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Drei gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis in einem Band!
Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.
Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern aus den Jahren 1978 - 1989 und ziehe mit ihm in den Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit. Erlebe mit, wie John Sinclair zum Schrecken der Finsternis wurde und die Serie Kultstatus erreichte.
Tausende Fans können nicht irren - ca. 250 Seiten Horrorspaß garantiert!
Dieser Sammelband enthält die Folgen 4 bis 6:
4: DAMONA, DIENERIN DES SATANS
Ein Hexenwahn geistert wie ein böser Spuk durch London. Frauen lassen ihre Männer im Stich, oder bringen sie sogar um. Und das nur, um Damona zu beweisen, wie ergeben sie ihr sind. Zusammen mit ihrer Mutter gründet Damona einen Satanskult. John Sinclair beginnt zu ermitteln und wird bald selbst zur Zielscheibe der Frauen...
5: DER MÖRDER MIT DEM JANUSKOPF
Er kam aus der Dimension des Grauens und bot der Londoner Unterwelt seine Dienste an. Er spielte seine ungeheure Macht aus, denn er wollte nur eins: John Sinclairs Tod! Der Dämon mit den zwei Gesichtern. Lächelnd das Erste, tödlich das Zweite. Wer in dieses Gesicht blickte, war verloren...
6: SCHACH MIT DEM DÄMON
Bisher war ich stolz darauf, gegen die Mächte der Finsternis kämpfen und siegen zu können. Ich habe sie besiegt und es ist mir nicht leichtgefallen. Aber mithilfe meiner Freunde konnte ich die Dämonen immer wieder bezwingen.
Doch diese Höllengeschöpfe geben nicht auf. Sie brüten noch schrecklichere Teufeleien aus, bis sie zum alles entscheidenden Schlag ausholen. Ich muss ihnen in das Reich der Finsternis, der Qualen und der tausend Ängste folgen. Dabei weiß ich nicht, ob ich jemals wieder zurückkehren werde...
Drei Mal Gruselspannung in einem Band. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!
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Seitenzahl: 426
Veröffentlichungsjahr: 2018
Jason Dark
John Sinclair Collection 2 - Horror-Serie
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Ein Hexenwahn geistert wie ein böser Spuk durch London. Frauen lassen ihre Männer im Stich, oder bringen sie sogar um. Und das nur, um Damona zu beweisen, wie ergeben sie ihr sind. Zusammen mit ihrer Mutter gründet Damona einen Satanskult. John Sinclair beginnt zu ermitteln und wird bald selbst zur Zielscheibe der Frauen …Liebst du es schaurig? Dann lies Sinclair!
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
Er hatte Angst, und doch musste er es tun!
Seine Finger umklammerten den Kolben der Armeepistole. Es war eine gute Waffe, alt zwar, aber ausgezeichnet In Schuss. Er hatte sie immer gepflegt, als hätte er gewusst, dass er sie einmal gebrauchen würde.
Er musste es tun. Es ging kein Weg daran vorbei. Zuviel war geschehen. Eine Kugel steckte im Magazin.
Sie musste reichen.
Für seine Frau!
In Sturzbächen fiel der Regen vom Himmel. Er klatschte vor die dunklen Mauern des Hauses und trommelte gegen die Scheiben.
Kein Licht brannte hinter den Fenstern. Das Haus war dunkel, genau wie die Straße, an der es lag.
Der schon ältere Morris parkte einige Yards vom Haus entfernt. Monoton hämmerten die großen Regentropfen auf das mit Rostflecken verzierte Blech. Es war eine Melodie, die den Mann hinter dem Lenkrad schon seit Stunden begleitete.
Hundertzwanzig Minuten saß Ernest de Lorca bereits in seinem Wagen. Und ebenso lange hielt er die Waffe in seiner rechten Hand. Sein Innerstes war völlig in Aufruhr. Er stand vor seinem ersten Mord, das Gewissen plagte ihn, er sah sich schon in einer Zelle, belacht und verachtet von Verwandten und Freunden.
Mord?
War es überhaupt Mord, wenn er seine Frau erschoss? War es nicht vielmehr eine zwingende Notwendigkeit? Seine Frau war eine Hexe, sie hatte die Zwillinge in ihren Bann gezogen, und wenn er an die Messen dachte, die die Frauen gefeiert hatten …
Ernest de Lorca schüttelte den Kopf. Für ihn war es kein Mord. Er sah auf seine Uhr.
Noch dreißig Minuten bis Mitternacht. Genau um null Uhr sollte es geschehen. Dann wollte er mit einer Kugel alles ins Lot bringen.
Eine Zigarette.
Die wievielte eigentlich? Die Finger, die das Streichholz hielten, zitterten. Die Unruhe fraß in ihm wie ein Raubtier.
De Lorca kurbelte die Scheibe herunter. Nur träge zog der Rauch ab. Feuchtigkeit drang in den Wagen. De Lorca hustete. Sein braunes Haar klebte auf dem Kopf. Der Regenmantel war zerknittert. Die Pistole umklammerte er immer noch mit seiner rechten Hand.
Der Regen rauschte unablässig. Wasserströme gurgelten die Rinnsteine hinab, die Gullys konnten kaum alles fassen. Im tiefer gelegenen Teil des Ortes stand das Wasser sicherlich schon kniehoch auf den Straßen. Das alles kümmerte Ernest de Lorca nicht. Er hatte andere Probleme.
Das Bild seiner Frau tauchte vor de Lorcas geistigem Auge auf. Lucille war eine Schönheit. Trotz ihrer vierzig Jahre. Rotes, lockiges Haar berührte die Schultern, die Gesichtshaut war makellos weiß, doch in ihren Augen glühte ein unheiliges Feuer. Ernest de Lorca fröstelte, wenn er daran dachte.
Er drückte die Zigarette aus. Der Ascher quoll fast über.
Noch fünfzehn Minuten.
Ein Wagen kam die Straße hochgefahren. Die Scheinwerfer wirkten wie geisterhafte helle Flecken.
Der Wagen fuhr vorbei. Wasserfontänen klatschten gegen den Morris.
Ernest de Lorca räusperte sich die Kehle frei. Seine linke Hand tastete zum Türhebel. Tief atmete er durch, dann schob er die Pistole in seine rechte Manteltasche und stieg aus.
Das dumpfe Geräusch der ins Schloss fallenden Wagentür wurde vom prasselnden Regen verschluckt.
Im Nu war Ernest de Lorca nass bis auf die Haut.
Das Haus stand etwas versetzt. Ernest de Lorca musste einen verwilderten Vorgarten durchqueren. Die Blätter der Büsche bogen sich unter der Nässe und glänzten wie poliert.
Wie oft war Ernest de Lorca diesen Weg schon gegangen. Und jetzt ging er ihn mit dem festen Vorsatz, seine Frau zu töten.
Zur Haustür führten vier Steinstufen hoch. In den Ritzen wuchs Moos.
Ernest hatte einen Schlüssel. Er nestelte ihn aus seiner Hosentasche und schloss auf.
Ein Hausflur – dunkel, muffig riechend.
Wie ich diesen Geruch hasse, dachte de Lorca.
Er brauchte kein Licht. Er kannte sich ja aus.
Er kam an die Treppe, blieb vor der letzten Stufe stehen. Von seinem Mantel tropfte das Wasser, bildete eine Lache auf dem Steinfußboden. Ernest de Lorca beachtete es nicht.
Es war still im Haus. Eine trügerische Stille, in der die Gefahr lauerte.
»Lucille de Lorca«, flüsterte Ernest mit bebenden Lippen. »Bald bist du beim Teufel!«
Er stieg die Stufen hoch. Auf Zehenspitzen, um sich nicht durch ein Geräusch zu verraten. Der Stoff seines Mantels raschelte. Er zog das Kleidungsstück vorsichtig aus, ließ es auf die Stufen gleiten.
Dann stand er in der ersten Etage. Darüber lag nur noch der Speicher.
