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Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1980 - 1989!
Die Pestklaue von Wien.
Er wußte, daß sie seinen Tod beschlossen hatten und daß er sterben mußte, doch er kämpfte ums Überleben! Die anderen aber ließen nicht locker und taten ihre "Pflicht". Dem Mann wurde die rechte Hand abgeschlagen, danach warfen sie ihn lebend zu den Pesttoten und vergaßen ihn. Das war ihr Fehler!
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 138
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Die Pestklaue von Wien
Vorschau
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8429-1
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
DIE PESTKLAUE VON WIEN
Er wußte, daß sie seinen Tod beschlossen hatten und daß er sterben mußte, doch er kämpfte ums Überleben! Die anderen aber ließen nicht locker und taten ihre "Pflicht". Dem Mann wurde die rechte Hand abgeschlagen, danach warfen sie ihn lebend zu den Pesttoten und vergaßen ihn. Das war ihr Fehler!
Von ihrem Hotelzimmer aus konnte sie fast bis zur Staatsoper spucken, die Kärntner Straße war auch nicht weit, und der Stephansdom lag ebenfalls in der Nähe. Sie wohnte im ehrwürdigen Hotel Bristol, sehr zentral, hätte sich geborgen fühlen müssen und spürte dennoch, dass ihr immer häufiger die Angstschauer über den Rücken krochen und das Gefühl einer Bedrohung ständig zunahm.
Selbst in der Hotelhalle, wo sie nervös von einem Fuß auf den anderen trat, durch die Glastür schaute und den Verkehr vorbeifluten sah, glaubte sie, unter einem harten Druck zu stehen.
»Ihr Schlüssel, Madame.«
Isabel de Dijon schrak zusammen, als sie die weiche Stimme des korrekt gekleideten Rezeptionsmenschen hörte, der ihr den Schlüssel übergab und zudem ein freundliches Lächeln schenkte. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Madame?«
»Non, Monsieur, non.« Isabell sprach nur wenige Brocken Deutsch, sie unterhielt sich im Ausland in ihrer Heimatsprache. Überhastet nahm sie den Schlüssel an sich und eilte zu den Lifts, begleitet von den Blicken des Mannes hinter der Rezeption, der seine Stirn in Falten gelegt hatte und darüber nachdachte, was diese junge Frau wohl haben könnte. Er arbeitete schon lange in der Branche und konnte oft mit einem Blick feststellen, mit wem er es zu tun hatte.
Diese elegante Person in dem schwarzen, sehr modisch geschnittenen Kostüm steckte in Schwierigkeiten. Sie musste einen seelischen Druck erleiden, sonst hätte sie nicht so fahrig reagiert, wäre viel lockerer und cooler gewesen.
Am Lift stehend und nervös auf die Kabine wartend, schaute sie noch einmal zur Rezeption zurück, wo der Mann sich gerade in dem Augenblick umdrehte, als ein Telefon summte.
Draußen dämmerte es bereits. Über Wien, das tagsüber von einer wunderbar warmen Septembersonne beschienen worden war, legten sich die ersten langen Schatten.
Jetzt war die Zeit der Musse, jetzt sollte man einen Kaffee oder einen Cocktail trinken, daran dachte Isabel zwar, doch es war ein sehr flüchtiger Gedanke, den sie schnell wieder verwarf, denn wo immer sie auch hinging, sie fühlte sich ständig von anderen Augen beobachtet oder von Blicken durchbohrt.
Sie wollte nur auf ihr Zimmer, sich frisch machen, aufs Bett legen, vielleicht schlafen …
Mit dem Lift fuhr sie hoch. Das Hotel gehörte zu den wunderschönen Grand Hotels, die noch mit breiten Fluren ausgestattet waren und nicht die engen Schläuche besaßen, wie man sie in vielen Ketten-Herbergen vorfindet, die man zudem noch sehr teuer bezahlen muss. Trotz der Breite kam ihr der Gang eng vor. Sie hastete über den Teppich, vorbei an den echten Gemälden, bis sie endlich ihre Zimmertür erreicht hatte, mit zitternden Fingern aufschloss und in den Raum stürmte, stehen blieb, sich umschaute und zischend ausatmete, weil sie den Raum leer vorfand.
