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Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1978 - 1979!
Der Geisterfahrer.
"Wir unterbrechen unsere Sendung für eine wichtige Durchsage. Auf der A 3 in Fahrtrichtung Köln kommt Ihnen zwischen Camberg und Idstein ein Fahrzeug entgegen. Bitte halten Sie sich rechts und warnen Sie den Geisterfahrer durch die Lichthupe. Sobald die Gefahr beseitigt ist, melden wir uns wieder. Weiter geht's mit Musik."
Berthold Deitz hatte Angst. Schweißnass saß er am Steuer seines Opels Commodore. Er sah die tödliche Gefahr. Dabei wusste er nicht einmal, dass der Geisterfahrer, der auf ihn zuraste, ein Dämon war ...
John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 149
Veröffentlichungsjahr: 2015
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
„Wir unterbrechen unsere Sendung für eine wichtige Durchsage. Auf der A 3 in Fahrtrichtung Köln kommt Ihnen zwischen Camberg und Idstein ein Fahrzeug entgegen. Bitte halten Sie sich rechts und warnen Sie den Geisterfahrer durch die Lichthupe. Sobald die Gefahr beseitigt ist, melden wir uns wieder. Weiter geht’s mit Musik.“Berthold Deitz hatte Angst. Schweißnass saß er am Steuer seines Opels Commodore. Er sah die tödliche Gefahr. Dabei wusste er nicht einmal, dass der Geisterfahrer, der auf ihn zuraste, ein Dämon war …
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve
ISBN 978-3-8387-2814-8
www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de
»Wir unterbrechen unsere Sendung für eine wichtige Durchsage. Auf der A 3 in Fahrtrichtung Köln kommt Ihnen zwischen Camberg und Idstein ein Fahrzeug entgegen. Bitte halten Sie sich rechts, und warnen Sie den Geisterfahrer durch die Lichthupe. Sobald die Gefahr beseitigt ist, melden wir uns wieder. – Weiter geht’s mit Musik.«
Berthold Deitz hatte Angst. Schweißnass saß er am Steuer seines Opel Commodore. Er sah die tödliche Gefahr. Aber er wusste nicht, dass der Geisterfahrer ein Dämon war.
Wie ein Roboter saß er hinterm Steuer. Seine Augen fixierten starr die Horrorerscheinung, in deren Bann er geraten war, als er sich der Autobahnauffahrt Camberg näherte.
Er hatte nach Kassel gewollt, aber dann war er dem Spuk von einer Sekunde zur anderen willenlos gefolgt. In die verkehrte Richtung, zu einer gespenstischen Amokfahrt, die tödlich enden musste.
Im Slalom wich der Spuk, ein roter Wagen von undefinierbarer Marke, entgegenkommenden Fahrzeugen aus. Berthold Deitz folgte dem Geisterwagen in knappem Abstand. Er sah Scheinwerfer aufblinken, hörte Hupen gellen.
Der kalte Schweiß troff ihm von der Stirn. Er musste dem Geisterfahrer vor ihm ins Verderben folgen. Es war ein Geisterfahrer im wahrsten Sinne des Wortes. Ein unheimlicher grünlicher Schein umgab zeitweise sein Fahrzeug. Statt eines Nummernschilds hatte er einen grinsenden Totenschädel an der hinteren Stoßstange.
Auf dem Fahrersitz saß eine Gestalt mit schwarzem Umhang und schwarzer Kapuze. Berthold Deitz sah sie nur von hinten, und er war der einzige, der Geisterfahrer und Geisterwagen erblickte. Die anderen Verkehrsteilnehmer sahen nur den Wagen des Architekten.
Die Reifen kreischten bei dem Todesslalom, den der Geisterfahrer und sein Opfer fuhren. Wie durch ein Wunder war noch nichts passiert. Manche Wagen hielten jetzt auf dem Parkstreifen. Andere wurden von den Haltenden durch Blinkzeichen und gellendes Hupen gewarnt.
