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Drei gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis in einem Band!
Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.
Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern aus den Jahren 1978 - 1989 und ziehe mit ihm in den Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit. Erlebe mit, wie John Sinclair zum Schrecken der Finsternis wurde und die Serie Kultstatus erreichte.
Tausende Fans können nicht irren - ca. 250 Seiten Horrorspaß garantiert!
Dieser Sammelband enthält die Folgen 13 bis 15:
13: GEISTER-ROULETT
Er kannte ihre Ängste und Träume. Spielte mit den Schicksalen der Menschen und wusste von Ihrer Furcht, alt zu werden. Darauf baute er seinen Plan. Er schloss einen Pakt mit dem Teufel. Den Menschen versprach er, was ihnen sonst niemand geben konnte. Jugend und Schönheit. Niemand durchschaute die Absichten des Satans...
14: DER SCHWARZE HENKER
Er war eine Bestie, wie sie nur die Hölle erschaffen konnte. Blutrünstig und grausam. Nach vierhundert Jahren war sie erwacht, um das mörderische Handwerk zu vollenden. Unter dem Beil des schwarzen Henkers starben Hunderte von unschuldigen Opfern. Die Furcht der Lebenden ist unvorstellbar. Da entschließt sich John Sinclair, den Mörder zu jagen...
15: GRAUEN IN VIER WÄNDEN
Alles geschah in schrecklicher Finsternis. Der Nachtwächter Cedric Culp blieb an der Wand hängen. Er spürte die Kraft, die nicht von ihm locker ließ. Sie zog von vorn, und gleichzeitig schob ihn etwas von hinten, als wollten beide Kräfte dafür sorgen, dass Cedric Culp ein Opfer der Wand wurde. Kleine Hände pressten sich gegen seinen Rücken und verstärkten den Druck.
Er hörte ein hässliches Lachen und bekam plötzlich keine Luft mehr, denn sein Gesicht war in die Tapete und gleichzeitig in die Wand hineingedrückt worden. Sie fraß ihn. Und Sekunden später war nichts mehr zu hören...
Drei Mal Gruselspannung in einem Band. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!
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Seitenzahl: 430
Veröffentlichungsjahr: 2018
Jason Dark
John Sinclair Collection 5 - Horror-Serie
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Er kannte ihre Ängste und Träume. Spielte mit den Schicksalen der Menschen und wusste von Ihrer Furcht, alt zu werden.Darauf baute er seinen Plan. Er schloss einen Pakt mit dem Teufel. Den Menschen versprach er, was ihnen sonst niemand geben konnte. Jugend und Schönheit.Niemand durchschaute die Absichten des Satans …
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
Er kannte ihre Ängste und Träume. Er spielte mit den Schicksalen der Menschen und wusste von ihrer Angst vor dem Alter.
Darauf baute er seinen Plan. Er schloss mit dem Teufel einen Pakt und versprach den Menschen das, was ihnen niemand sonst geben konnte.
Jugend und Schönheit! Niemand durchschaute dieses Blendwerk des Satans. In
Scharen kamen sie zu ihm. Und er lud sie ein zum Geister-Roulett …
»Rien ne va plus – nichts geht mehr«, sagte der Croupier mit tonloser Stimme.
Mit einer tausendmal geübten Bewegung ließ er die Kugel aus der Hand schnellen, gab ihr dadurch den nötigen Drall und verfolgte mit dem teilnahmslosen Blick eines Profis, wie sie an der Seite der Roulettschüssel entlangdriftete.
Der Tisch war voll besetzt. Frauen und Männer starrten mit hungrigen Blicken auf die kleine Elfenbeinkugel.
Es ging um Geld – um viel Geld.
Und um mehr …
Die Einsätze waren hoch. Sehr hoch sogar. Wer hier spielte, musste Geld haben.
