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Sie war schon immer etwas Besonderes - die Vampirin Justine Cavallo!
Früher hatte sie zu meinen Todfeinden gezählt, dann hatte sie die Seiten gewechselt und mit mir gegen die Schwarzblütler gekämpft.
Doch das war plötzlich vorbei. Justine Cavallo hatte erneut die Seiten gewechselt, und wir waren wieder Todfeinde! Und nicht nur auf mich hatte sie es abgesehen, auch auf meine engsten Freunde ...
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Ich gegen die blonde Bestie
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Ich gegen dieblonde Bestie
von Jason Dark
Justine Cavallo leckte sich die letzten Tropfen Blut von den Lippen, dann war sie zufrieden und schaute durch die Scheibe des Renault Clio.
Sie war satt. Richtig satt. Sie hatte das Blut eines Menschen getrunken und ihn somit zum Vampir gemacht. Doch sie wollte nicht, dass es zu viele Vampire auf der Welt gab, deshalb hatte sie ihn anschließend mit einem Stich ins Herz getötet.
Skrupel hatte sie nicht gehabt. Dieser Mann war ein Mörder gewesen. Er hatte zwei Kinder umgebracht und deshalb dieses Ende verdient. So dachte sie.
Sie hatte ihn sich geholt, bevor die Polizei gekommen wäre, um ihn zu verhaften. Jetzt war er dort, wo er hingehörte.
In der Hölle!
Lange wollte die Blutsaugerin nicht hier bleiben, sondern nach Hause fahren. Und der Begriff Haus stimmte tatsächlich. Das kleine Haus auf dem Land hatte sie für wenig Geld von einem Bauern gekauft, der damit nichts mehr anfangen konnte.
Justine war dort eingezogen. Das Mobiliar hatte sie mitgekauft. Geld fehlte ihr nicht. Das besorgte sie sich bei Typen, die anderen Menschen Geld abnahmen und sie erpressten. Sogar den Clio hatte sie von diesem Geld gekauft. Allerdings gebraucht.
Nach einigen Minuten schüttelte sie kurz den Kopf. Dann startete sie den Wagen. Sie würde noch eine halbe Stunde durch die Nacht fahren müssen, um ihr Ziel zu erreichen.
Es stand dort, wo London endete und das freie Land begann. Dort gab es nur noch vereinzelt Bauernhöfe. Es ging den Leuten nicht mehr so gut, die Wirtschaft schwächelte stark, und das merkten die normalen Menschen zuerst.
Sie konnten ihren Lebensstandard nicht mehr halten, und so standen einige Höfe leer und warteten auf Käufer.
Die nächtliche Glitzerwelt der Metropole lag hinter ihr. Jetzt war Justine allein mit der Dunkelheit und auch der Einsamkeit. Beides machte ihr nichts aus. Freunde hatte sie in dem Sinne nicht. Nur ein paar Verbündete hatte sie, und zu denen zählte John Sinclair von Scotland Yard.
Er wusste über sie Bescheid und akzeptierte sie, weil sie und Sinclair sich schon mehrmals das Leben – oder in ihrem Fall: die Existenz – gerettet hatten.
Ihretwegen konnte es so weitergehen. Damit hatte sie kein Problem.
Sinclair wohl, aber er hatte sich zähneknirschend damit abfinden müssen. Das wusste Justine Cavallo, das nahm sie hin.
Jetzt freute sich darauf, sich ein paar ruhige Tage machen zu können.
Um ihr Haus zu erreichen, musste sie von der normalen Straße weg und in einen schmaleren Weg einbiegen. Er und der schmale Bach führten direkt auf ihr Haus zu.
Es brannte kein Licht, niemand sollte in der Nacht darauf aufmerksam gemacht werden. Nur wenn in der Nacht ein Auto vorfuhr, strich das bleiche Licht der Scheinwerfer über die dunklen Mauern mit den recht kleinen Fenstern.
Viel Platz bot das Haus nicht. Es gab nur die untere Etage und eine Leiter, die unter das Dach führte. Das war alles.
Justine ließ den Clio ausrollen und hielt dicht vor der Haustür an. Sie stieg aus und blieb neben ihrem Wagen stehen. Wäre das Plätschern des Bachs nicht gewesen, hätte man von einer Totenstille sprechen können.
Ein paar wenige Schritte waren es bis zum Eingang. Justine Cavallo hatte die Distanz schnell überwunden, blieb für ein paar Sekunden vor der geschlossenen Tür stehen und schloss sie dann auf.
Sie blieb kurz auf der Schwelle stehen und starrte in das dunkle Haus.
