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Wenn ihr dieses extradicke Sinclair-Heft gleich am Erscheinungstag gekauft habt und diese Seite lest, ist heute der 25. Januar 2025 - der Tag, an dem John-Sinclair-Erfinder Jason Dark seinen 80. Geburtstag feiert! In diesem Heft feiern wir den Meister der Geister - und ihr feiert mit! 80 Jahre und ein Heft mit 80 Seiten zum regulären Preis! Und all seine treuen Fans beschenkt Jason Dark zu seinem Geburtstag gleich mit zwei neuen Grusel-Abenteuern seines Helden John Sinclair, dem erfolgreichsten und berühmtesten Geisterjäger im deutschsprachigen Raum! Feiert mit Jason Dark und uns seinen 80. Geburtstag, und blicken wir mit ihm zurück auf ein erfolgreiches Leben, eine wohl einmalige Karriere und ein großartiges Lebenswerk!
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Seitenzahl: 181
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Helden gegen die Hölle
Wald der bösen Märchen
Der Zombie-Dirigent
Leserseite
Vorschau
Impressum
Helden gegendie Hölle
Zum 80. Geburtstag von Jason Dark
Wenn ihr dieses extradicke Sinclair-Heft gleich am Erscheinungstag gekauft habt und diese Seite lest, ist heute der 25. Januar 2025 – der Tag, an dem John-Sinclair-Erfinder Jason Dark seinen 80. Geburtstag feiert! In diesem Heft feiern wir den Meister der Geister – und ihr feiert mit!
80 Jahre und ein Heft mit 80 Seiten zum regulären Preis! Und all seine treuen Fans beschenkt Jason Dark zu seinem Geburtstag gleich mit zwei neuen Grusel-Abenteuern seines Helden John Sinclair, dem erfolgreichsten und berühmtesten Geisterjäger im deutschsprachigen Raum!
Feiert mit Jason Dark und uns seinen 80. Geburtstag, und blicken wir mit ihm zurück auf ein erfolgreiches Leben, eine wohl einmalige Karriere und ein großartiges Lebenswerk!
Der Mann konnte es nicht fassen, als er mit seinem Blick dem hellen Lichtstrahl seiner Taschenlampe folgte.
Das Licht strich über ein Haus. Allerdings war es kein gewöhnliches Haus, sondern das einer Hexe.
Wirklich ungewöhnlich war das an diesem Ort im Grunde nicht. Denn das Haus stand in einem Märchenpark.
Nur war es nicht das Haus, das er vor zwei Tagen hier an dieser Stelle gesehen hatte. Oder das Haus hatte sich wie magisch verändert. Es war schiefer geworden und sah älter aus.
Auch die Bäume ringsum waren höher, und die Form ihrer Äste und Zweige schien sich ebenfalls verändert zu haben.
Achim Schmitt musste das weitergeben. An die Leute, die ihn hierhergeschickt hatten.
Er holte sein Handy aus der Jackentasche, doch er hatte Pech. Er bekam keine Verbindung.
Etwas stimmte hier nicht. Ihm fiel auch die Stille auf, die ihn umgab. Okay, damit musste man um diese Zeit rechnen, aber der Mann empfand sie als bedrückend, sogar als bedrohlich.
Was tun? Zurückgehen?
In seinem Kopf wirbelten die Gedanken. Es war auf einmal schwer für ihn, eine Entscheidung zu treffen.
Aber das brauchte er auch nicht, denn etwas geschah.
Es gab eine Bewegung.
Vor ihm, am Haus!
Er sah, dass sich die Tür bewegte. Es war, als würde ihn das Hexenhaus einladen. Die Tür musste von innen geöffnet worden sein.
Sekunden später erschien im Hintergrund des Hauses eine Gestalt.
Eine Frau!