Gichtkrumme Finger krallten sich um die Kanten des mit grünem Tuch bespannten Roulettisches. Grell angemalte Lippen waren fest aufeinandergepresst. Dicke Schminke überdeckte die tiefen Falten in der Haut mancher Frau.
Es waren ältere Menschen, die hier spielten.
Warten, bis die Kugel ausgerollt war. Für manche eine zu kurze Zeit. Für die meisten jedoch wurden die Sekunden zu Ewigkeiten.
Gepresstes Atmen. Luftholen. Der Geruch von Schweiß und teurem Parfüm. Aufgeregtes, nervöses Husten. Das hastige, gierige Ziehen an den Zigaretten. In dicken Schwaden dampfte der Rauch unter den strahlenden Kristalllüstern.
Das war Casino-Atmosphäre. Der ewige Nervenkitzel.
Gewinnen oder verlieren!
Die Kugel rollte, war aber schon wesentlich langsamer geworden. Sie kippte bereits ab, berührte die Kanten eines Nummerfachs, sprang weiter und blieb liegen.
Aufstöhnen – Erleichterung, Enttäuschung.
Mit dem Rateau zeigte der Croupier die Nummer an.
»Sechsunddreißig«, sagte er. »Nummer sechsunddreißig …«
»Gewonnen!«, kicherte eine Frau. »Ich habe gewonnen.« Sie rieb sich begeistert die faltigen Hände. Die Frau hatte Plain gesetzt. Sie bekam das 35fache ihres Einsatzes ausgezahlt.
Sie hatte einen 100-Pfund-Chip gesetzt.
Die Chips häuften sich bei ihr. Lässig warf sie dem neben ihr sitzenden Croupier einen hohen Jeton zu.
»Danke für die Angestellten, Madam. Ich glaube, Sie haben heute das große Glück!«
»Wirklich das große?« Die Stimme der Frau klang gepresst. Ihr Atem ging schnell.
»Kann schon sein …«
Die Frau griff nach den Filterlosen, steckte sich ein Stäbchen zwischen die Lippen. Feuer gab sie sich selbst.
»Machen Sie Ihr Spiel, Ladies and Gentlemen.« Die kühle Stimme des Croupiers unterbrach die Gedanken der Frau.
Die Frau ließ den Rauch durch die Nasenlöcher ausströmen. Ihr Blick huschte über den Tisch. Jetons wurden zielsicher auf die Felder geworfen. Scheine raschelten. Geld wechselte seinen Besitzer.
»Auf Nummer sieben«, sagte die Frau leise. Ihre Stimme zitterte vor unterdrückter Erregung.
Der Croupier sah sie an. Ein schmales Lächeln spaltete seine Lippen. »Es ist möglich, Madam!«
Sie nickte.
Das Spiel lief. Wieder rollte die Kugel. Wieder der gleiche Nervenkitzel, das Gefühl der künstlich hochgezüchteten Spannung in der morbiden Atmosphäre des Casinos.
Nur das Geräusch der kreisenden Kugel war zu hören. Monoton, gleichmäßig.
Gierige Blicke verfolgten die Kugel.
Nummer sieben. Jemand hatte auf Nummer sieben gesetzt. Ein Wagnis – oder wusste dieser Jemand Bescheid? Würde das eintreten, auf das alle hofften?
Die Kugel bekam den Drall nach unten. Die Zentrifugalkraft konnte sie nicht mehr am oberen Schüsselrand halten. Auch die Croupiers starrten auf die Roulettschüssel.
Die Spannung wuchs, wurde unerträglich. Schweiß perlte auf den Gesichtern der Spieler.
Dann war es soweit.
Die weiße Kugel berührte das Fach, tickte hinein …
Nummer sieben!
Die Spannung löste sich. Zwei Spieler sprangen auf. Es waren ältere Männer.
»Nein!«, stöhnte einer von ihnen. Er riss sich den obersten Knopf seines Smokinghemdes auf. Das Licht überzog sein Gesicht mit einer leichenblassen Farbe.
