1,99 €
Diesmal kamen sie zu viert. Es war wichtig für sie, Menschen zu töten, um sie dann gierig zu verspeisen.
Wer so etwas tat? Wer davon lebte? Die absolut widerlichsten Dämonen, und diesmal hatten sie sich Harry Stahl und Dagmar Hansen ausgesucht ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Das Ghoul-Quartett
Vorschau
Impressum
Das Ghoul-Quartett
Von Jason Dark
Diesmal kamen sie zu viert. Es war wichtig für sie, Menschen zu töten, um sie dann gierig zu verspeisen.
Wer so etwas tat? Wer davon lebte? Die absolut widerlichsten Dämonen, und diesmal hatten sich die Leichenfresser Harry Stahl und Dagmar Hansen ausgesucht. Die Jagd beginnt ...
Die Frühlingssonne verbreitete einen besonderen Glanz, der auch die Leichenhalle nicht ausließ. Sie stand an der höchsten Stelle des Friedhofs, dessen mit Gräbern geschmücktes Gelände leicht anstieg, was aber kaum zu spüren war.
Bevor Besucher das Gräberfeld erreichten, konnten sie ihre Fahrzeuge auf dem Parkplatz des Friedhofs abstellen. Genau das geschah auch mit dem Opel Insignia, unter dessen Reifen es leicht knirschte, bevor der Wagen zum Stehen kam.
Sekunden später öffneten sich die beiden Vordertüren. Ein Mann und eine Frau verließen den Opel. Die Frau hatte ihre natürliche rote Haarflut durch Gummis im Nacken leicht gebändigt. Auf ihrem Gesicht, welches zahlreiche Sommersprossen aufwies, lag ein betrübter Ausdruck.
Dagmar Hansen, so der Name der rothaarigen Frau, drückte die Wagentür ins Schloss und schaute über das Autodach hinweg auf den Mann, der auf der gegenüberliegenden Wagenseite stand und dessen graues Haar kurz geschnitten war. Auch sein Gesichtsausdruck war von Trauer gezeichnet.
Es standen noch nicht viele Autos auf dem Parkplatz nahe der Leichenhalle. Die Trauergäste würden noch zahlreicher werden, denn der Mensch, der hier zu Grabe getragen werden sollte, wurde in seinem dienstlichen Umfeld sehr geschätzt. Er gehörte zu den Leuten, die beim BKA etwas zu sagen hatten. Gestorben war er nicht durch eine Kugel, sondern an einem Herzinfarkt. Es lag auf der Hand, dass die Beerdigung nicht eben im kleinen Rahmen stattfinden würde.
»Gehen wir?« Dagmar blickte ihren Begleiter an, der stumm nickte.
Die Leichenhalle war zur Vorderseite hin offen, hatte als Wetterschutz aber noch ein gläsernes Vordach. Wer in die Halle hineinschaute, sah ein Podest, auf dem ein Sarg stand, der von Kränzen und Blumengestecken umsäumt war.
Dagmar Hansen und Harry Stahl waren nicht die ersten Trauergäste. Zwei andere waren gerade dabei, den Sarg und das geschmückte Podest zu fotografieren. Das nahmen Dagmar und Harry wahr, als sie den Weg hochgingen, der an der Leichenhalle endete. Unter dem Vordach standen Stühle in mehreren Reihen, die sich in der Leichenhalle fortsetzten. Noch waren die Plätze leer, aber das würde sich bald ändern.
Dagmar und Harry, die frühzeitig eingetroffen waren, schlenderten auf ihr Ziel zu, ließen sich den warmen Wind um die Nasen wehen und hingen ihren Gedanken an den Verstorbenen nach.
Unvermittelt blieb Dagmar stehen. Harry, der einige Schritte vor ihr ging, blieb stehen und blickte seine Frau verwundert an.
»Was ist denn los?«
Dagmar erwiderte nichts. Sie schüttelte den Kopf, hob die rechte Hand und konzentrierte sich.
»Was hast du denn?«
Anstelle einer Antwort zog sie die Nase hoch und schnüffelte hörbar.