Niemand hatte auf sie gewartet, niemand wollte sie mehr bedrohen, statt dessen roch es sehr frisch, das Bett war schon gemacht, im Bad lagen Handtücher bereit, die wundervoll dufteten.
»Ich bin verrückt!«, flüsterte sie. »Ich bin einfach verrückt, mein Gott. Das kann doch nicht wahr sein …« Sie schaute auf das Telefon und überlegte, wen sie anrufen sollte.
Zahlreiche Namen huschten an ihrem geistigen Auge vorbei, keiner blieb hängen.
Das waren alles Typen aus der Modebranche, ausgeflippt und immer da, wenn es etwas zu feiern gab. Wehe aber, jemand steckte in Schwierigkeiten, da zogen die meisten den Kopf ein.
Unter der Kostümjacke trug sie ein weißes Top. Alles war verklebt, verschwitzt. Auf dem Weg zum Bad streifte sie die Sachen ab und schleuderte sie achtlos zu Boden. Dabei fiel der Seidenslip leicht wie ein Blatt auf den Teppich.
Das Licht im Bad war nicht zu grell, sondern sehr weich, es kaschierte deshalb.
Nicht bei ihr.
Sie war fünfundzwanzig, ein gutes Alter, aber sie sah aus wie dreißig und fühlte sich doppelt so alt. Ihr Körper konnte einem Stylisten Freude bereiten, er besaß genau die Formen, die man für den Laufsteg brauchte, zudem achtete Isabel darauf, kein Gramm zuzunehmen, das hätte sie möglicherweise Strafe gekostet, aber das Gesicht – Himmel, sie sah schlecht aus. Schatten lagen unter den Augen, die für innerliche Vibrationen sorgte, sich aber auch körperlich bemerkbar machte.
Das Wasser rauschte in die Wanne. Ein Badezusatz produzierte Schaum. Sie freute sich auf das Bad, vielleicht war es möglich, dass sie ihre Probleme ausschwitzte.
Ihr Haar war gegelt, glatt nach hinten gekämmt, sodass ihr Gesicht einen etwas strengen Ausdruck bekam. Wieder fand sie ihre Nase zu groß, die Wangenknochen zu stark hervortretend, aber da konnte man nichts machen.
Sie nahm die Badehaube, setzte sich auf und stieg in das herrlich temperierte Wasser.
Aufseufzend streckte sie sich aus, dachte dabei an den Job, was ihr nur unvollkommen gelang. Etwas anderes schob sich ständig zwischen ihre Gedanken.
Eine Hand!
Gewaltig, groß, graubraun, mit Fingern lang wie Männerbeine und wahnsinnig kräftig. Eine regelrechte Killerklaue, die alles zerquetschte, was sich ihr in den Weg stellte.
Warum die Hand?
Seit sie in Wien war, wurde sie von ihr verfolgt. Sie hatte die Klaue bei der Besichtigung der Katakomben gesehen, unter der Decke war sie angebracht worden, als wollte sie die in den Wandnischen stehenden Urnen und auch die Särge beobachten.
Schon beim ersten Anblick der Hand war es ihr durch und durch gegangen. Da hatte sie gespürt, dass etwas nicht stimmte und dass genau diese Hand mit ihr zu tun hatte, mit ihrem Schicksal, mit ihrem Werdegang. Von diesem Zeitpunkt an waren die Schweißausbrüche und die Angstgefühle über sie hereingebrochen und hatten sie immer stärker verfolgt.
Es war Isabel de Dijon gelungen, diesen Zustand vor den Kolleginnen verborgen zu halten, irgendwann jedoch würde sie es nicht mehr schaffen und durchdrehen.
