Uwe Müller glaubte, in einen Albtraum hineingeraten zu sein. Er spürte den Hitzeschwall, der seinen Körper erfasste.

Das war schlimm. Das war unglaublich. Hier hatte sich bestimmt jemand einen Scherz erlaubt. Etwas auf die Fahrbahn gelegt, um die Autofahrer zu erschrecken. Das hatte bei ihm ja auch funktioniert.

Doch als er sich bückte, um den Gegenstand genauer zu betrachten, erkannte er, dass es sich keineswegs um einen Streich handelte.

Dort lag tatsächlich der Kopf eines Mannes!

Uwe Müller hatte das Gefühl, dass sich um ihn herum alles drehte. Er war nicht in der Lage, noch einen klaren Gedanken zu fassen. Was er da gesehen hatte, das war einfach nur grauenhaft.

Er hörte komisch klingende Laute und erkannte kurz darauf, dass er selbst sie ausgestoßen hatte. Sein Blick fiel auf den offen stehenden Mund des Toten. Er sah auch die aufgerissenen Augen und entdeckte das getrocknete Blut am Halsstumpf und im Gesicht.

Müller stand noch immer an derselben Stelle. Er stöhnte und würgte, spie eine säurehaltige Flüssigkeit aus, hörte sich schwer atmen und schaffte es dann nur unter Mühen, sich zur Seite zu drehen.

Tief holte er Luft. Jeder Atemzug war von einem Geräusch begleitet. Das Luftholen fiel ihm schwer, aber darum kümmerte er sich nicht. Auch nicht um den Kopf, den wollte er dort lassen, wo er jetzt lag.

Müller ging zurück zu seinem Wagen und stützte sich am Dach des Audis ab. Noch einmal holte er tief Luft. Die Müdigkeit war verschwunden. Er fühlte sich plötzlich hellwach und wie aufgedreht.

Und er war froh, dass es nicht ihn erwischt hatte. Sonst läge sein Kopf jetzt mitten auf der Straße.

Als er die Tür öffnete, zitterte er noch immer. Schwer ließ er sich auf den Sitz fallen und benutzte das Lenkrad wie einen Rettungsanker, den er mit beiden Händen fest umklammerte.

Uwe Müller war fertig mit den Nerven. Er konnte nichts mehr tun. Er saß da, starrte nach vorn und dachte auch nicht daran, die Warnblinkleuchte einzuschalten. Seine Gedanken drehten sich nur um diesen verdammten Schädel.

Warum? Wieso? Weshalb?

So zuckten die Fragen durch seinen Kopf, die er nicht beantworten konnte. Aber irgendwann wurde ihm klar, dass er nicht mehr hier parken konnte. Er musste weg, und er musste um den Schädel herumfahren. Zudem konnte er die Entdeckung nicht für sich behalten.

Er musste jemandem von seinem Erlebnis erzählen!

Im nächsten Ort. Ob noch in der Nacht oder erst am nächsten Morgen in der Frühe, das wusste er nicht. Er wollte zunächst mal sehen, wie es in dem Ort aussah. Ob man ihm glauben würde, wusste er nicht.

Doch das war ihm im Moment egal. Wichtig war nur, dass er hier wegkam.

Starten, fahren und …

Uwe Müller fuhr noch an. Mehr schaffte er nicht, denn er sah am rechten Rand der Straße, etwa auf der Höhe des Kopfes eine Bewegung. Und dann erlebte er etwas, womit er nie in seinem Leben gerechnet hatte …

Eine Gestalt tauchte auf. Zwei lange Schritte, dann hatte sie die Straße erreicht.

Sie war ein Mensch. Das war schon zu erkennen, aber dieser Mensch hatte sich verkleidet. Er steckte in einer Rüstung. Von ihm selbst war nichts zu erkennen, auch wenn er sein Visier am Helm in die Höhe geklappt hatte.

Um den ein paar Meter weiter parkenden Wagen kümmerte die Gestalt sich nicht. Es war ihr wichtig, das Ziel zu erreichen, und dazu brauchte sie nur noch einen langen Schritt, dann stand sie direkt neben dem Kopf.

Der in seinem Audi sitzende Beobachter war gespannt, wie es weitergehen würde.

Uwe Müller fragte sich auch, wer in der Rüstung steckte und was er mit dem Kopf wollte. Es konnte sein, dass er ein Kopfsammler war, und dann stellte sich die Frage, wer den Kopf hier auf die Straße gelegt hatte.

Der Ritter selbst? Oder jemand anderer?

Uwe Müller fand keine Antworten und sah weiterhin zu, was nun passierte.

Der Ritter bückte sich.

Dabei streckte er seine Arme aus, und das Metall machte alles mit. Dann hatte er die Hände so weit nach unten gestreckt, wie es nötig war, um den Kopf zu fassen.