Die Frau blieb sitzen.
Die magische Zahl sieben war gekommen.
Das Ereignis stand dicht bevor.
Wie hypnotisiert starrte die Frau auf ihren Jeton. Noch lag er auf dem grünen Filz, noch war alles normal.
Plötzlich begann sich der Chip zu verändern. Er schrumpfte zusammen. Rauch stieg auf, bewegte sich träge der Lampe entgegen und reizte zum Husten. Der Qualm hüllte für Sekunden den Jeton ein. Dann aber zerfaserte er, gab den Blick wieder frei.
Der Jeton war verschwunden.
Auf dem Feld mit der Nummer sieben stand ein Totenkopf!
*
»Neiiinnn!« Die Frau schrie gequält auf. Obwohl sie das Ereignis herbeigesehnt hatte, spürte sie doch die Angst, die sich auf einmal breitmachte.
Aber sie konnte nicht mehr zurück.
Jetzt nicht mehr.
Das Spiel war gelaufen.
Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. In Sekundenschnelle liefen zurückliegende Ereignisse vor ihrem geistigen Auge ab. Sie erkannte sich als junges Mädchen, sah die Zeit der ersten Liebe, die Heirat, den Tod ihres Mannes, das Altwerden. Dieses für sie grausame Schicksal. Jede Sekunde, die sie noch lebte, brachte sie dem Tod näher. Dem Tod, den sie hasste und überwinden wollte. Dann hatte sie der Mann angesprochen. Er versprach ihr die ewige Jugend. Sie musste nur auf eine Bedingung eingehen und einem Spielklub beitreten.
Linda Blaine hatte Geld. Mehr als sie ausgeben konnte. Und gespielt hatte sie schon immer. Vor zwei Jahren war sie dem Klub beigetreten und hatte regelmäßig einmal in der Woche an den Abenden teilgenommen. Und immer hatte sie gewartet. Andere waren vor ihr an der Reihe. Sie hatte auf die magische Zahl gesetzt.
Niemand wusste, was mit ihnen geschehen war.
Linda Blaine würde es bald erfahren.
Ihre Gedanken zerfaserten. Sie starrte wieder den Schädel an. Er schimmerte gelbweiß, war etwa so groß wie eine Männerhand, doch in seinen Augen glühte es düster auf. Es war ein unbestimmtes Rot, nicht zu hell, aber auch nicht dunkel.
Ein Rot, wie die Hölle gezeichnet wurde …
Die anderen Spieler waren aufgesprungen. Sie drängten sich an der langen Wand des Spielzimmers, dicht neben der Tür" die ins Ungewisse führte.
Nur Linda Blaine blieb sitzen.
Und die Croupiers!
Auch sie hatten sich verändert. Sie besaßen keine Gesichter mehr, sondern Totenschädel!
Makaber sahen sie aus. Aus den Smokingskragen ragten die hässlichen nackten Schädel, die bleckenden grinsenden Mäuler mit den fleischlosen Zähnen. Die Rateaus wurden nicht mehr von Händen gehalten, sondern von skelettierten Fingern. Die Knochen schimmerten ebenso weiß wie die des Totenschädels.
Der Spielleiter erhob sich von seinem erhöhten Sitz am Kopfende des Spieltisches. Er stieg die Stufen einer kleinen Leiter hinunter, gab ein Zeichen, und die beiden Croupiers erhoben sich ebenfalls von ihren Plätzen.
Niemand sprach ein Wort.
Die Gerippe steuerten die Frau an, nahmen sie in die Zange. Jetzt, da es soweit war, bekam Linda Blaine Angst. Sie wollte davonlaufen, einfach wegrennen, doch die Skelette ließen es nicht zu.
Sie hakten Linda mit ihren Knochenarmen unter, zogen sie kurzerhand vom Stuhl hoch.