Aber sie war nicht genau zu erkennen, weil es drinnen recht dunkel war. Plötzlich wurde es heller. Jemand schien Licht im Haus gemacht zu haben. Man konnte nicht von einem normalen Licht sprechen, das hier war rötlich, als stamme es von einem Feuer.
Die Frau trat vor, als wolle sie besser gesehen werden, und das traf auch zu.
Achim Schmitt schoss wieder der Begriff Hexenhaus durch den Kopf. War diese Person hier eine Hexe?
Sie blieb auf der Türschwelle stehen, und Schmitt sah sie jetzt auch besser.
Beinahe hätte er gelacht, denn er fühlte sich tatsächlich in ein Märchen versetzt. Ja, die Frau sah genau so aus, wie man sich die Hexe aus dem Märchen von Hänsel und Gretel vorstellte.
Sie trug ein Kopftuch, das Gesicht war alt und runzelig. Auf der krummen Nase hatte sie tatsächlich eine Warze.
Sie grinste den Mann vor sich an. Voller Vorfreude auf etwas Kommendes.
Haus und Hexe passten perfekt zusammen. Als wäre ein Märchen Wirklichkeit geworden.
Die rechte Hand lag auf einem Stock gestützt, aber die linke hob sie an und winkte Achim Schmitt mit gekrümmtem Zeigefinger zu sich heran.
Der dachte nicht daran, der Einladung zu folgen. Doch plötzlich bewegten sich seine Beine, und das taten sie offenbar ganz von allein.
Er ging nach vorn, auf die Hexe zu, bis hinein in das Hexenhaus, wo die Alte ihm Platz machte, damit er an ihr vorbeigehen konnte.
»Wie schön, dass du hier bist, Hänsel. Das ist wunderbar. Auch ohne deine Gretel.«
Achim Schmitt blieb stehen. Er wollte etwas sagen, doch er brachte kein Wort heraus, als er sah, wie die Tür zufiel.
Gefangen! Verdammt, ich bin gefangen!, schoss es ihm durch den Kopf. In diesem alten Hexenhaus. Wie im Märchen!
Als er sich hektisch umschaute, fiel ihm der große Gegenstand auf, der praktisch den Raum beherrschte.
Es war ein Ofen!
Und die große Tür stand weit offen.
Die Öffnung war so groß, dass man mit Leichtigkeit einen Menschen hindurchschieben konnte.
Wie im Märchen!
Er hörte hinter sich so etwas wie ein schwaches Pfeifen und bekam auch den Luftzug mit.
Noch in der gleichen Sekunde erwischte der Schlag seinen Hinterkopf. Er brach zusammen und hörte auch nicht mehr das triumphierende Lachen der Hexe ...
Etwas kitzelte Achim Schmitt in der Nase, und das sorgte dafür, dass er wieder zu sich kam.
Es war Rauch. Etwas brannte in seiner Nähe.
Er lag immer noch auf dem Rücken, doch es gab schon eine Veränderung.
Es war die Hitze, die über ihn hinwegstrich.
Und als er die Augen aufschlug, sah er ein rötliches Flackern an der Decke über und an der Wand neben sich.
Er drehte sich zur Seite – und zuckte zusammen!
Er sah den Ofen, der noch immer offen stand. Aber jetzt brannte darin ein helles, glosendes Feuer!
Was bedeutete das?
Ich muss weg! Ich ... ich ... muss fliehen!, dachte er. Das hier ist nicht normal. Das Haus nicht. Das Feuer auch nicht. Also so schnell wie möglich weg!
Ihm fiel wieder diese Frau ein. Sie hatte ihn ins Haus gelockt, und sie musste ihn auch niedergeschlagen haben.
Hoch, ich muss hoch und raus hier!
Achim Schmitt sammelte noch einmal seine Kräfte, gab sich einen Ruck und schaffte es nicht, auf die Beine zu kommen. Die Hälfte des Wegs zur Tür schaffte er, dann brach er wieder zusammen.