Ein dunkler Gang. Links Fenster, rechts Türen. Regentropfen klatschten gegen die Scheibe. Feuchtigkeit saß in allen Ecken.
Ernest de Lorca hatte die Pistole in die Hosentasche gesteckt. Sie beulte die Tasche aus.
Er schlich leise weiter.
Vor der zweiten Tür blieb er stehen.
Sie führte in das Schlafzimmer. In das Schlafzimmer, das er so viele Jahre mit Lucille geteilt hatte.
Ernest de Lorca presste die Lippen so hart aufeinander, dass sie nur noch einen schmalen Strich bildeten. Seine schweißfeuchte Hand berührte das kalte Metall der Klinke.
Ernest de Lorca atmete tief ein, öffnete die Tür.
Licht. Warm, anheimelnd.
Lucille de Lorca fuhr im Bett hoch. Sie hatte noch nicht geschlafen.
Ernest schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Holz.
Lucille saß hochaufgerichtet im Bett und blickte ihm entgegen. Ernest trank das Bild förmlich in sich hinein.
Diese wunderbaren Haare, das schöne Gesicht, das hauchdünne Nachthemd mit dem verführerischen Ausschnitt …
O, verdammt!
Ernest de Lorca schüttelte den Kopf.
Und diese Frau wollte er töten.
Lucille lächelte. »Du kommst spät«, sagte sie. Gerade so laut, dass er es hören konnte.
Er nickte. »Ja«, erwiderte er. »Wo sind die Kinder?«
»Sie schlafen schon längst.« Lucille deutete auf die schmale Verbindungstür, die zu den Räumen der Zwillinge führte.
Ernest de Lorca blieb neben dem Bett stehen. Aus glanzlosen Augen starrte er seine Frau an.
Lucille blieb gelassen.
»Wo warst du?«, fragte sie.
Ernest hob die Schultern. »Weg«, erwiderte er unbestimmt.
»Warum kommst du nicht ins Bett?«
»Ich will nicht.«
Lucille zog die Augenbrauen in die Höhe. »Nicht müde?«
Ernest schüttelte den Kopf. »Ich habe noch etwas vor!«
»Darf man fragen, was?«
Der Mann nickte schwer. Dann zog er die Pistole aus der Hosentasche und richtete die Mündung auf die im Bett sitzende Frau. »Ich werde dich umbringen, Lucille«, sagte er …
*
Plötzlich wurde Damona de Lorca wach. Ruckartig setzte sie sich auf. Gefahr! Sie spürte es genau. Etwas stimmte nicht. Jemand war in Gefahr.
Die Mutter!
Damona schwang sich aus dem Bett. Sie machte Licht und schlüpfte auch nicht in ihre Pantoffeln.
Auf nackten Füßen schlich sie zur Tür. Der Regen prasselte immer noch gegen die Fenster. Im Zimmer war es stickig.
Damonas Nachthemd schleifte über den Teppich, als sie sich der Tür näherte.
Stimmen.
Sie hörte ihre Mutter sprechen und auch ihren Vater.
Damonas Gesicht verzog sich, als sie an ihren Vater dachte. Wie sie diesen Kerl hasste! Er machte alles kaputt. Er hatte etwas gemerkt, und seit der Zeit spielte Damona mit Mordgedanken.
Irgendwann würde sie ihren Vater umbringen. Es sei denn, er stellte sich auf ihre Seite.
Jetzt stand Damona vor der Schlafzimmertür. Ihre Finger umklammerten den Türknauf. Unendlich langsam drehte sie ihn herum.
Nur kein verräterisches Geräusch machen, dachte sie. Die Tür glitt lautlos einen Spalt nach innen.
Damona sah Licht. Die Nachttischlampe am Bett ihrer Mutter verbreitete den Schein. Es war hell genug, um den verhassten Vater zu erkennen, die Pistole in seiner Hand, auf Lucille gerichtet, den Finger am Abzug …
*
Sekundenlang nur flackerte in Lucilles Augen die Angst auf, dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. Ein spöttisches Lächeln kräuselte ihre Lippen. »Du willst mich erschießen?«
»Ja.« Ernests Stimme klang heiser.
»Hast du dir das auch genau überlegt?«
Jetzt lächelte auch Ernest de Lorca. »O ja, das habe ich, meine Liebe. Tage und Nächte habe ich an nichts anderes mehr gedacht. Seitdem ich dich und deine Töchter bei den verdammten Schwarzen Messen überrascht habe, war mir klar, dass ich es tun muss. Ich hatte keine ruhige Minute mehr. Und nun will ich ein Ende setzen!«
Lucille de Lorca starrte auf die Waffe. Sie zitterte ein wenig, ein Zeichen dafür, wie nervös Ernest war. Angst? Nein, Lucille hatte keine Angst. Sie war fest davon überzeugt, dass sie die Situation zu ihren Gunsten verändern konnte. Sie war dessen sogar sicher, als Lucille sah, dass sich die schmale Verbindungstür zwischen ihrem und dem Zimmer ihrer Tochter öffnete und Damonas Gesicht auftauchte.
Mit keiner Reaktion gab Lucille zu erkennen, dass sie ihre Tochter entdeckt hatte. Sie würde schon das Richtige tun, davon war Lucille fest überzeugt.
Ernest de Lorca bemerkte nichts. Er hatte nur Augen für seine im Bett sitzende Frau. Lucille hatte die Bettdecke zurückgeschlagen, sodass sie nur noch die Füße bedeckte.
De Lorca atmete schwer! Der Anblick seiner Frau brachte ihn aus der Fassung. Er dachte an die leidenschaftlichen Nächte, die er mit Lucille verbracht hatte, an ihr wildes, ungestümes Begehren …
Lucille merkte, was in ihrem Mann vorging. »Ist was, Ernest?«, fragte sie lauernd. »Du sagst ja gar nichts mehr!«
»Ich … ach, verdammt …«
»Wolltest du mich nicht erschieβen?« Das Lachen der Frau klang spöttisch und trieb Ernest de Lorca das Blut ins Gesicht.
»Ja!«, schrie er. »Ich werde dich erschießen. Ich bringe dich um, du verdammtes …«
»Halt!«
De Lorcas Ausbruch wurde durch Damonas peitschende Stimme gestoppt.
Entsetzt drehte sich der Mann um.
Damona hatte die Tür aufgestoßen. Sie stand auf der Schwelle, das schmale Gesicht hassverzerrt, den rechten Arm ausgestreckt. Ihr Zeigefinger wies wie die Spitze eines Dolchs auf die Brust ihres Vaters.
Ernest holte tief Luft. Er merkte, dass er die Kontrolle der Situation verlor. »Raus!«, brüllte er seine Tochter an. »Los, verschwinde!«
Damona schüttelte den Kopf. Ihre glatten roten Haare flogen. »Nein, ich bleibe!«
Ernest de Lorca stöhnte gequält. »Dann muss ich euch beide töten«, flüsterte er rau. Er dachte nicht mehr daran, dass nur eine Kugel im Magazin steckte. Die Waffe in seiner Hand beschrieb einen Halbkreis. Sie zeigte wieder auf Lucille.
»Wen willst du denn zuerst umlegen? Mich oder deine Tochter? Na los, warte nicht so lange, sonst drehen wir den Spieß noch um. Nicht wahr, Damona?«
Die letzten Worte schrie Lucille heraus, und sie waren für das Mädchen ein Zeichen.
Blitzschnell veränderte sich Damonas Gesicht. Ein Zweites, grässliches schälte sich hervor.
Es war die Fratze des Teufels!
Zwei Hörner wuchsen aus der Stirn, und die sanften Augen verwandelten sich zu dunkel funkelnden Seen, in denen sich das Grauen spiegelte.
Die aufgeworfenen Nasenlöcher blähten sich wutschnaubend. Das Gesicht hatte entfernte Ähnlichkeit mit dem eines Ziegenbocks, wie der Teufel in alten Zeichnungen oft dargestellt wurde.
Damona war vom Satan besessen!