»Riechst du nichts, Harry?«
»Nein. Was sollte ich denn riechen?«
»Na ja, den Geruch!«
»Ach, Unsinn.«
Dagmar stöhnte leise. »Das ist kein Unsinn. Ich rieche es, und ich denke nicht, dass ich mich getäuscht habe.«
Harry ging einen Schritt auf seine Partnerin zu und blieb neben ihr stehen. Auch er schnüffelte nun, zwinkerte mit den Augen und schüttelte schließlich den Kopf.
»Nichts, Harry? Aber ich habe mich nicht geirrt.«
Harry Stahl nickte. »Okay, machen wir es einfach. Sag mir, was du riechst?«
»Es ist kein guter Geruch.«
»Das sehe ich dir an.« Harry verdrehte die Augen.
Dagmar brachte ihren Mund nah an das Ohr ihres Partners und flüsterte:
»Es riecht hier nach Verwesung. Nach alten Leichen, Harry. Ja, danach riecht es ...«
Harry Stahl schnaufte tief durch, starrte Dagmar an und blickte trotzdem ins Leere. Es dauerte eine Weile, ehe er sich wieder gefangen hatte und zu einer Reaktion fähig war.
»Ja, es riecht nach Verwesung, Harry«, wiederholte seine Frau mit vor Schreck geweiteten Augen. »Ich spüre diesen Geruch genau in der Nase, den bilde ich mir nicht ein.«
»Aber ... aber wieso? Wir stehen doch nicht vor einer alten Leiche. Dann hätte ich vielleicht gesagt, dass du recht hast.«
Harry Stahl blickte sich suchend um und setzte dann, an seine Frau gewandt, hinzu: »Ich kenne dich, Dagmar, und ich weiß, dass du dir nichts einbildest. Ich frage mich nur, woher der Geruch kommen soll. Hat er seinen Ursprung vielleicht in der Leichenhalle?«
»Nein.«
»Aha. Und weiter?«
Dagmar Hansen lächelte kurz. »Es gibt keine Richtung, Harry. Er ist überall. Er erreicht mich aus allen Richtungen. Ich kann dir sagen, dass er sehr schwach ist, aber noch wahrnehmbar. Und ich kann ihn wahrnehmen.«
Harry Stahl schwieg. Er schluckte, atmete nur durch die Nase, sah sich abermals um, doch er sah nichts, was auf den Verdacht hingedeutet hätte.
»Da bin ich überfragt, Dagmar.«
»Das kann ich dir nicht übelnehmen. Komm, lass uns gehen.«
Sie steuerten auf die Leichenhalle zu, und es war ihnen anzusehen, dass sie sich Gedanken über den Vorfall machten. Auf einem Friedhof roch es in der Regel nicht nach alten Leichen.
Und hier?
Es war nicht mehr weit bis zu ihrem Ziel. Die ungewöhnliche Leichenhalle lag jetzt vor ihnen. Zwischenzeitlich war ein Pfarrer erschienen und legte sich ein Buch auf einem Stehpult zurecht. Er warf den beiden Neuankömmlingen einen schiefen Blick zu und verschwand durch eine Tür.
Harry stieß seine Partnerin an. »Den hätten wir mal fragen sollen.«
»Okay. Willst du ihm nach?«
»He, was hast du auf einmal für eine Stimme? Die klingt aggressiv. Ist was mit dir?«
Dagmar strich ihre Haare zurück. »Nein, mit mir ist nichts. Ich denke nur an den Geruch.«
»Ja, ja, das glaube ich. Und du bist dir sicher, keiner Täuschung erlegen zu sein?«
»So ist es. Ich kann mich auf meinen Geruch verlassen.«
Harry nickte stumm, drehte sich halb um und blickte den Weg zurück, den sie gekommen waren. Dort hatte sich nichts verändert. Allerdings waren weitere Trauergäste eingetroffen, die nun hoch zur Leichenhalle schritten. Sofern sie miteinander sprachen, geschah dies aus Respekt den Toten gegenüber sehr leise.