Der Schlag auf den Hinterkopf hatte ihm ziemlich zugesetzt. Vielleicht hatte er sogar eine Gehirnerschütterung.
Ein Fluch kam ihm über die Lippen. Er lag auf dem Bauch, musste erst mal Atem holen und setzte darauf, dass es ihm bald besser gehen würde.
Er dachte auch an die Hexe. In den letzten Minuten hatte er sie nicht zu Gesicht bekommen, und er hoffte, dass dies auch so bleiben würde.
Der nächste Versuch.
Kraft sammeln. Sich dann mit beiden Händen abstützen, um den Körper in die Höhe zu stemmen. Beim ersten Anlauf schaffte er es noch nicht, aber dann gelang es ihm, sich auf die Beine zu kämpfen.
Er hatte das Gefühl, sein Kopf würde platzen. Er stand, aber er schwankte, und darum stützte er sich mit einer Hand an der Wand ab.
Tief holte er Luft und schaute dabei nach vorn.
Sein Blick fiel auf die Tür.
Jetzt nur noch die Tür aufziehen und dann nach draußen laufen. Im Wald konnte er sich verstecken und über seine weitere Flucht nachdenken.
Er ging den ersten, etwas wackligen Schritt – und blieb sofort stehen, denn einen zweiten schaffte er nicht.
Da stand plötzlich jemand vor ihm.
Es war die Hexe!
Der Schock traf Achim Schmitt wie ein harter Schlag.
Die Hexe grinste, was ihr Gesicht noch hässlicher machte. »Hast du wirklich gedacht, du könntest mir entkommen, mein Junge? Nein, auf keinen Fall. Ich habe dich, und ich werde dich nicht mehr hergeben. Verstehst du?«
Ja, Schmitt hatte verstanden, aber das sagte er nicht. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er konnte nicht sprechen, nur ein Krächzen drang aus seinem Mund.
»Ich bin die Alte aus dem Wald. Und du bist der Hänsel.« Sie lachte. »Weißt du noch, was mit dem Hänsel geschehen sollte? Ich sag es dir. Die Hexe wollte ihn braten und anschließend essen. Doch dafür musste sie ihn erst mal in den Ofen stecken.«
Achim Schmitt riss sich zusammen und war sogar in der Lage zu sprechen. »Aber das ist nicht passiert. Hänsel hat überlebt. Wie auch seine Schwester Gretel. Nur die Hexe starb. Sie verbrannte im Ofen. Das Feuer hat sie vernichtet.«
»Ja – ja, das stimmt!«, keuchte die Alte. »Aber heute wiederholt sich das nicht, das kann ich dir versichern. Heute bist du der Hänsel, und heute bist du reif!«
Mit dem letzten Wort schlug sie zu. Ihre knochige Faust traf Achims Stirn, der sich nicht mehr halten konnte, dafür war er zu angeschlagen. So taumelte er zurück, sackte dabei in die Knie und landete auf dem Boden.
Der Schlag ins Gesicht hatte ihn zwar nicht ausgeschaltet, aber er fühlte sich dennoch wehrlos.
Und das war er. Das wusste auch die Hexe. Bisher hatte sie sich nicht schnell bewegt, das änderte sich in den nächsten Sekunden. Sie bückte sich, umfasste die Fußknöchel des Mannes, hob die Beine an, drehte den Körper und schleifte ihn über den Boden auf das Ziel zu.
Den Ofen.
Die Tür stand weiterhin offen. Dahinter tanzte das Feuer.
Die Hexe bückte sich, umfasste die Schultern des Mannes und hob ihn an.
Achim Schmitt war klar, was die Alte mit ihm vorhatte.
Er wollte sich dagegenstemmen, doch dafür war er zu schwach.
Er spürte die Hitze des Feuers, und er schrie so laut er konnte. Er versuchte zudem, sich schwer zu machen. Ohne Erfolg, die Hexe hob seinen Körper an.
Dabei kicherte sie.
