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Kann man Tote sehen, wenn sie längst begraben sind?
Auf keinen Fall. So dachte ich, bis ich eines Besseren belehrt wurde.
Man konnte die Toten sehen. Nur in einer anderen Form, als tödliche Schatten.
Die machten Jagd auf Menschen und mussten gestoppt werden. Ich stellte mich ihnen, aber nicht allein, denn ich hatte einen mächtigen Helfer, den Engel der Toten ...
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Mein Freund, der Totenengel
Jason Dark's Leserseite
Vorschau
Impressum
Mein Freund,der Totenengel
von Jason Dark
Sie waren wieder da!
Die Toten!
Genauer gesagt die Schatten der Toten. Die Gestalten aus der Zwischenwelt, die als Horde in die normale Welt hineinjagten.
Man sah sie nicht. Man hörte sie auch nicht, man konnte sie nur spüren, aber niemand wusste, um wen oder was es sich genau handelte.
Bis auf einen.
Das war Abraham Moody. Er konnte sie sehen. Er hatte diese besondere Gabe ...
Abraham fühlte sich schrecklich mit dieser Begabung.
Es war ihm nicht möglich, das Grauen, das die Schatten brachten, zu stoppen. Er konnte sie nicht vernichten. Er folgte ihnen. Er sah sie, und er sah, was sie taten.
Es war furchtbar. Einfach grauenhaft.
Abraham Moody litt unter seinem Wissen. Er wollte so werden wie die Menschen hier, doch das war nicht möglich. Er hatte die Fähigkeit, die Toten als Schatten zu sehen, und dabei blieb es.
Natürlich hatte er sich oft genug mit diesen Schatten beschäftigt. Er hatte viel über sie nachgedacht. Diese Schatten, die aus einer Totenwelt kommen mussten, konnten besonders sein. Und Abraham glaubte, auch eine Erklärung gefunden zu haben.
Es waren die Schatten der Menschen, die in ihrem anderen Zustand unmenschlich gewesen waren. Also Killer, Verbrecher, Schänder und Folterer. Menschen, denen nichts heilig war, und die es tatsächlich geschafft hatten, aus ihrer anderen Totenwelt wieder zurück in die der Menschen zu gelangen.
So etwas war verrückt, nicht zu beweisen, aber Moody war ein besonderer Mensch, der sich mit den normalen auch nicht vergleichen wollte.
Er ging davon aus, eine Aufgabe bekommen zu haben. Das war eben die zweite Spur in seiner Existenz.
Die erste konnte man als völlig normal bezeichnen. Da ging er seinem Job nach. Er arbeitete in einer Firma, die Tabletten herstellte. Es war ein ganz normaler Job, und niemand kam auf die Idee, dass Moody noch ein zweites Leben führte. Die Arbeit war die beste Tarnung.
Allerdings hatte er oft gefehlt, zu oft. Das hatte Konsequenzen. Man wollte ihn entlassen, aber Moody hatte einen Deal erzielen können. Er wurde nur für die Zeit bezahlt, in der er sich in der Firma befand. Und das wurde immer weniger.
Auch an diesem Tag würde er keinen Schritt in die Firma setzen. In der Nacht schon hatte er die Unruhe verspürt, die sich am Tag noch verstärkt hatte.
Jetzt wusste Moody, dass ein Angriff bevorstand. Die Schatten waren unterwegs, um zu töten, und sie würden es nicht weit haben, das stand auch fest.
Das hatte Moody gespürt, denn die Schatten kommunizierten miteinander. Und er war in der Lage, das zu hören. Er selbst hatte oft mit ihnen kommuniziert. Dabei fühlte er sich stets in die Defensive gedrängt, aber das war ihm egal. Einen Versuch, sie aufzuhalten, war es immer wert.
Auch jetzt.
Sie waren da.
Sie waren sogar in seiner Nähe. Er spürte sie, aber er konnte sie noch nicht erkennen.
Das änderte sich bald, denn plötzlich blitzte es vor seinen Augen auf. Es sah aus, als würden Funken sprühen. Das war der Augenblick, in dem Moody einen direkten Kontakt mit den Schatten bekam. Er sah sie noch nicht, aber er hörte sie.
»Da sind wir wieder.«
»Ich weiß es.«
»Und? Was denkst du?«
»Das muss ich euch nicht sagen. Ich will, dass ihr verschwindet. Geht zurück. Verschwindet wieder in der Welt, aus der ihr gekommen seid. Verstanden?«
Sie lachten.
Abraham Moody sah sie noch nicht. Aber er spürte sie. Die Schatten umtanzten ihn. Sicherlich hätten sie ihn liebend gern gequält und getötet, aber das schafften sie nicht, denn Moody hatte etwas an sich, das sie in die Schranken wies.