Dagmar und Harry kannten die meisten der Menschen. Es waren Kollegen. Die Verwandten hatten sich in einer separaten Gruppe gesammelt und unterhielten sich ebenfalls in gedämpftem Ton.
Harrys Blicke wandten sich nun dem Sarg zu, der geschmückt auf dem Podest stand. Er wollte sich bereits wieder abwenden, als er jäh den Atem anhielt.
Plötzlich war er da. Jetzt auch bei ihm. Der verdammte Leichengeruch hatte seine Nase erreicht ...
Harry Stahl war erstarrt und musste die Überraschung verdauen. Dann aber drehte er den Kopf und blickte seiner Partnerin direkt ins Gesicht.
Dagmar wusste Bescheid.
»Du hast es jetzt auch gerochen, richtig?«
»Ja. Du nicht?«
Sie nickte heftig. »Ja, jetzt auch wieder. Wie ein Schwall wehte der Gestank heran.« Sie stöhnte auf. »Harry, das ist nicht normal, sage ich dir.«
Er warf einen Blick auf die anderen Trauergäste. Sie standen weiterhin in ihren Grüppchen zusammen und verhielten sich normal. Nichts deutete bei ihnen darauf hin, dass auch sie den beißenden Geruch der Verwesung wahrgenommen hatten. Er schien nur für die Nasen der beiden Agenten bestimmt zu sein, doch daran wollten Dagmar und Harry nicht glauben.
»Wo mag der Ursprung sein, Harry?«
»Keine Ahnung. Ich habe schon an den Sarg gedacht, aber sicher bin ich mir nicht. – Ich werde mal nachsehen.«
Dagmar warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Okay, aber bleib nicht zu lange weg. Die Trauerfeier fängt gleich an.«
»Das weiß ich selbst. Aber ich muss einfach wissen, woher dieser Gestank kommt.«
Die beiden verharrten noch einige Sekunden und schauten zu, wie sich die Szenerie veränderte. Jetzt kamen die Trauergäste näher und strebten auf die letzten noch freien Stühle zu. Der Beginn der Trauerzeremonie stand kurz bevor.
»Dann mache ich mich mal auf den Weg«, sagte Harry bestimmt.
»Und wo willst du nachschauen?
»Was bleibt mir denn, Dagmar? In der Trauerhalle natürlich. Aber in dem Teil, den man nicht einsehen kann.«
Dagmar nickte. »Ich habe gesehen, durch welche Tür der Pfarrer verschwunden ist ...«
»Nein, nein, die nehme ich nicht.«
»Sondern?«
Harry lächelte knapp. »Ich werde außen herum gehen. Kann sein, dass ich noch einen zweiten Zugang finde.«
»Tu das. Aber begeistert bin ich nicht.«
Harry nickte seiner Partnerin kurz zu und schlich davon. Zurück ließ er eine Frau, dessen Magen sich zusammenzog ...
Sich auf den neuen Weg zu konzentrieren, stellte für Harry Stahl kein Problem dar. Er hatte die Leichenhalle seitlich verlassen und schnellte sich jetzt an ihrer Mauer entlang nach hinten. Er wollte dorthin, wo sie aufhörte.
Harry blieb bislang unentdeckt. Es gab keinen Friedhofsbesucher, der denselben Weg nahm wie er.
Still war es ohnehin gewesen, aber jetzt kam es ihm noch stiller vor.
Natürlich zog er immer wieder die Nase hoch und erwartete, den beißenden Geruch erneut wahrzunehmen. Aber Harry hatte Pech, er roch nichts. Lediglich die schwachen Düfte der Natur hingen in der Luft.
Harry passierte einige Gräber an der linken Seite. Sie wurden durch die Äste kräftig gewachsener Bäume geschützt, und er musste sich eingestehen, dass alles normal roch.
Habe ich mich getäuscht?