Die Autobahn gehörte dem Geisterfahrer. Dem Dämon und seinem angstgeschüttelten Opfer. Der Tachostrich des Opel Commodore stieg fast bis 180 Stundenkilometer. Berthold Deitz sah es nicht, starr hing sein Blick an dem Geisterwagen.
Der HR 3 sendete immer wieder die Warnung vor dem Geisterfahrer. Berthold Deitz hörte nur ganz leise die Durchsagen und die Fahrt- und Motorengeräusche seines 130-PS-Wagens. Eine geisterhafte Melodie klang in seinen Ohren.
Eine Kälte, die nicht von dieser Welt stammte, unifing ihn. Er hatte mit seinem Leben abgeschlossen. Nicht einmal zittern konnte er, so sehr stand er im dämonischen Bann.
Knapp acht Minuten dauerte seine Horrorfahrt. Ihm erschien es wie eine Ewigkeit. Aus dem Augenwinkel bemerkte er das flackernde Blaulicht eines Polizeiwagens am Autobahnrand, er raste vorbei. Über ihm knatterte ein Polizeihubschrauber, Berthold Deitz hörte ihn nicht.
Seine letzten Gedanken galten seiner Frau und seinen Kindern. Er verfluchte das grausame Horrorwesen. An der Autobahnauffahrt Idstein errichteten Polizeiwagen eine Sperre. Drei Polizeifahrzeuge standen quer über der Fahrbahn und blockierten sie. Die Blaulichter rotierten, Sirenen gellten.
Der Geisterfahrer musste unbedingt gestoppt werden.
Das Ende kam, als ein Busfahrer aus Limburg, der auf einem Autobahnparkplatz ein Nickerchen gehalten hatte, sein Fahrzeug auf die A 3 steuerte. Er saß allein in dem Bus. Er rieb sich die Augen, er hatte es eilig, denn sein Nickerchen hatte zu lange gedauert.
Sein Chef, der Eigentümer eines Reiseunternehmens, würde ihm den Marsch blasen. Der immer noch verschlafene Fahrer achtete nicht darauf, dass die Autobahn in seiner Richtung völlig leer war und mehrere Fahrzeuge am Fahrbahnrand hielten.
Er sah auf die Uhr am Armaturenbrett. 21 Uhr 47 war es. Jetzt fiel dem Busfahrer das heftige Scheinwerferblinken der haltenden Wagen auf. Was soll denn der Blödsinn? dachte er.
Genau in dieser Sekunde raste Berthold Deitz an ihm vorbei. Der rote Geisterwagen fuhr genau auf die Busscheinwerfer zu.
Der Busfahrer sah für einen Moment schemenhaft den Geisterwagen, dahinter den auf ihn zuschießenden Geisterfahrer Berthold Deitz mit seinem Fahrzeug. Er schrie auf und wollte auf die Druckluftbremse treten.
Vor Berthold Deitz, wenige Meter vor dem Omnibus, löste sich das rote Geisterfahrzeug von einem Augenblick zum anderen in Nichts auf. Es verschwand.
Deitz’Lähmung wich. Er hatte noch anderthalb Sekunden, viel zu wenig, um etwas zu ändern. Sein Opel Commodore raste wie ein Geschoss auf den Bus zu, dessen Front dem Geisterfahrer wie das Tor des Todes erschien.
Berthold Deitz schlug die Hände vors Gesicht. Dann kam der fürchterliche Frontalzusammenstoß.
*
»Ein Toter und ein Schwerverletzter«, sagte Kommissar Mallmann zu uns. »Der Opel Commodore knallte frontal gegen den Bus. Der Opel fuhr etwa 180, der Bus um die 70 Stundenkilometer, als es passierte. Der Handelsvertreter Berthold Deitz starb auf der Stelle, der Busfahrer ist inzwischen außer Lebensgefahr. Aber er wird mindestens noch sechs Wochen im Krankenhaus liegen müssen.«
Wir saßen in der Cafeteria der Ankunftshalle A des Rhein-Main-Flughafens am Tisch. Vor wenigen Minuten war unsere Maschine, von London kommend, in Frankfurt gelandet. Kommissar Mallmann, meine alter Freund beim Bundeskriminalamt, hatte Suko und mich am Flugsteig abgeholt.