Der Spielleiter ging vor. Er schritt auf die verschlossene Tür zu, wartete, bis Linda und die beiden >Croupiers< dicht hinter ihm waren, und stieß dann die Tür auf.
Schwärze. Undurchdringliche Finsternis.
Linda Blaine und ihre unheimlichen Begleiter verschwanden darin. Die Finsternis saugte sie auf wie ein Schwamm das Wasser.
Dumpf schlug die Tür zu.
Aus, vorbei!
Linda Blaine wurde von den anderen nicht mehr gesehen …
*
In dem kleinen Vorführraum war es dunkel. Ich hatte die Beine auf die Rückenlehne des Vordersitzes gelegt und sah auf den hellen rechteckigen Fleck der Leinwand.
Neben mir saß Bill Conolly, mein Freund und Kampfgefährte aus alten Zeiten. Er war schuld, dass ich mir die Bilder ansehen musste. Bill war aufgeregt zu mir gekommen. Mit einer brandheißen Sache im Ärmel. Behauptete er.
»Was ist es denn nun?«, fragte ich.
Nur undeutlich erkannte ich Bills Gesicht. »Wirst du schon sehen«, erwiderte der Reporter.
»Ich platze bald.«
Hinter uns hantierte der Fachmann an seinem Dia-Projektor. Das Gerät schien nicht in Ordnung zu sein. Ich konnte das aus den Flüchen schließen, die der Knabe ausstieß.
»Soll ich meinen Apparat von zu Hause holen?«, erkundigte ich mich spöttisch.
»Nein, nicht mehr nötig.«
Im nächsten Moment wurde ein Bild auf die Leinwand geworfen. Es zeigte einen Spielsaal mit nur einem Rouletttisch.
»Heimlich aufgenommen«, flüsterte Bill Conolly mir zu. »Die anderen Bilder sind ebenfalls unter Lebensgefahr geknipst worden.«
»Bis jetzt kann ich noch nichts Lebensgefährliches daran entdecken.«
»Warte es ab.«
Das nächste Bild.
Es zeigte den Roulettisch. Diesmal allerdings nur in einem Ausschnitt. Auf dem Feld mit der Zahl sieben lag ein silbrig schimmernder Jeton.
Hinter uns fuhr der Projektor weiter. Das heißt, bis zur Hälfte, dann hakte die Mechanik.
Zehn Sekunden später sah ich das dritte Bild trotzdem auf der Leinwand. Allerdings leicht schräg, doch das störte mich nicht. Meine zur Schau getragene Schläfrigkeit war einer gewissen Anspannung gewichen.
Das Bild zeigte abermals die Zahl sieben. Das heißt, sie war gar nicht mehr richtig zu sehen. Auf dem Feld stand ein Totenschädel mit glühenden Augen. Dicht davor sah ich die Finger einer skelettierten Hand. Sie ragte aus einer schneeweißen Manschette. Diese wiederum lugte aus dem Smokingärmel hervor.
»Was sagst du nun?«, raunte Bill mir zu.
»Wie sieht das nächste Bild aus?«
»Es gibt kein nächstes.«
»Das war’s dann wohl mit der Geisterstunde«, sagte hinter uns der Kollege von der technischen Abteilung.
»Lassen Sie den Projektor eingeschaltet.« Ich stand auf. »Sie können aber gehen, Mr. Aberdeen.«
»Okay.«
Wenig später fiel die Tür hinter ihm zu.
Ich trat dicht an die Leinwand heran. Bill Conolly war mir gefolgt. »Irre, nicht?«
Ich hob die Schultern. »Wenn das Bild eine Fälschung darstellt, ist sie auf jeden Fall gut gemacht.« Ich blickte mir den Schädel und die Knochenhand genauer an. Meine Zweifel wurden größer, dass dies eine Fälschung sein sollte. Ich hatte schon sehr oft in meinem abwechslungsreichen Leben Skelette und Gerippe gesehen. Auch lebende. Dies hier auf dem Bild schien tatsächlich echt zu sein.
