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Engel? Ja, die gibt es. Das habe ich oft genug erleben müssen. Aber Engel sind nicht nur Engel, also liebe Geschöpfe. Es gibt gute unter ihnen, aber auch böse.
Und es gab die Kinder der Engel. Das war mir neu, und damit bekam ich verdammt große Probleme ...
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Seitenzahl: 126
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Die Kinder der Engel
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Die Kinderder Engel
von Jason Dark
Die Vampirin Justine Cavallo glitt lautlos wie ein Schatten durch die Nacht.
Niemand sah sie. Niemand hörte sie. Die dunklen Stunden waren perfekt für ihren Plan. Aus bestimmten Gründen hatte sie die Einsamkeit gewählt, denn sie brauchte wieder Kraft. Sie musste nachladen. Sie musste sich regenerieren, das hieß, sie brauchte wieder Blut!
Und das wollte sie in dieser Gegend finden. Es war ein Bereich, in dem Kleingärtner ihren Platz gefunden hatten, wobei die Besitzer sich meist tagsüber dort aufhielten, es aber möglichst vermieden, dort zu übernachten.
Aber die Blutsaugerin wusste genau, dass dieser Ort oft genug als Treffpunkt gewählt wurde, wenn man etwas Bestimmtes vorhatte. Und es waren nicht nur Liebespaare, die es hierher zog, auch andere Typen, die das Licht des Tages scheuten, kamen.
Unter anderem gab es auf dem Gelände auch einige Wohnwagen. Dort trafen sich Menschen, die eine bestimmte Freude an Kindern hatten. Auf so einen Menschen hoffte die Vampirin zu treffen. Sie würde sein Blut trinken, und sie würde keine Gnade kennen, denn Gnade hatten diese Typen den Kindern gegenüber auch nicht gekannt.
Justine wollte nach ihrem alten Muster vorgehen. Sie würde das Blut trinken und das Opfer anschließend töten, denn sie war nicht scharf darauf, Konkurrenz zu bekommen. Sie war die Erste, die Beste, und sie würde es immer bleiben. Das jedenfalls hatte sie sich vorgenommen.
Den Weg kannte sie. Dort, wo die Gärten aufhörten, befand sich der Platz, auf dem die Wohnwagen standen. Sie konnte nicht sicher sein, dass sie besetzt waren. Aber sie hoffte es. Wenn nicht, dann würde sie sich woanders ein Opfer suchen müssen.
Im Schutz einer Hecke blieb sie stehen und beobachtete den Platz. Dass in den Wagen kein Licht brannte, war normal und musste nicht bedeuten, dass niemand im Wagen war. In der Nähe befand sich eine Straße.
Von dort hörte sie ein Geräusch.
Es war ein Auto, das stoppte, als es den Parkplatz erreicht hatte.
Für Justine stand fest, dass dort jemand kam, der einen Wohnwagen besetzen würde.
Ein Täter. Und der war bestimmt nicht ohne Opfer gekommen. Ein kaltes Lächeln umspielte die Lippen der Blutsaugerin, denn jetzt sah sie ihre Chance.
Es gab nur ein Problem. Und dieses Problem war nicht der Kerl, sondern der Junge, den er bei sich hatte. Er sollte nichts mitbekommen, deshalb musste sie dafür sorgen, dass er verschwand. Aber ihr würde schon etwas einfallen.
Justine hörte die beiden reden. Sie sprachen über einen tollen Film, den sie sich gleich ansehen wollten. Dass es dazu nicht mehr kam, dafür würde sie sorgen.
Jetzt waren die zwei zu sehen, als sie aus dem Schatten der Bäume traten.
Ein Mann und ein Junge, ein Kind!
Sie gingen nebeneinanderher. Der Mann hatte die Hand des Jungen gefasst und gab hin und wieder ein unechtes Lachen ab, was dem Jungen wohl gefiel, denn er lachte ebenfalls.
Dann drehten beide etwas nach rechts hin ab, um einen bestimmten Wagen zu erreichen.
Justine war auf dem Sprung. Aber dennoch wollte sie erst eingreifen, wenn sie sich ganz sicher war.
Sekunden später war es so weit. Da standen die beiden vor der Tür, und der Mann mit der Halbglatze holte einen Schlüssel aus der Tasche. Er öffnete die Tür und wollte den Jungen in den schäbigen Wagen schieben.
Genau das wollte Justine nicht zulassen. Aus dem Stand heraus setzte sie sich in Bewegung. Sie war schnell. Lautlos wie ein Schatten, und der Kerl sah sie nicht, aber er spürte sie, und das mit aller Wucht. Denn sie war auf einmal da und rammte ihn von hinten.