Durch ihn sparten wir die Zollkontrolle. Denn wir waren vom BKA offiziell bei New Scotland Yard angefordert worden. Kommissar Mallmann legte Hochglanzfotos vor uns auf den Tisch.
Darauf sahen wir das völlig zertrümmerte Wrack des Opel Commodore, einen Blechhaufen, der kaum noch an ein Auto erinnerte. Der Bus stand quer auf der Autobahn, die Front war nur noch ein zerbeultes Blechgewirr. Streifenwagen, ein Rettungshubschrauber, in den Sanitäter gerade die Bahre mit dem schwerverletzten Busfahrer verluden, und Polizisten waren noch auf den Fotos zu sehen.
Der Busfahrer hatte ungeheures Glück gehabt, dass er am Leben geblieben war. Das Autowrack lag vierzig Meter von dem Bus entfernt neben der Autobahn.
»So geschehen vor dei Tagen auf der A 3, sagte Will Mallmann. »Um 21 Uhr 47.«
Ich gab die Fotos zurück.
»Geisterfahrer, also Leute, die auf der Autobahn in der falschen Richtung fahren, gibt es in jedem Land. Viele Fälle passieren nachts. Besonders an Autobahnbaustellen geschieht es, dass unaufmerksame oder unerfahrene Fahrer auf die falsche Fahrspur geraten. Oder sie nehmen die Ausfahrt statt der Einfahrt. Ausländer und Betrunkene stellen einen hohen Prozentsatz des Geisterfahrerkontingents. Aber du glaubst, in diesem Fall sind andere Ursachen im Spiel, Will?«
»Das glaube ich nicht nur, das weiß ich, John. Pass auf, das ist der dritte Fall binnen vier Wochen in einem kleinen Gebiet. Alle drei Geisterfahrten spielten sich in einem Umkreis von vierzig Kilometern um den Feldberg herum ab. Die drei Unfälle passierten alle auf den Taunusstrecken.«
Vier Todesopfer, zwei Schwer- und einen Leichtverletzten hatten die drei Geisterfahrten gefordert. Die Bilanz hätte wesentlich schlimmer aussehen können. Jedesmal gaben Polizeibeamte und Unfallzeugen hinterher an, eine riesige schwarze Gestalt über der Unfallstelle gesehen zu haben.
Schwarz gekleidet, mit einem schwarzen Totenschädel und gleißenden weißen Augen. Fünf Minuten sollte diese Horrorerscheinung über dem Unfallort gestanden haben, riesig und drohend.
»Zunächst wurden diese Aussagen als barer Unsinn abgetan«, sagte Mallmann. »Die Presse erwähnte nichts davon. Selbst die Zeugen glaubten an eine Sinnestäuschung. Beim zweiten Unfall wurde ich informiert. Dann passierte der dritte, da schickte ich das Fernschreiben an Superintendent Powell.«
Die schwarze Gestalt war auf keiner Fotografie zu sehen. Die Hochglanzbilder zeigten als Hintergrund den Nachthimmel und in einem Fall die Lichter einer Ortschaft. Ich musste an den Schwarzen Tod denken, meinen alten Feind.
Er war die rechte Hand des Teufels und einer der mächtigsten Dämonen überhaupt. Ich, John Sinclair, von Eingeweihten scherzhaft und respektvoll »Geisterjäger« genannt, hatte schon ein paarmal die Klingen mit ihm gekreuzt.
»Wir stehen dir zur Verfügung, Will«, sagte ich. »Obwohl ich noch nicht weiß, wo und wie wir anfangen sollen.«
Will Mallmann sagte, wir sollten uns in Königstein im Hotel »Taunusblick« einquartieren. Königstein lag ziemlich neutral in der Mitte des Bereiches, in dem sich die tödlichen Unfälle ereignet hatten.