Er gab ihr die Kraft, er diktierte ihr Aussehen und Handeln.
Die nächsten Szenen spielten sich so schnell innerhalb von Sekunden ab, dass de Lorca nicht mehr reagieren konnte.
Auf dem Nachttisch, direkt neben der brennenden Lampe, lag eine Schere. Ein großes Instrument, mit langen, spitzen Schenkeln.
Eine mörderische Waffe!
Damona konzentrierte sich auf die Schere. Sie schien das blitzende Instrument hypnotisieren zu wollen.
Und dann – urplötzlich – hob die Schere vom Nachttisch ab, drehte sich einmal und schoss auf Ernest de Lorca zu.
Sie traf.
Wuchtig bohrten sich beide Scherenschenkel in Ernest de Lorcas Rücken, bevor er begriff, was eigentlich geschehen war.
De Lorca wurde nach vorn gestoßen, seine Knie prallten gegen das Fußende des Bettes. Ein heiseres Gurgeln drang aus seinem Mund. De Lorca verlor das Gleichgewicht, torkelte unsicher und fiel langsam, wie im Zeitlupentempo, auf seine Betthälfte.
Die Schere ragte aus einem Rücken. Sie war de Lorca von hinten ins Herz gefahren.
Lucille de Lorca lächelte. Dann blickte sie ihre Tochter an. Damona sah wieder völlig normal aus. Sie nickte in Richtung des Toten und fragte: »War es gut so, Mutter?«
»Ja«, lobte Lucille sie. »Du hast deine Sache ausgezeichnet gemacht. Es musste so kommen, und ich wusste, dass uns Satan nicht im Stich lässt. Endlich sind wir deinen Vater los, und wir können uns in aller Ruhe unserer Aufgabe widmen.
*
Einige Minuten verstrichen. Die beiden Frauen schwiegen.
Der Regen rauschte monoton gegen die Scheiben.
Damona de Lorca wirkte in diesem Augenblick wie ein kleines schutzsuchendes Kind. Niemand hätte ihr jetzt ihre achtzehn Jahre geglaubt, und niemand wäre auf den Gedanken verfallen, in dem Mädchen könnte der Teufel stecken.
Sie war eine schmale Person. Magere Schultern schoben sich wie Kleiderbügel nach beiden Seiten. Brüste hatte sie kaum, das Gesicht zeigte eine ungesunde Blässe, die Augen waren von einem verwaschenen Blaugrün, und selbst die Sommersprossen auf der Haut blieben blass.
Nach Damona würde sich kein junger Mann umsehen.
Es war Lucille de Lorca, die das drückende Schweigen brach. Sie deutete auf die Leiche. »Wir müssen ihn wegschaffen«, sagte sie.
»Wohin?« Damona trat ans Bett.
»Am besten in den Garten. Da können wir ihn vergraben. Und finden werden sie ihn dort kaum.«
Damona blickte ihre Mutter schräg von der Seite her an. »Jetzt? Bei dem Regen?«
»Ja. Je früher, umso besser. Fass mit an.«
Damona gehorchte. Sie packte die Leiche unter beiden Achselhöhlen und zog den Toten quer über das Bett. Das Blut hinterließ eine rote Spur.
Das Mädchen hatte kein Mitleid mit seinem Vater. Er hatte ihnen immer schon im Weg gestanden.
Vor dem Bett legten die beiden Frauen die Leiche auf den Boden. Gebrochene Augen starrten gegen die Decke. Mutter und Tochter rührte das nicht.
»Ich hole den Teppich«, sagte Lucille.
»Aber sei leise, sonst wird Teresa wach«, erinnerte Damona ihre Mutter an die Zwillingsschwester.
Aus dem Flur holte Lucille einen Teppich. Er war schmal und ziemlich lang. Mutter und Tochter rollten den toten de Lorca gemeinsam in den Teppich. Die Armeepistole hatte Lucille zuvor in ihrer Nachttischschublade verstaut.
Lucille de Lorca hatte im Gang das Licht brennen lassen. Der Schein reichte aus, um auch im Parterre etwas erkennen zu können. Den auf der Treppe liegenden Mantel räumte Lucille weg.
Schwer atmend erreichten sie das Erdgeschoss. Besonders die zierliche Damona hatte Mühe mit ihrer Last.
»Sollen wir eine Pause einlegen?«, fragte die Mutter. Ihre Stimme klang besorgt.
»Es wäre besser«, keuchte Damona.
Sie warteten, legten die eingerollte Leiche vorsichtig auf den Boden und zogen sich dann Mäntel über und schützten die Haare mit Kopftüchern.
Lucille öffnete die Hintertür. Schweigend verständigten sich Mutter und Tochter, dann bückten sie sich und packten den Toten wieder an. Sie trugen ihn in den Garten, der mehr einem Dschungel glich und in der Dunkelheit wie ein Geisterwald aussah.
Der Regen hatte immer noch nicht aufgehört. Die beiden Frauen waren im Nu durchnäßt bis auf die Haut.
Ein Trampelpfad führte bis ans Ende des Grundstücks und endete vor einem Zaun. Dort standen drei Ulmen, mächtige alte Bäume, deren ausladende Äste mit dem grünen Blattwerk ein natürliches Dach bildeten.
Neben dem ganz rechts stehenden Baum wollte Lucille die Leiche verscharren, denn anders konnte man dieses Begräbnis wahrhaftig nicht bezeichnen.
Lucille de Lorca war von einer solchen Gefühlskälte, die einen normalen Menschen schaudern musste.
»Warte hier«, befahl sie ihrer Tochter. »Ich hole nur die Schaufeln.«
Lucilles Gestalt wurde vom Regen und der Dunkelheit aufgesaugt. Damona stellte sich zitternd unter den Baum. Sie fror. Das Kopftuch hatte sich längst mit Wasser vollgesaugt. Regen rann über ihr blasses Gesicht, netzte die Lippen.
Damona trank die Tropfen. Sie stand dicht am Baumstamm. Einige Käfer krabbelten unter der rissigen Rinde hervor und liefen über Damonas Arm. Sie sah die Käfer, nahm den ersten zwischen Daumen und Zeigefinger und zerquetschte ihn. Das Gleiche geschah mit den beiden anderen. Dabei lag in Damonas Augen ein sadistisches Funkeln. Dieses Mädchen hatte mit keiner Kreatur Mitleid. Vielleicht nicht einmal mit sich selbst.
Lucille de Lorca kam zurück. Sie trug zwei Schaufeln. Eine davon warf sie ihrer Tochter zu.
»Los, fang an zu graben!«
Damona gehorchte. Sie stieß die Schaufel in das schwere, nasse Erdreich und begann, direkt neben der Leiche das Grab auszuheben.
Die Frauen beeilten sich. Der Regen wurde noch stärker. Zusätzlich kam Wind auf und trieb die Wasserschleier schräg durch den Garten.
Es war eine unheilvolle Nacht.
»Wie tief soll die Grube denn werden?« , fragte Damona schwer atmend.
Lucille wischte sich über die Stirn, wo sich Regenwasser und Schweiß vermengten. »Nicht so tief wie bei einem normalen Grab. Soviel Mühe machen wir uns nicht.« Sie warf einen abschätzenden Blick auf die bisher geleistete Arbeit. »Wir müssen das Grab noch etwas länger machen«, sagte sie. »Komm.«
Die Frauen schaufelten weiter. Sie taten ihre makabre Arbeit stumm und verbissen.
Die Minuten vergingen, reihten sich zu einer Stunde! Niemand sah oder beobachtete die Frauen.
Wirklich niemand?
Damona bemerkte die Gestalt als Erste. Mit einem leisen Aufschrei ließ sie die Schaufel fallen.
»Was ist denn?«, fuhr Lucille ihre Tochter an.
»Hinter dir!«
Lucille de Lorca wandte sich um. Vom Haus her, aus den dichten Regenschleiern, löste sich eine Frauengestalt. Sie trug einen Morgenmantel, jedoch kein Kopftuch. Das lange Haar klebte ihr tropfnass am Kopf.
