John Sinclair 2445 - Stephen Kruger - E-Book

John Sinclair 2445 E-Book

Stephen Kruger

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Beschreibung

Ein harmloses Foto - und das Grauen beginnt ... Als Kendra an ihrem 22. Geburtstag im Covent Garden einen kopflosen Mann sieht, hält sie ihn für einen talentierten Straßenkünstler. Ein Selfie mit ihm soll nur ein verrücktes Erinnerungsfoto werden - doch als sie das Bild betrachtet, sieht sie darauf nicht den Enthaupteten, sondern einen geheimnisvollen Fremden mit dunklen Augen und unwiderstehlicher Ausstrahlung. Kurz darauf beginnt sich Kendras Leben auf unheilvolle Weise zu verändern. Wünsche, die sie nur beiläufig äußert, gehen plötzlich in Erfüllung - mit grausamen Konsequenzen!


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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Dämonen-Selfie

Grüße aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Dämonen-Selfie

von Stephen Kruger

Covent Garden! Ursprünglich ein Klostergarten, in dem die Mönche der Westminster Abbey Obst und Gemüse anbauten, hat sich der Londoner Bezirk zum Hotspot für Shopping, Gastronomie und Unterhaltung entwickelt. Unzählige Besucher schlendern Tag für Tag durch die Markthallen und kehren in umliegende Lokale, Boutiquen und Theater ein.

Auch Kendra Wolters hatte sich an diesem Freitagabend ins Getümmel gestürzt. Gemeinsam mit ihrer Freundin Miriam trat die junge Londonerin gerade aus dem Apple Market auf die Piazza, als sich ihnen ein Mann in den Weg stellte.

Fassungslos starrte Kendra ihn an. Genauer gesagt, seinen Kopf. Denn den trug der Fremde nicht auf dem Hals, sondern unter dem rechten Arm ...

Kendra konnte nicht glauben, was sie da sah!

Die Supermarktangestellte war knapp über eins siebzig groß, normal gebaut, hatte schulterlanges schwarzes Haar und trug am liebsten ebenfalls schwarze Klamotten. Schon seit ihrer Kindheit hatte sie mit innerer Unruhe zu kämpfen, die es ihr schwer machte, still zu sitzen oder zu stehen.

Jetzt aber stand sie starr und betrachtete fassungslos ihr Gegenüber.

Der Mann befand sich etwa zwei Armlängen von ihr und Miriam entfernt und war eigentlich ganz normal gekleidet. Also so, wie sich Männer höheren Alters eben oft kleideten. In seinem Fall waren das dunkelbraune Kordhosen, ein weißes Hemd, darüber eine Strickjacke aus grobem Rippenstrick, deren Knöpfe nicht geschlossen waren. Vor der Brust baumelte ein rotes Amulett, das an einer goldenen Kette um den Hals des Mannes hing.

Den Hals, auf dem kein Kopf saß.

Kendra wollte sich bewegen und auch etwas sagen, doch es blieb beim Wollen. Aus irgendeinem Grund erreichten die Anweisungen ihres Gehirns nicht die entsprechenden Körperteile. Ein bisschen fühlte es sich an, als würde sie neben sich stehen und alles nur als unbeteiligte Zuschauerin beobachten.

Erst als ein Passant sie von hinten anrempelte, riss sie das aus ihrer Erstarrung. Scharf atmete sie ein und wäre um ein Haar auf das nass schimmernde Kopfsteinpflaster geknallt, hätte Miriam sie nicht im letzten Moment festgehalten.

»Hoppla!«, rief ihre Freundin lachend. Miriam Finch war das genaue Gegenteil von Kendra: klein, zierlich, rot gefärbtes kurzes Haar, grellbunte Klamotten. »Pass auf, sonst verbringen wir deinen Geburtstag am Ende noch im St. Thomas Hospital.«

»Muss nicht sein«, murmelte Kendra und schüttelte den Kopf.

»Aber vielleicht sollten Sie mal dorthin, Mister!«, rief Miriam nun lachend dem Kopflosen zu. »Womöglich ist da noch was zu machen, und die Ärzte können Ihnen Ihre Rübe wieder annähen.« Sie kicherte. »Cooles Outfit übrigens. Echt.« Sie nickte anerkennend und wandte sich dann Kendra zu. »Hast du ein paar Münzen?«

Kendra blinzelte. »Münzen?«

»Ja, für unseren Künstler hier. Wo er sich doch solche Mühe mit seinem Outfit gegeben hat.«

Künstler, na klar! Kendra lachte erleichtert auf und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Zweifellos war der Typ einer der zahlreichen Straßenkünstler, die auf der Piazza und teilweise auch in den Markthallen für Unterhaltung bei den Besuchern sorgten. Da gab es allerlei verrückte Sachen zu sehen: in der Luft schwebende Menschen, Feuerspucker, Einradfahrer, die berühmte Dame ohne Unterleib – und eben auch scheinbar Enthauptete ...