Von den Geisterfahrern lebte keiner mehr. Der Erste war gegen einen Autobahn-Brückenpfeiler geprallt. Der zweite kollidierte mit zwei entgegenkommenden Wagen, was außer seinem Leben ein Weiteres und einen Schwer- und einen Leichtverletzten gefordert hatte.
Ich stimmte Will Mallmann zu. Wir tranken unseren Kaffee aus, nahmen das Gepäck und zahlten an der Kasse. In der großen Terminalhalle herrschte ein Gewimmel. Lautsprecherdurchsagen erschollen. Menschen aller Nationen und Rassen drängten sich hier.
An der großen schwarzen Flugtafel blinkten die Lichter der Maschinen, die gerade gelandet waren oder in Kürze landen würden. Ein beleibte Frau, die in ihren Shorts steckte wie die Wurst in der Pelle, hätte uns mit dem Gepäckkarren beinahe umgefahren.
»Passen Sie doch auf!«, zischte sie uns zu.
Will Mallmann hatte seinen silbergrauen Opel Manta in der Fünf-Minuten-Parkzone stehen. Ein Strafmandat steckte bereits unterm Scheibenwischer.
Wir verstauten den Koffer und die Reisetasche im Kofferraum, meinen Einsatzkoffer und das Suitcase mit Zahnbürste, Rasierapparat und anderen Kleinigkeiten behielt ich in der Hand. Suko fiel es nicht gerade leicht, seine hünenhafte Gestalt auf die hintere Sitzbank zu zwängen.
Ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz, und ab ging die Fahrt. Vom Flughafen in Richtung Bad Homburg – Königstein. Will Mallmann nahm Schleichwege, um nicht in den Freitagstau zu geraten. Er fuhr über Bundes- und Landstraßen. Zwischendurch schaltete er das Autoradio ein. In Stereo – Mallmann war HiFi-Fan – hörte ich von endlosen Staus auf den Autobahnen. Anscheinend fuhr am Freitagnachmittag halb Deutschland in dieser Gegend. Die Frankfurter Innenstadt war natürlich auch verstopft.
Wir gelangten dank Will Mallmanns Taktik gut voran. Vierzig Minuten später waren wir in Königstein, einem netten Städtchen mit rund zehntausend Einwohnern. Der Klimakurort im Taunus war landschaftlich sehr schön gelegen, das Villenviertel der Prominenz konnte sich sehen lassen.
Das Wetter meinte es heute gut mit uns. Doch wir waren nicht zu unserem Vergnügen hergereist. Offenbar lockte der Hochtaunus mit seinen romantischen Wäldern und Bergen in der letzten Zeit nicht nur Naturfreunde und Erholungsbedürftige, sondern auch dämonische Mächte an.
»Ich will beim BKA in Wiesbaden anrufen, ob etwas Neues vorliegt«, sagte Will Mallmann, als wir vor der Hotelrezeption standen. »Andernfalls müssen wir nachher selber Pläne schmieden.«
Wir wollten unser Gepäck aufs Zimmer bringen und verabredeten uns in zwanzig Minuten in der Bauernstube der Hotelgaststätte.
*
Am nächsten Tag, einem Dienstag, wollten wir uns die drei Unfallstellen ansehen und den Weg der Geisterfahrer im Wagen abfahren. In der richtigen Richtung natürlich, von der Unfallstelle bis zu dem Punkt, an dem die beiden Männer und die Frau – das erste Todesopfer – den falschen Kurs gewählt hatten.
Warum, das war noch ungewiss. Alle drei Fahrer hatten eine langjährige Fahrpraxis und waren weder betrunken noch sonstwie unpäßlich gewesen. Am Mittwoch würden wir, wenn sich bis dahin nichts ergeben hatte, den Taunus durchfahren.
Vielleicht spürte ich eine besondere Ausstrahlung, die die Anwesenheit von Dämonen ankündigte. Im Lauf meiner langen Praxis hatte ich einen Instinkt dafür entwickelt, der zwar nicht immer richtig ansprach, aber doch relativ häufig.