Zudem sollte in genau drei Tagen die große Schau beginnen. Stars und Mode, eine Schau im Freien, der Wettergott spielte mit, und das alles lief auf dem berühmten Platz vor dem Stephansdom ab.
Aber in dessen Tiefe kauerte die Klaue …
In einem der unheimlichen Räume, durch die man die Mannschaft geführt hatte, denn ein Besuch in den Katakomben und bei den Pesttoten gehörte einfach zum Wien-Programm.
Warum nur? Warum? Immer wieder hatte sie sich die Frage gestellt, aber nie eine Antwort erhalten. Weshalb war ihr Schicksal mit dem der Klauen so eng verknüpft?
Schwaden trieben durch das Bad, hatten sich auf die Spiegelfläche gelegt und sie blind gemacht. Isabel fand, dass es eine gute Idee von ihr gewesen war, sich in die Wanne zu legen und die Wärme eines Bads zu genießen. Das Wasser lenkte sie auch von der Klaue ab.
Nach etwa einer halben Stunde spürte sie, wie sich das Wasser allmählich abkühlte. Jetzt war es an der Zeit, die Wanne zu verlassen.
Noch einmal streckte sie sich und tauchte dabei bis zum Kinn unter. Dann drehte sie sich, umklammerte den Haltegriff und zog sich langsam in die Höhe.
Isabel fühlte sich besser. Der Schaum perlte über ihre Haut, begleitet von türkisfarbenen Wasserstreifen. Rasch wickelte sie sich in das flauschige Badetuch und knotete es über ihrer Brust zusammen. Bevor sie sich abtrocknete, wollte sie mit der Bürste durch die Haare streichen, nahm die Haube ab und hörte, wie sich das Telefon im Nebenzimmer meldete.
Sie überlegte. Wer wollte was von ihr? Vielleicht eine Kollegin oder der Manager der Truppe. Möglicherweise auch die Einladung irgendeines Sponsors, denn bekannte Firmen zahlten die große Schau auf dem Stephansplatz.
Zuerst wollte Isabel de Dijon nicht abheben, beim vierten Summen hatte sie es sich überlegt, ging in den Wohnraum und setzte sich aufs Bett, bevor sie den Hörer ans Ohr drückte und ihr »Ja, hallo, wer ist da?«, in die Muschel sprach.
Nichts war zu hören. Keine Stimme, keine Worte, kein Lachen …
Über Isabels Schultern kroch eine Gänsehaut. »He, wer sind Sie? Melden Sie sich, sonst lege ich auf!« Das hatte sie schon längst gewollt. Seltsamerweise schaffte sie es nicht. Da war irgendein Hindernis, das sie Zwang, es nicht zu tun und weiter zuzuhören, obwohl sich niemand am anderen Ende befand.
Oder doch?
Etwas Zischendes drang an ihr Ohr, als wäre jemand dabei, tief Luft zu holen. Und dann vernahm sie sehr deutlich das heisere Flüstern. »Leg nicht auf, Isabel.«
Es gab ihr einen Stich. Sie spürte ihn in der Herzgegend. Wieder überfiel sie das Zittern, und sie dachte automatisch an die Hand. Aber sie konnte nicht reden.
»Bist du noch da?«
»J … ja …«
»Schön, Isabel, schön. Ich freue mich, dass wir sprechen können.« Er lachte leise und gemein. »Ja, ich freue mich sehr. Ich habe lange darauf gewartet.«
»Was wollen Sie? Wer sind Sie?« Isabel merkte, wie ihre Stimme immer stärker zitterte, obwohl sie es nicht wollte, deshalb ärgerte sie sich so sehr darüber.
»Das kann ich dir sagen, Isabel. Sitzt du auf dem Bett? Ja, du sitzt auf deinem Bett, das kann ich spüren. Du sitzt auf deinem Bett, telefonierst und hast Furcht. Du drehst dem Fenster dabei den Rücken zu. Stimmt es?«
Obgleich sie nicht antworten wollte, entschlüpfte ihren Lippen eine Bestätigung.