O Mann, bin ich wirklich für einen Moment darauf reingefallen?, fragte sich Kendra.

Vielleicht lag es einfach an dem ganzen Gedränge hier, dass sie nicht ganz bei sich war. Klar, es war Samstagabend, da ging hier die Post ab. Betrieb ohne Ende. Ein Mix aus Touristen, Nachtschwärmern und Besuchern der umliegenden Theater, die vor der Vorstellung noch was erleben wollten. Die winzigen Läden in den Markthallen waren so voll, dass man sich darin kaum umdrehen konnte. Einen Platz im Pub zu ergattern, war ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, und so waren Miriam und sie schließlich wieder raus auf die Piazza gegangen.

Nicht dass es hier ruhiger zuging. Von den Ständen, die überall aufgebaut waren, drang der Duft von gegrillten Hotdogs und Maronen herüber und vermischte sich mit dem bestialischen Gestank, der aus den überquellenden Mülleimern drang. Das Ergebnis war überwältigend und nicht besonders angenehm.

Aber davon würde Kendra sich nicht die Laune verderben lassen. Immerhin war heute ihr zweiundzwanzigster Geburtstag, und sie war mit ihrer Freundin und Mitbewohnerin hier, um mal auf andere Gedanken zu kommen und Ablenkung von dem ganzen Mist zu finden, der ihr in letzter Zeit das Leben schwer machte.

»Was meinst du, wie der das anstellt?«, fragte Miriam und nickte in Richtung des ›Kopflosen‹. »Ich kann echt nicht erkennen, wie das funktionieren soll. Du?«

Kendra hob die Schultern, unterzog den Mann aber noch einmal einer genaueren Musterung.

Das da am Hals sah wirklich aus wie eine Wunde, wobei Kendra eigentlich gar nicht so genau hinsehen wollte. Sie hatte es nicht so mit solchen Sachen. Bei Blut und Verletzungen bekam sie schnell zittrige Knie. Sie ekelte sich davor, und es verursachte ihr auch eine Gänsehaut.

Aber das hier war ja nicht echt. Wäre es das, würde der Mann jetzt todsicher nicht vor ihnen stehen.

Ihr Blick wanderte zu seinem Kopf, der schon fast lässig unter dem rechten Arm des Mannes klemmte. Der Mund war leicht geöffnet, und die Augen schienen irgendwie verdreht. Ein unordentlicher, schmuddelig-weißer Bart bedeckte die eingefallenen Wangen, und unter den Augen lagen tiefe purpurne Ringe, sicher mit Make-up aufgetragen. Wobei der ganze Kopf wahrscheinlich fake war – oder wie sollte das sonst gehen? Und der echte Kopf dieses Straßenkünstlers verbarg sich sicher irgendwo hinter oder unter seiner Kleidung. Vermutlich war der Typ eigentlich viel kleiner, als es den Anschein machte, und trug Hemd und Jacke über seinem echten Kopf.

»Sieht auf jeden Fall gruselig aus«, raunte sie Miriam zu, hin- und hergerissen zwischen Ekel und Faszination. »So richtig echt ...«

Sie trat ein Stück näher und suchte in ihrer Hosentasche nach Münzen, zögerte dann aber doch. Irgendwie war ihr der Typ wirklich unheimlich. Vor allem, weil er einfach nur dastand. Die Straßenkünstler von Covent Garden waren normalerweise eher laut und aufdringlich. Klar, sie wollten ja mit ihren Shows und Kunststücken Geld verdienen.

Wobei ... sie konnte bei dem ›Kopflosen‹ nirgendwo einen Spendenhut oder etwas in der Richtung entdecken, was schon irgendwie seltsam war, und ...

Plötzlich machte der Mann einen ruckartigen Schritt auf sie zu.

Erschrocken schrien Kendra und Miriam auf und stolperten zurück.

Vor Schreck hatte Kendras Herz einen Schlag ausgesetzt. Jetzt hämmerte es dafür mit doppeltem Tempo weiter, und das Blut rauschte ihr in den Ohren.

Na, das war ja mal ein Adrenalinschub gewesen!