Eine Art sechsten Sinn. Bei Gelegenheit sollten wir zum BKA, wo Will Mallmann uns vorstellen, und wo wir mit hohen Beamten konferieren sollten. Man spielte mit dem Gedanken, in der Bundesrepublik eine Sonderabteilung zur Aufklärung von übernatürlichen Fällen einzurichten, ähnlich der meinen bei New Scotland Yard.
Immerhin war in Deutschland auch schon einiges passiert. Die Mächte der Finsternis hatten weltweit eine Offensive eröffnet. Die Ignoranz der Menschen des Atomzeitalters gegenüber »altmodischem Aberglauben«, wie Spuk und Schwarzer Magie, förderte ihre Pläne.
Vermutlich wäre schon die ganze Welt in einem Chaos von Grauen und Horror untergegangen, wenn die Dämonen und Horrorwesen nicht unter sich zerstritten gewesen wären. Sie liebten alle die Zwietracht und die Lüge, Asmodis, der Herrscher der Finsternis, war da keine Ausnahme.
Das Abendessen, eine Hausmacher Platte, war mehr als reichhaltig. Hinterher nahmen wir an der Hotelbar einen Verdauungsschluck. Will Mallmann wohnte bis auf Weiteres bei uns im Hotel. Ich bestellte einen Bourbon on the rocks, Will Mallmann trank einen Frankenwein, und Suko, der Alkohol für sich selbst strikt ablehnte, nuckelte an seiner Cola.
Die Hotelbar war rustikal und gemütlich eingerichtet, durch ihre Butzenscheiben fiel nur wenig Tageslicht ein. Der Barmixer, ein »Schrumpfgermane« von knapp Einssechzig, sprach ein gemütliches Hessisch. An einem Tisch in der Bar feierten vier Landmaschinenvertreter einen guten Abschluss.
Sie waren ziemlich angeheitert und aufgekratzt. Der eine hielt es für lustig, meinen chinesischen Freund Suko als Zitrone zu bezeichnen. Suko hätte ihn mit einer Hand aus dem Fenster werfen können, er war Karateexperte und ein Schrank von einem Mann.
Aber Betrunkene hatten bei ihm Narrenfreiheit. Solange man ihn nicht zu sehr reizte, war der große Chinese mit dem breiten Pfannkuchengesicht eine Seele von einem Menschen.
Suko und ich trugen sportliche Kleidung.
Will Mallmann hatte auf Anzug und Seidenkrawatte nicht verzichtet. Er sprach leise und mit distinguierter Stimme.
»Wie geht es Jane, John? Und wie sieht es bei Conollys aus?«
Jane Collins war die mit Abstand hübscheste und tüchtigste Privatdetektivin von ganz London. Will Mallmann war über mein Verhältnis mit ihr informiert. Bill und Sheila Conolly waren nach Suko meine besten Freunde. Früher hatte Bill Conolly im Kampf gegen die Dämonen ordentlich zugelangt.
Aber seit er Vater war, legte ihn seine ebenso hübsche wie energische Ehefrau Sheila oft an die häusliche Kette. Wenn er einen Horrorfilm im Fernsehen sah, seufzte Bill oft sehnsüchtig und dachte an die alten Zeiten.
»Jane ist okay«, sagte ich. »Und der kleine John, der Nachwuchs der Conollys, krabbelt schon.«
Ich war der Patenonkel, jeder Fortschritt des kleinen John wurde mir haarklein berichtet.
Zuletzt hatte Bill mir den Kleinen auf die Schultern gesetzt, und als er mir ein Büschel Haare ausriss, war der Vater außer sich vor Begeisterung gewesen.
»Siehst du, wie stark er schon ist? Das macht er nur bei Leuten, die er mag.«
Diese Episode erzählte ich Will Mallmann, und wir lachten herzlich. Wir unterhielten uns auf Englisch. Ich konnte zwar Deutsch, aber Suko nicht. Gutgelaunt zündete ich mir eine Players an und hob das Glas zum Mund.