»Wir wollen Blut sehen.«
»Und Schreie hören.«
»Dann wisst ihr schon, wen ihr euch ausgesucht habt?«, fragte Moody.
»Sicher.«
Das eine gesprochene Wort tanzte durch sein Ohr, und er sah ein, dass er keine Chance hatte, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Dennoch frage er ins Blaue hinein: »Wer soll es denn sein?«
»Ein Mann.«
»Gut. Und wer?«
Auch jetzt erhielt er eine Antwort. »Nicht weit von hier, gar nicht weit werden wir unser Zeichen hinterlassen.«
»Genauer.«
»Du wirst es noch erleben.« Es schrillte ein irgendwie quietschendes Lachen. Dann war es still.
Moody holte tief Luft. Sein Herz schlug schneller. Er wusste, dass die andere Seite nicht geblufft hatte. Das tat sie nie. Die Schatten wollten killen.
Waren sie noch da?
Nein, sie hatten sich verzogen. Er spürte sie nicht mehr in seiner Nähe. Als er einen Blick in die Umgebung warf, da sah er nur die ruhige Parklandschaft vor sich. Wer sich hier aufhielt, der dachte nicht an den Tod. Eher an das Gegenteil.
Der Wind wehte ihm den Duft der Sommerrosen gegen die Nase. Ihm aber kam er modrig vor, denn er konnte das Treffen nicht aus seinem Gedächtnis streichen.
Sie wollten es tun. Sie würden es tun. Er wusste nur nicht, was sie vorhatten. Auf jeden Fall würde es grausam werden. Sehr grausam, tödlich, ein Mensch würde sterben, wo er nicht mal mitbekam, wie das angehen sollte.
So war es, und so würde es immer sein.
Wirklich?
Nein, das wollte er nicht. Auf keinen Fall sollte die andere Seite immer weitermachen, denn die Menschen hatten ihnen nichts getan.
Es war nichts weiter als ein Morden aus dem Jenseits in seiner grausamsten Form.
Der Gedanke erreichte ein Ende, und Abraham Moody stand so hastig auf, dass ihm fast schwindlig wurde, aber er hielt sich in seiner Haltung und richtete den Blick nach links. Denn dorthin waren die Schatten verschwunden.
Nichts war passiert.
Alles normal.
Er setzte sich in Bewegung. Die Richtung behielt er bei und hoffte, bald auf die Schatten zu treffen. Vielleicht war es noch möglich, dass er sie von ihren Schandtaten abhielt.
Der Gedanke beschleunigte seinen Gang. Ein Gefühl, so etwas wie ein Wissen, hatte ihn überkommen und sorgte dafür, dass er seine Schritte beschleunigte.
Er musste nicht weit laufen, um zu sehen, dass etwas passiert war, denn vor ihm und nicht in direkter Nähe sah er das Feuer und auch die dunklen Rauchschwaden, die sich hoch in die Luft drückten.
Für Abraham Moody stand fest, dass er zu spät gekommen war ...
✰
Es hatte lange gedauert, bis es Achmed gelungen war, eine Lizenz für seinen Imbiss zu bekommen, und es hatte auch niemand etwas dagegen, dass die Bude an einer Wegkreuzung stand, von der aus man direkt in einen kleinen Park gehen konnte.
Ein guter Ort, um Geschäfte zu machen. Vor allem Jugendliche kauften ihm den Döner ab. Die Kinder liefen woanders hin, wo eine Bekannte von ihm Eis verkaufte.
Achmed war zufrieden. Besonders im Sommer. Da war der Park ein Ziel für die Menschen. Und da Achmed auch Getränke verkaufte, lief der Laden noch besser.
Der Sommer stand nun vor der Tür, und in den letzten Tagen hatte die Sonne es verdammt gut gemeint. Heiße Strahlen hatte es den Menschen nicht eben leicht gemacht, ihrer Arbeit nachzugehen.
Aber für einen Döner und einen guten Schluck hatten viele Zeit. Der Park mit seinen Wiesen und Bänken war dann wichtig, um in Ruhe genießen zu können.
Es kam nicht oft vor, dass Achmed nichts zu tun hatte. Aber an diesem Tag war es so. Schon am Morgen hatte es begonnen. Nur wenige Kunden kamen zu ihm. Es war ein heißer Tag angesagt worden, und da ließen sich die Getränke besser verkaufen. Er hoffte, dass die Ladung in der Kühltruhe ausreichte.
Nichts. Kein Kunde kam. So konnte er etwas putzen. Abwaschen, was abgewaschen werden musste. Das alles war okay, es gehörte dazu. Er wollte auf keinen Fall wegen einer Verschmutzung bei der Kontrolle auffallen.