»Wirklich unheimlich witzig!«, schimpfte Miriam, noch immer ein wenig außer Atem.

Der Mann stieß einen Laut aus, der irgendwo zwischen einem Stöhnen und einem Ächzen lag. Und es klang so gequält, dass es Kendra eiskalt über den Rücken rieselte.

Verdammt, der Typ war ein echt guter Schauspieler. Sie glaubte sogar, ein leichtes Blubbern zu hören, das aus seiner Kehle zu dringen schien. Gruselig.

»Geh mal hin und mach ein Selfie«, sagte Miriam und versetzte ihr einen Stoß zwischen die Schulterblätter, der sie zwei Schritte in Richtung des ›Kopflosen‹ beförderte.

»Bist du bescheuert?«, herrschte Kendra ihre Freundin an.

»Warum? Du hast immerhin Geburtstag. Man wird schließlich nur einmal zweiundzwanzig, und so ein Selfie kriegst du garantiert nie wieder. Gib ihm einfach hinterher ein paar Pfund, dann geht das bestimmt in Ordnung.«

Kendra überlegte kurz, zuckte dann aber mit den Schultern. Eigentlich hatte ihre Freundin ja nicht ganz unrecht.

Der Mann sagte nichts. Er wirkte wieder fast wie versteinert, was Kendra allerdings nicht unbedingt beruhigte. Das letzte Mal hatte er sich auch ganz plötzlich, wie aus heiterem Himmel, bewegt und sie damit fast zu Tode erschreckt.

Als sie sich ihm näherte, stieg ihr ein modriger Geruch in die Nase, der sie das Gesicht verziehen ließ. Das war dann doch ein bisschen too much für ihren Geschmack. Sie musste fast würgen, konnte es aber gerade noch zurückhalten.

Bring es hinter dich, sagte sie zu sich selbst, zückte ihr Smartphone und switchte in den Selfie-Modus. Dann stellte sie sich neben ihn und bewegte sich so nah an den Mann heran, wie sie sich traute, sodass sie beide auf dem Display zu sehen waren und ...

Moment, was war das?

Der Mann, der neben ihr auf dem Bildschirm zu sehen war, sah ganz anders aus als der kopflose Typ. Er war um einiges jünger, allerhöchstens ein paar Jahre älter als sie selbst. Sein Haar war dunkel und voll und reichte ihm in dichten Wellen bis zum Kinn. Sein Hautton war goldbraun, und von seinen Gesichtszügen her ordnete Kendra ihn irgendwie aus dem Mittleren Osten stammend ein.

Er sah gut aus, verflixt gut.

Große dunkle Augen, umrahmt von einem dichten Kranz dunkler Wimpern, hohe Wangenknochen, für die so manches Topmodel – männlich wie weiblich – einen Mord begehen würde, und leicht schimmernde Lippen mit einem ausgeprägten Lippenbogen, der regelrecht zum Küssen einlud.

Und was noch viel auffälliger war: Der Kopf des Mannes war genau da, wo er hingehörte!

Wie von selbst drückte ihr Finger auf den Auslöser, und für einen kurzen Augenblick wurde sie vom Blitzlicht geblendet. Als sie wieder sehen konnte, war da neben ihr auf dem Display wieder nur der kopflose Alte.

Keine Spur mehr von dem gut aussehenden jungen Typ.

»D-Danke«, haspelte Kendra und sprang schnell wieder hinüber zu ihrer Freundin, froh, Distanz zwischen sich und dem moderig riechenden ›Kopflosen‹ zu bekommen.

»Komm schon, zeig mal her!«, forderte Miriam ungeduldig.

Kendra zögerte kurz. Noch immer fragte sie sich, was das da eben gewesen war, das sie auf dem Handydisplay gesehen hatte – oder vielmehr, wen sie da gesehen hatte. Und wie das möglich gewesen war.

Die logischste Erklärung war, dass sie sich das Ganze nur eingebildet hatte. Genau genommen war es nicht nur die logischste, sondern die einzige Erklärung. Denn wie hätte auf ihrem Handydisplay etwas zu sehen sein sollen, das nicht da gewesen war?

Trotzdem war sie unsicher. Was würden Miriam und sie zu sehen bekommen, wenn sie jetzt die Foto-App öffnete und sich das eben gemachte Selfie ansahen?

Merkwürdigerweise war da aber noch ein anderes Gefühl. Ein leises Gefühl der Hoffnung. Der Hoffnung, ihn wiederzusehen.

Den gut aussehenden Jungen ...