Die Hände steckten in den eisernen Klauen, waren aber beweglich. So konnten die metallenen Finger gekrümmt werden.

Beinahe behutsam fasste der Ritter zu und hob den Kopf an. Er brachte ihn in Augenhöhe, sah ihn etwas länger an und nickte zufrieden.

Dann tat er etwas, was Uwe Müller erschreckte. Der Ritter drehte sich zu ihm um!

Müller hielt den Atem an. Er konnte die Augen des Fremden nicht sehen, glaubte aber, genau beobachtet zu werden.

Er hoffte, dass man ihn verschonte, was immer man vorhatte.

Die Hoffnung erfüllte sich nicht. Nach einem Zucken setzte sich die Rittergestalt in Bewegung, und es gab nur eine Richtung für sie. Das war der Audi.

»Scheiße«, flüsterte Müller, »verdammte Scheiße. Was … was … mache ich denn jetzt?«

Es gab nur eine Alternative. Er musste so schnell wie möglich weg von hier. Den Motor starten und Gas geben. Das alles war kein Problem für ihn – normalerweise – aber hier herrschten andere Gegebenheiten.

Er kam nicht weg. War steif geworden. Konnte sich nicht bewegen. Und die verdammte Gestalt kam immer näher. Sie wuchs förmlich vor ihm auf. Ein gefährliches Wesen aus der Vergangenheit. Ein Killer, der sich in einer Rüstung versteckte.

Müller verzog seinen Mund. Atmete wieder schwer, hatte feuchte Augen bekommen und sah den Ritter jetzt in Höhe seines Audis, als wollte die Gestalt unbedingt in seiner Nähe sein.

Den Kopf hielt sie noch immer fest. Wie festgeleimt lag er auf der Handfläche und rutschte nicht herunter. Er schien ein Geschenk für Uwe Müller werden zu sollen.

Mit der freien Hand schlug der Ritter auf die Motorhaube, und da gab es für Uwe Müller nur noch einen Gedanken.

Flucht!

Er drückte auf den Starter – und hörte sofort das Brummen des Motors, das ihm jetzt wie eine Rettung vorkam.

Der Audi sprang nach vorn, aber da war auch der Ritter, der nicht zur Seite ging.

So erwischte es ihn. Es knirschte, als Blech über Blech streifte, aber das war auch alles. Der Audi wurde nicht so sehr beschädigt, dass Müller nicht mehr hätte weiterfahren können.

Er passierte den Ritter.

Und dann gab er Gas. Nur weg. Weg aus dieser bösen und unheimlichen Falle. Es war noch Nacht. Wenn am folgenden Tag die Sonne wieder aufging, wollte er unbedingt am Leben sein. Und dafür würde Uwe Müller alles tun …

Es roch nach frisch gekochtem Kaffee, als Harry Stahl das Vorzimmer durchschritt, vom Lächeln einer Mitarbeiterin begleitet, und wenig später einen Mann vor sich sah, dessen Gesicht sich in Falten gelegt hatte.

Er hieß Hollmann. Ernst Hollmann kam aus Dortmund und arbeitete noch nicht lange hier in Wiesbaden beim BKA. Er hatte einen höheren Posten besetzt, sein Vorgänger war in Rente gegangen und hatte seinen Platz an Hollmann übergeben.

Harry Stahl kannte ihn noch nicht lange. Auf einer Feier hatte er mal ein paar Worte mit ihm gewechselt, das war alles gewesen.

»Nehmen Sie Platz, Herr Stahl«, forderte er Harry auf.

Das tat dieser dann auch, und so saßen sich beide Männer gegenüber, nur eben durch den Schreibtisch getrennt, hinter dem Hollmann seinen Platz gefunden hatte.

Er war jenseits der fünfzig, hatte dichtes braunes Haar ohne irgendwelche grauen Strähnen.

»Ich wusste, dass wir mal miteinander zu tun haben würden, Herr Stahl, und jetzt ist es so weit.«

»Sehr gut. Um was geht es denn?«

Von Hollmann war vorerst keine konkrete Antwort zu bekommen. Er musterte sein Gegenüber und spielte dabei mit einem Kugelschreiber, den er von einer Hand in die andere gleiten ließ.

»Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Herr Stahl.«

»Ich bitte darum.« Harry lächelte etwas überheblich, denn er wusste, was nun folgte. Und er sollte sich nicht geirrt haben.

