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Warum finde ich keinen Schlaf?
Diese Frage hatte sich der Templer Godwin de Salier unzählige Male in dieser Nacht gestellt.
Neben sich hörte er die ruhigen Atemzüge seiner Frau Sophie. Godwin ließ sie schlafen. Wenn sie mitten in der Nacht geweckt wurde, brachte das nur Unruhe. Außerdem waren seine Probleme nicht die ihren.
Godwin schloss die Augen. Erneut versuchte er, den nötigen Schlaf zu finden. Doch es gelang ihm nicht. Die innerliche Nervosität wollte nicht verschwinden ...
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Dann geh doch in die Hölle, Templer!
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Dann geh doch in die Hölle, Templer!
von Jason Dark
Warum finde ich keinen Schlaf?
Diese Frage hatte sich der Templer Godwin de Salier unzählige Male in dieser Nacht gestellt.
Neben sich hörte er die ruhigen Atemzüge seiner Frau Sophie. Godwin ließ sie schlafen. Wenn sie mitten in der Nacht geweckt wurde, brachte das nur Unruhe. Außerdem waren seine Probleme nicht die ihren.
Godwin schloss die Augen. Erneut versuchte er, den nötigen Schlaf zu finden. Doch es gelang ihm nicht. Die innerliche Nervosität wollte nicht verschwinden ...
Allmählich kam er zu dem Schluss, dass er diesen Zustand als ein Zeichen wahrnehmen konnte. Irgendetwas wollte ihm was sagen, aber er konnte nicht erraten, was es war.
Auf dem Rücken lag er, den Blick gegen die Decke gerichtet. Wieder bewegten sich Gedanken durch seinen Kopf. Aber es gab kein Thema, über das er nachdenken sollte. Nur ein Durcheinander, und das wiederum sorgte dafür, dass er keinen Schlaf finden würde. Egal, wie man es drehte und wendete.
Nicht so seine Frau. Sie bekam vom allem nichts mit. Es war ein wunderbar reines Gewissen, das sie so schlafen ließ.
Und Godwin?
Er lag nicht mehr lange auf seinem Rücken. Mit einer fast wilden Bewegung schwang er sich in eine sitzende Stellung, blieb dort erst mal hocken und wischte mit dem Handrücken den Schweiß von seiner Stirn.
Er saß da und lauschte. Möglicherweise hatte ihn ein Geräusch nicht schlafen lassen, aber das war es auch nicht. Nichts, gar nichts. Die nächtliche Stille hatte gewonnen.
Godwin wusste nicht, wie lange er im Bett gesessen hatte. Als etwas kalt über seinen Rücken strich, war das für ihn so etwas wie ein Antrieb, das Bett zu verlassen.
Das tat er auch. Schwang die Beine zur Seite. Die Füße rutschten sofort in die weichen Lederpantoffeln hinein, und Godwin stand. Für einen Moment blieb er unbeweglich stehen und sah aus wie jemand, der über etwas nachdachte.
Das war auch bei ihm der Fall. Er dachte darüber nach, dass es keinen Sinn hatte, hier im Schlafzimmer zu bleiben. Es war besser, wenn er in sein Arbeitszimmer ging. Möglicherweise kam er dort auf andere Gedanken.
Godwin schlich aus dem Zimmer. Auf keinen Fall wollte er seine Frau wecken. Wenn es etwas zu regeln gab, dann wollte er es durchziehen. Und er war der Ansicht, dass er etwas regeln musste, und das wollte er tun.
Weg aus dem Schlafbereich und hinein in sein Büro. Er ging nicht schnell, aber auch nicht tappend, aber er beeilte sich nicht und hatte das Gefühl, wie ein Geist durch die Stille zu schweben. Als er dann die kalte Türklinke an seiner Hand spürte, da war dieses Gefühl dahin.
Er öffnete.
Die Dunkelheit war schnell weg, als er das Licht einschaltete. Aber nicht das an der Decke. Er war im Dunkeln zu seinem Schreibtisch gegangen und hatte die dort stehende Lampe eingeschaltet. Der warme Schein breitete sich aus und verteilte sich auf der Schreibtischplatte.
