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Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1978 - 1979! Der Totenbeschwörer. Die Nachzehrer, eine Mischung aus Vampir und Ghoul, liegen in ihren Gräbern und locken auf Befehl des Totenbeschwörers die Lebenden an, um sie zu sich in die feuchte Erde zu holen. Sie keuchen und stöhnen, zerren an ihren Leichenhemden und finden keine Ruhe. Wer nachts, wenn es windstill und ruhig ist, über den Friedhof geht und diese schrecklichen Geräusche hört, kehrt nie wieder zurück... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!
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Seitenzahl: 136
Veröffentlichungsjahr: 2015
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Die Nachzehrer, eine Mischung aus Vampir und Ghoul, liegen in ihren Gräbern und locken auf Befehl des Totenbeschwörers die Lebenden an, um sie zu sich in die feuchte Erde zu holen.Sie keuchen und stöhnen, zerren an ihren Leichenhemden und finden keine Ruhe.Wer nachts, wenn es windstill und ruhig ist, über den Friedhof geht und diese schrecklichen Geräusche hört, kehrt nie wieder zurück …
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve
ISBN 978-3-8387-2796-7
www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de
Die Nachzehrer sind eine Mischung aus Vampir und Ghoul. Sie liegen in ihren Gräbern und locken auf Befehl des Totenbeschwörers die Lebenden an, um sie zu sich in die feuchte Erde zu ziehen.
Sie keuchen und schmatzen, zerren an ihren Leichenhemden und finden keine Ruhe.
Wer nachts, wenn es windstill und ruhig ist, über den Friedhof geht und diese schrecklichen Geräusche hört, ist verloren.
Vom Friedhof aus war das Licht nur als winziger, verwaschener Fleck zu erkennen. Es schien in der Luft zu schweben, war mal fort und kam dann wieder, je nachdem, wie die Nebelschwaden vom Wind durcheinandergetrieben wurden.
Es war eine kalte Nacht. Die Temperaturen lagen weit unter dem Gefrierpunkt. Die obere Schicht der Friedhofserde war knochenhart gefroren.
Das junge Mädchen, das hinter dem erleuchteten Fenster stand, schaute in die Nacht.
Jill Hanson war nervös.
Die Unruhe hatte ihren gesamten Körper erfasst. Jill konnte nicht mehr still im Bett liegen bleiben. Immer wieder stand sie auf, trat ans Fenster und schaute zu dem Friedhof hinüber, der eine seltsame Faszination auf sie ausübte.
Aber war es überhaupt der Totenakker, der dieses Gefühl bei ihr hervorrief? Oder war es Jills Großvater? Seit drei Wochen lag er dort unter der kalten Erde.
Und genau vor drei Wochen hatte es begonnen.
Eines Nachts erwachte Jill Hanson schweißgebadet. Ein unerklärlicher Drang lockte sie zum Fenster, und sie glaubte, Stimmen zu hören. Leise, fordernde Stimmen, die sie zum Friedhof hinzogen.
›Komm doch, komm‹, hieß es immer wieder.
Jill konnte sich das nicht erklären. Sie glaubte an eine Einbildung, doch die Stimmen blieben.
Das Mädchen nahm Tabletten. Jetzt erst konnte sie wieder schlafen. Doch die Stimmen kamen wieder. Intensiver und fordernder. Sie lockten und flehten, füllten Jills Gehirn aus und nahmen ihr die Kraft, sich dagegen zu wehren.
Die Angst wurde stärker. Jill bekam einen regelrechten Horror vor der jeweils nächsten Nacht, aber so paradox es sich anhörte, gleichzeitig wartete sie darauf, die Stimmen zu hören.
Wie jetzt!
Noch nie zuvor waren sie so laut gewesen. Sie brausten in ihrem Kopf, Jill gelang es nicht, sich dagegen zu wehren. Und sie wollte auch nicht mehr. Die wusste, dass sie in dieser finsteren Nacht dem Drängen nachgeben würde.
»Ja«, flüsterte sie. »Ich komme. Ich muss es einfach tun. Wartet auf mich, bald bin ich bei euch.«
Die Stimmen verstummten. Sie hatten die Nachricht gehört und warteten auf das Mädchen.