Und tatsächlich meinte sie ihn auf dem eben geschossenen Selfie zu sehen, aber nur ganz kurz.

Doch kaum hatte sie geblinzelt, sah sie etwas anderes. Nämlich sich selbst neben dem kopflosen Straßenkünstler.

Genau das schien auch ihre Freundin zu sehen, als Kendra ihr nun das Handy hinhielt. Das – und nichts anderes sonst.

»Ist doch cool geworden!«, rief Miriam aus. »Also, wenn du mich fragst, ein ungewöhnlicheres Geburtstagsfoto kann es ja wohl kaum geben!« Sie sah Kendra an. »Was ist denn jetzt mit dem Trinkgeld?«

»Ach so. Ja, klar.« Kendra steckte das Handy wieder ein und kramte in ihrer Hosentasche nach ein paar Münzen.

Doch als sie sich dem Straßenkünstler zuwenden wollte, war der plötzlich verschwunden.

Wie vom Erdboden verschluckt.

»Wo ist er denn so schnell hin?«, fragte Miriam.

Suchend blickte sich Kendra um, aber in dem Gewühl um sie herum konnte sie den Mann nirgends entdecken. Er schien einfach in der Menschenmenge abgetaucht zu sein. Was bei den Massen an Besuchern in Covent Garden allerdings auch nicht weiter schwer war.

»Na, dann hat er eben Pech gehabt«, meinte Miriam und zuckte mit den Schultern. »Und was machen wir jetzt?«

»Ich weiß nicht. Gemütlich was essen ist ja hier eher nicht, würde ich mal sagen. Bevor wir hier einen freien Tisch kriegen, ist mein Geburtstag definitiv vorbei. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll ...«

Fragend schaute Miriam sie an. »Ja?«

»Also, ich würde ja eigentlich am liebsten nach Hause.«

»Was?«, stieß ihre Freundin entsetzt hervor. »So war das aber eigentlich nicht gedacht. Du solltest doch einen richtig tollen Geburtstag haben. Nach dem ganzen Mist, den du im Moment um die Ohren hast.«

Kendra seufzte. Im Grunde stimmte es. Sie konnte wirklich eine kleine Ablenkung gebrauchen nach allem, was in letzter Zeit so bei ihr los war. Dass ihr Job im Supermarkt von Tag zu Tag mehr nervte, war da noch das geringste Übel. Viel schlimmer war der alte Rowland, ihr Nachbar, der ständig nörgelte und nervte. Irgendwas war immer, das ihn störte.

Aber immer nur bei ihr. Bei Miriam hatte er sich noch nie beschwert, obwohl die beiden jungen Frauen in derselben Wohnung lebten, weil sie sich so die Miete teilen konnten.

Aber selbst ihr Nachbar war nichts im Vergleich zu Adam, ihrem Ex, der einfach nicht akzeptieren konnte, dass es aus und vorbei war. Ständig lungerte er in der Nähe ihrer Wohnung oder vor dem Supermarkt herum, rief sie an und bombardierte sie mit Nachrichten, obwohl sie schon mehrfach ihre Nummer gewechselt hatte.

Sie schüttelte den Kopf. »Sorry, aber mir ist echt nicht mehr nach großartig feiern.«

Warum, das wusste sie selbst nicht so genau. Es hatte aber etwas mit dem Kopflosen zu tun. Irgendwie hatte die Begegnung mit ihm sie mitgenommen, auch wenn sie sich den Grund dafür nicht recht erklären konnte.

»Also gut«, gab Miriam nach. »Aber es wird noch nicht gleich gepennt, verstanden? Wir machen noch eine schöne Flasche Wein auf und lassen uns was vom Chinesen bringen. Auf meine Rechnung. Abgemacht?«

»Abgemacht«, entgegnete Kendra mit einem müden Lächeln.

Auf dem Weg zur Underground-Station kamen sie noch an weiteren Straßenkünstlern vorbei, um die herum sich große Menschentrauben angesammelt hatten.

»Findest du das nicht merkwürdig?«, fragte Miriam und blieb auf einmal stehen.

Kendra sah sie an. »Was meinst du?«

»Na, guck dir die Leute doch an. Wie die um jeden einzelnen Künstler herumstehen. Nur bei unserem Kopflosen eben nicht. Außer uns sind alle an ihm vorbeigegangen, und du warst auch die Einzige, die ein Foto mit ihm gemacht hat.«

»Hm, stimmt«, murmelte Kendra. »Keine Ahnung, woran das lag. Vielleicht sind Kopflose nicht so der Renner hier.«

Sie gingen weiter.