Der Sessel stand halb im Schatten. Der Templer setzte sich. Er war jetzt hellwach und wollte sich auf seine Gedanken konzentrieren und sich nicht von ihnen fertigmachen lassen.
Warum finde ich keinen Schlaf? Was bringt mein Inneres so auf Trab?
Er hatte keine Ahnung, aber es war vorhanden. Dagegen konnte er nichts tun.
Er fand sich damit ab und versuchte jetzt, sich mit dem zu arrangieren, was in seinem Kopf vorging. Es gab da einige Möglichkeiten, die infrage kamen, aber Godwin schob sie zur Seite. Ihm war plötzlich der Gedanke gekommen, dass sie zu normal waren.
Da war etwas anderes. Das musste was anderes sein, was Außergewöhnliches, denn er war ebenfalls ein außergewöhnlicher Mensch.
Ein Templer. Der Führer eines Ordens, der offiziell vernichtet worden war, und das im späten Mittelalter, als sich ein weltlicher Herrscher und ein Papst verbündet hatten, um den Orden zu zerstören, was ihnen nicht gelungen war. Es gab zwar viele Tote unter den Templern, aber es hatten auch welche überlebt. Dazu gehörte auch Godwin de Salier, ein Templer, der vor Jahrhunderten gelebt und gekämpft hatte und durch einen Zeitensprung in die Gegenwart geholt worden war.
Hier hatte er es dann geschafft und war zum Anführer der Templer geworden.
Ruhe hatte der Orden auch in dieser Zeit nicht gefunden. Immer wieder hatte es Angriffe der Feinde gegeben, die auch aus alter Zeit stammten und sich etabliert hatten.
An sie musste Godwin denken, als er an seinem Schreibtisch saß und über das nachdachte, was sich in seinem Kopf abspielte. Es war kein Zufall, es hatte etwas zu bedeuten, aber Godwin bekam keinen Hinweis, und das ärgerte ihn.
Seine Frau schlief weiter. Godwin hatte noch mit den Botschaften in seinem Kopf zu kämpfen. Aber war es überhaupt eine Botschaft? Konnte man sie als eine solche bezeichnen?
Er wusste es nicht. Aber wenn es so war, dann fragte er sich, wer sie ihm wohl geschickt haben könnte. Feinde gab es genug. Aber auch Personen, die ihm positiv gesonnen waren.
Nur würden die nicht seinen Kopf als Botschafter benutzen. Nein, da musste schon was anderes dahinter stecken.
Und dann hatte er plötzlich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein.
Nicht, dass jemand in seiner Nähe stand und ihn beobachtete, nein, er konnte auch weiter entfernt seinen Standort haben, um von dort aus mit ihm Kontakt aufzunehmen.
Wahrscheinlich sollte das ein normaler Kontakt sein. Er musste nur noch herausfinden, wer ihm da aus seiner Ruhe gerissen hatte.
In der Nähe?
Nein, daran glaubte er nicht. Da hätte er etwas sehen müssen, aber er wurde trotzdem das Gefühl nicht los, dass es irgendwo in seiner Nähe sein könnte.
Er stand auf.
Blieb stehen. Drehte sich um. Ließ seine Blicke durch das Büro gleiten, und er dachte dann an den Würfel des Heils, der in einer Schublade des Schreibtischs lag.
Er zog die Lade auf.
Da lag er – der Würfel!
So etwas wie ein Wahrsager und auch Voraussager. Der Würfel war schon sehr wichtig für ihn gewesen, und das konnte er in dieser Nacht auch sein.
Er nahm ihn in beide Hände. Blickte auf ihn nieder und verzog die Lippen zu einem Lächeln.
War das die Lösung?
Nein, das war sie nicht. Der Würfel reagierte nicht. Er zeigte kein Bild, seine Seiten blieben leicht verschwommen. Godwin gab trotzdem nicht auf.
Er hielt seine Handflächen gegen die Seiten gedrückt, suchte den Kontakt zwischen ihm und dem Würfel. Den gab es nicht, was den Templer schon enttäuschte. Er hatte geglaubt, eine Lösung gefunden zu haben, doch jetzt konnte er es vergessen. Die Kraft des Würfels hatte nicht für seinen Zustand gesorgt.