Die Gestalt – das Mädchen war keine andere als Teresa de Lorca, Damonas Zwillingsschwester …
*
»Das hat uns noch gefehlt!«, zischte Lucille de Lorca. Innerhalb von Sekundenbruchteilen jagten die Gedanken durch ihren Kopf. Teresa hatte sehr an ihrem Vater gehangen. Sie war nicht so wie Damona. Sie unterschied sich physisch wie auch psychisch von ihr. Lucille de Lorca hasste ihre Tochter Teresa. Sie hatte es zwar ihr gegenüber nie zugegeben, doch Teresa spürte es schon seit Langem. Bis jetzt hatte der Vater noch immer seine schützende Hand über sie gehalten.
»Was machst du denn hier?«, fuhr Lucille de Lorca ihre Tochter an. »Warum liegst du nicht im Bett?«
Teresa antwortete nicht. Sie sah ihrer Schwester überhaupt nicht ähnlich, obwohl sie Zwillinge waren. Teresa hatte glänzendes schwarzes Haar, ein fein geschnittenes Gesicht, mit einer kleinen, geraden Nase und einem Kinn mit winzigen Grübchen. Der Hals war schlank, das Fleisch des jungen Körpers fest, ebenso wie die beiden hochangesetzten Brüste. Eine Schönheit. Es war eine verrückte Laune der Natur, dass sie die beiden Mädchen so verschieden geschaffen hatte.
Teresa wischte sich das Regenwasser aus dem Gesicht. »Die gleiche Frage könnte ich euch stellen«, sagte sie mit kaum zu verstehender Stimme und deutete auf die Grube und den daneben liegenden Teppich. »Wollt ihr etwas vergraben?«
Lucille de Lorca ging einen Schritt vor. Damona hielt sich im Hintergrund. »Ja, wir haben hier zu tun. Und du gehst besser wieder ins Bett. Du hast hier nichts zu suchen.«
Teresa schüttelte den Kopf. »Ich bleibe!«
»Du gehst!«
Aber Teresa besaß einen starken Willen. Was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, das führte sie auch durch. Sie ging auf ihre Mutter zu und wollte an ihr vorbei, um nachzusehen, was die Teppichrolle enthielt.
Das Mädchen kam genau drei Schritte weit, da packte Lucille zu. Hart gruben sich ihre Finger in das Fleisch des rechten Oberarms. »Du gehst jetzt ins Haus!«, zischte sie Teresa an.
»Lass mich!« Teresa versuchte sich loszureißen. Ihre Mutter hielt eisern fest. Stoff riss. Lucille gab Teresa einen Stoß, sodass sie taumelte. Dabei rutschte sie auf dem nassen, glitschigen Boden aus, kam ins Straucheln und fiel hin.
Sie landete auf dem Rücken.
»Das hast du nun davon!«, schrie Lucille de Lorca. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst verschwinden!«
Teresa kam auf die Knie.
Ihr Widerstandswille war noch längst nicht gebrochen. Von unten her schaute sie ihrer Mutter ins Gesicht. Ihr Nachthemd und der Morgenrock waren lehmverschmiert.
Plötzlich packte Teresa zu. Ihre rechte Hand bekam Lucilles Knöchel zu fassen, ein Ruck, und die rothaarige Lucille lag ebenfalls im Dreck. Sie fluchte und schrie in einem.
Teresa kümmerte sich nicht darum. Sie kam auf die Beine, lief an ihrer Mutter vorbei und wollte auf den Teppich zu, der neben der Grube lag.
Damona sah die Gefahr. Es war aber zu spät, um einzugreifen. Ehe sie ihre Schwester noch zurückreißen konnte, hatte diese den Teppich ein Stück aufgerollt.
Sie sah einen Arm und ein Bein. Am Handgelenk schimmerte eine goldene Uhr.
Eine Uhr, die ihr Vater erst vor einem Jahr zum Geburtstag bekommen hatte.
Ihr Vater …
Teresa hatte das Gefühl, ihr Herz müsste stehen bleiben. Der Mann, der vor ihr eingewickelt in dem Teppich lag, war kein anderer als ihr Vater.
Ihr toter Vater!
Teresa wankte zurück. Aus ihrem halb offenen Mund drang ein tiefes Stöhnen, in dem sich Schmerz und Angst paarten. Es wollte einfach nicht in ihren Verstand, was sie mit eigenen Augen gesehen hatte.
Lucille de Lorca und Damona beobachteten sie gespannt und lauernd.
Teresa wandte sich um. Sie starrte in die Gesichter der Frauen, deren Lippen sich zu einem wissenden, aber auch spöttischen Lächeln verzogen hatten.
Teresa spürte den Regen nicht, der auf sie niederprasselte. Eine Welt war für sie zusammengebrochen.
»Va … Vater …?«, hauchte sie mit tonloser Stimme.
Lucille antwortete. »Ja, er ist tot.«
In einer hilflosen Gebärde breitete Teresa die Arme aus. »Aber warum denn?«
»Das werden wir dir später erklären.«
Teresa schüttelte den Kopf. »Warum bekommt er keine richtige Beerdigung?« , wollte sie wissen.
»Niemand soll erfahren, dass er tot ist. Und auch du hältst den Mund. Verstanden?«
»Ich …« Teresa runzelte die Stirn. Ihre Augendeckel flatterten. Sie ließ die Arme an ihrem Körper herabhängen. Ihre bebenden Lippen formten verständnislose Worte.
»… tot … tot …«
Urplötzlich kam der Schock. Teresas Augen füllten sich mit Tränen, die Knie begannen zu zittern, gaben nach.
Mit einem Seufzer stürzte Teresa zu Boden.
Sie war ohnmächtig.
Sekunden verstrichen. Lucille und Damona blickten sich an.
»Was geschieht mit ihr?«, wollte die Tochter wissen. Sie stieß ihre Schwester mit der Fußspitze an, um zu versuchen, Teresa aufzuwecken.
Lucille winkte ab. »Erst einmal lassen wir sie hier liegen. Dann sehen wir weiter. Komm, hilf mir, die Grube muss endlich fertigwerden. Teresa hat uns schon viel zu lange aufgehalten.«
Die Frauen machten sich wieder an die Arbeit. Die Schaufelblätter stachen in das nasse Erdreich, trugen die Klumpen ab und schleuderten sie zur Seite.
Nach etwa einer Viertelstunde war die Grube tief genug. Lucille stellte die Schaufel zur Seite.
»Komm«, sagte die rothaarige Frau, »wir legen ihn rein.«
Damona fasste mit an.
Die Leiche passte soeben in das primitive Grab. Allerdings mussten die Beine noch angewinkelt werden. Den Teppich ließen sie um den Körper. Auch die Schere blieb in seinem Rücken.
Die Frauen begannen, das Grab zuzuschaufeln. Der Regen fiel noch immer wie eine wahre Sintflut vom Himmel. In kleinen Bächen rann das Wasser den aufgeworfenen Lehmhügel hinab und spülte den braunen Schlamm auf den Rasen zu. Die Blätter der Bäume bogen sich unter der nassen Last. Es war kalt geworden. Viel zu kalt für die Jahreszeit. Schließlich schrieb man erst August.
Der Lehm war durch das aufgenommene Wasser noch schwerer geworden. Die ungewohnte Arbeit zehrte an den Kräften der Frauen. Schließlich hatten sie es geschafft. Mit den Füßen trampelten sie das makabre Grab flach.
Lucille reichte die beiden Schaufeln ihrer Tochter. Dann nickte sie und sagte: »Das wär’s wohl. Bring die Dinger weg, ich kümmere mich um deine Schwester.«
»Was hast du mit Teresa vor?«, fragte sie.
»Ich bringe sie erst einmal ins Haus. Wenn sie aus ihrer Ohnmacht erwacht, werde ich mit ihr reden. Mal sehen, auf welche Seite sie sich stellt.«
»Und wenn sie Schwierigkeiten macht?« Damonas Frage klang lauernd.