Da die Tür schon geöffnet war, flog der Kerl durch den Stoß in den Wagen hinein, stieß sich irgendwo den Kopf und fluchte, machte aber keine Anstalten, gleich wieder auf die Beine zu kommen. Also konnte sie sich zunächst um den Jungen kümmern.
Der stand da und blickte sie aus großen Augen an. Sie schrie so laut, wie sie konnte, sodass der Junge völlig verängstigt weglief.
Das wiederum freute die Vampirin, denn nun konnte sie sich um ihr Opfer kümmern, das mittlerweile wieder stand und den Wagen verlassen wollte.
Dagegen hatte Justine etwas. Ihre rechte Hand bildete eine Faust, die vorschnellte und die Körpermitte traf. Der Typ hatte keine Chance. Er brach auf der Stelle zusammen, jaulte dabei wie ein Tier, wurde aber in der nächsten Sekunde in die Höhe gezerrt und weit in den Wagen hinein gestoßen.
Er blieb rücklings auf dem Boden liegen, rang nach Luft. Er röchelte und sah im nächsten Moment einen Schatten über sich, der sich senkte. Erst jetzt erkannte er, dass es eine Frau war. Licht gab es nicht, aber er sah das Gesicht, das dicht über ihm schwebte. Besonders der weit geöffnete Mund fiel ihm auf, und dort sah er auch etwas Spitzes schimmern. Ein Gedanke zuckte ihm durch den Kopf, den er allerdings nicht mehr zu Ende denken konnte, denn jetzt zeigte die Vampirin, was in ihr steckte. Sie riss den Kopf des Kerls nach rechts, sodass die Haut am Hals straff wurde.
Dann biss Justine zu.
Sie rammte beide Zähne in die linke Halsseite, wo die Haut riss und zwei Wunden entstanden, aus denen die rote Flüssigkeit quoll.
Genau die wollte Justine.
Sie drückte ihre Lippen auf den Hals und trank. Dabei zuckten ihre Wangen. Sie war in ihrem Element, saugte und trank das Blut, das für sie so etwas wie ein Nektar war. Sehr bald war sie so weit, dass sich das Opfer nicht mehr regte.
Irgendwann hatte sie es geschafft. Der Mann war leer. Das letzte Blut leckte sie von ihren Lippen ab und richtete sich danach auf. Es war geschafft, sie war satt, und das tat ihr gut.
Das Opfer war aber nicht tot, sondern im Werden. Aus ihm wurde eine andere Gestalt. Ein Mensch wandelte sich hier zu einem Vampir, genau das aber wollte die Blutsaugerin nicht zulassen.
Ihre schwarze Lederkleidung saß eng. Da passte keine Waffe mehr darunter. Trotzdem war sie nicht unbewaffnet. An der rechten Seite hing so etwas wie eine schmale Scheide. Aus ihr holte Justine die Waffe hervor, die sie brauchte.
Vor ihr lag ein Mensch.
Sie war bereit.
Sie visierte die Brust an und konzentrierte sich auf einen Punkt an der linken Seite.
Dort befand sich das Herz, das nicht mehr schlug. Trotzdem war der Mensch nicht tot. Das musste die Vampirin noch regeln.
Sie zielte mit ihrer Waffe genau auf eine bestimmte Stelle der Brust und rammte die Klinge nach unten.
Der lange Dorn traf genau. Mitten ins Herz.
Der Körper des Toten bäumte sich noch einmal auf, dann fiel er zurück und blieb starr liegen.
Justine hatte es geschafft. Und das hätte man ihr auch ansehen können, denn auf ihren Lippen lag ein Lächeln, das Zufriedenheit zeigte. Natürlich, der blutleere Tote würde irgendwann gefunden werden. Das aber war ihr egal. Für sie zählte nur ihre neue Stärke, und die würde lange anhalten.
Dieser Job war vorbei. Sie wollte den Wagen verlassen und verschwinden. Sie ging zur Tür und hätte nur einen Schritt nach vorn machen müssen, dann wäre sie im Freien gewesen.
Plötzlich aber hörte sie ein Geräusch.
Hufgetrappel!
Es wurde lauter, und einen Moment später erschien ein Pferd auf dem Abstellplatz ...
Mit einem Reiter?
Tatsächlich. Es war ein Reiter, der sich aus dem Schatten gelöst hatte und sich nun über den Platz bewegte.
