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Eine Kirche in Tschechien. Aber keine Kirche, die von Gläubigen besucht wird, sondern in der Gespenster hausen. Und es ist auch kein Haus Gottes, sondern ein Hort des Bösen, wo man dem Teufel huldigt!
Hierher verschlägt es den Geisterjäger aus London. John Sinclair stellt sich den Geistern der Satans-Nonnen!
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Kirche der Gespenster
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Kirche derGespenster
von Jason Dark
Die Nacht war kalt, diesig und klamm. Da jagte man keinen Hund ins Freie.
Karel Wittek war kein Hund. Er wollte aber noch in dieser Nacht sein Ziel erreichen und gab mit seinem Skoda anständig Gas, obwohl die Straße dafür nicht geeignet war.
Aber Wittek hatte es eilig. Und er war auch froh, dass er die Strecke allein fuhr.
Dass ihm allerdings der Tod begegnen würde, daran dachte er nicht im Traum ...
Seinen Durst konnte Wittek mit einem Schluck aus der Wasserflache stillen. Er hatte auch daran gedacht, etwas gegen den Hunger zu tun, und so hatte er sich bei einer Bäckerei mit Pflaumenmus gefüllte Teigtaschen besorgt. Essen und auch das Trinken lenkte ihn ab, denn er wollte auf keinen Fall einschlafen.
Karel Wittek war ein kräftiger Mann um die Fünfzig. Er war ein Sanierer, das heißt, er schaute sich die Gebäude an, die saniert werden sollten. Früher hatte er selbst beim Bau gearbeitet, doch das machte er seit langer Zeit nicht mehr.
Das Wetter tat ihm weiterhin keinen Gefallen. Zwar regnete es nicht, aber durch das Licht der beiden Scheinwerfer glitten immer wieder Nebelschleier, die dem Mann vorkamen wie Gespenster. Sie bewegten sich etwa in Kopfhöhe über den Boden und bildeten so etwas wie einen lautlosen Widerstand, in den Wittek hineinglitt.
Er hatte einen Schluck trinken wollen. Darauf verzichtete er jetzt. Er wollte sich durch nichts ablenken lassen. Dafür fluchte er über das Wetter, denn je weiter er fuhr, umso dichter wurde der Nebel.
Schließlich konnte er kaum mehr als ein paar Meter weit sehen.
Kurven gab es auch. Die waren nicht eng, sondern immer weit genug, um gut hineinfahren zu können. Nur war das bei Nebel nicht der Fall.
Da musste er schon achtgeben, wenn er den Wagen in die Kurven lenkte.
Er hoffte, dass er weiterfahren konnte, um sein Ziel noch zu erreichen. Doch wenn die Suppe zu dicht wurde, würde er anhalten und warten, bis sich die Bedingungen gebessert hatten.
Das Licht der Scheinwerfer brachte nicht viel. Es stieß hinein in die sich bewegenden weißgrauen Schwaden, die inzwischen so dicht waren, dass Wittek tatsächlich nicht mehr weiterfahren konnte.
Er musste anhalten.
Aber wo?
Zumindest nicht auf der Straßenmitte. Deshalb lenkte er seinen Wagen etwas nach rechts und stoppte dann, als er unter den Reifen nicht mehr den glatten Asphalt spürte, sondern einen weicheren Untergrund.
Dann blieb er stehen.
Wie es in seiner Umgebung aussah, ob sich dort die Bäume eines Waldes erhoben oder ob da freies Feld war, sah er nicht. Nichts war zu erkennen, denn der verdammte Nebel schien die normale Welt verschlungen zu haben.
Er schaute auf seine Uhr – und erschrak.
Warum, konnte er nicht sagen. Möglicherweise weil es drei Minuten nach Mitternacht war und er plötzlich daran dachte, dass diese Zeit auch die Geisterstunde genannt wurde.
Darüber hatte er immer gelacht, doch jetzt tat er das nicht. Hier in der nebeligen Einsamkeit war ihm nicht danach zumute.
Da er das Licht der Scheinwerfer gelöscht hatte, war es um ihn herum dunkelgrau geworden. Es war nicht so finster wie draußen, denn die Anzeigen auf dem Armaturenbrett gaben noch Licht ab.
Warten – warten, dass der Nebel sich verzog. Es wäre Karel Wittek schon damit geholfen gewesen, hätte sich der Nebel ein wenig gelichtet, doch der war wie eine Wand, die nichts durchließ. Starr und still lag er vor Wittek und kam ihm fast wie eine Mauer vor.
Mauer?
Das Wort schoss ihm als Frage durch den Kopf. War das wirklich eine Mauer?