»Wissen Sie, Herr Stahl, das geht nicht gegen Sie, aber ich habe mich natürlich schlaumachen müssen, weshalb Sie hier arbeiten, und da habe ich mich nur wundern können.«

»Worüber?«

»Ganz einfach. Über die Fälle. Sie werden unter Verschluss gehalten. Offiziell darf es sie gar nicht geben, aber Sie sind der Mensch, der losgeschickt wird, um sie zu lösen. Habe ich recht?«

»In der Tat. Es gab die Fälle, die besser nicht publik werden. Sie sind zu ungewöhnlich. Und auch kaum zu fassen. Aber wir haben da eine gute Lösung gefunden.«

»So kann man es sehen.«

»Dann ist ja alles okay.«

»Ja und nein, Herr Stahl. Sie müssen mir zugestehen, dass ich gewisse Probleme damit habe. Ich bin als Realist groß geworden, und ich bin es auch jetzt noch. Man sagt, dass Papier geduldig ist, und das glaube ich auch.«

»Und deshalb trauen Sie den Fällen nicht, die Kollegen und ich schon aufgeklärt haben.«

Ernst Hollmann zuckte leicht zusammen. »Von welchen Kollegen sprechen Sie, Herr Stahl?«

»Von einem Freund in London, zum Beispiel. Sie können jederzeit bei Scotland Yard nachfragen und werden eine entsprechende Antwort bekommen.«

»Ja, ja, über Ihre Verbindung nach London bin ich auch informiert, Herr Stahl.«

»Das freut mich.«

Hollmann dachte einen Moment nach und wirkte dabei wie ein Mann, der sein Pulver verschossen hatte.

Harry wollte schon fragen, ob das alles gewesen war und er jetzt verschwinden konnte, aber da irrte er sich. Hollmann hatte ihn nicht nur deshalb hergeholt, um ihm zu sagen, was er von seiner Arbeit hielt, er nickte ihm auch zu und rückte raus mit der Sprache.

»Ich habe Sie herkommen lassen, weil man mir die Aufgabe übertragen hat.«

»Da bin ich gespannt«, erwiderte Harry und lächelte sehr freundlich.

Er kannte das Spiel. Wusste Bescheid. Viele seiner Kollegen hatten gegen ihn und seine Arbeit Vorurteile, die er auch zu spüren bekam. Da gab es Menschen, die nicht mal ein Wort mit ihm wechselten, obwohl sich mittlerweile herumgesprochen hatte, wie gut er seine Arbeit machte.

»Ich muss Sie auf Dienstreise schicken.«

»In Ordnung. Und wohin?«

»Sie bleiben in Deutschland. Ich rede hier vom Spessart.«

»Klingt wunderbar«, kommentierte Harry.

Hollmann nickte. »Ja, ja, ich weiß.«

»Und warum soll ich dorthin?«

»Sie sollen dort einen Mörder fangen.«

Harry blies die Wangen auf und nickte, bevor er fragte: »Ist das nicht eine Aufgabe für die normale Polizei?«

»Das wäre es.«

»Aber?«

Hollmann senkte den Blick und sah auf ein vor ihm liegendes Blatt Papier. Er las erst, zuckte dann mit den Schultern und sagte mit leiser Stimme: »Die Menschen wurden auf eine ganz besondere Art und Weise getötet.«

»Aha. Und wie?«

»Man schlug ihnen die Köpfe ab und deponierte sie an einem Ort, wo sie auch gefunden wurden. Vier Morde hat es gegeben.«

»Also vier Köpfe?«

»So ist es leider.«

Harry fragte weiter. »Hat man schon einen Verdacht, wer der Killer sein könnte?«

»Der Mörder ist zwar gesehen worden, aber man kann ihn schlecht identifizieren und erst recht nicht als normalen Menschen beschreiben.«

»Warum nicht?«

»Weil er ein Ritter in einer Rüstung ist.«

Jetzt zuckte auch Harry zusammen. »Was haben Sie da gesagt, Herr Hollmann?«

Der wiederholte sich.

Harry Stahl hatte jedes Wort verstanden. Er gab aber keine Antwort.

»Es gibt einen Zeugen, Herr Stahl. Ein Vertreter. Er heißt Uwe Müller. Seine Aussagen hat er in der Polizeidienststelle gemacht und wollte sogar einen Eid darauf leisten, weil man ihm nicht glaubte. Das nur offiziell. Es gibt noch eine inoffizielle Lesart.«

»Und wie sieht die aus?«

Ernst Hollmann senkte den Kopf. »Man hat es unter Verschluss gehalten und es nicht zugegeben. Vor allem nicht in der Öffentlichkeit. Die Presse weiß also nichts.«

»Okay. Und worum geht es da genau?«

Die Antwort gab Ernst Hollmann mit leiser Stimme: »Es sind, wie gesagt, schon vorher drei Köpfe gefunden worden. Wo sich die Körper befinden, das weiß niemand.«

»Man wird sie verbrannt haben.«

»Ja, das glaube ich auch, Herr Stahl. Aber eine Person weiß davon und kennt die Geschichte.«