Um diese Zeit ein Reiter?
Die Vampirin fragte sich, ob das normal war. Letztendlich spielte es aber auch keine Rolle. Die Gestalt saß auf dem Pferd und ritt langsam in Justines Richtung.
Sie wusste nicht, ob sie schon gesehen worden war. Sie wollte aber auf keinen Fall den Anfang machen, obwohl sie neugierig war, was sie aber erst einmal zurückdrängte.
Der Reiter kam. Oder war es doch eine Reiterin? Sie konnte es noch nicht sagen. Auf jeden Fall war der Reiter bald so nahe, dass er Justine hätte sehen müssen. Aber es passierte nichts. Er zeigte keine Reaktion, blickte nur geradeaus, als gäbe es dort ein Ziel.
Und das war tatsächlich der Fall. Ein kleines Haus stand dort. Nicht nur eine Laube, sondern eine Unterkunft, ganz aus Stein gebaut.
Noch hatte der Reiter Justine nicht gesehen. Das war ihr sehr recht, so konnte sie den Moment der Überraschung besser auskosten.
Der Reiter hielt sein Pferd an. Direkt vor der Tür des Hauses. Er wartete noch einen Moment, schwang sich vom Pferderücken und drehte Justine noch immer den Rücken zu.
Erst jetzt fiel der Vampirin die Gestalt auf, die recht schlank war und so gut wie keine Kleidung zu tragen schien. Und wenn doch, dann musste sie sehr eng am Körper anliegen. Das wunderte Justine, die sich deswegen keinerlei weiteren Gedanken machte und abwartete, was dieser Reiter jetzt vorhatte.
Es war davon auszugehen, dass er die Haustür öffnen und dahinter verschwinden würde. Aber das tat er nicht. Oder noch nicht. Er sah aus wie jemand, der wartete, und Justine fragte sich, auf wen oder was.
Nichts passierte.
Der Reiter lauerte.
Sein Pferd stand hinter ihm, bewegte sich nicht und wirkte wie ein künstliches Geschöpf.
Justine überlegte, was sie tun konnte. Es kribbelte in ihr. In diesen Augenblicken verspürte sie den Drang nach einem weiteren Blutgenuss, und sie hatte das Gefühl, dass das Blut dieser Person ihr besonders guttun würde.
Lautlos hinlaufen und die Person dann anspringen. Noch immer hatte sie nicht herausfinden können, ob es sich bei der Gestalt um einen Mann oder um eine Frau handelte.
Im Prinzip war es ihr egal, denn Blut war Blut. Egal, ob es von einer Frau oder einem Mann stammte.
Der Reiter stand noch immer. Auch sein Pferd bewegte sich nicht. Es war zu einem Denkmal geworden und schien Justines Geduld auf die Probe stellen zu wollen.
Plötzlich zuckte der Reiter zusammen. Nur kurz, als wäre er von einer Wespe gestochen worden. Ob das zutraf, wusste die Blutsaugerin nicht. Sie konnte nur hoffen, dass sich etwas änderte, denn allmählich wurde ihr langweilig.
Das schien die Gestalt gespürt zu haben, denn es sah so aus, als wollte sie endgültig die Haustür öffnen, aber das genau tat sie nicht.
Stattdessen drehte sie sich um und stand so, dass sie sich ansehen konnten.
Als normaler Mensch hätte Justine jetzt tief Luft geholt, als Vampirin aber war das nicht notwendig. Sie blieb gelassen und konzentrierte sich auf die Gestalt, die nichts tat.
Keine Bewegung. Kein Zucken. Auch nicht an in den Augen, und Justine ging davon aus, dass diese Gestalt etwas Besonderes war.
Justine war es nicht gewohnt, einen Blickkontakt schweigend hinzunehmen. Deshalb nickte sie und sprach die Gestalt an.
»He, was ist mit dir?«
Keine Reaktion.
»Kannst du nicht reden?«
Nichts.
Justine nickte. Sie fühlte sich schon leicht verarscht, und das wollte sie auf keinen Fall hinnehmen. Vielleicht war es besser, wenn sie auf die Person zuging und einen direkten Kontakt mit ihr bekam. Normal war die nicht, aber Justine hoffte, dass normales Blut durch ihre Adern floss. Dann wäre alles okay.
Sie ging.
Nicht unbedingt schnell, aber zielstrebig.
Und der Reiter?
Er reagierte nicht, wobei sich sein Pferd ebenso verhielt. Genau das wunderte die Cavallo. Sie hatte das Gefühl, an der Nase herumgeführt zu werden, ging noch zwei Schritte und blieb dann stehen.