Neben der Leinwand befand sich ein Lichtschalter. Ich knipste das Licht an.
»Woher hast du die Aufnahmen?«, fragte ich Bill.
Er ging auf meine Frage nicht ein, sondern meinte. »Du bist also davon überzeugt, dass die Bilder kein Humbug sind.«
Ich nickte.
»Okay, John. Sie kamen gestern Abend mit der Post. Ich wollte dich anrufen, aber du warst nicht da. Absender ist ein William F. Masters, ein schon älterer Mann.«
»Kennst du ihn?«
»Nein. Aber Sheila. Masters war ein Freund ihres Vaters. Er hat uns hin und wieder besucht, und wir haben von alten Zeiten gesprochen. Er ist außerdem ein exzellenter Steuerfachmann.«
»Hat er denn gespielt?«, wollte ich wissen.
Bill schüttelte den Kopf. »Davon hat er eigentlich nie gesprochen. Jetzt, wo du fragst, fällt es mir auch auf.«
»Dann weißt du also nicht, wo sich dieses Casino befindet?«
»Nein.«
»Aber wir könnten Masters fragen?«
»Das schon.«
»Hast du seine Adresse?«
»Die weiß ich sogar auswendig.«
»Ist doch immerhin etwas. Wo wohnt er?«
»Außerhalb Londons. In der Nähe von Hornsey hat er sein Landhaus. Wir waren einmal da. Aber ich will vorher anrufen, damit er auch zu Hause ist, wenn wir eintrudeln.«
»Tu das.«
Wir verließen den Vorführraum. Die Dias steckte Bill Conolly ein. Mit dem Lift fuhren wir hoch in mein Büro.
Bevor Bill zum Telefonhörer griff, fragte ich grinsend. »Sag mal, mein Lieber, was hält eigentlich die gute Sheila von deinen neuerlichen Aktivitäten?«
Bill verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Begeistert ist sie nicht. Das kannst du dir ja vorstellen.«
Ich lachte. Schließlich kannte ich Bills Frau. Jetzt, da sie in Umständen war, wehrte sie sich noch mehr dagegen, dass sich ihr Mann in einem neuen Fall engagierte. Aber Bill war nicht der Typ, der sich einfach auf die faule Haut legte. Er musste Action haben. Da waren er und ich verwandte Naturen.
»Willst du Suko mitnehmen?«, fragte er noch.
Ich schüttelte den Kopf. »Der ist heute anderweitig beschäftigt. Nimmt seine Harley auseinander. Er wollte schon immer mal sehen, ob er sie auch wieder zusammenbauen kann. Vielleicht behält er einige Schrauben übrig. Das weiß man ja nie.«
Bill lachte und wählte Masters’Nummer. Ich verkürzte mir die Wartezeit mit einer Zigarette.
Bill bekam Masters rasch an die Strippe. Als er schon nach wenigen Worten den Hörer auflegte, strahlte er. »Wir können«, erklärte er mir und rieb sich voller Tatendrang die Hände.
*
Über den Rand des Glases hinweg sah William F. Masters die ihm gegenübersitzende Frau an.
Frau? Nein, das war eigentlich nicht der richtige Ausdruck für diese außergewöhnlich hübsche Person.
Sie war eigentlich noch ein Mädchen. Das Alter lag so um die Zwanzig. Korkenzieherartig fielen die rotblonden Locken auf den Schulterstoff der duftigen Bluse. Der dunkle knielange Rock war aus feinstem Material, und auch das Bolero-Jäckchen aus Wildleder war nicht gerade billig. Die Nägel der langen Finger glänzten matt. Die Augenbrauen hatte das Mädchen ein wenig getönt. Es stand ihr jedoch ausgezeichnet.