Jill Hanson drehte sich um, ging zum Kleiderschrank und öffnete die rechte Tür.
Auf der Innenseite befand sich ein langer Spiegel. Jill sah sich selbst darin und erschrak.
Was war aus ihr geworden?
In den letzten drei Wochen hatte sie mindestens zehn Pfund an Gewicht verloren. Der Körper der Fünfundzwanzigjährigen, sonst fraulich gerundetet, bestand nur noch aus Haut und Knochen. Eingefallen war auch das Gesicht. Falten zeichneten die Haut. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Die Ringe befanden sich wie dunkle, eingegrabene Halbmonde darunter. Die Lippen waren schmäler als früher. Aus der einst so blühenden Schönheit war eine hässliche Frau geworden.
Ihre Kollegen, Eltern und Geschwister hatten sie öfters auf ihr Aussehen hin angesprochen.
Jill Hanson hatte immer eine Ausrede gefunden. Liebeskummer, seelische und berufliche Krise – nur die Wahrheit hatte sie nie eingestanden. Sie hatte sehr an ihrem toten Großvater gehangen. Nächtelang wachte sie an seinem Sterbebett, und die Worte – es waren seine letzten – klangen ihr noch jetzt in den Ohren.
»Ihr werdet mir folgen«, hatte er mit rauer Stimme geflüstert. »Wartet es nur ab … bald kommt auch ihr an die Reihe. Der Friedhof lockt … die Gräber … sie werden auch für euch die Ruhestätten sein.«
Noch jetzt fühlte Jill den Schauer, der ihr bei diesen Worten über den Rücken gerieselt war.
Sie hatte die Sätze damals nicht ernst genommen, doch nun …
Ihre Gedanken wanderten. Sie dachte an die Eltern und Geschwister, die in ihren Betten lagen und schliefen und nichts davon ahnten, was bald geschehen würde.
Jill schaute auf ihre Uhr.
Eine halbe Stunde vor Mitternacht.
Sie musste sich beeilen, wenn sie pünktlich sein wollte. Denn Mitternacht war die Zeit der Toten. Dann trat die Tageswende ein, wurden die Geister der Verstorbenen wieder aktiv, so wie es beim alten Hanson war.
Jill griff in den Schrank hinein und zog ihren Wintermantel hervor. Er war von innen mit Pelz gefüttert. Jill hatte lange gespart, um sich diesen Mantel leisten zu können.
Sie streifte ihn über das lange wollene Nachthemd. Es schaute noch unter dem Mantel hervor, aber das störte Jill Hanson nicht. Sie ging ja nicht zu einer Modenschau.
Jill Hanson drückte die Schranktür wieder zu und lief zum Fenster.
»Ich komme«, raunte sie. »Jetzt …«
Das junge Mädchen verließ das Zimmer. Sie schlief im ersten Stock. Auf Zehenspitzen schlich sie über den Flur der Treppe zu, die nach unten führte.
Sie passierte dabei die Türen, hinter denen die Schlafzimmer ihrer Geschwister und Eltern lagen.
Sie verschwendete nicht einen Gedanken mehr an ihre nächsten Verwandten. Sie waren ihr auf einmal so gleichgültig geworden, wie auch die anderen Dinge in ihrem Leben.
Für sie zählte nur noch der Lockruf.
Jill schritt die Stufen hinab. Sie ging am Rand, damit das alte Holz nicht zu sehr knarrte. Bis auf das Summen der Heizung war es im Haus ruhig.
Das Mädchen schritt nicht zur Vordertür, sondern ging in Richtung Keller, wo auch der Hinterausgang lag. Diese Tür war meistens nicht abgeschlossen, und auch in dieser Nacht stand sie offen. Dafür hatte Jill gesorgt.
Vorsichtig öffnete sie die Tür. Als der Spalt groß genug war, schlüpfte sie hindurch.
Schnee lag auf dem Hof. Nur ein schmaler Pfad war geräumt worden. Dafür türmte sich die weiße Pracht an der Hauswand hoch.