Sie war zufrieden, trat ein und durchquerte einen kleinen Flur. Von dem aus führte die Stiege unters Dach.
Justine hatte das Licht eingeschaltete, das aber nur einen sehr müden Schein abgab. Der reichte Justine.
Sie hatte sich vorgenommen, sich hinzulegen. Dazu hätte sie nach links zur Couch gehen müssen, auch das tat sie nicht. Etwas hielt sie davon ab.
Aber was?
Die Vampirin öffnete den Mund. Schloss ihn dann wieder und fuhr sich durch ihr hellblondes Haar. Sie war leicht nervös geworden. Aber was konnte der Grund dafür sein?
Zu einem Ergebnis kam sie nicht. Sie sah auch nichts, hörte kein fremdes Geräusch, und trotzdem hatte sie das Gefühl, dass es nicht so war wie immer. Etwas hatte sich verändert.
Justine dachte nicht mehr daran, sich hinzulegen. Sie wollte dieses Rätsel lösen, das sie so verunsicherte. Das kannte sie gar nicht von sich, doch es ließ sich nicht wegleugnen.
Sie wollte das Haus durchsuchen und auch den schmalen Boden unter dem Dach in Augenschein nehmen.
Noch ein letzter Rundblick. Er brachte nichts, und so machte sich Justine auf den Weg.
Um die Umgebung größer erscheinen zu lassen, hatte der vorherigen Besitzer einen menschenhohen Spiegel an der Wand anbringen lassen. Justine hatte ihn nicht abgenommen, es war ihr egal, denn sie als Vampirin hatte kein Spiegelbild. Wenn sie vor der hellen Fläche stand, blieb die leer.
So war es immer.
Doch diesmal war es anders. Justine hatte den Spiegel erreicht, und diesmal sah sie jemanden darin.
Eine Person mit blonden Haaren.
Und das war sie selbst!
Es gibt kaum etwas, was Justine als Vampirin schocken konnte. Das hier schon, obwohl es so harmlos aussah. Eine Person im Spiegel.
Sie wollte es nicht glauben, aber diese Gestalt war sie selbst. Das gleiche Gesicht, das gleiche Outfit, die gleiche Haarfarbe. Da stimmte einfach jedes Detail. Nur die alte Wahrheit traf nicht mehr zu. Dass Vampire kein Spiegelbild hatten.
Und hier?
Das Spiegelbild war da, aber Justine war keine Person, die schreiend weglief, um sich dann irgendwo zu verkriechen. Sie stellte sich jeder Gefahr. Und nicht nur das. Sie stellte sich auch Vorgängen, die unerklärbar waren.
Da Justine Cavallo so dachte, drehte sie auch nicht durch. Sie behielt die Nerven und wartete ab. Dann hob sie den rechten Arm.
Und genau da passierte es. Jetzt hätte sich auch der Arm in dem Spiegel bewegen müssen, aber das geschah nicht.
Und so gab es nur eine Erklärung. In der hellen Fläche malte sich nicht ihr eigenes Spiegelbild ab. Das stand für Justine jetzt fest.
Aber wer oder was tat sich dort?
Es war keine Täuschung, keine Halluzination, auch keine Plastik oder ein Gemälde, denn die Gestalt sah verdammt echt aus.
Justine schluckte. Zu atmen brauchte sie nicht, aber sie verspürte ein verdammt ungutes Gefühl. Keine Angst, denn so etwas kannte die Vampirin nicht.
Gesagt hatte die Blonde im Spiegel nichts, was aber nicht heißen konnte, dass sie stumm war. Es stand fest, dass sie etwas Besonderes war, und Justine musste zugeben, dass es sich bei der Blonden auch um etwas wie eine Zwillingsschwester handeln konnte.
Justine wusste nicht, wie lange sie schweigend vor ihrem Spiegelbild stand, aber sie wartete darauf, dass etwas passierte.
Das trat ein.
Im Gesicht der anderen war ein kurzes Zucken zu sehen, dann hörte Justine das Lachen. Der Klang gefiel ihr nicht. Er hörte sich so höhnisch und siegessicher an. Das war die Blutsaugerin nicht gewöhnt. Normalerweise war sie es, die triumphierte.
Das Lachen war kaum verstummt, als Justine ihre erste Frage stellte. »Wer bist du, verdammt noch mal?«
»Das siehst du doch.«
»Das ist mir zu wenig.«
Die Blonde im Spiegel fuhr sich durchs Haar. Und das mit einer Geste, die auch Justine von sich kannte. Auf die Antwort musste sie nicht lange warten.
»Ich bin dein Schicksal.«
Genau das war es. So etwas Ähnliches hatte sich Justine schon gedacht.