Das große runde Leuchtschild der Underground-Station war schon in Sicht, als Miriam plötzlich sagte: »Ich muss noch mal ganz dringend, bevor wir fahren.«

Kendra verdrehte die Augen. »Wir sind eben an den Toiletten vorbeigekommen.«

»Ich weiß. Da musste ich aber noch nicht.«

Also kehrten sie um, wieder hinein in das dichte Gedränge um die Markthallen herum, zur St. Paul's Church – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Kathedrale. Hier befanden sich, rechts und links neben dem Eingang, öffentliche Toiletten.

»Ich warte hier«, verkündete Kendra und stellte sich etwas abseits vom Besucherstrom an den Zaun, der das Gelände der Kirche umgab.

Sie zückte gerade ihr Handy, um ihre Nachrichten zu checken, als sie etwas zwischen den Pflastersteinen auf dem Boden zu ihren Füßen bemerkte.

Und dieses Etwas glitzerte und funkelte.

Stirnrunzelnd ging Kendra in die Hocke und riss die Augen auf, als sie erkannte, worum es sich handelte.

An einer goldenen Kette hing ein Anhänger mit einem roten Stein. Und genau dieses Schmuckstück hatte Kendra noch vor Kurzem an jemandem gesehen.

Am Hals des Kopflosen.

Suchend blickte sie sich um, konnte aber nirgends eine Spur von dem Straßenkünstler entdecken.

Er musste es verloren haben. Wobei es schon ein ziemlicher Zufall war, dass ausgerechnet sie es nun fand.

Und was nun? Wenn sie es liegen ließ, würde es ein anderer mitnehmen. Und wenn sie es einsteckte, musste sie sich darum kümmern, dass es wieder zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurückkam und ...

Nimm es mit ...

Kendra blinzelte. Es war fast, als hätte jemand geradewegs in ihren Kopf gesprochen, ohne den Umweg über die Ohren zu nehmen.

Zudem hatte die Stimme wie die eines jungen Mannes geklungen, und Kendra hatte dessen Gesicht seltsamerweise auch vor Augen gehabt.

Das Gesicht des jungen Mannes, den sie eben auf dem Handy-Display gesehen hatte, bevor sie den Auslöser drückte.

Kendra nahm das Amulett und steckte es in die Seitentasche ihrer Jeans.

»Hey, alles klar?«, erklang in diesem Moment auch schon Miriams Stimme. »Was machst du denn da unten?«

»Gar nichts.« Kendra winkte ab. »Komm, gehen wir.«

Mitternacht!

Bleich hing der fast volle Mond am Himmel und warf seinen silbrigen Schein auf den kleinen Park. Auf einer einsamen Bank saß, von düsteren Schatten umgeben, eine junge Frau.

Kendra Wolters!

Reglos wie eine Statue hockte sie da, ihre Gestalt kaum mehr als eine dunkle Silhouette gegen den mondbeschienenen Hintergrund. Mit leerem Blick starrte sie in die Nacht.

Ein leichter Wind wehte, ließ die Bäume und Sträucher rascheln. Die Tiere der Nacht stießen gequälte Laute aus, doch nichts davon nahm Kendra wahr. Auch nicht die Geräusche der umliegenden Straßen am Tavistock Square. Egal, wie spät es war – in London herrschte immer Verkehrslärm. Normalerweise drang er, wenn Kendra hier im Park saß, wie durch Watte an ihr Ohr.

In dieser Nacht jedoch nicht. Da bekam sie davon gar nichts mit.

Bis ihr Handy vibrierte.

Sie zog es aus ihrer Hosentasche, blickte aufs Display – und runzelte die Stirn.

Da war nichts. Kein Anruf, keine eingegangene Nachricht.

Wieso hatte es dann vibriert?

Kopfschüttelnd wollte sie es gerade wieder wegstecken, als es erneut vibrierte.

Und dann sah sie es!

Da war Rauch. Er quoll aus den Schlitzen ihres Handys. Erst ganz leicht, dann immer stärker.

Erschrocken ließ Kendra das Smartphone neben sich auf die Bank fallen und sprang auf, weil sie schon damit rechnete, dass es gleich in Flammen aufgehen würde.

Was, zum Teufel ...?

Aber nichts dergleichen passierte. Stattdessen quoll auf dem Gerät nur immer mehr Rauch, der aber auch nicht verbrannt roch. Eher feucht und ein bisschen süßlich. War das gar kein Rauch, sondern ... Nebel?