Lucille de Lorca lächelte eisig. Sie deutete auf den zweiten Baum. »Daneben ist noch Platz«, sagte sie gefühllos.
Damona begann zu lachen. Es hörte sich an wie das Gelächter des Teufels …
*
Die nadelfeinen Strahlen der Dusche waren kochend heiß. Im Nu breitete sich der Dampf in der kleinen Kabine aus. Das Fenster beschlug. Tropfen sammelten sich und liefen an der Scheibe entlang.
Teresa drehte den Hahn für das kalte Wasser auf. Augenblicklich wurde die Temperatur des Wassers angenehm.
Das Girl zog sich aus. Es ließ den verdreckten Morgenmantel zu Boden gleiten und schälte sich aus dem langen klatschnassen Nachthemd. Wie Gott sie erschaffen hatte, stand sie vor dem Spiegel.
Sie konnte mit ihrer Figur zufrieden sein. Teresa war eine vollerblühte Schönheit. Doch jetzt war das hübsche Gesicht von Angst gezeichnet. Noch immer zitterte sie. Der Schock war hart gewesen. Sie hatte ihren toten Vater gesehen, und obwohl es niemand zugeben wollte, war es für sie klar, dass ihr Vater ermordet wurde.
Von wem?
Damona hatte ihn schon immer gehasst. Genau wie Lucille, ihre Mutter. Der Vater wollte die gefährlichen Spiele nicht mitmachen, die diese beiden Frauen trieben. Und auch Teresa war dagegen. Jetzt hatte ihre Mutter ihr eine Galgenfrist gegeben, die in achtundvierzig Stunden ablaufen würde.
Zwei Tage – dann musste sie sich entschieden haben.
Teresa stieg unter die Dusche. Dass jetzt angenehm temperierte Wasser perlte über ihre glatte weiche Haut. Mit Duschschaum rieb sich Teresa ihren Körper ein. Der Schaum belebte und machte munter.
Achtundvierzig Stunden Galgenfrist!
Teresa wusste, dass man sie nicht aus dem Haus lassen würde. Sie war eine Gefangene. Und sie konnte nichts dagegen tun. Die Macht ihrer Mutter und der Schwester war zu groß.
Das Mädchen drehte sich unter den feinen Strahlen der Brause. Doch das Wasser vertrieb nicht die trüben Gedanken. Immer wieder kam ihr der Vater in den Sinn. Er hatte als Einziger zu ihr gehalten.
Teresa dachte daran, dass sie in die Uni musste. In drei Wochen fing das neue Semester an. Sie studierte Theaterwissenschaften. Ihre Schwester tat nichts. Sie war nach ihrer Schulzeit zu Hause geblieben.
Teresa wusste, dass Damona übernatürliche Fähigkeiten besaß. Sie hatte einmal gesehen, wie Gegenstände im Zimmer herumgeflogen waren, ohne dass sie jemand berührt hatte. Die Mutter hatte Teresa damals erklärt, dass Damona diese Gegenstände nur durch Hilfe ihrer Geisteskraft bewegt habe.
Teleportation nannte man so etwas!
Wieder kehrten Teresas Gedanken zur Uni zurück. Und damit auch zu Will Purdy, ihrem Freund. Sie war mit dem jungen Chemiestudenten schon ein halbes Jahr befreundet, und sie war sehr in ihn verliebt. Will wusste zwar, wo sie wohnte, er war aber noch kein einziges Mal im Haus gewesen. Teresa hatte sich nicht getraut, den jungen Mann ihren Eltern und der Schwester vorzustellen.
Doch irgendwie musste sie Will eine Nachricht zukommen lassen.
Aber wie …
Ihre Gedanken wurden durch ein spöttisches Lachen unterbrochen, dass selbst das Rauschen der Brause übertönte.
Erschreckt trat Teresa einen Schritt vor. Die Strahlen prasselten jetzt auf ihren Rücken.
Damona hatte das Bad betreten. Sie stand vor der kleinen Duschkabine und hatte ebenfalls nichts mehr an. Ihr hagerer Körper war mit rotem Flaum bewachsen, der Mund. war spöttisch verzogen, und in den Augen lag ein seltsames Glitzern.
»Was willst du?«, fragte Teresa.
Damona lachte abermals. »Denkst du an ihn?«
»Ja, ich denke an Vater. Und du hast ihn umgebracht. Das stimmt doch – oder?«
Damona hob die mageren Schultern. »Wer weiß«, erwiderte sie unbestimmt. »Wirst du zu uns halten?«, fragte sie dann.
»Nein!«
»Dann wirst du es bereuen. Wenn wir dich ausstoßen, dann …«
Plötzlich stieg die Wut in Teresa hoch. »Was geschieht dann?!«, schrie sie. »Wollt ihr mich auch umbringen, wie ihr es mit Vater getan habt, ihr verdammten Bestien? Los, sag schon.« Sie sprang aus der Duschkabine und schlug auf Damona ein.
Damona war zu überrascht, um den Angriff wirkungsvoll abzuwehren. Sie musste die ersten Schläge einstecken, die sie gegen den Spiegel trieben.
Teresa war nicht mehr zu halten. Die Arme arbeiteten wie die Flügel einer Mühle, aber sie traf nur selten.
Damona konnte zurückweichen, den meisten Schlägen die Wucht nehmen, trotzdem bekam sie einen Hieb auf die Nase.
Sie fing sofort an zu bluten.
Und Teresa tobte weiter. Trauer und ohnmächtige Wut verliehen ihr unglaubliche Kräfte. Damona prallte mit dem Rücken gegen die Tür, riss ihr Knie hoch und traf die Schwester hart.
Teresa krümmte sich. Damona nutzte die Gelegenheit und packte die Arme der Schwester. Wie Schraubstöcke hielten die Hände fest. »Das hast du nicht umsonst getan!«, keuchte Damona. Kraftvoll drängte sie Teresa auf die Dusche zu.
Die beiden Mädchen keuchten und schrien, während das Wasser weiterrauschte.
Doch Teresa hatte sich verausgabt. Sie konnte der Kraft ihrer Schwester nichts entgegensetzen, zudem rutschte sie auf dem glitschigen Terrazzoboden aus.
Damona bekam Teresas Schultern zu fassen. Mit einem siegessicheren Schrei auf den Lippen schleuderte sie die Schwester in die kleine Duschkabine.
Hart stieß sich Teresa beide Knie. In einem Winkel der Dusche fiel sie zu Boden.
»Und jetzt gib genau acht!«, schrie Damona. Mit halb erhobenen Armen und zu Fäusten geballten Händen blieb sie dicht vor der Duschkabine stehen. Ihre Augen schienen um das Doppelte zu wachsen. Mit Erschrecken sah Teresa, dass sich das Gesicht der Schwester veränderte, wie sich ein Zweites, eine schreckliche Fratze, über das Erste schob.
Die Fratze des Teufels!
Und dann geschah das, was Teresa an den Rand des Irrsinns trieb.
Plötzlich rauschte kein Wasser mehr aus der Dusche. Die nadelfeinen Strahlen waren rot.
Rot wie – Blut!
»Die Strafe!«, brüllte Damona. »Die Strafe des Satans! Überall soll es sein. Blut! Blut! Blut …«
Sie tanzte und führte sich auf wie der Teufel selbst. Ein abstoßendes, widerliches Gelächter heulte aus ihrem Mund. Es hallte durch das Bad und vermischte sich mit dem Rauschen der Dusche.
Für Teresa jedoch sanken die Chancen auf null. Nie würde sie diesen Teufelskreis sprengen können.
*
Eigentlich war es ein Witz!
Irgendein neuer Computer hatte festgestellt, dass sich die Scheidungen in London häuften. Nun war London eine Millionenstadt, und zwangsläufig lag die Scheidungsquote dort höher als in einem verschlafenen Dorf – nur hatte diese Scheidungssache einen Haken.