Das hörte auch Achim. Er wollte schreien, sich wehren, starr machen oder treten, doch nichts davon schaffte er. Die verdammte Hexe verfügte über Bärenkräfte, die man ihr bei ihrer Gestalt niemals zugetraut hätte.
Endlich hatte er die richtige Position erreicht.
Im nächsten Augenblick gab sie ihm einen Stoß, und Achim Schmitt fiel ins Feuer.
Er war kein Hänsel, denn dieses Mal hatte die Hexe gewonnen ...
Bernie Bender gehörte zu den Menschen, die man als Mitarbeiter des Parks bezeichnen konnte. Er und noch zwei seiner Kollegen waren dafür verantwortlich, dass die Wege nicht verschmutzt waren und bei den Märchenstationen alles in Ordnung war.
Die Figuren, die zu sehen waren, konnten sich bewegen und sogar sprechen, auch wenn ihre Stimmen aus Lautsprechern kamen. Schneewittchen richtete sich im gläsernen Sarg auf und war auf einmal wieder lebendig, und Rapunzel ließ ihr Haar herunter.
Bernies Kollegen waren unterwegs. Er saß noch in der Bude, die ihnen als Unterkunft diente, und wollte noch seinen Kaffee trinken. Der letzte Abend war hart gewesen. Da hatten sie den Geburtstag seines Bruders gefeiert und das nicht zu knapp.
Eine Kopfschmerztablette hatte er schon geschluckt, doch viel besser erging es ihm nicht.
Der Mann mit den dunkelblonden Haaren starrte in seine Kaffeetasse und wünschte sich weit weg. Aber er war nun mal hier, bei der Arbeit, und die Zeit drängte. Er musste sich auf den Weg machen, denn bald wurde der Park geöffnet.
Bender stand auf. Jede Bewegung fiel ihm schwer, doch er trank den letzten Schluck Kaffee im Stehen und machte sich dann auf den Weg.
Er öffnete die Tür, blinzelte ins Freie und war froh über die warmen Temperaturen. Das war vor drei Tagen nicht so gewesen. Da war der Park noch geschlossen, aber heute sollte er geöffnet werden.
Bender drückte die Tür hinter sich zu und wollte die Hauptstrecke abgehen. Innerhalb des Parks gab es noch ein paar Nebenwege. Es gab auch umzäunte Wiesen mit Schafen und ebenso Ziegenställe. Da hatten die Kinder immer besonders viel Spaß.
Bernie Bender kannte die Strecke wie im Schlaf. Er hätte sie auch mit verbundenen Augen gehen können.
Es gab Rapunzel, den Goldesel, Dornröschen, und in einem Bereich wurde das Märchen von Hänsel und Gretel nachgestellt.
Das Hexenhaus stand unter den Zweigen eines mächtigen Baums. Es sah etwas verfallen aus. In seinem Inneren brannte Licht, und wer durch das große Sichtfenster blickte, der sah den großen Ofen und davor die Hexe, die von Hänsel und Gretel in die Flammen gestoßen wurde.
Eigentlich eine sehr grausame Szene, doch die Kinder kannten sie aus dem Märchen. Sie erschrecke sie nicht mehr.
Bernie Bender ging auf das Haus zu und sah mit einem Blick, dass ihn etwas störte. Als er näher kam, sah er vor dem Haus eine Gestalt, die auf dem Rücken lag und sich nicht rührte.
Bernie Bender trat noch näher heran, und sein Herz schlug plötzlich schneller.
Was da lag, war ein Mensch, verbrannt bis auf die Knochen ...
Becker nickte dem Mann zu, der ihm gegenübersaß. Mit leiser Stimme sagte er: »Der Kollege ist tot.«
Harry Stahl lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Und sein Name war ...?«
»Schmitt. Achim Schmitt.«
Harry schloss für einen Moment die Augen, dachte über den Namen nach und ob der ihm etwas sagte. Das war nicht der Fall.