Was dann?
Godwin wusste es nicht. Aber er gab nicht auf. Irgendwas war in dieser Nacht passiert, das sich auf ihn bezogen hatte. Und das wollte er unbedingt herausfinden.
Das Zimmer hatte noch eine zweite Tür. Sie führte in einen anderen Raum, in dem ein bestimmter Gegenstand seinen Platz gefunden hatte. Es war ein altes Erbe, ein Sessel aus Knochen. Er war aus dem Gerippe von Jacques de Molay geformt, dem letzten Templer, der grausam umgebracht worden war.
Durch die finanzielle Hilfe seines Freundes Bill Conolly war es dem Geisterjäger John Sinclair gelungen, das Gerippe zu ersteigern, das zu einem Sessel geformt war, und nun der Knochensessel genannt wurde.
Der Knochensessel war etwas Besonderes. Mit ihm konnten magische Zeitreisen unternommen werden. Nicht nur in die Vergangenheit der normalen Welt, die Kraft des Sessels schaffte es auch, Dimensionsgrenzen zu überwinden.
Aber der Sessel nahm nicht jeden auf. Wer nicht würdig genug war, den tötete er auch. Das war Godwin noch nie passiert, aber er begegnete dem Sessel mit Respekt.
Er öffnete die Tür.
Im Zimmer hätte es dunkel sein müssen. Das war es aber nicht, denn es gab eine Lichtquelle.
Und das war der Knochensessel!
Der Templer hatte das Gefühl, in einer anderen Welt zu stehen, denn mit dem, was er hier zu sehen bekam, hatte er nicht gerechnet.
Der Sessel war da.
Er glühte in einem seltsamen grünen Licht, das sich durch die hellen Knochen zog.
Godwin besaß den Sessel schon einige Zeit, aber was er hier zu sehen bekam, das war ihm doch neu. Er war etwas Besonderes, er konnte viel, und der Templer fragte sich, weshalb er sich in diesem Licht zeigte.
Das musste etwas zu bedeuten haben. Hatte sich der Sessel von selbst reisefertig gemacht? Oder anders gesagt: Hatte er sich magisch aufgeladen?
Auch das war möglich, und dann fragte sich Godwin, ob sein Wachbleiben etwas mit dem Sessel zu tun haben könnte. Je länger er darüber nachdachte, umso sicherer wurde er. Der Sessel war zu einem Botschafter geworden.
Und mir gilt die Botschaft!, dachte der Templer.
Es musste kein anderes Licht im Zimmer geben, der Sessel erleuchte es. Das bläuliche Licht steckte in den Knochen und reichte aus, um alles erkennen zu können.
Auch der Templer stand im schwachen Licht. Er wirkte wie eine Figur, die sich nicht mehr bewegen konnte. Aber er spürte auch eine Veränderung. Und zwar in seinem Kopf, denn da waren die Gedanken fast völlig verschwunden.
Er hatte jetzt etwas vor sich. Das wusste Godwin. So einfach konnte und wollte er nicht mehr zurückgehen, hier war etwas passiert, sodass auch er gefordert war.
Ein Knochensessel stand vor ihm!
Er holte tief Luft, schluckte dann und verließ seinen Standort an der Tür. Sein Ziel war der Sessel. Die Tür schloss er nicht hinter sich, es interessierte ihn nur der Sessel. Dabei wünschte er sich, dass er sprechen konnte, aber das war nicht der Fall.
Der Templer hatte nicht zum ersten Mal seinen Platz auf dem Knochensessel gefunden, der alles andere als sitzbequem war, aber darauf kam es nicht an. Der Sessel hatte andere Eigenschaften, die für den Templer sehr wichtig waren.
Er schlich auf den Knochensessel zu. Im Mund spürte er kaum noch Flüssigkeiten. Alles war ausgetrocknet, aber dafür hatte er im Moment keine Gedanken.
Der Sessel, es war für ihn nur der Sessel vorhanden. Und den wollte er einsetzen. Es gab einfach keinen anderen Weg für ihn. Godwin dachte daran, gewisse Vorgänge auf sich zu beziehen, und deshalb wollte er auch auf ihm sitzen.