»Das habe ich mir doch gedacht. Du kannst sitzenbleiben, aber dreh dich dabei um und schau zu den beiden Fenstern hin. Zuerst zu dem größeren, das ja eine Balkontür ist.«
»Weiß ich.«
»Dreh dich, schau hin!«
Isabel de Dijon reagierte wie unter Zwang. Sie konnte einfach nicht anders, sie musste sich auf der Bettkante hockend bewegen und richtete ihren Blick bis auf das zum Boden reichende Viereck. Um einen besseren Blick auf die Oper zu haben, hatte Isabel die Gardine zur Seite geschoben, so lag das gesamte Rechteck frei vor ihr. Noch war es nicht richtig dunkel. Die Dämmerung produzierte trotzdem schon viele Schatten.
Schatten?
Sie beobachtete den einen, der sich von der linken Seite her von außen gegen das Fenster schob.
Nein, doch nicht – es war kein Schatten, sondern eine gewaltige, halb gekrümmte Steinklaue. Die aus den Katakomben!
*
Isabel konnte nicht einmal schreien. Alles in ihr war eingefroren und zu Eis geworden. Diese Hand, das Unbegreifliche, was sich da abspielte, das … das konnte und durfte nicht normal sein. Es war einfach zu grauenhaft.
Und doch stimmte es.
Vor dem Fenster schwebte sie, dabei sogar um einiges vergrößert als im Original, wo Isabel sie zum ersten Mal unter der Decke gesehen hatte. Aber es war die gleiche Klaue, daran änderte sich nichts, auch wenn Isabel sie noch von der Seite her sah, ihr Erinnerungsvermögen stimmte allerdings, diese Hand war mit der aus der Katakombe identisch.
Den Hörer hielt sie noch fest, vernahm auch die Stimme, die manchmal von einem schadenfrohen Lachen unterbrochen wurde. In den folgenden Sekunden nahm der Schweißfilm zu, so glitt ihr der Hörer aus der Hand und blieb auf der Bettdecke liegen.
Dass der Anrufer laut ihren Namen rief, hörte sie zwar, reagierte darauf jedoch nicht. Isabel de Dijon hatte nur Blicke für die übergroße Klaue vor dem Fenster.
Warum tut denn keiner was? Weshalb ruft niemand die Polizei? Die Hand muss doch auch von anderen gesehen werden …
Gedanken nur, keine Worte, auch keine Schreie, denn Isabel saß unbeweglich wie jemand, der nichts Menschliches mehr an sich hatte. Die Hand wanderte auch nicht weiter, sie stand vor dem bis zum Boden reichenden Balkonfenster als eine gefährliche Drohung. Noch wandte sie Isabel die Seite zu, sodass sie dabei relativ schmal wirkte, aber dieser ungewöhnlichen Größe tat es keinen Abbruch.
Würde sie sich drehen?
Isabel wartete mit zitterndem Herzen. Sie merkte kaum, dass sie Luft holte und bekam mit, wie ein Zittern durch die übergroße Klaue lief, bevor sie sich tatsächlich herumdrehte. Dies geschah nicht sehr schnell, die Hand wirkte so, als hätte sie jemand an der langen Leine geführt. Sie drehte sich nicht nach außen hin weg und gab dem Mannequin den Blick auf die Fläche frei.
Isabel schloss die Augen. Sie tat dies mit einer zuckenden Bewegung, weil sie einfach nicht mehr hinsehen wollte. Diese Klaue war das wahrgewordene Stück eines fürchterlichen Albtraums. Ihr Rücken fühlte sich an, als wäre er ebenfalls zu Stein geworden, so hart und ungewöhnlich lange lag der Schauer auf ihrem Rücken.