Jill schritt durch den kleinen Garten, balancierte über festgefrorene Akkerfurchen und erreichte den hüfthohen Zaun, der das ziemlich große Grundstück einrahmte.
Rechts von ihr streckten die mit einer weißen Schicht bedeckten Obstbäume ihre Äste in den Nachthimmel. Sie wirkten manchmal wie die gespenstische Vision eines Malers.
Ein Wetterumschwung lag in der Luft. Die noch vorhandene Kälte drückte den Nebel zu Boden. Er war nur stellenweise vorhanden, und als Jill hindurchschritt, da sah es so aus, als würde sie über der Erde schweben.
Sie kletterte über den Zaun und schlug den Weg zum Friedhof ein.
Die Straße führte nicht am Totenakker vorbei und auch nicht am Haus der Hansons. Sie machte einen Bogen und tangierte die Nordseite des Friedhofs. Jill musste über freies Feld laufen.
Das machte ihr nichts aus. Sie hatte nur ein Ziel vor Augen, das sie unbedingt erreichen wollte.
Schneeinseln bedeckten den welligen Boden. Zum Teil war der Schnee getaut, doch der, der noch lag, trug eine Eisschicht auf der Oberfläche.
Der kühle Nordwestwind blies Jill ins Gesicht. Am Himmel trieben dicke Schneewolken auf die Küste zu.
Jill Hanson schritt über verfaultes Gras, trat in schmale Ackerfurchen und lief einige Meter parallel zu einem rostigen Stacheldrahtzaun, den ein Bauer gezogen hatte, bevor er sein Grundstück an den zuständigen Kreis verkaufte.
Das Feld sollte in einigen Jahren ebenfalls ein Friedhof werden. Die entsprechenden Pläne lagen bereit.
Das Haus blieb immer mehr zurück. Er verschwamm in der kalten Nebelsuppe. Jill Hanson verließ ein Stück Heimat, um einem ungewissen Schicksal entgegenzugehen.
Der Mantel hielt die Kälte ab. Der hochgestellte Kragen schützte Hals und Ohren.
Eine Mauer begrenzte den Friedhof. Allerdings nur an der Nordseite. Gegenüber, wo er erweitert werden sollte, hatte man die Mauer bereits abgerissen, sodass jedermann das Gelände ungehindert betreten konnte.
Jill ging den Weg nicht zum ersten Mal. Schon öfter hatte sie das Grab ihres Großvaters besucht und es mit frischen Blumen geschmückt. Sie hing sehr an dem alten Mann. Auch heute noch.
Ein plötzlicher Windstoß blähte den vorn nicht geschlossenen Mantel auf und ließ Jill Hanson aussehen wie eine große Fledermaus. Sie steckte ihre Hände in die Taschen und drückte den Mantel wieder zu.
Die Grasnarbe des Bodens verschwand. Jill schritt jetzt durch die tiefen Spuren, die noch von den Lastwagen des Abbruchunternehmens stammten. In manchen Kuhlen hatte sich Wasser gesammelt. Eine dünne Eisschicht bedeckte die Oberfläche, und sie knirschte, als Jill darüberschritt.
Trotz der Dunkelheit konnte sie bereits die ersten Grabsteine und Kreuze erkennen.
Die Zeugen der Vergänglichkeit standen auf dem alten Teil des Friedhofs. Kantige, schmucklose Steine, auf denen der Name des Verstorbenen eingraviert worden war. Auch die ehemals stolzen Holzkreuze hatte der Zahn der Zeit angefressen und sie im Laufe der Jahre weich und brüchig gemacht.
Es gab schmale Wege, die sich hin und wieder kreuzten und zu den einzelnen Gräbern führten. Blattlose Bäume breiteten ihre knorrigen Äste aus, als wollten sie die Gräber der Toten beschützen.
Der Nachtwind strich durch Hecken und Buschinseln. Er bewegte auch die alte Wetterfahne auf dem Leichenhaus, sodass sie einen Laut abgab, der an das gequälte Atmen einer gepeinigten Kreatur erinnerte.