»Erinnern Sie sich, Harry?«, hakte sein Chef vom BKA nach.
»Nein«, gestand Harry ehrlich.
Becker seufzte »Habe ich mir gedacht. Schmitt war nicht der Mann, den man ins Gefecht schickte. Er gehörte zu denen, die im Hintergrund blieben und dort ihre Arbeit machten.«
»Und doch ist er tot.«
Becker nickte. »Leider.«
»Und wie ist das passiert?«, wollte Harry wissen. »Wie hat man ihn umgebracht? Ich denke, dass er umgebracht worden ist, sonst würden Sie nicht mit mir über ihn sprechen. Oder irre ich mich da?«
»Nein, Harry, Sie irren sich nicht.« Becker setzte sich noch gerader hin und richtete seine Brille. »Man hat ihn verbrannt. Als man ihn fand, da war er fast nur noch ein verkohltes Skelett, denn das Feuer hat nicht viel von ihm übrig gelassen.«
Harry Stahl musste schlucken. Dann fragte er: »Und wo ist das passiert?«
»In einem Märchenwald nahe bei Köln. Dort hat es den Kollegen erwischt. Man fand ihn vor dem Hexenhaus, in dem eine Szene aus dem Märchen Hänsel und Gretel nachgestellt ist.«
»Wie sinnig.«
Becker grinste kurz. »Das meine ich auch. Im Märchen wird die Hexe verbrannt. Hier ist es Achim Schmitt gewesen. Es fragt sich nur, wie das passieren konnte.« Becker schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Erklärung.«
»Aber es muss eine geben.«
Becker lachte kurz auf. »Und genau die sollen Sie finden, Harry. Sie sind doch der Mann für Fälle, die aus dem Rahmen fallen. Fahren Sie hin und schauen Sie sich um.«
»Was ist mit den Kollegen der normalen Polizei. Kann ich sie kontaktieren?«
»Besser nicht.«
»Warum nicht?«
»Sie wissen doch, wie normale Polizisten darauf reagieren, wenn man ihnen mit Gespenstern und Dämonen kommt. Halten Sie sich da lieber bedeckt, soweit es geht.«
»Gut, dann werde ich mich mal dort umschauen. Können Sie mir denn sagen, was Achim Schmitt in diesem Märchenpark gesucht hat?«
Becker verdrehte genervt die Augen. »Wenn ich das wüsste, hätten Sie es längst erfahren. Aber ich stehe vor einem Rätsel. Hinzu kommt, dass Achim Schmitt so etwas wie ein Einzelgänger war. Aber wir sollten davon ausgehen, dass er auf etwas gestoßen ist, was mit diesem Märchenwald zu tun hat. Und dann fand man seine bis zur Unkenntlichkeit verkohlte Leiche, die nur anhand des Zahnabdrucks zu identifizieren war. Hier, sehen Sie selbst.«
Er schob Harry eine Fotografie über den Tisch. Der nahm die Aufnahme. Ein normales Gesicht war darauf nicht mehr zu sehen. Das Feuer hatte Haut und Fleisch weggebrannt und verkohlt, sodass nur noch der Schädel zu sehen war.
Harry Stahl ließ das Foto sinken. Er schaute Becker erneut an, der aber schwieg und auf Harrys Kommentar wartete.
»Der Kollege ist aber nicht vor dem Haus verbrannt. Oder?«
»Dann würde es dort Brandspuren geben. Im Haus gibt es einen großen Ofen, aber der ist Attrappe. Man steht vor einem Rätsel.« Becker verzog das Gesicht zu einem freudlosen Grinsen. »Und das sollen Sie lösen, Harry.«
»Dann mache ich mich gleich morgen früh auf dem Weg nach Köln, wenn es recht ist.« Harry stand auf. »Vorher werde ich mal googeln und in Büchern nachschlagen, was es alles über Märchengestalten zu erfahren gibt. Es sind ja nicht alle böse, denke ich mir.«
»Wenn Sie das sagen. Viel Glück, Harry.«
»Das brauche ich wohl«, erwiderte Harry Stahl und verließ das Büro ...