Und aus dem Hörer drang noch immer die Stimme. »Sie wird dich von nun an begleiten, Isabel de Dijon. Sie ist dein Schicksal, dein verdammtes Schicksal, hörst du? Es wird dir nicht gelingen, ihr zu entrinnen, weil sie einfach zu stark ist. Ihr und dein Schicksal sind miteinander verknüpft, hörst du, Isabel de Dijon? Du bist eine de Dijon, deine Familie hat Vergangenheit, ja sie hat Vergangenheit …«
Es waren die letzen Worte des unbekannten Anrufers. Danach drang nur das Freizeichen aus dem Hörer.
Isabel hatte die Botschaft verstanden, nur konnte sie die Worte noch nicht verarbeiten. Der Anblick der Hand beschäftigte ihr gesamtes Denken. Sie stand als Riesenklaue dicht vor der Scheibe und hielt die vier Finger gestreckt und spreizte sie dann.
Isabel befürchtete durchzudrehen, als sie das Schaben außen an der Scheibe hörte. Mit den steinernen Fingerspitzen kratzte die Hand über das Glas.
Isabel bewegte sich nicht. Obwohl die Hand schon relativ lange vor dem Fenster schwebte, hatte sie sich an den Anblick nicht gewöhnen können. Die Hände waren zu Fäusten geballt, sie merkte auch den harten Druck ihrer Fingernägel, die in ihre Handballen stachen.
Dann zog sich die Hand zurück …
Sehr lässig beinahe, als wollte sie ihr noch einmal gönnerhaft zuwinken.
Tief atmete Isabel ein. Sie schloss dabei die Augen, sagte sich, dass alles nur ein Traum gewesen war, schaute wieder hin und konnte das Dach der Wiener Staatsoper erkennen, so frei war ihr Blick geworden, denn die Klaue sah sie nicht mehr.
Sie kippte zur Seite. Es war nurmehr ein vorsichtiges Fallen mit geschlossenen Augen. Erst als sie die Bettdecke berührte, kam ihr richtig zu Bewusstsein, dass sie noch lebte. Überlaut vernahm sie das Freizeichen aus dem Hörer. Sie legte ihn auf, ohne sich dessen bewusst zu werden, hielt die Augen weiterhin geschlossen und sagte sich, dass sie einem Albtraum erlegen war.
Sie hatte alles nur geträumt. Furchtbar musste es gewesen sein. Der Gang durch die Katakomben hatte von ihr erst verarbeitet werden müssen. Ja, so musste es gewesen sein. Es hatte keine Riesenhand vor dem Fenster gegeben, das alles war nur Einbildung gewesen.
Sie fror. Isabel trug nur mehr das über ihrer Brust verknotete Handtuch, es war einfach zu wenig. Dieser kalte Schauer brachte sie wieder zurück in die Realität.
Behäbig richtete sie sich auf. Trotz des Schauders klebte Schweiß auf der Stirn. Frieren und schwitzen zugleich, das Gefühl, Schüttelfrost zu haben, Fieber und auch Angst. – Die Hand fiel ihr wieder ein. Das Herz schlug schneller, und sie traute sich kaum, auf das Fenster zuzugehen. Dann tat sie es doch, und zwar mit schleichenden, vorsichtigen Schritten, als hätte sie Furcht davor, dass die Hand noch einmal zuschlagen könnte.
Sie erschien nicht, und sie tauchte auch dann nicht vor der Scheibe auf, als Isabel de Dijon vor ihr stehen blieb, nach draußen schaute, anfing zu lachen und das Erscheinen der Riesenklaue einfach für einen bösen Traum hielt.
Wenn da nur nicht diese Streifen gewesen wären …
Isabel wollte es nicht so recht glauben. Sie schaute genauer hin, suchte die Streifen ab, tastete auch nach ihnen, um festzustellen, dass sie außen entlangliefen.
Wer hatte sie hinterlassen?
Knallhart fiel es ihr ein. Sie spürte den Druck, der ihren Magen umkrampfte. Schwindel packte sie, sodass sie einen Schritt zurückgehen musste.