Übergangslos erreichte Jill Hanson den Friedhof. Auch hier war die Erde gefroren. Die knochenharten Stellen bildeten Stolperfallen. Jill musste achtgeben, dass sie nicht umknickte und sich noch einen Knöchel verstauchte.
Wie ein Geist schritt sie zwischen den Grabreihen hindurch. Trockenes Laub und knorrige Zweige knackten unter ihren Schuhen. Sie schüttelte den Kopf, um die langen Haare aus der Stirn zu schleudern, die mit ihren Fransen fast die Augen verdeckten.
Der alte Hanson war auf dem neuen Teil des Friedhofes beerdigt worden. Breite Kieswege verbanden ihn mit der Leichenhalle. Trauergäste holten sich keine schlammigen Schuhe, wenn es mal regnete. Es sei denn, sie standen dicht am Grab.
Auf diesem Teil des Totenackers glänzten die Grabsteine noch wie frischpoliert, stachen die hellen Kreuze von der schmutzigbraunen Erde ab. Hier wurden die Gräber gepflegt und im Herbst mit Tannenzweigen bedeckt.
Dann zog auch ein anderer Geruch über den Friedhof. Im Winter roch es nur nach Moder, Verwesung und faulendem Laub. Eben ein typischer Friedhofsgeruch.
Er machte dem Mädchen jedoch nichts aus. Jill empfand ihn als Balsam. Sie überquerte den Hauptweg, schritt dann auf einen schmalen Pfad und ging zwischen einer Reihe neu angelegter Gräber weiter.
Kreuz stand neben Kreuz. Kein Stein zierte die Gräber. Zum Teil waren sie durch eine festgefrorene Schneekappe verhüllt.
Weiter vorn begann das Gelände, wo die frischen Gräber ausgehoben wurden.
Und dort lag auch ihr Großvater.
Es waren schon wieder einige Gräber dazugekommen.
Das Grab ihres Großvaters war das viertletzte in der linken Reihe. Es sah nicht anders aus als die anderen, und doch barg es ein schreckliches Geheimnis.
Ein Geheimnis, das bald gelüftet werden sollte.
Sekundenlang blieb Jill Hanson vor dem Grab stehen. Plötzlich klopfte ihr Herz hoch oben im Hals. Jetzt fragte sie sich, ob sie alles richtig gemacht hatte, doch die Stimme, die plötzlich in ihre Gedanken drang, zerstörte die Bedenken.
›Ich freue mich, dass du gekommen bist, Jill. Warte noch ein wenig, dann bin ich auch bereit‹.
»Ja«, flüsterte Jill. Sie sprach mit sich selbst und glaubte nicht, dass der Großvater sie hören konnte.
Stumm starrte sie auf das Grab. Der Wind erfasste ihr blondes Haar und schüttelte es durch. Ganz in der Nähe flatterten zwei Nachtvögel erschreckt von ihren Schlafplätzen hoch und verschwanden in der Dunkelheit.
Auf der Leichenhalle knarrte die Wetterfahne. Irgendwo raschelte es. Ein Stück Holz schlug rhythmisch gegen einen Stein. Sonst war es still.
Mitternacht!
Geisterstunde – Tageswende.
Die graue Zeit der Dämonen. Startpunkt für alles Unheil, für Leid, Schrecken und Tränen.
Es war die Stunde der Nachtgeschöpfe.
Jill Hanson hielt den Atem an. Sie spürte, dass gleich etwas geschah, ja, einfach geschehen musste. Noch immer starrte sie auf das Grab. Der Schnee war völlig weggetaut und gab die braune Erde frei.
Erde, die sich bewegte. Erst aufgeworfen wurde und dann wieder zusammenfiel.
Jemand arbeitete unter der Erdoberfläche.
Der Tote?
Unvorstellbar, grauenhaft. Jill lief eine Gänsehaut über den Rücken. Sie krampfte ihre Hände zusammen, der Atem ging jetzt stoßweise, wurde als Dampfwolke von ihren Lippen geweht.
Die Erde bewegte sich weiter. Kein Frost konnte dem Druck standhalten. Was aus dem Grab herauswollte, das musste heraus, da gab es kein Halten und kein Hindernis.