Der Sessel stand an der Wand. Wer auf ihm saß, der konnte das Zimmer überblicken.
Setzen oder nicht?
Oder Sophie Bescheid geben, dass er sich auf die Suche machen wollte.
Nichts von beidem, denn der Sessel war wichtiger. Und er ging den letzten Schritt, der ihn bis dicht an den Sessel heranbrachte.
Noch blieb der Templer stehen. Blickte nur nach unten, sah den Sessel, dachte über ihn nach und wusste, was mit dem Knochensessel passiert war.
Er lockte. Er wollte, dass jemand auf ihm Platz nahm. Sich auf den Knochensessel setzte.
Und dann?
Das war die große Frage, wobei er die Antwort nur herausbekommen konnte, wenn er sich setzte. Bisher hatte der Templer gezögert, jetzt aber hatte er sich entschlossen.
Godwin drehte sich, damit er den Sessel im Rücken hatte. Er wusste, dass er ein Risiko einging, aber er wusste auch, dass dies so sein musste.
Man hatte ihn ›gerufen‹.
Und er musste dem Ruf folgen. Etwas anderes kam für ihn nicht infrage.
Vorsichtig sank er nieder. Es dauerte Sekunden, da hatte er den Knochensitz erreicht.
Godwin setzte sich ...
Was passierte?
Nichts. Er saß normal. Ein wenig tief, aber auch ein wenig hart. Das kannte er, denn er saß auf Knochen und nicht auf Polster.
Sekundenlang saß er bereits auf dem Sessel, und nichts passierte.
Er spürte auch keine Veränderung, aber das sollte nicht lange lauern.
Plötzlich war sie da. Die andere Kraft, die schwer zu beschreiben war, weil er sie nicht kannte.
Gab es den Körper noch?
Den Geist gab es schon. Er spürte ihn. Etwas bewegte sich in seinem Kopf.
Es war keine direkte Stimme, die sich bemerkbar machte, irgendetwas anderes.
»Dein Weg in die Hölle, Templer. Jetzt beginnt der Totentrip ...«
Genau in diesem Moment löste sich die Gestalt des Godwin de Salier auf und hinterließ einen leeren Knochensessel ...
Die schmale Frauenhand fiel von oben nach unten, traf aber kein Ziel, was sie gehofft hatte, sondern die Matratze mit dem hellen Bezug. Dort blieb sie für einen Moment liegen, dann zuckte sie, und es war eine Frauenstimme zu hören.
»Godwin? Wo ... wo bist du?«
Sophie Blanc bekam keine Antwort und wusste jetzt mit Bestimmtheit, dass ihr Mann nicht im Bett lag.
Sie aber blieb liegen. Wartete. Sorgte dafür, dass sich ihr Atem beruhigte. Ohne hinzufassen, wusste sie, dass sich auf ihrer Stirn Schweißperlen gebildet hatten. Ein Zeichen dafür, dass sie sich nicht wohlfühlte.
Wieder bewegte sie ihre Hand und fühlte auf der zweiten Betthälfte nach. Die Hand glich über ein normales Laken. Da war keine Wärme zu spüren. Also war ihr Mann nicht erst seit ein paar Minuten verschwunden.
Sie setzte sich hin. War jetzt hellwach, und ihr weiteres Vorgehen stand fest. Sie würde sich auf den Weg machen und ihren Ehemann suchen. Das war einfach wichtig für sie. Beide hatten schon zu viel Negatives erlebt, um so etwas wie hier einfach hinzunehmen. Besonders Godwin, der Templerführer.
Es konnte auch sein, dass er im Haus unterwegs war, doch einen Eid wollte sie darauf nicht geben. Da gab es andere Dinge, die beide schon erlebt hatten.
Sophie stand auf. Über ihren Körper glitt ein Schauder, und so griff sie zum in der Nähe hängenden Bademantel, den sie überstreifte.
Jetzt ging es ihr besser.
Der erste Weg führte sie an die Tür, die sie öffnete, auf der Stelle anhielt und lauschte.
Nein, da war nichts. Es gab keinen Hinweis auf ihren Mann. Sie hatte nicht ausgeschlossen, etwas aus einem der anderen Zimmer zu hören, denn sie wusste auch, dass Godwin es hin und wieder in den Kopf kam, in der Nacht zu arbeiten.