Die Frauen gaben zu, dass sie mit ihren Männern nicht mehr leben wollten, weil sie einem Orden beigetreten waren.
Dem Damona-Orden.
Nur allein aus diesem Grund hatten sie eine Scheidung eingereicht. Der Damona-Orden war für sie Lebensinhalt geworden. Der Ordensverband – gab ihnen alles, er konnte ihre geheimsten Wünsche befriedigen und sorgte dafür, dass es ihnen gut ging.
John Sinclair las den Bericht zweimal. Beim zweiten Lesen gönnte er sich eine Zigarette. Die Erste an diesem Morgen. John hatte beschlossen, die Qualmerei einzuschränken.
John Sinclair, auch Geisterjäger genannt, war Oberinspektor bei Scotland Yard. Er war praktisch ein Ein-Mann-Unternehmen, das den Kräften der Hölle den Kampf angesagt hatte. John machte Jagd auf Dämonen, Geister und Vampire. Er interessierte sich für Okkultes und Übersinnliches, hatte tolle Erfolge erzielt, hatte spektakuläre Fälle geklärt, wie erst vor wenigen Tagen, als er auf dem Rummelplatz des Satans den unheimlichen Totengräber gestellt hatte.1
Und jetzt lag dieser Bericht über die merkwürdige Häufung von Scheidungen auf dem Schreibtisch. John Sinclair wusste noch nicht so recht, was er damit anfangen sollte. Sein sechster Sinn sprang auch nicht an. Er hatte schon mehr als einmal erlebt, dass ihm Kollegen Fälle zuschustern wollten, mit denen sie nicht fertig wurden – oder weil sie einfach keine Lust hatten, die Dinge weiterzuverfolgen.
Und dieser Fall sah John ganz danach aus.
Andererseits, dieser Name Damona-Orden kam ihm doch reichlich Spanisch vor.
Damona! Die Assoziation zu Dämon lag auf der Hand. Und ein reiner Frauenklub mit einem solchen Namen konnte unter Umständen Ziele verfolgen, die gefährlich waren.
John dachte an Schwarze Messen und an die Satansverehrung!
Schwarze Messen waren »in«. Die Satansverehrung auch. Die meisten Klubs waren harmlos, ihre Mitglieder bestanden aus Spinnern und Geisteskranken, aber es gab auch Ausnahmen.
Die Klubs standen unter lockerer Kontrolle. Viele von ihnen waren sogar als Verein registriert, dieser offenbar nicht, denn es fehlte die entsprechende Notiz.
Stirnrunzelnd legte John Sinclair den Bericht zur Seite. Hier wollte er nicht selbst entscheiden, sondern zuvor seinen Vorgesetzten, Superintendent Powell, konsultieren.
Johns Vorzimmerelfe, die schwarzhaarige Glenda, strahlte den Geisterjäger an, als dieser sein Büro verließ.
John lächelte zurück. »Ich bin beim großen Boss«, sagte er und verschwand. John ließ sich ungern auf längere Gespräche mit Glenda ein, sie hätte sich unter Umständen Hoffnungen gemacht, die der Geisterjäger auf keinen Fall erfüllen wollte.
Powell aß seinen gesunden Frühstücksquark, als John das Büro des Superintendenten betrat. Neben dem Quarkbehälter stand das übliche Mineralwasser. Von der Wand blickte die Queen streng auf ihre Untergebenen herab.
Powell erinnerte John immer an einen magenkranken Pavian. Manchmal wirkte er auch wie ein alter Uhu, wenn er durch seine dicken Brillengläser starrte und einen Besucher so fixierte, dass diesem angst und bange wurde.
John hatte sich solche Gefühle längst abgewöhnt.
»Hallo, Meister«, grüßte John und ließ sich auf dem Besucherstuhl nieder. »Essen Sie ruhig weiter.«
Powell grunzte nur und schluckte den Rest Quark hinunter. Dann wischte er sich mit einem Tuch über den Mund und blickte John böse an. »Hatten Sie sich eigentlich angemeldet?«, erkundigte er sich.
»Nein, aber Ihre Vorzimmerpalme war nicht da. Deshalb hielt ich es für ratsam, so hineinzuschleichen. Schließlich ist Zeit Geld. Und ein Beamter, der nur herumsitzt und wartet, festigt wieder die Vorurteile. Wenn Sie mein Eindringen also aus dem Blickwinkel betrachten, müssen Sie zugeben, Sir, dass …«
»Ja, ja, schon gut.« Powell winkte ab. »Ich weiß, dass Sie vorlaut sind und immer das letzte Wort haben müssen. Eine Ihrer unangenehmen Eigenschaften. Jetzt zur Sache. Worum geht es?«
John Sinclair tippte mit dem Zeigefinger auf den Bericht in seiner linken Hand. »Dieses hier!« Er hielt die Mappe hoch.
Powell nickte. Er wusste schon Bescheid. »Aha, Sie sind also über diese Statistik gestolpert.«
John hob fragend die Augenbrauen. »Sollte ich das?«
»Ja.«
»Wie nett.«
»Lassen Sie mal den Spott weg, Sinclair, die Sache sieht ernst aus. Wenn dieser Damona-Kult tatsächlich existiert, dann müssen Sie ihn zerschlagen.«
»Wir haben aber keine Beweise, dass er etwas Unrechtes im Schilde führt. Schön gesagt, nicht?«
»Dann schaffen Sie die Beweise heran.« Powell schlug mit der Faust auf den Tisch.
»So kenne ich Sie ja gar nicht, Sir«, staunte John. »Wie ist es möglich, dass Sie sich dermaßen engagieren?«
»Hm.« Superintendent Powell druckste herum. Dann rückte er mit der Sprache heraus, verlangte aber, dass die Worte nicht an die Ohren eines anderen gelangten.
John versprach es.
»Einem Verwandten von mir ist ebenfalls die Frau weggelaufen. Den Namen finden Sie in der Liste. Der Mann heißt Ballantine.«
»Wie der Whisky?«
»Ja.«
»Auch so scharf?«, fragte John grinsend.
»Darauf verlangen Sie doch keine Antwort«, erwiderte Powell. »Ich will nur, dass Sie sich um den Fall kümmern. Mehr nicht. Und dass Sie mir Bericht erstatten.«
John stand auf. Er schlug den Hefter gegen seinen Oberschenkel. »Okay, Sir, dafür werde ich bezahlt. Ich tue mein Bestes. Wie immer. Noch etwas auf dem Herzen?«
»Ja.«
John hob fragend den Blick. »Fangen Sie nicht gerade mit Ihren Nachforschungen bei Mister Ballantine an. Er ist ein honoriger Bürger unseres Staates. Ich möchte nicht, dass er weiterhin mit der unangenehmen Sache belästigt wird.«
Der Oberinspektor winkte ab. »Keine Sorge, Sir. Ich lasse Ihre Verwandtschaft in Ruhe.«
Der Geisterjäger ging. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie Superintendent Powell zur Mineralwasserflasche griff. Jetzt musste er wieder seinen Magen beruhigen.
»War’s schlimm beim Alten?« Mit diesen Worten empfing Glenda den hochgewachsenen blondhaarigen Oberinspektor mit den stahlblauen Augen.
»Miss Perkins«, sagte John und hob den Zeigefinger. »Ich bitte mir in Zukunft mehr Respekt aus. Superintendent Powell ist ein honoriger Bürger unseres Landes und …« John musste selbst lachen. Er bat um einen Kaffee und verschwand in seinem Büro.
Der Kaffee kam und mit ihm ein Telefonanruf.
Der Geisterjäger hob ab und meldete sich.
»Haben dich noch immer nicht die Monster gefressen?«, hörte er eine wohlbekannte Stimme, die ihm augenblicklich einen leichten Schauer über den Rücken rieseln ließ.
»Nein, ich lebe noch, wie du hörst«, erwiderte der Oberinspektor.