Heftiger wurde die Erde bewegt. Es war schon dicht unter der Oberfläche, drückte weiter – erschien.
Finger!
Von einer bleichen Totenhaut überzogen, mit Dreckkrumen unter den langen spitzen Nägeln. Haut, die wie weißes Pergament wirkte und fast durchsichtig war.
Jill Hanson versteifte sich.
Sie starrte auf die Hand, sah das Schreckliche mit eigenen Augen und wurde innerlich von der Angst aufgewühlt.
Da packte die Hand zu.
Blitzschnell umklammerte sie Jill Hansons Fußknöchel!
*
Über fünfhundert Jahre sollte die alte Linde schon zählen. Ihr gewaltiger Stamm und die knorrigen Äste hatten bereits manchen Sturz überstanden, hatte den Unbilden der Natur getrotzt, und sich auch nicht von Menschenhand zerstören lassen.
Die Linde war der Mittelpunkt des Friedhofes. Schon manchem hatte sie Schutz geboten. Vor Regen, Sturm und Hagel. Zahlreiche Legenden rankten sich um den Baum, Tatsache aber war, dass man ihn unter Naturschutz gestellt hatte.
Auch in dieser kalten Nacht bot die Linde jemandem Schutz vor neugierigen Blicken. Es war eine relativ kleine Gestalt, eingehüllt in einen langen Mantel, der mehr eine capeähnliche Form besaß. Der Kragen war hochgestellt. Zwei kalte Augen beobachteten die Bewegungen des Mädchens, als es zu dem Grab des Großvaters ging.
In den Augen leuchtete Triumph. Der Unbekannte hatte seine Fäden gesponnen. Lange genug hatte er nach einem geeigneten Ort gesucht. Hier hatte er ihn gefunden. Tief in der Erde lagen die begraben, nach denen er forschte.
Die Nachzehrer!
Schon aus dem Mittelalter bekannte und gefürchtete Geschöpfe, die man für schlimmer hielt als die Vampire. Sie verbreiteten einen unermeßlichen Schrecken, und man hielt sie in der neueren Zeit für ausgestorben.
Doch das war ein Irrtum.
Man musste die Nachzehrer nur zu finden wissen und ihre Kräfte erneut wecken.
Der Mann hinter der Linde hatte dies getan. Jetzt wartete er auf den Erfolg des ersten Versuches.
Er war kein Unbekannter mehr im Reich der Finsternis. Er gehörte zu den Großen, war aber noch nicht stark genug, um die endgültige Macht an sich zu reißen. Er musste im geheimen arbeiten, sonst machten ihm seine Gegner einen Strich durch die Rechnung.
Denn er war – Myxin, der Magier!
*
Jill Hanson schrie auf. Sie wollte zurückweichen, doch die Klaue hielt sie eisern fest.
Jill stemmte ihr rechtes Bein in den Boden, bückte sich, um die Hand von ihrem linken Knöchel zu lösen.
Jill hatte zu lange gewartet.
Er war schneller.
Die Erde des Grabs wurde förmlich aufgesprengt, als der Tote herausstieg.
Alex Hanson, Jills Großvater, erschien!
Er war eine grauenhafte Gestalt, ein Nachzehrer, wie er in den alten Büchern beschrieben stand. Jedes Merkmal stimmte.
Seine Haut war in der Zeit noch nicht verwest. Sie hatte nur eine fahle kalkige Farbe angenommen. Im Gegensatz dazu stand das Lippenrot. Ebenfalls ein Hinweis darauf, dass man einen Nachzehrer vor sich hatte. Bei einem normalen Toten verschwindet das Lippenrot, bei einem Nachzehrer nicht. Auch schließt sich bei ihm nicht der Mund, und es bleiben die Augen offen. All diese Voraussetzungen trafen auf Alex Hanson zu.
Sein Leichenhemd klebte am Körper. Es war schmutzig und an einigen Stellen zerrissen, sodass die nackte Haut zum Vorschein kam. Spitz stachen die Schulterknochen hervor, die Wangen waren eingefallen, und die Hände bestanden nur aus Klauen.