Aber etwas war anders.
Achmed konnte nicht genau sagen, was es war. Das wurde von seinem Gefühl bestimmt. Er hatte den Eindruck, als hätte er Besuch bekommen, den er aber nicht sah.
»Komisch«, murmelte er und sah sich um, aber auch der Platz blieb leer. Es gab keinen neuen Kunden, der zu ihm wollte.
Aber warum hatte ihn ein so komisches Gefühl überkommen, das ihm sagte, nicht allein zu sein?
Er wollte lachen, was ihm nicht gelang. Das Gefühl in ihm veränderte sich. Von einer Angst wollte er nicht sprechen, schon aber von einem Gefühl, das ihm neu war.
Eine Sekunde später zuckte er zusammen. Da hatte er hinter sich und auch in seiner Nähe etwas gehört.
War es ein Lachen?
Das konnte er nicht so genau sagen, aber so ähnlich hatte es geklungen, obwohl niemand hier war. Nicht mal ein Kunde, der die blecherne Speisekarte las.
Nichts.
»Und?«
Etwas zuckte durch seinen Körper. Es war wie ein gezackter Blitz, der ihn erreichte. Für einen Moment wurde ihm die Sicht genommen, und als das Schwarze vor seinen Augen verschwunden war, da hörte er das Lachen und eine Stimme.
»Jetzt hat es dich erwischt, Achmed.«
»Wieso?«
»Du musst sterben.«
Hart zuckte Achmed zusammen. Er dachte daran, dass er nicht mal vierzig Jahren alt war, und sterben wollte er auf keinen Fall. Das war wieder ein Punkt, an dem er sich entscheiden musste. Wegfahren oder bleiben.
»Kennst du mich denn?«
Aus dem Unsichtbaren hörte er das leise Gelächter. Eine andere Antwort gab es nicht.
Da war jemand.
Und ich sehe ihn nicht!, dachte Achmed. Er drehte sich auf der Stelle, aber so sehr er sich auch umsah, es gab keine Veränderung in seiner Nähe.
Und doch war jemand da!
Die Angst trieb ihn an, denn er hörte wieder ein Lachen.
Und er sah etwas!
Genau in seiner Nähe. So nah, dass er es hätte anfassen können. Es tanzte neben ihm vom Boden hoch, und es sah aus wie ein schwarzer breiter Speer.
Eine Schattenfigur, die sich bewegt!, dachte Achmed zuerst, doch das konnte auch etwas anderes sein. Etwas, das er bisher in seinem Leben noch nie gesehen hatte und das nicht allein blieb.
Der nächste Schatten tauchte auf. Er erinnerte an eine Figur wie vom Schachbrett. Zugleich hörte er eine Stimme oder auch mehrere Stimmen, dann ein Gelächter, und dann passierte es.
Von einem Augenblick zum anderen erschienen die Feuerzungen, die wie die Schatten vom Boden her in die Höhe stießen, ebenfalls zuckten und zugriffen.
Das Feuer sprang regelrecht auf die Dönerrolle über, erreichte auch das Fett und bekam noch einen gehörigen Schuss, der den Brand weiterhin anfachte.
Das alles geschah innerhalb weniger Sekunden, und Achmed war nicht dazu gekommen, zu reagieren. Das Wort löschen durchschoss seinen Kopf. Aber er konnte das nicht wirklich in die Tat umsetzen.
Er ging zurück – und sah vor sich die Wand aus Flammen. Sie war in den letzten Sekunden entstanden, und der Mann riss beide Augen weit auf.
Er konnte nicht woanders hinsehen. Es gab für ihn nur die Flammenwand, die ihm vorkam wie ein zuckendes Stück Stoff und eine intensive Färbung erhalten hatte.
Es gab keine schwarzen Schatten mehr, nur noch diese verdammten Flammenarme, die keine Gnade kannten und blitzschnell nach ihm fassten. Es gab kein Ausweichen für ihn.
Und das Feuer war gnadenlos. Innerhalb weniger Sekunden brannte der gesamte Körper. Zum ersten Mal in seinem Leben wurde dem Mann bewusst, wie grauenvoll Schmerzen sein konnten. Alles andere war zur Nebensache geworden. Achmed stolperte durch seinen kleinen Wagen und sah, dass auch der in Flammen stand.
Keine Chance mehr.
Das Letzte, was der Mann in seinem Leben tat, das war der Schrei, den er noch fertigbrachte. Ihn hörte er, aber nicht mehr die Sirene eines Feuerwehrwagens.
Da lag er auf dem Boden und war tot.
✰
Das Feuer!