Sie wollte etwas sagen, aber es verschlug ihr plötzlich die Sprache, was nur sehr selten der Fall war. Sie konnte nicht glauben, was sie da sah. Jemand stand vor ihr, das stimmte schon. Aber sie wusste nicht, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte ...
Wer oder was war diese Gestalt wirklich?
Es war eine Frage, die sich regelrecht in Justines Kopf einbrannte. Angst verspürte sie nicht, sie war ja kein Mensch, aber diese Überraschung gefiel ihr ganz und gar nicht.
Justine Cavallo war so nahe an die andere Person herangetreten, dass sie das Gesicht recht gut erkennen konnte.
Scharf blies sie so etwas wie Luft aus. Jedenfalls hörte es sich so an. Man konnte sagen, dass die Cavallo ziemlich von den Socken war. Sie schüttelte nur den Kopf, ohne dass sie ein Wort sagte, und das war mehr als ungewöhnlich.
Ein Mann? Ja, das konnte sein. Es gab so etwas wie männliche Züge in dem Gesicht.
Eine Frau? Auch das war möglich, denn eine gewisse Weichheit war nicht zu übersehen.
Nicht Mann – nicht Frau.
Wer dann?
Ein Geschöpf, das beides in sich vereinte. Sowohl das Männliche als auch das Weibliche.
Es gab noch den Köper.
Von dem bekam die Vampirin aber auch keine Antwort. Sie konzentrierte sich auf ihn und hatte das Gefühl, dass sich durch die enge Kleidung zwei Brüste abzeichneten.
Wie bei einer weiblichen Person.
Aber das musste nicht sein. Dieser Reiter konnte auch ein Mann sein. Oder beides?
Das war möglich. In diesen Sekunden hatte die Blutsaugerin den Eindruck, dass alles möglich war.
Justine nickte ihr zu, bevor sie fragte: »Wer bist du?«
Die Gestalt schüttelte den Kopf. Sie wollte nichts sagen, was Justine ganz und gar nicht gefiel. Nur von ihr konnte sie die ganze Wahrheit erfahren.
»Willst du nicht reden?«
Ein Schulterzucken war die Antwort, was Justine glauben ließ, dass sie verstanden worden war.
Sie deutete mit dem Zeigefinger auf die Gestalt, deren Körper in enger, heller Kleidung steckte. Ganz so, als wollte das Wesen besonders rein wirken.
Das irritierte die Vampirin. Sie wurde nicht bedroht, dennoch hatte sie ein komisches Gefühl befallen, denn vor ihr stand ein Rätsel, das sie nicht lösen konnte.
»Noch mal. Wer bist du?«
Endlich reagierte die Person. Aber sie gab keine Antwort, sondern drehte sich von der Vampirin weg und stand nun neben ihrem Pferd, das keinen Sattel trug.
Für Justine war klar, was die andere vorhatte. Sie wollte einfach verschwinden. Sich auf den Pferderücken schwingen, und dann ab durch die Mitte.
Nicht mit einer Justine Cavallo, die unbedingt herausfinden wollte, wer die andere Person war.
Sie brauchte nur zwei kleine Schritte, dann hatte sie das Zwitterwesen erreicht. Beide Hände packten die Kleidung in der oberen Hälfte, denn Justine wollte die Person zu sich heranziehen.
Sie schaffte es nicht.
Widerstand war da.
Und noch etwas passierte.
Im nächsten Augenblick stand der hintere Teil des Kopfes in Flammen!
Es war etwas, mit dem Justine nicht gerechnet hatte. Das war ihr völlig neu. Sie wusste nicht, wie ihr geschah. Der Hinterkopf brannte jetzt lichterloh!
Es war kein normales Feuer, zumindest von der Farbe her. Die Flammen waren kurz und sehr hell. Sie hatten einen schon fast weißen Anstrich, und Justine ging davon aus, dass es kein normales Feuer war. Ebenso, wie man auch diese Person nicht als normal bezeichnen konnte. Justine spürte aber keine Hitze, und rechnete jetzt mit einem Kampf, auf den sie sich einstellen musste. Im Augenblick sah sie sich im Nachteil, denn sie wusste nicht, was die andere Seite nun wollte.
Das erlebte sie im nächsten Augenblick. Mit einer gedankenschnellen Bewegung hob die Zwittergestalt ab, und es sah so aus, als wollte sie nur einmal kurz in die Luft springen. Doch sie hatte ein Ziel.
Ihr Pferd!