Es kam, wie es kommen musste. Harry erreichte das Ende der Leichenhalle. Dort blieb er stehen und schaute sich um. Nach wie vor war niemand in seiner Nähe. Die Trauergäste hatten hier nichts zu suchen. Auch die Umgebung bot ein anderes Bild. Gräber waren in diesem Bereich des Friedhofs nicht auszumachen, und das Gelände wirkte mehr als ungepflegt. Augenscheinlich legte hier kein Gärtner Hand an; stattdessen wucherte das Unkraut unter den Ästen der mächtigen Bäume, die ihren Schatten bis zum Eingangsbereich der Leichenhalle hinüberwarfen.
Er erreichte die Rückseite des Gebäudes. Sie stand zu dieser Tageszeit im vollen Sonnenlicht, sodass Harry Stahl die Tür an der Rückseite deutlich erkannte. Er atmete tief durch und gestattete sich ein Lächeln, weil er davon ausging, sein Ziel erreicht zu haben. Jetzt allerdings galt es, unbemerkt in das Haus zu gelangen.
Harry blickte sich noch einmal um, ehe er die schwarze Klinke nach unten drückte. Ein kurzes Ziehen, dann schwappte die Tür auf, und warme Luft strömte Harry entgegen.
Aber nicht nur sie.
Es gab da noch etwas anderes, das sich in ihr versteckt hatte. Es war der Geruch, den Harry bereits vor einigen Minuten so deutlich wahrgenommen hatte. Und der war ekelerregend. Seine Kehle wurde eng.
Ja, hier stank es nach alten Leichen, nach Verwesung.
Harry hielt die Luft an. Es dauerte eine Weile, bis er sich gefangen hatte. Dabei war er einige Schritte zurückgestolpert, starrte jetzt gegen die offene Tür und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
Er dachte tatsächlich darüber nach, wie es weitergehen sollte. Vernünftig wäre es gewesen, sich umzudrehen und zu verschwinden. Aber das hätte ihn nicht befriedigt. Zudem war Harrys Neugier geweckt.
Er wollte mehr wissen. So widerlich der Gestank auch war, Harry musste wieder zurück in das Haus.
Hier draußen war die Luft noch erträglich. Das nutzte Harry aus; er öffnete den Mund und saugte die Luft so tief wie möglich in seine Lungen.
Er hatte nicht vor, lange in diesem Bau zu bleiben. Bei angehaltener Luft brachte ihn der nächste Schritt über die Schwelle hinein in das Haus. In einem Flur fand er sich wieder. Er war normal zu begehen, war von ausreichender Breite und wurde an der rechten Seite von einer Mauer ohne Fenster gesäumt.
Auf der linken Seite des Flurs erwartete Harry ein anderes Bild. Von seinem Standort aus konnte er gleich zwei Türen sehen, die grau angestrichen waren, wobei die erste Tür breiter war als die zweite.
Harry stand der ersten Tür näher. Er hatte sie auch in den nächsten drei Sekunden erreicht, blieb vor ihr stehen und musste nun doch würgen, was nicht lautlos passierte.
Ob des grässlichen Gestanks schloss Harry die Augen und schüttelte sich. Das allerdings war kein Grund für ihn, seinen Plan aufzugeben.
Er schaute sich die Tür genau an, suchte, ob es irgendwo ein Loch gab, durch das er schauen konnte.
Das war leider nicht möglich, und so blieb für ihn nur eine Alternative. Er musste die Tür normal öffnen und dabei behutsam zu Werke gehen.
Harry war ein Mann der schnellen Entschlüsse. Er hoffte nur, dass die Tür nicht abgeschlossen war. Das war sie zum Glück nicht, und so konnte Harry sie einen Spalt aufziehen.
Wieder zog er mit einem schniefenden Geräusch die Nase hoch. Er hatte den Eindruck, dass der Gestank nun noch intensiver geworden war, aber das war kein Grund, um sich zurückzuziehen. Er wollte es nach wie vor wissen und zog die Tür behutsam so weit auf, dass er sich einen ersten Überblick verschaffen konnte.
Harry Stahl erblickte etwas, was er nie mehr in seinem Leben vergessen würde.
An einem mittellangen Tisch saßen vier Männer. Sie trugen dunkle Kleidung. Auf ihren Köpfen saßen schwarz glänzende Zylinder. So sahen Sargträger aus.