Jedes Männerherz hätte sicherlich beim Anblick dieses Geschöpfs einen Sprung überschlagen..
Sie prostete Masters zu. »Auf dein Wohl, William«, sagte sie und benetzte nur die vollen roten Lippen.
Masters leerte das Glas mit einem Zug. Trotz der siebzig Jahre sah er noch gut aus mit seinem vollen schneeweißen Haar, der gebräunten Haut und der kräftigen hervorspringenden Nase, die seinem Gesicht einen gewissen männlichen Zug gab. Er trug einen Pfeffer-und-Salz-Anzug und ein dazu passendes Baumwollhemd. Die Krawatte war ordnungsgemäß gebunden, wie es sich für einen Gentleman gehörte.
»Ich kann es immer noch nicht fassen«, murmelte Masters und setzte sein Glas ab. »Sie sind … du bist Linda Blaine?«
»Ja, mein Lieber.«
»Aber wieso denn? Wie ist es möglich? Jugend und Schönheit, man kann sie doch nicht kaufen!«
»O doch, Will. Man kann …«
»Es sei denn …« Masters stockte, als hätte er Angst, schon zu viel gesagt zu haben.
»Sprich dich aus.« In Linda Blaines Augen begann es zu schillern.
Masters lächelte verlegen. »Ich dachte da an die alten Geschichten und Fabeln. Du weißt ja selbst, was dort geschrieben steht.«
Linda hob die wohlgerundeten Schultern. »Keine Ahnung, Will. Erzähle es mir. Bitte.«
»Man sagt, dass einem nur der Teufel die Jugend und die Schönheit zurückgeben kann, man aber selbst dafür seine Seele verkaufen muss. So steht es doch geschrieben.«
»Und so ist es auch!«, erwiderte Linda Blaine hart.
Masters stellte den Sektkelch wieder zurück. »Habe ich deinen letzten Satz eben richtig verstanden?«
»Ich denke schon.«
Tief saugte Masters den Atem ein. »Dann hast du … also du willst damit sagen, dass du …«
»Ja, Will, ich habe meine Seele dem Satan verkauft. Was ist schon dabei? Jugend und Schönheit haben Vorrang.«
Flüsternd kamen Masters’nächste Worte. »Was schon dabei ist, dem Satan seine Seele zu verkaufen? Ja, glaubst du denn, er tut etwas umsonst? Irgendwann wird er dir dafür die Rechnung präsentieren, und diese wird schlimm sein. Glaub’es mir.«
»Mein lieber William, das ist Altweibergewäsch. Aber vielleicht hast du sogar recht damit. Der Teufel verlangt etwas. Auch von mir.«
»Und das wäre?«
»Ich muss ihm meine Loyalität beweisen. Ich muss zu ihm halten, verstehst du? Seine Feinde muss ich ihm vom Hals schaffen. Feinde als auch Verräter. Rate mal, aus welchem Grunde ich dich besucht habe, mein lieber William?«
Masters quälte sich ein Lächeln ab. »Warum, meine Güte? Wir waren alte Freunde.«
»Du hast es bemerkt. Waren alte Freunde. Wir sind es nicht mehr, Will. Im Gegenteil. Du hast uns verraten. Du hast heimlich Aufnahmen geschossen. Gib es zu!«
Masters sprang auf. »Woher weißt du das?«
»Der Teufel sieht alles. Und Asmodis hat es nicht so gern, wenn man ihm ins Handwerk pfuscht. Er hat große Pläne mit der Welt. Jedes Hindernis, das sich ihm dabei in den Weg stellt, wird zerquetscht wie eine Laus. Und du bist schon drin im Räderwerk der Hölle, William F. Masters.« Auch Linda Blaine stand auf. »Wem hast du die Aufnahmen gegeben? Sag es mir!«
»Keinem. Ich …«
Mit zwei Schritten überwand Linda Blaine die Distanz zu dem Mann. »Du bist ein schlechter Lügner. Ein sehr schlechter sogar.« Sie packte zu und schüttelte den alten Mann durch.