Er fand den Gedanken seltsam, doch er ließ sich nicht mehr vertreiben. Und da war noch etwas, das ihm auffiel. Es war an verschiedenen Stellen der Nebelwand heller geworden.
Wittek schüttelte den Kopf, zwinkerte danach mit den Augen und glaubte, sich zu irren. Aber das hatte er nicht.
Und dann sah er auf einmal noch etwas in der Nebelwand.
Gestalten!
Ja, es waren helle Gestalten mit menschlichen Umrissen.
Das war zu viel für den Mann, und er stöhnte auf, wobei er das Wort »Geister« flüsterte.
Beinahe hätte er gelacht, denn er glaubte nicht an Geister, doch das Lachen blieb ihm im Hals stecken, denn was er sah, war keine Täuschung.
Es gab die Gestalten.
Er sah sie deutlich, denn sie hoben sich vor dem Hintergrund ab, weil sie heller waren. In ihnen schien irgendein Restlicht gefangen zu sein.
Was tun?
Nur nicht die Nerven verlieren. Wittek saß in seinem Auto. Er konnte den Motor starten und wegfahren, das war sicherlich kein Problem.
Nicht lange nachdenken, sondern handeln.
Der Skoda war ein älteres Modell. Wittek musste nur den Zündschlüssel drehen, und der Motor würde seine Pflicht tun.
Das tat er aber nicht. Er sprang nicht an.
Karel Wittek fluchte und unternahm einen zweiten Versuch.
Wieder hatte er Pech, und das war der Augenblick, als er den Schweiß spürte, der seinen gesamten Körper bedeckte.
War es Angstschweiß?
Möglich, denn Wittek fühlte sich alles andere als wohl.
Als der Gedanke ihn durchflutete, hob er den Kopf.
Er schaute durch die Scheibe nach draußen – und glaubte, verrückt zu werden.
Vor ihm und der Kühlerhaube bewegten sich die Gestalten. Es war nichts zu hören und nur zu sehen, denn Geister bewegen sich lautlos.
Plötzlich war ihm alles egal. Wittek ging davon aus, dass ihn die Geister holen würden. Skepsis gab es bei ihm nicht mehr.
Er musste weg!
Raus aus dem Wagen, der sich nicht mehr starten ließ. Er musste sich noch abschnallen, wandte sich sofort danach der Tür zu und stemmte sie so heftig auf, dass er nach draußen kippte.
Er landete auf feuchtem Boden, rutschte noch ein Stück vor und wollte wieder hochkommen. Dann wegrennen, sich verstecken, um so viel Abstand wie möglich von diesen schaurigen Gestalten zu gewinnen.
Wittek kam auch hoch – und erlebte die folgenden Sekunden wie einen Schlag in den Magen.
Vor ihm standen die Geister. Er war sehr nahe bei ihnen und spürte auch die Kälte, die von ihnen ausging.
In diesem Augenblick wusste Karel Wittek, dass er verloren hatte, und er schloss mit seinem Leben ab ...
Sekunden verstrichen, und es hatte sich nichts getan. Nichts sorgte dafür, dass es Karel besser ging. Mehr das Gegenteil war der Fall.
In seiner Brust wurde es eng. Auf einmal hörte er sein Herz schlagen. Bis in den Kopf reichten die Echos, und er wusste, dass das nicht gut war.
Etwas dagegen tun konnte er nicht. Er musste sich mit seinem Zustand abfinden und starrte in die graue Suppe.
Und in ihr standen sie. Fast überdeutlich waren sie zu erkennen. Sie hoben sich vor dem Hintergrund ab. Er wusste nicht genau, wie viele dieser Wesen es waren, vielleicht verbargen sich noch welche im Nebel, aber sie waren da, und er konnte sie nicht zu seinen Freunden zählen.
Also Feinde!
Und was taten Feinde?
Töten!
Diese Feinde würde ihn töten, damit musste er rechnen.
Zugleich fragte er sich, ob er es hier nicht doch mit Menschen zu tun hatte.
Nein, sie sahen aus wie Geister – Nebelgeister!
Jetzt bereute er es, den Wagen verlassen zu haben. Vielleicht war es besser, wenn er sich wieder in sein Auto setzte, und vielleicht sprang es jetzt an.
Karel Wittek schnappte nach jedem Hoffnungsfunken.
Nur kam er nicht mehr dazu, die Entscheidung in die Tat umzusetzen.
Bei den Gestalten tat sich etwas, und das geschah wieder in absoluter Lautlosigkeit.
Es gab keinen, der stehen blieb. Sie alle lösten sich aus dem Nebel und schwebten lautlos auf Wittek zu.