Abraham Moody sah es, denn es zeichnete sich sehr gut vor dem grünen Hintergrund ab. Moody war Fachmann, er wusste genau, was Feuer anrichten konnte.
Auch hier.
Aber es gab einen Brandstifter. Wenn die Polizei danach greifen wollte, dann musste sie verdammt gut sein. Das war sie nicht. Das war niemand, denn wer von den normalen Menschen hätte erklären können, was hier passiert war?
Niemand.
Die Feuerwehr war da und löschte. Obwohl der Wagen in hellen Flammen stand, musste keine Hilfe geholt werden. Die Flammen ließen sich sehr bald vernichten.
Neugierige hatten sich eingefunden. Sie blickten auf den Brandherd, waren aber weit genug entfernt, und man konnte sie nicht als Störenfriede einstufen.
Auch Abraham Moody war näher an das Geschehen herangekommen. Andere Menschen standen nicht in seiner unmittelbaren Nähe, und so war auch niemand da, der ihn störte.
Es hatte einen Toten gegeben, und er ging davon aus, dass es bestimmte Mörder waren. Täter, die man mit normalen Menschen nicht vergleichen konnte.
Er sah den Männern der Feuerwehr zu, die ihr Bestes gaben und auch gut vorankamen.
Mittlerweile waren auch zwei Polizisten erschienen. Sie befragten die Zuschauer und wollten wissen, ob jemand etwas Verdächtiges gesehen hatte.
Keiner. Auch Moody hatte nichts gesehen. Nur wusste er etwas mehr. Aber er fand keinen Weg, eine Macht wie diese zu stoppen. Jetzt konnte er nur hoffen, dass es nicht zu schlimm kam ...
✰
Manchmal spielt das Leben verrückt. So sagt man sich. Das kann man nicht so leicht beschreiben, aber trotzdem passierte es.
Mir erging es so. Es war so etwas wie ein Anfang, der mich in einen verrückten Fall hineinrutschen ließ.
Wo es begann?
Kaum zu glauben, aber in einer Waschanlage. Es war die Zeit nach dem allgemeinen normalen Feierabend, und da waren die Waschanlagen überfüllt. Tagsüber hatte ich keine Zeit gehabt, den Audi wieder polieren zu lassen, also war mir nichts anderes übrig geblieben, als die Schlange aus Autos anzufahren, die sich vor mir gebildet hatte.
Zeit! Genau die blieb mir jetzt. Eine willkommene Entspannung, der ich auch nachgab und meine Beine so weit ausstreckte, wie es möglich war.
Die Augen fielen mir nicht zu. Das wäre auch schlecht gewesen, denn in einem bestimmten Zeitraum musste ich immer wieder vorfahren, wie es auch der Fahrer vor mir tat.
Der fuhr einen knallroten Ferrari. War nicht allein, denn ich sah noch einen zweiten Kopf durch die Heckscheibe. Beide Männer rauchten und produzierten im Innern des Fahrzeugs einen Nebel.
Wer die Typen waren, das wusste ich nicht. Konnte mir aber vorstellen, dass sie einer Schicht angehörten, in die ich beim besten Willen nicht passte.
Bis das erste Wasser die Karosserie benetzte, waren es noch ein paar Meter und auch Autolängen. Das nutzte der Beifahrer aus und verließ mit geschmeidigen Bewegungen das Auto.
Ja, das war einer, der in den Ferrari passte. Schwarze Haare, die wie Lack glänzten, aber den Hinterkopf freiließen. Eine enge Jeans, ein ebenfalls enges T-Shirt mit der Aufschrift Hero, und unter dem Stoff malten sich die Muskelberge ab, die darauf hindeuteten, dass der Typ nichts gegen Fitnesscenter hatte.
Neben dem Flitzer blieb er stehen. Er winkelte die Arme an und drückte seine Hände in die Seiten. Dann fing er damit an, auf der Stelle zu tanzen. Dabei schüttelte er lässig seine Beine aus.
Ich sah ihn an.
Er sah auch in meine Richtung.
Und da sich zwischen uns eine Glasscheibe befand, konnten wir uns in die Augen sehen.
Er fixierte mich, als würden wir uns kennen. Den Kopf bewegte er nicht, aber ich sah, dass er die Augen leicht zusammenkniff und dann etwas zu dem Fahrer sagte.
Der gab auch Antwort.
Sein Kumpan winkte ab, gab sich einen Ruck und stiefelte auf meinen Audi zu.
Ich rechnete damit, dass er ihn passieren würde, um irgendwo etwas zu holen. Das passierte nicht, denn er blieb in Höhe der Wagentür stehen und machte eine Bewegung mit dem Zeigefinger.