»Und was willst du mir damit sagen?«
»Dass ich hier bin. Hier in deiner Welt.«
»Aha. Dann kommst du aus einer anderen, wenn ich das richtig verstehe.«
»Möglich.«
Die Antwort war Justine zu vage. »Kannst du nicht genau sagen, woher du kommst?«
»Das kann ich.«
»Dann ...«
Man ließ Justine nicht ausreden. »Ich bestimme, wann ich was sage und welches Thema ich anschneide.«
»Gut. Wenn du es willst.«
Die Blonde lächelte. Und es sah so aus, als würde Justine lächeln. Sogar die beiden Vampirzähne waren zu sehen.
Damit war für Justine endgültig klar, dass es sich um eine Doppelgängerin handelte. Sie selbst hatte an so etwas nie einen Gedanken verschwendet, nun aber musste sie erkennen, dass auch ein untotes Dasein Überraschungen bereithielt, die ihr nicht gefallen konnten.
Justine war gespannt, was noch passieren würde. Aber sie hatte ihre Zweifel, ob die Blonde freiwillig etwas darüber verraten würde. Es sah nicht so aus, und deshalb stellte Justine eine Frage.
»Wie geht es weiter?«
»Was meinst du?«
»Ich meine bei dir. Du bist doch bestimmt nicht nur gekommen, um mir zu zeigen, dass es dich gibt.«
»Auch, meine Liebe. Aber wenn ich schon mal hier bin, dann werde ich auch aktiv werden.«
»Aha. Und wie sieht das aus?«
Die Blonde lachte. »Welch eine dumme Frage. Du kennst dich doch. Und deshalb kennst du auch mich. Ob du es glaubst oder nicht, ich werde mich von dem ernähren, was auch dich zufriedenstellt.«
Justine wusste Bescheid. Die andere Person musste nichts weiter erklären, es ging um die Nahrung, die Vampire ihre Existenz garantierte.
Es ging um Blut.
Justine Cavallo nickte.
Die Blonde im Spiegel sprach wieder. »Schon in der nahen Zukunft wirst du von meinen Taten hören. Da sei dir sicher.«
Das war Justine. Und sie war mehr als überrascht. Was diese Person anrichten würde, das sollte auf sie – auf Justine selbst – zurückfallen.
Sie dachte auch an John Sinclair. Er würde bestimmt in dieses Grauen hineingezogen werden. Er würde dann die entsprechenden Schlüsse ziehen, die aber falsch waren.
»Jetzt weißt du alles, Justine. Damit habe ich ein neues Kapitel aufgeschlagen. Ich bin gespannt, ob du das überlebst.«
»Das habe ich bisher immer.«
»Ja, ja, aber man wird dich jagen. Auf so etwas wartet nur eine ganz besondere Person. Soll ich dir den Namen sagen?«
»Ich weiß, dass du John Sinclair meinst. Aber da hast du dich geschnitten. John ist schlau. Er wird diesen Betrug merken.«
»Das kann sein. Aber lass uns sehen. Ich freue mich jedenfalls auf die nahe Zukunft.«
Das war ihr letzter Satz. Die Blonde trat einen Schritt zurück, winkte und ging den zweiten Schritt.
Justine Cavallo schaute dabei zu. Am liebsten wäre sie in den Spiegel gesprungen, um das verdammte Geschöpf zu verfolgen. Leider war das nicht möglich.
Und dann ging die Blonde noch einen langen Schritt zurück. Dabei sah sie aus, als würde ihr Körper aus unzähligen Sandkörnern bestehen, die eine Sekunde später in sich zusammenbrachen.
Nichts mehr. Vorbei. Es gab nur noch die Spiegelfläche und die Vampirin, die vor ihr stand, sich aber selbst im Spiegel nicht sah.
Ein Mensch hätte tief durchgeatmet, um einigermaßen die Fassung zu erlangen. Das musste die Vampirin nicht. Dennoch steckte eine große Wut in ihr.
Sie sah den Spiegel. Und sie sah die leere Fläche. Das war zu viel für sie.
Justines Hände ballte sie zu Fäusten. Dabei ging sie einen kleinen Schritt zurück, um einen kurzen Anlauf zu nehmen.
Eine Sekunde später flog sie förmlich auf den Spiegel zu. Sie prallte nicht mit ihrem ganzen Körper gegen ihn, sondern nahm die Fäuste und hämmerte wie irre gegen die Spiegelfläche.
Justine hatte eine Kraft, von der selbst menschliche Muskelpakete nur träumen konnten. Und genau diese Kraft reichte, um den Wandspiegel zu zerhämmern.