»Und wer?«

»Ein gewisser Victor von Hohenfeld.«

»Hört sich adelig an.«

»Ja, ja, er ist auch adelig. Gehört aber nicht in die oberen Regionen. Er lebt auf einer Burg im Spessart. Südlich von Aschaffenburg. Er hat sich gemeldet und uns erklärt, dass die Köpferin umgeht.«

»Ähm … eine Frau?«

»So ist es.«

»Und sonst?«

Hollmann zuckte mit den Schultern, dann sagte er: »Man kann davon ausgehen, dass es ein verdammt heißer Fall ist, den ein Mensch wohl kaum allein lösen kann.«

»Verstehe. Ich kann meinem Freund und Kollegen in London Bescheid geben. John Sinclair.«

Da lachte Hollmann. »Vergessen Sie ihn. Ich werde mit Ihnen in den Spessart reisen, und das ist bereits eine beschlossene Sache.«

Hätte Harry einen Spiegel gehabt, dann hätte er sehen können, wie blass er plötzlich war …

Der Erker war sein Lieblingsplatz. Von dort oben hatte Victor von Hohenfeld einen herrlichen Blick über die bewaldeten Hügel des Spessarts, und dann stieg in ihm das Gefühl hoch, wieder ein mächtiger Herrscher zu sein, wie seine Ahnherren, die mal auf dieser Burg residiert hatten.

Es gab die Burg, es gab ihn, und es gab die Probleme, die nicht einfach zu lösen waren. Dazu zählten sein Alter und auch das Finanzielle, denn es würde nicht mehr lange dauern, dann waren seine Reserven erschöpft.

Okay, er hätte die Burg verkaufen können. Es gab genügend Angebote.

Von der Regierung, die in der Burg eine Schule für ihre Mitarbeiter einrichten wollte, aber er kannte auch einen Privatmann, der ihm eine hübsche Summe für diesen Bau gezahlt hätte.

Es war noch keine Entscheidung gefallen, und es würde auch keine fallen, solange seine Frau Ricarda noch lebte, die sich in diesem Gemäuer wohlfühlte und es nicht verlassen wollte. Deshalb sah man sie niemals im nahen Dorf oder auch im Wald.

Ricarda hatte ihn fast sein gesamtes Leben begleitet. Sie war etwas ganz Besonderes für ihn.

Kinder oder andere Nachkommen gab es nicht. Und deshalb existierten auch keine Erben. Ricarda und er waren die Letzten der alten Sippe.

Beide hatten sie die hundert Jahre überschritten und lebten noch immer. Sogar recht gut, denn sie brauchten keine Ärzte, was schon ungewöhnlich war.

Mit einer langsamen Bewegung drehte sich der Schlossherr um und ging hinein in den großen Raum, der mit Möbeln gefüllt war, an denen jeder Antiquitätenhändler seinen Spaß haben würde.

Die Decke war hoch. Es gab auch große Seitenfenster, die viel Licht in den Raum ließen und ihn zu einer hellen Insel machten, denn viele andere Räume in der Burg hatten kaum das Tageslicht gesehen.

Victor von Hohenfeld ging auf die breite Tür zu, die man auf der anderen Seite auch vom Gang her erreichte. Sie ließ sich schwer öffnen. Der Adlige musste schon etwas Kraft einsetzen, dann aber hatte er es geschafft und konnte in den Flur treten, der sehr breit und düster war und in dem stets das Licht brannte, denn Fenster gab es nicht an den Seiten. Nur Türen und wuchtige Gemälde.

Der Adlige blieb stehen und hing seinen Gedanken nach. Er überlegte, was er anstellen sollte. Er konnte sich hinter seinen Flügel setzen und spielen, um sich abzulenken.

Seine Gedanken tendierten dorthin, als er sich gestört fühlte, denn er hatte etwas gehört. Eine Stimme, und zwar die seiner Frau, die durch den Flur gehallt war.

»Victor!«

Der Name war wie ein Befehl gerufen worden. Mit einer rauen und auch leicht krächzenden Stimme, und der Adlige zuckte zusammen, wobei sich sein Gesicht für einen Moment säuerlich verzog.

Sie hatte gerufen.

Er würde folgen.

Das musste so sein. Das war festgeschrieben. Würde er sich weigern, würde es Ärger für ihn geben. Deshalb beeilte er sich, das Zimmer seiner Frau zu erreichen.

Die Tür war nie geschlossen. Sie stand immer einen Spaltbreit offen. Victor hätte sie aufstoßen können, aber das tat er nicht. Er klopfte und sagte: »Ich bin hier.«

»Wurde auch Zeit. Komm rein.«

»Gern, meine Liebe.«