Sie hörte nichts. Das beruhigte sie nicht. Im Gegenteil, die Sorgen verstärkten sich.
Das Ehepaar wohnte im Templerkloster in einem kleinen Anbau und nicht bei den Mönchen, die sich ansonsten im Kloster aufhielten. Es waren nicht wenige, aber auch nicht zu viele. Immer wieder kam es zu Wechseln in der Belegschaft.
Sophie Blanc setzte ihren Weg fort. Sie dachte daran, das Wohnzimmer nicht zu betreten, überlegte es sich aber anders und huschte hinein. Sogar das Licht schaltete sie ein, aber von ihrem Mann war nichts zu sehen.
Durch ein schräg gestelltes Fenster drang kühle Nachtluft in den Raum, und Sophie zog sich wieder zurück.
Der nächste Raum war das Arbeitszimmer. Sie beschäftigte sich auch mit sich selbst und lauschte in ihr Inneres hinein. Aber da gab es nichts, was sie warnte.
Sophie wusste nicht, wie sie das einschätzen sollte, und als sie die Tür zum Arbeitszimmer öffnete, da ahnte sie, dass dies auch menschenleer war.
Trotzdem machte sie Licht.
Keine Spur von Godwin.
Zum ersten Mal kam ihr ein bestimmter Gedanke, und sie fragte sich, ob ihr Mann sich unter Umständen draußen aufhielt. Im Garten, zum Beispiel.
Das war eine Möglichkeit. Deshalb ging sie auch zum Fenster und sah durch die Scheibe in den Klostergarten mit der Kapelle. Wenn sich jemand dort bewegte, trug er unter Umständen eine Taschenlampe bei sich, die er auch eingeschaltet hatte, aber Sophie sah keinen Lichtstrahl durch die Dunkelheit wandern.
Sie schloss das Fenster wieder, drehte sich um und suchte im Licht nach einem Hinweis, der ihr sagte, dass Godwin sich hier aufgehalten hatte.
Da gab es nichts. Auch die Schublade, in der sich der Würfel befand, war geschlossen.
Aufhören?
Sophie dachte nicht daran. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann führte sie es auch durch, und ihr Blick richtete sich gegen die zweite Tür. Sie war eingeweiht und wusste sehr genau, was sich in dem Zimmer hinter der Tür befand.
Dort stand der geheimnisvolle Knochensessel, der eine Hilfe, aber auch eine tödliche Falle sein konnte. Wenn sie ehrlich war, dann musste sie zugeben, dass sie den Sessel nicht mochte, aber sie wusste auch, dass er eine große Hilfe sein konnte.
Sie ging auf die Tür zu. Dabei spürte sie, dass ihr Herz schneller klopfte, als wäre dies eine Vorahnung auf das, was noch folgen würde. Sophie atmete tief ein. Wischte eine blonde Haarsträhne aus der nass gewordenen Stirn und legte dann eine Hand auf die Klinke der zweiten Tür. Sie spürte die Kühle des Metalls, drückte die Klinke, öffnete die Tür und hatte freien Blick.
Es war nicht zu fassen.
Sie sah den Sessel. Sie sah auch ihren Mann, der auf dem Sessel saß, aber sie sah Godwin nicht so, wie sie ihn kannte. Er war tatsächlich dabei, sich aufzulösen ...
Zuerst wollte Sophie nicht glauben, was sie da sah. Aber es gab kein Entrinnen. Ihr Mann hatte sich auf den Knochensessel gesetzt und war dabei, zu verschwinden.
Jemand schrie leise auf. Es war sie selbst, und sie wollte hinrennen, um Godwin zurückzuholen, aber das ließ sie bleiben, denn sie wusste nicht, wie die Kräfte des Sessels reagieren würden. Sie ließen sich nicht von irgendwelchen Menschen beeinflussen oder von etwas abhalten.
Deshalb blieb sie und hoffte darauf, dass Godwin den Kopf drehte und einen Blick in ihre Richtung warf, aber das tat er nicht. Stattdessen verschwand er, und der Knochensessel hatte seine Pflicht mal wieder getan.