Sie schlug ihn in zahlreiche Stücke.
Lautlos lief das nicht ab.
Das war ihr egal. Sie wollte nur, dass es diesen verdammten Spiegel nicht mehr gab. Und das schaffte sie auch.
Justine trat wieder nach hinten. Als sie jetzt nach vorn schaute, sah sie keine Spiegelfläche mehr, nur noch die Rückseite, ein bleiches Stück Holz.
Kein Hinweis auf ihre Doppelgängerin. Es war alles wieder normal.
Doch das ärgerte die Blutsaugerin. Sie schrie ihre Wut hinaus. Legte den Kopf zurück und brüllte gegen die Decke.
Dann bekam sie sich wieder unter Kontrolle. Ab jetzt sah vieles anders aus. Sie musste umdenken. Damit fing sie jetzt an, denn sie fragte sich, was sie unternehmen konnte.
Es war wichtig, dass sie ihre Doppelgängerin fand. Nur wo sollte sie anfangen zu suchen?
Hier nicht. Auf keinen Fall hier im Haus. Da musste sie sich etwas anderes einfallen lassen.
Sie wollte so etwas wie einen Lockvogel spielen. Deshalb musste sie auch das Haus verlassen und woanders hingehen.
Sekunden später öffnete sie die Haustür – und ging keinen Schritt weiter, sondern blieb auf der Stelle stehen. Ihr scharfer Blick hatte sofort etwas entdeckt.
Genau dort, wo der schmale Bach floss, malte sich der Umriss einer Gestalt ab. Und die war bestimmt nicht gekommen, um ihr eine gute Nacht zu wünschen ...
Justine Cavallo war eine Frau, die sich nichts vormachen ließ. Sie dachte auch jetzt nach und kam zu dem Entschluss, dass diese Gestalt – egal, wer sie auch war –, nicht hierhergehörte. Die Vampirin hatte während ihrer Zeit hier niemand zu Gesicht bekommen. Und dass ausgerechnet jetzt jemand erschienen war, ließ tief blicken.
Noch hatte sich die Gestalt nicht bewegt. Sie stand auf dem Fleck und starrte nach vorn. Das sah Justine deutlich, weil sich das Gesicht als heller Fleck abzeichnete.
Für sie stand fest, dass die Blonde ihr schon einen ersten Streich spielen wollte. Möglicherweise im Hintergrund lauerte und alles beobachtete. Und sie auf die Probe stellen wollte.
Justine musste von der Tür weg und dort eintauchen, wo kein Schimmer durch die noch nicht geschlossene Tür hindrang.
Die Wiedergängerin hatte ihren Platz kaum verlassen, da sah sie, dass ein Ruck durch die Gestalt am Bach lief. Das war erst der Anfang, danach bewegte sie sich weiter.
Justine Cavallo hatte sich eine Position ausgesucht, die ihr einen guten Überblick bot, sodass sie jede Bewegung der anderen Seite gut mitbekam.
Es war ein Mann. Das sah sie sehr deutlich. Und er bewegte sich auf das kleine Haus zu. Dabei nahm er den direkten Weg. Kein Zögern, kein Halten, er wollte etwas.
Über die Lippen der Blutsaugerin huschte ein kaltes Lächeln. Schon beim ersten Blick hatte sie erkannt, dass es sich um einen Vampir handelte. Das erkannte sie am Gang, und sie sah auch, dass er etwas Längliches und Kompaktes in der rechten Hand hielt. Es war nicht genau zu erkennen, aber Justine ging davon aus, dass es sich um eine Schlagwaffe handelte.
Er ging weiter, und Sekunden später stand er vor der nicht geschlossenen Tür und geriet auch in den Lichtschein. Aber das war künstliches Licht und keines der Sonne. Es tat ihm nichts.
Er hob das rechte Bein an und kickte mit der Fußspitze gegen die Tür, die nach innen schwang. Der Weg war frei, und der Mann zögerte nicht lange, er betrat das Haus, aber er ging nur zwei Schritte tief hinein, dann blieb er stehen. Wahrscheinlich war er überrascht, weil er keinen Bewohner sah.
Justine Cavallo war schon unterwegs. So leise, dass man sie nicht hörte. Dann stand sie an der Tür, machte einen großen Schritt und hatte das Haus betreten.
Sie schaute auf den Rücken des Mannes und sah auch jetzt, was er in der Hand hielt. Die Finger umklammerten den Griff eines schweren Hammers. Damit hatte er Justine wohl erschlagen wollen.
Als sie daran dachte, grinste sie, bevor sie die Lippen spitzte und einen leisen Pfiff ausstieß.