Es war ein wunderschöner Frühlingstag. Von Wiesbaden bis Köln war es keine weite Strecke, die Harry bequem in zwei Stunden schaffte. Die über zweitausend Jahre alte Kulturmetropole am Rhein besuchte er allerdings nicht. Sein Weg führte ihn in das nahe gelegene Bergische.
Er ließ den Opel auf einem großen Parkplatz ausrollen, stieg aus und holte erst einmal tief Luft. Er war auch froh, dass er ein paar Schritte laufen konnte. Dabei überquerte er einen breiten Bach und sah, dass das Gelände vor ihm anstieg.
Nach dem Leichenfund war der Märchenpark erst einmal zu, bis alle Untersuchungen abgeschlossen waren. Das passte Harry gut, so konnte er sich ungestört alles anschauen.
Um den Märchenpark zu erreichen, musste er zunächst eine Treppe hochgehen, dann passierte er ein Restaurant, das ebenfalls geschlossen hatte.
In dessen Nähe waren zwei Arbeiter damit beschäftigt, den Boden umzugraben, doch sie schauten nicht einmal auf, als Harry an ihnen vorbeiging.
Stille umgab ihn. Er hatte den Wald betreten.
Diese Stille kam ihm nicht normal vor. Er wusste jedoch nicht, woran das lag, es war einfach so.
Menschen sah er nicht, und seltsamerweise konnte sich Harry in dieser Umgebung auch keine Besucher vorstellen, denn der Wald erschien ihm wie ein verwunschener Ort.
Vielleicht kam es Harry nur so vor, weil er wusste, dass Achim Schmitt hier ums Leben gekommen war. Das Foto, das Becker ihm gezeigt hatte, bekam er nicht aus dem Kopf.
Am Eingang war ein Plan des Märchenwaldes in einem Schaukasten ausgehängt gewesen, den sich Harry so gut wie möglich eingeprägt hatte. So wusste er, wohin er ging und was ihn erwartete.
Sein Ziel war das Hexenhaus, vor dem man die Leiche des toten Kollegen gefunden hatte.
Bis dorthin hatte er nicht mehr weit zu laufen, dann stand er vor dem Haus, und als er sich ihm weiter näherte, konnte er durch ein großes Sichtfenster nach innen schauen.
Daneben war ein Knopf angebracht. Wenn man den drückte, erwachte das Innere des Hauses zum Leben. So jedenfalls sollte es sein.
Harry wollte es ausprobieren, legte den Finger auf den Knopf und wartete darauf, dass etwas passierte.
Doch es tat sich nichts.
Harry starrte wieder durchs Sichtfenster. Drinnen sah er eine Person. Es musste eine der mechanischen Puppen sein, und obwohl Harry nur den Rücken sah, ging er davon aus, dass es sich um die Hexe handelte.
Hänsel und Gretel waren jedoch nicht zu sehen, und das erstaunte Harry ein wenig.
Die Hexe stand so, dass sie gegen den Ofen schaute. Harry hätte gern ihr Gesicht gesehen, doch das war nicht möglich. Und so eine Figur drehte sich nun mal nicht von allein um.
Figur?
Harry atmete scharf ein. War sie das wirklich? Nur eine Figur?
Er wusste selbst nicht, wie er auf den Gedanken kam.
Ein schwacher Windhauch streifte sein Gesicht, als er sich wieder aufrichtete und sich vom Fenster wegdrehte. Der Wind verstärkte sich noch und erzeugte ein Rauschen in den Kronen der Bäume.
Harry Stahl ging einen Schritt zurück und schaute in die Höhe.
Der Wald sah plötzlich ganz anders aus!