Die Stimme, die ihm die Frage gestellt hatte, gehörte Jane Collins. Und Jane war ein Girl, bei dem auch der härteste Junggeselle schwach werden und in den Hafen der Ehe rutschen konnte. John hatte einmal den Satz von der hübschesten Privatdetektivin Europas geprägt, und das war sicherlich nicht übertrieben.
»Wo drückt denn der Busen?«, erkundigte sich der Geisterjäger.
»Ich dachte immer, du weißt, dass ich keinen BH nötig habe«, lautete die Antwort, und John entschuldigte sich auch sofort.
»Wir haben uns ja so lange nicht mehr gesehen, da vergisst man schon mal was«, meinte er.
»Da sieht man wieder, was du für mich übrig hast. Aber mal Spaß beiseite. Ich habe einen Fall für dich, John.«
»Nein, nicht schon wieder. Ich bin mit Arbeit eingedeckt bis zum geht nicht mehr«, stöhnte John.
»Sei ruhig und hör zu.«
Ihre Geschichte elektrisierte den Geisterjäger. Schon nach wenigen Sätzen wusste er, dass sie und er an dem gleichen Fall arbeiteten.
Es ging um den Damona-Kult!
Oberinspektor Sinclair war ein Mann schneller Entschlüsse. »Paß auf, Jane, wo treibst du dich jetzt herum?«
»Ich bin in meinem Büro.«
»Okay, wir treffen uns in dem kleinen Lokal an der Ecke. Warte dort auf mich. Einverstanden?«
»Ja.«
»Dann bis gleich.« Der Geisterjäger hängte auf.
»Fahren Sie weg, Herr Oberinspektor?« , fragte die schwarzhaarige Glenda, und in ihrer Stimme schwang ein bedauernder Unterton mit.
»Ja.«
Glenda schlug die Beine übereinander. Sie machte das so raffiniert, dass der enge blaue Rock ein gutes Stück nach oben rutschte.
John räusperte sich. »Ich treffe mich mit einer Dame.«
Glenda nahm eine andere Sitzhaltung ein. »Kommen Sie heute noch ins Büro zurück?«, fragte sie förmlich.
»Keine Angst, ich bleibe nicht über Nacht«, grinste John und ging zur Tür. Als er sich dicht davor noch einmal umdrehte, war Glenda tatsächlich rot geworden.
Lächelnd verließ John das Vorzimmer.
Sein Bentley stand auf dem Parkplatz.
Ein Klassewagen. Silbermetallic, das Amaturenbrett aus Holz, die Sitze aus weichem Leder.
John stieg ein. Der typische Autogeruch empfing ihn. Ein leichter Hauch von Benzin, vermischt mit dem Aroma des Zigarettentabaks und dem herben Duft des Leders. John Sinclair mochte die Kombination.
Sanft rollte der Bentley in Richtung Parkplatzausfahrt. Das Lokal, in dem sich John mit Jane Collins treffen wollte, lag im Stadtteil Westminster. John fuhr die Whitehall Parliament Street hoch, bog dann in die Cockspur Street ein und lenkte den Bentley in Richtung Waterloo Place. An der Charles Street, die zum St. James Square führte, fand John einen Parkplatz. Die Fahrt hatte nur eine halbe Stunde gedauert. Für London eine reife Leistung.
Die Charles Street war trotz des Nieselregens belebt. Zahlreiche Geschäftsleute warteten auf zahlungskräftige deutsche Touristen. John stellte den Kragen seines Trenchcoats hoch und hastete auf den Eingang des italienischen Lokals zu.
Er entdeckte Jane Collins in der Ecke. Sie winkte ihm zu.
»Hallo, Luigi«, begrüßte John den Wirt und bestellte einen Cappuccino. Jane hatte das Gleiche vor sich stehen.
Die Detektivin sah mal wieder zum Anbeißen aus.
Das lange Haar wurde über der Stirn von einem roten Band gehalten. Der Pullover in der gleichen Farbe saß weit und war aus Kaschmirwolle. Auch der Nagellack passte zur Kleidung. Jane war dezent geschminkt. Sie hatte es nicht nötig, sich ihre vollen naturroten Lippen nachzuzeichnen. Sie wirkte auch so.
John Sinclair lehnte sich zurück. »Dann mal raus mit der Sprache«, forderte er sie auf. »Was macht denn dieser komische Klub?«
Jane Collins berichtete von einem gewissen Lidell, der zu ihr gekommen war, um sie über den Damona-Kult aufzuklären und um sie zu beauftragen, Mrs. Lidell zu bewachen, was sie allerdings bisher noch nicht getan hatte.
»Ich wollte vorher noch mit dir reden, John.«
Der Geisterjäger nickte. »Wir knacken am gleichen Problem«, meinte er. »Aber bleib du ruhig bei deinem Lidell, dann kann ich den Namen von meiner Liste streichen. Es gehören ja noch mehr Personen zu diesem Kult. Vielleicht ist sogar alles ganz harmlos«, schränkte der Geisterjäger ein, »und wir haben uns umsonst Sorgen gemacht.«
Jane wiegte bedenklich den Kopf und trank ihre Tasse leer. »Daran glaube ich nicht so recht, John. Du weißt selbst, wie gefährlich solche Klubs oder Geheimbünde sein können.«
John Sinclair strich über seinen Nasenrücken. »Aufgabenteilung, wenn wir schon zusammenarbeiten. Du Lidell, und ich nehme mir einen anderen Knaben vor. Vor allen Dingen bin ich scharf darauf, die Frauen zu sprechen.«
»Wenn man sie erreicht. Aber auch mit Lidell ist es nicht einfach. Nach seinem Besuch – und der ist immerhin schon drei Tage her – habe ich nichts mehr von ihm gehört. Er hat auch noch nach der Scheidung in seinem Haus gewohnt.«
»Vielleicht hat er beruflich in einer anderen Stadt zu tun?«, vermutete John.
»Nein.« Jane schüttelte den Kopf. »Lidell ist leitender Ingenieur bei einer Kesselbaufirma. Ich habe dort angerufen, und man wundert sich, dass Lidell verschwunden ist. Er hat nämlich nichts hinterlassen. Er ist einfach nicht zur Arbeit gekommen. Und der Sache will ich auf den Grund gehen.«
»Nichts dagegen.« John winkte dem Wirt, um die Rechnung zu begleichen.
»Ciao, Luigi.« John schlug dem Italiener auf die Schulter. »Bis später einmal.«
Er und Jane verließen das Lokal.
Die anwesenden Männer warfen Jane Collins begehrliche Blicke nach. Und in ihren Augen war zu erkennen, dass sie John Sinclair zum Teufel wünschten.
*
Die Lidells mussten der gut verdienenden Mittelschicht angehören. Jedenfalls deutete ihr Bungalow darauf hin. Das Haus mit dem hübschen Vorgarten lag in einem nördlichen Londoner Vorort und grenzte mit der Westseite an ein Industriegelände, das durch einen Drahtzaun gesichert war.
Jane Collins sah die flachen Dächer einiger Fabrikhallen, als ihr Wagen die schmale Straße hinunterrollte.
Von dem letzten lukrativen Honorar hatte sich die Detektivin einen Lancia gekauft. Erdbeerrot und mit schwarzen Sitzen. Sie schwärmte für italienische Wagen ebenso wie für die Schuhe und das Essen aus diesem Land.
Der Bungalow besaß eine angebaute Garage mit einer Zufahrt. Dort stellte Jane ihren Wagen ab, stieg aus und ging auf den Eingang zu.
Sie bemerkte, wie hinter der Scheibe die Gardine bewegt wurde. Jemand musste also schon mitbekommen haben, dass Besuch kam.
Die Haustür wurde geöffnet.
Eine Frau sah Jane Collins misstrauisch entgegen.
Die Frau trug ihr dunkles Haar nach hinten gekämmt, war schätzungsweise vierzig Jahre alt und schien ziemlich verbittert. Jane schloss das aus den Falten, die das Gesicht einkerbten. Die Frau trug ein dunkles Kleid. Vor der Brust baumelte eine Plakette. Den Namen, der darauf eingeritzt war, konnte die Detektivin nicht lesen.