Ein zischendes Geräusch ließ mich aufschrecken. Es klang wie das Gezische einer Giftviper. Der Inhalt meines Glases begann heftig zu brodeln. Dabei spürte ich aber keine Hitze, sondern vielmehr eine eisige Kälte.
Sie drang mir bis ins Mark der Fingerknochen und lähmte meine Hand. Ich konnte das Glas nicht loslassen. Es entwickelte eigene Kräfte, die Glasöffnung richtete sich auf mein Gesicht. Suko und Will Mallmann waren aufmerksam geworden.
Eine schwarze Wolke schoss plötzlich aus dem Glas hervor, zwei glühende Augen funkelten darin. Das giftige Zischen wurde lauter, die schwarze Wolke hüllte meinen Oberkörper ein. Eiseskälte kroch in meine Adern, und zwei eisige Hände packten mit ungeheurer Kraft meinen Hals.
Das Glas hing an meiner Hand und hielt sie fest. Das Blut brauste in meinen Ohren, und die Luft wurde mir knapp. Der Spuk war drauf und dran, mich zu erwürgen. Doch die Linke hatte ich noch frei.
Ich riss mein Hemd auf, dass die Knöpfe absprangen, und tastete nach dem silbernen Kreuz mit den kabbalistischen Zeichen und den Siegeln der vier Erzengel.
Ich trug es fast immer bei mir. Eine andere Waffe hatte ich im Moment nicht. Suko und Kommissar Mallmann sprangen auf und bemühten sich, die schwarze Wolke zu durchdringen. Doch vergeblich, die dämonische Materie war ungeheuer zäh und von einem satanischen Leben erfüllt.
Sekunden noch, und sie würde mich töten. Da riss ich das Kreuz vom Hals und stieß es gegen die zwei glühenden Augen. Von den Enden des Kreuzes stachen silberne Lichtstrahlen.
Ein Heulen ertönte, ein Zischen wie von einer Dampflok. Der mörderische Druck an meinem Hals ließ nach, und die Wolke begann, zusammenzuschrumpfen und immer blasser zu werden. Sie verschwand binnen Sekunden.
Jetzt konnte ich das Glas loslassen, es zerklirrte am Boden. Der Spuk war vorbei. Ich massierte meinen Hals, an dem die Male von acht Fingern zu sehen waren. Wie von ferne hörte ich die Stimmen meiner beiden Freunde, des Barmixers und der vier Handelsvertreter.
Ich sank auf einen Stuhl nieder. Zunächst konnte ich nur krächzen. Das silberne Kreuz hatte mir das Leben gerettet. Suko, Kommissar Mallmann, der Barmixer und die vier Vertreter standen bei mir.
Die Fremden redeten aufgeregt durcheinander. Grauen hatte sie erfasst, sie wollten nicht glauben, was sie gerade gesehen und erlebt hatten.
»Was war das?«, fragte der eine Vertreter schon zum fünften Mal. »Spukt es hier im Hotel?«
»So etwas hat es noch nie gegeben, seit ich hier bin«, antwortete der Barmixer, »und das sind schon über fünf Jahre. Sind Sie verletzt, Mr. Sinclair?«
»Nein«, krächzte ich. »Machen Sie sich keine Gedanken.«
Ich steckte das Kreuz weg. Ich wollte aufs Zimmer gehen und mich dort weiter mit Suko und Kommissar Mallmann unterhalten. Der Aufenthalt in der Hotelbar war mir nach diesem Zwischenfall verleidet. Wir bezahlten. Der Barmixer und die vier Vertreter sahen uns nicht ungern gehen.
Nach diesem Ereignis war ich ihnen nicht mehr geheuer.
Eines wusste ich jetzt: Der Schwarze Tod oder wer immer mein Gegner war, wusste bereits von meiner Anwesenheit. Er war gewappnet.
*