Und noch etwas war anders geworden. Das Licht der Sonne schien verblasst zu sein. Es war auf einmal düster geworden.
Harry wollte noch einen Schritt zurückgehen, warf aber zuerst einen weiteren Blick durch die Scheibe – und erschrak!
Denn er sah, wie sich die Hexe aus ihrer gebückten Haltung aufrichtete und mit beiden Händen über ihr Kopftuch fuhr.
Für Harry gab es keinen Zweifel.
Die Hexe lebte!
Harry hatte in seinem Leben, in seinem Job und vor allem während seiner gemeinsamen Abenteuer mit dem Londoner Geisterjäger John Sinclair schon so einiges erlebt. Trotzdem gab es immer wieder Situationen, die ihn fast umhauten.
So war es auch hier, obwohl eine lebende Frau in diesem Hexenhaus nicht unbedingt Gefahr bedeuten musste. Aber es verwunderte ihn schon, und da er sie für eine Figur gehalten hatte, war er auch zunächst entsprechend erschrocken.
Dann aber wich der Schreck der Neugier, und er wollte sehen, wie es weiterging. Er blieb auf der Stelle stehen und beobachtete die Hexe, die sich nun langsam umdrehte.
Harry hielt unwillkürlich den Atem an, und das änderte sich nicht, als er das Gesicht der Frau sah. So, wie die Person aussah, wurden Hexen für gewöhnlich in Märchen und entsprechenden Horrorromanen dargestellt. Alte Frauen mit krummem Rücken, knochigen Wangen und gebogenen Nasen. Zudem zeigte sie ein böses Grinsen.
Dann hob sie den rechten Arm und machte mit dem gekrümmten Zeigefinger eine lockende Bewegung. Offenbar wollte sie, dass Harry das Haus betrat und zu ihr kam.
Harry Stahl war nicht der Typ, der kniff. Er wollte Gewissheit haben und setzte sich in Bewegung.
Es waren nur zwei Schritte, die er zurücklegen musste, um die Tür zu erreichen. Er rechnete auch nicht damit, dass die Tür verschlossen war, und lag damit richtig. Sie ließ sich leicht aufziehen.
Sein Herz schlug schon etwas schneller, als er über die Schwelle trat.
In diesem Moment sah er noch etwas, das eigentlich nicht sein konnte.
Im Ofen, der doch angeblich eine Attrappe war, brannte ein Feuer!
Die Hexe bewegte sich nicht, stand wieder starr. Aber die letzte Haltung hatte sie beibehalten, denn noch immer war ihr Finger gekrümmt.
Auf einmal erlosch das Feuer im Ofen, als hätte jemand einen Gashebel umgelegt, und es wurde dunkel im Hexenhaus.
Das alles war schon mehr als merkwürdig, und Harry gestand sich ein, dass ihm mulmig zumute war, richtiggehend unheimlich.
Harry trat dicht an die Hexe heran. Sie war wieder zu einer Figur geworden. Sie grinste auch nicht mehr böse.
Allerdings gab es noch den ausgestreckten Arm und den leicht gekrümmten Finger, der das Opfer zu locken schien.
Harry Stahl wollte auf Nummer sicher gehen und fasste die Hand der Hexe an.
Sie lebte nicht. Da gab es keine Wärme. Das war eindeutig Plastik, was er berührte.
Harry trat zurück. Er wusste nicht, was er denken sollte. Aber er war sicher, dass er sich nichts eingebildet hatte.
Harry verließ das Haus. Da der Park, trotz sonnigen Wetters, noch nicht geöffnet war, gab es außer ihm keinen Zeugen des Vorfalls.
Bei diesem Gedanken fiel ihm auf, dass sich der umgebene Wald erneut verändert hatte. Er wirkte wieder wie zuvor, völlig normal.
Als Harry Stahl ihn verließ, blieb trotzdem ein düsteres Gefühl bestehen ...