Jane knipste ihr bestes Lächeln an. »Mrs. Lidell?«, fragte sie.
»Ja.« Die Antwort klang mürrisch.
»Mein Name ist Jane Collins«, stellte sich die blondhaarige Detektivin vor. »Ich hätte gern mit Ihnen gesprochen, Mrs. Lidell.«
»Worüber denn?«
»Könnte ich Ihnen das nicht im Haus erklären?«, fragte Jane höflich.
Die Frau zögerte. Jane sah es förmlich hinter ihrer hohen Stirn arbeiten, dann gab Mrs. Lidell den Weg frei.
»Kommen Sie herein. Viel Zeit habe ich allerdings nicht. Und wenn Sie Vertreterin sind, können Sie gleich wieder gehen.«
»Keine Bange«, erwiderte Jane und betrat das Haus.
Dunkle Möbel, schwere Vorhänge, Steinplatten auf dem Boden. Von der großen Diele zweigten mehrere Räume ab. Jane wurde ins Wohnzimmer geführt.
Eine schwere Cordcouch. Die Möbel aus Eiche. Die Anbauwand wuchs über Eck und war vollgestopft mit Büchern. In einem Fach stand ein Fernsehapparat. Der schwere Schreibtisch hatte seinen Platz vor dem Fenster. Durch die Scheibe sah man in den Garten und auf die Mauer des versetzt stehenden Nachbar-Bungalows. Dort mähte eine junge Frau gerade den Rasen.
»Was kann ich also für Sie tun, Miss Collins?«, fragte Mrs. Lidell. Sie deutete auf einen Sessel.
Bevor Jane Platz nahm, präsentierte sie ihren Ausweis.
Mrs. Lidells Gesicht wurde noch verkniffener. »Eine Detektivin?«, fragte sie verblüfft. »Was habe ich mit Ihnen zu schaffen?«
Jane setzte sich. »Das will ich Ihnen ja gerade erklären. Es geht um Ihren Mann.«
»Victor?« Die Frau zog die Augenbrauen zusammen.
»Ja, ich hätte ihn gern gesprochen.«
Jane rückte bewusst nicht mit der Wahrheit heraus. Sie wollte Mrs. Lidell erst einmal in Sicherheit wiegen, um selbst die Gesamtsituation überblicken zu können.
»Was wollen Sie denn von meinem Mann?«
Jane griff nach den Zigaretten. »Darf ich rauchen?«
»Ja, bitte.«
Die Detektivin zündete sich ein Stäbchen an. Der Ascher stand auf dem Tisch. »Ihr Mann, Mrs. Lidell, ist Zeuge bei einem Unfall geworden. Und da sich die beiden Parteien nicht einigen können, hat man mich beauftragt, in dem Fall zu vermitteln. Aus diesem Grunde möchte ich mit Ihrem Mann reden.«
»Ah so.« Jane merkte, dass Mrs. Lidell aufatmete. Sie riskierte sogar ein Lächeln. »Da kann ich Ihnen leider nicht behilflich sein, Miss Collins. Mein Mann ist nicht da.«
Jane blies den Rauch gegen die Decke. »Wann kommt er wieder?«
Mrs. Lidell hob die Schultern. »In drei oder vier Wochen. Es kann auch länger dauern. Er ist für seine Firma unterwegs. Ein Auftrag im Nahen Osten, Sie verstehen.«
»Das ist natürlich Pech«, gab Jane zu. Gleichzeitig dachte sie: Du falsche Schlange. Von wegen Naher Osten. Die Firma weiß überhaupt nicht, wo ihr Mitarbeiter steckt.
Sie drückte ihre Zigarette aus. »Das ist sehr schade«, bedauerte sie. »Kann man ihn denn anrufen?«
»Nein, nein«, erwiderte Mrs. Lidell hastig. »Das ist nicht möglich. Der steckt irgendwo in der Wüste. Ich glaube nicht einmal, dass es dort Telefon gibt.«
Jane Collins erhob sich. »Ich könnte mich aber mal mit seiner Firma in Verbindung setzen. Das wäre immerhin eine Möglichkeit herauszufinden, wo Ihr Mann genau steckt. Ich glaube, das werde ich auch tun.« Sie reichte Mrs. Lidell die Hand.
Die Frau ergriff sie zögernd. Deutlich sah Jane das Erschrecken auf ihrem Gesicht, aber auch den hinterhältigen Ausdruck, der sich plötzlich in ihren Blicken spiegelte.
Die Frau hatte etwas vor. Jane hatte sie aus der Reserve gelockt.
»Ein tolles Amulett haben Sie da«, sagte Jane und fasste nach der runden Plakette, die vor Mrs. Lidells Brust hing. Das Material fühlte sich weich an, wie Leder. Es war von hellbrauner Farbe, und Jane konnte das große D darauf lesen.
Mrs. Lidell trat hastig zurück. »Lassen Sie die Finger davon«, sagte sie scharf.
»Entschuldigung. Ich bin immer neugierig. Das bringt schon mein Beruf mit sich, wie Sie sich sicher vorstellen können.« Jane Collins wandte sich zur Tür. Mrs. Lidell machte keine Anstalten, ihre Besucherin zurückzuhalten. Erst als die Detektivin schon den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, kam die Reaktion.
»Ach, Miss Collins?«
»Ja?«
»Mir ist gerade etwas eingefallen. Kommen Sie doch noch einmal zurück. Ich möchte Ihnen noch etwas zeigen.«
»Natürlich.« Die Detektivin machte kehrt.
Mrs. Lidell verschloss die Haustür.
Jane war schon auf dem Weg zum Living room, da hielt Mrs. Lidells Stimme sie auf. »Nein, nein, wir müssen in den Keller.«
Jane Collins war überrascht, zeigte es jedoch nicht. Sie traute sich auch zu, mit Mrs. Lidell fertig zu werden. Allzu kräftig sah die Frau nicht aus. Zudem war Jane in Judo und Karate ziemlich gut.
Sie folgte Mrs. Lidell durch eine Nischentür in den Keller.
Die Stufen der Treppe waren breit. Man sah ihnen an, dass sie wenig benutzt wurden. Das kalte Leuchtstoffröhrenlicht enthüllte einen piksauberen Kellerflur.
Vor einer grünlackierten Tür blieb Mrs. Lidell stehen. Die Tür besaß einen Hebelverschluss.
Mrs. Lidell drückte den Hebel nach unten, zog die Tür auf, machte Licht und ließ Jane vorgehen.
Die Detektivin betrat einen großen Raum, der als Waschküche diente. Eine Waschmaschine stand in der Ecke. Es gab Auffangbecken für Schmutzwasser und ein altes Sideboard, auf dem eine Werkzeugkiste stand.
Ein Becken war mit Brettern zugedeckt worden.
Jane Collins spürte, wie die Spannung in ihr anstieg. Mrs. Lidell hatte etwas vor, das spürte sie deutlich.
Aber was?
Die Frau trat an das Becken. Der Reihe nach hob sie die Bretter ab und legte sie auf den Boden.
»Treten Sie näher, Miss Collins«, sagte sie mit rauer Stimme. »Kommen Sie.«
Jane ging an das Becken.
Mrs. Lidell wich etwas zurück. Auf ihren Lippen lag ein böses, nahezu teuflisches Lächeln.
Jane Collins blickte in das Steinbecken – und prallte zurück.
Zusammengekrümmt und inmitten einer Blutlache lag dort ein Mann. Er war tot.
Man hatte ihm den Schädel eingeschlagen!
*
Der erste Name auf John Sinclairs Liste lautete Adamson. Den Wohnort fand der Geisterjäger nicht weit von der Themse entfernt, in einem Viertel, das nach dem zweiten Weltkrieg aufgebaut worden war.
Die Straße verlief schnurgerade durch die Wohngegend. Es gab Parkplätze genug.