Der bekam keine Chance mehr, in seinen Wagen zu klettern. Plötzlich waren sie bei ihm. Und nicht nur in seiner Nähe, sondern körperlich präsent.
Karel Wittek hatte seine Augen weit aufgerissen. Er schaffte es auch, sich zu bewegen. Schlug mit beiden Fäusten gegen seine Feinde, traf sie, doch er spüre keinen Widerstand.
Es gab nichts, was seine Fäuste treffen konnten.
Wittek sah nur noch die weißen Gestalten. Sie waren körperlos, und trotzdem spürte er sie plötzlich.
Sie veränderten sich nicht äußerlich, und dennoch wurden sie zu anderen Gestalten.
Sie bekamen Substanz, und sie umringten ihn so heftig und fest, dass ihm die Luft wegblieb. Mehr noch, sie drängten sich dicht an ihn, gegen ihn, nahmen ihn in die Mangel und ...
Er spürte und hörte sogar, wie die Knochen in seinem Leib knackten, wie sie brachen, wie er zerquetscht wurde und sich die gesplitterten Knochen in seinem Inneren in sein Fleisch wühlten.
Dann erwischten ihn zwei Hände, packten ihn.
Er sah in das bleiche Gesicht, während die beiden Hände seinen Hals umklammerten und gnadenlos zudrückten. So brutal, dass sie ihm den Atem und wenig später auch das Leben raubten.
Die Hände ließen ihn los.
Karel Wittek sackte zusammen und blieb auf dem weichen Waldboden liegen.
Seine Mörder blieben noch eine Weile, bevor sie sich auflösten, zu nebeligen und körperlosen Wesen wurden und verschwanden.
Zurück blieb ein Toter.
Nein, tot war Karel Wittek noch nicht. Aber er lag im Sterben.
Mit allerletzter Kraft schaffte er es, sein Handy hervorzuholen und einem Mann, den er gut kannte, eine Sprachnachricht zu hinterlassen.
Er sprach mit stockender, brechender, schmerzerfüllter Stimme.
Dann erst tat er seinen letzten Atemzug.
Witteks Mörder hatten wieder einmal bewiesen, wie mächtig sie waren. Denn nicht alles, was in der Vergangenheit seinen Ursprung hatte, war in der Gegenwart tot ...
Dagmar Hansen war schon früher nach Hause gegangen, um einige Überstunden abzubauen. So hatte sie auch Zeit, sich um das Essen zu kümmern.
An diesem Abend sollte es Schaschlik geben, das ihr Partner Harry Stahl so gern aß. Dazu eine Soße, die scharf, aber auch fruchtig war und nicht zu viel Zucker enthielt.
Sie wusste, dass Harry auch die Soße gern mochte und sich auf das Essen am Abend freute.
Er traf sogar pünktlich ein und schaute in das lachende Gesicht seiner Partnerin, die Harry kurz in die Arme nahm und an sich drückte.
»Super, dass du pünktlich bist«, sagte sie.
»Sicher. Ich hab mich loseisen müssen, denn ich wusste ja, dass du kochst, und wollte das Essen nicht kalt werden lassen. Es war viel los im Büro, aber nichts, was sich nicht auch auf morgen verschieben ließ.«
Harry lächelte und ging in das Wohnzimmer, wo er vor dem großen Fenster stehen blieb und einen Blick nach draußen warf.
Bei klarem Wetter schaute man bis in den Rheingau hinein. Daran erfreuten sich Dagmar und er immer wieder.
Und an diesem Tag?
Dagmar Hansen fiel auf, dass Harry trotz der überschwänglichen Begrüßung auf einmal schweigsam und irgendwie gedankenverloren wirkte.
Sie ging zu ihm und blieb neben ihm stehen. Mit leiser Stimme sprach sie ihn an.
»Ich will mich ja nicht aufdrängen, aber ich werde den Eindruck nicht los, dass dir heute etwas über die Leber gelaufen ist.«
»Stimmt.« Er nickte.