Bis hierhin schien alles normal, und Harry hätte sich auch keine Gedanken darüber gemacht. Doch da gab es noch etwas, und das war irgendwie absurd.
Auf dem Tisch lag eine nackte männliche Leiche. Und sie sah nicht so aus wie Sekunden nach ihrem Tod. Man hatte sich zweifellos an ihr zu schaffen gemacht, denn jetzt sah Harry auch die Messer in den Händen der Männer. Damit wusste er genug.
Er schnappte nach Luft und hatte das Gefühl, den Gestank zu trinken. Zwei der starren, bleichen Gesichter waren der Tür zugewandt. Harry wusste nicht, ob man ihn gesehen hatte. Ein Risiko wollte er nicht eingehen und zog sich deshalb zurück, wobei es ihm noch gelang, die Tür lautlos zu schließen.
Er selbst taumelte zurück, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Das abscheuliche Bild vor seinen Augen wollte nicht verschwinden, auch wenn ihm die Luft in diesem Bereich des Gebäudes sogar fast wieder rein vorkam.
Ein Gedanke hatte sich bei Harry Stahl regelrecht festgefressen. Die vier Sargträger am Tisch waren keine normalen Menschen gewesen, sondern Ghouls. Dämonische Wesen, die sich von totem Fleisch ernährten ...
Die Unruhe in Dagmar Hansen wuchs minütlich und sorgte dafür, dass sie sich in Angst verwandelte. Ja, sie hatte plötzlich panische Angst um ihren Partner, der bereits so lange im Gebäude verschwunden war. Eigentlich viel zu lange, wie sie zugeben musste.
Und die Welt hatte sich hier weitergedreht. Der Pfarrer hatte in seiner Trauerrede mit wertschätzenden Worten des Verstorbenen gedacht. Danach hatte der Sohn gesprochen, was ihm nicht leichtgefallen war. Anschließend hatte noch jemand vom BKA das Wort ergriffen, ehe sich die Trauergäste erhoben und andächtig vor der Leichenhalle Aufstellung nahmen.
Zuvor war der Sarg vom Podium gehoben worden. Kollegen des Verstorbenen dienten hierbei als Sargträger. Sie stellten den Totenschrein auf ein Fahrzeug, das durch einen Elektromotor angetrieben wurde und sehr langsam fuhr, damit die Menschen ihm problemlos bis zur Grabstätte folgen konnten.
Und Harry?
Er war noch immer nicht zurück. Dagmars Sorgen steigerten sich unaufhörlich.
Sie wurde bereits von anderen Trauernden angesprochen, wo Harry denn bliebe, eine konkrete Antwort hatte sie nicht gegeben.
Das Grab lag in der oberen Region des Friedhofs. Auch hier standen mächtige Bäume, die einen entsprechenden Schatten spendeten, als wollten sie die Toten in der Erde behüten.
Dagmar Hansen hatte sich zurückfallen lassen. Sie wollte keine Aufmerksamkeit erregen, wenn sie den Kopf drehte und nach hinten schaute.
Da jedoch war immer noch niemand zu sehen. Ihr Blick glitt ins Leere. Ihre Handflächen waren längst feucht geworden, und auch Dagmars Herzschlag hatte sich beschleunigt. Der Gedanke, dass Harry etwas passiert sein konnte, wollte einfach nicht weichen.
Aber was konnte ihm passiert sein? Sie hätte keine Antwort darauf geben können. Hier war alles okay, zumindest nach außen hin, aber Dagmar hatte auch den ungewöhnlichen Gestank in der Luft nicht vergessen. Ob er damit zu tun hatte?
Für sie war alles möglich. Dagmar Hansen hatte schon zu viel erlebt. Man konnte bei ihr durchaus von einem wilden und bewegten Leben sprechen. Zwar nicht ganz so schlimm wie bei ihrem Partner, doch ihr reichte es allemal, denn sie war auch eine Psychonautin. Dieses Wissen und diese Tatsache jedoch waren in der letzten Zeit zurückgedrängt worden.