»Willst du darüber reden?«
Harry stöhnte leise. »Eigentlich habe ich keine große Lust auf das Thema und würde alles am liebsten vergessen.«
»Dann gab es Ärger?«
»Das nicht gerade. Es geht um einen Anruf.«
»Ein Anruf von wem?«
»Ich glaube nicht, dass du den Mann kennst.«
»Kann sein«, gab Dagmar zu. »Ich hätte seinen Namen trotzdem gern gewusst.«
Harry nickte und sagte: »Der Mann heißt Victor Wittek.«
»Den kenne ich tatsächlich nicht. Aber du wirst mich sicher aufklären, wer das ist und was es mit ihm auf sich hat.«
Harry Stahl strich sich übers Haar, bevor er antwortete: »Victor ist Tscheche, und wir hatten vor Jahren mal miteinander zu tun und fanden einander auch sympathisch. Und jetzt hat Victor mich angerufen. Es geht um Mord. Man hat seinen Bruder getötet.«
»Oh, das tut mir leid.« Dagmar sprach sofort weiter. »Kanntest du den Bruder denn?«
»Nein, nicht persönlich. Ich weiß nur, dass er Karel hieß.«
»Jetzt sucht man nach dem Mörder?«
»Klar doch.«
»Ein Mord in Tschechien sollte dich nicht interessieren. Wir beide arbeiten für das Bundeskriminalamt, und unser Einsatzbereich ist die Bundesrepublik Deutschland.«
»Da hast du recht. Aber in diesem Fall liegt es etwas anders.«
»Wie denn?«
Harry schnaufte. »Man hat dem Mann durch einen ungeheuren Druck die Knochen im Leib gebrochen, und zugleich gibt es Würgemale an seinem Hals.«
»Ist das deswegen ein Fall für dich?«
»Deshalb hat Victor mich angerufen.«
»Das musst du mir erläutern.«
»Es geht um die Mörder.«
Dagmar zeigte ein staunendes Gesicht. »Die Mörder? Man weiß bereits, dass es mehrere sind? Kennt man die denn?«
Harry musste sich erst sammeln. »Es geht da um eine Geschichte aus der Vergangenheit. Im achtzehnten Jahrhundert soll es dort in einer Kirche gebrannt haben. Über ein Dutzend Nonnen sind verbrannt. Die Kirche wurde wieder aufgebaut, aber angeblich spukten dort die Geister jener Nonnen umher.«
»Geister?«
Harry nickte. »Wie es heißt, sind die Toten als Geister in die Kirche zurückgekehrt. Man hat sie, so wird behauptet, auch gesehen. Sie wurden als Nebelgeschöpfe bezeichnet, die mal dort waren und auch wieder verschwanden.«
»Und ist noch mehr passiert, oder ist das einfach nur so eine Geschichte?«
»O ja, es ist so einiges passiert. Immer wieder kam es in der Gegend zu ungewöhnlichen Vorfällen. Mehrmals sind die Geister gesehen worden, auch einzeln. Der Bruder meines Bekannten soll durch sie getötet worden sein. Davon ist Victor jedenfalls überzeugt.«
»Und was bringt ihn zu dieser Überzeugung?«
»Weil Karel Wittek, bevor er starb, seinen Bruder angerufen hat und ihm eine Sprachnachricht hinterließ. Er sprach von Geistern, dann war es vorbei.«
Mehr wusste Harry nicht zu berichten. Er verstummte und senkte den Blick.
»Ich verstehe«, sagte Dagmar nach einer Weile. »Wie ich dich kenne, willst du nach Tschechien fahren und dich um die Sache kümmern.«
»Das hatte ich vor.«
»Hatte?«
»Genau. Das kann ich mir abschminken. Denk an die Konferenz morgen Nachmittag, Dagmar. Da ist die Teilnahme Pflicht, und sie ist auf mehrere Tage angesetzt. Da werde ich nicht spontan Urlaub nehmen können.«
Dagmar überlegte. »Aber es gibt jemanden, der sich um die Sache in Tschechien kümmern könnte.«
Harry wandte den Kopf und sah sie an. Er hatte verstanden. »Du meinst bestimmt einen gewissen Geisterjäger aus London, stimmt's?«
»Ja, genau den ...«
Prag, die Goldene Stadt.
Ich war lange nicht mehr dort gewesen und wirklich gespannt, was mich nach all den Jahren erwarten würde. Allerdings würde ich nicht in Prag bleiben, denn der neue Fall würde mich in die Tiefe des Landes führen.
Als sich die Maschine der Landebahn entgegensenkte und ich einen Blick nach draußen warf, war von einer Goldenen Stadt nicht viel zu sehen, denn es nieselte.
Die Landung verlief ohne Probleme.
Als die Maschine stand und ich mich zum Aussteigen bereit machte, dachte ich daran, dass ich in Tschechien nicht allein unterwegs sein würde, denn ein Einheimischer, der sich auskannte, würde mir zur Seite stehen.
Victor Wittek, ein alter Bekannter meines Freundes Harry Stahl. Er war der Bruder des Mannes, der ermordet worden war und um den es ging. Das alles wusste ich von Harry, der mich gedrängt hatte, nach Tschechien zu fliegen, um mich vor Ort um den Fall zu kümmern.