Abwehrend riss Masters seine Arme vor das Gesicht, doch gegen die Kräfte der jungen Frau kam er nicht an. Zwei harte Schläge trafen sein Gesicht. Der Fingerring der Frau riss Masters die Wange auf. Er fiel in einen Sessel.
Blitzschnell packte Linda Blaine eine leere Whiskykaraffe. Ein Schlag reichte. Mit einer Platzwunde am Kopf blieb William F. Masters bewusstlos liegen.
Das Teufelsweib lachte. »Das hast du nun davon«, flüsterte sie. »Du wolltest es nicht anders. Aber ich kriege noch raus, wem du die Bilder gegeben hast. Darauf kannst du dich verlassen.«
Nach diesen Worten entfachte die Frau eine fieberhafte Aktivität. Sie zerrte den Bewusstlosen vom Sessel und schleifte ihn zu einem der hohen Fenster. Dort ließ sie ihn zu Boden gleiten.
Ein rascher Rundblick, und ein zufriedenes Grinsen zuckte über das Gesicht der Frau.
Sie hatte die langen Stores gesehen, die das Fenster einrahmten. Zu diesen Stores gehörten auch Kordeln, damit man die Vorhänge leichter zuziehen konnte.
Ruckartig riss Linda Blaine die Kordeln ab. Sie prüfte noch einmal die Festigkeit und nickte dann zufrieden.
Ihrem teuflischen Mordplan stand nun nichts mehr im Wege. Masters musste sterben. Er war ein Verräter.
Mit einer Kordel fesselte sie dem Bewusstlosen die Hände, dann umschnürte sie ihm auch die Füße.
Dann nahm sie noch eine Kordel in die Hand. Und nun umspielte ein satanisches Lächeln ihre Lippen. Die Schönheit des Gesichts hatte sich zur Maske verwandelt. Sie war zu einer grässlichen Grimasse geworden.
Wie ein alter Henkersknecht, so routiniert knüpfte Linda Blaine die Schlinge. Gelassen prüfte sie den Knoten. Es war alles klar.
Beste Arbeit … Sie warf einen Blick auf den Bewusstlosen. Der Schlag war nicht sehr fest gewesen. William F. Masters hatte eine gute Kondition. Er musste eigentlich gleich erwachen.
Linda Blaine öffnete das Fenster. Beide Flügel zog sie auf. Frische Frühlingsluft strömte in das Zimmer und vertrieb den muffigen Geruch der alten Möbel.
Linda Blaine kletterte auf die Fensterbank. Sie hatte hinter der Leiste mehrere stabile Haken entdeckt, die in die feste Decke eingeschossen waren.
Die Haken hielten schon was aus.
Auch einen Gehenkten …
Linda legte das eine Ende der Kordel um den Haken und wand einen Doppelknoten. Sie ruckte ein paar Mal daran, prüfte die Festigkeit. Er saß richtig.
Masters erwachte in diesem Augenblick. Rechtzeitig hörte Linda sein Stöhnen.
Rasch war sie bei ihm und zerrte ihn hoch. Der Blick der Mannes war noch glasig. Linda merkte, dass es ein Fehler war, dem Mann die Füße zu fesseln. Sie löste die Knoten wieder.
»Hoch mit dir. Los!«
Masters begriff gar nicht. »Mein Kopf!«, ächzte er. »Himmel, mein Kopf. Ich …«
»Steh auf!«, kreischte das Weib wild. »Los, verdammt. Und dann auf die Fensterbank.
Als der Mann nicht sofort gehorchte, trieb Linda ihn mit Schlägen auf das Fenster zu. Sie umfasste seine Hüften und hob den schweren Mann hoch. Erstaunlich die Kraft, die in ihr steckte.
Masters wurde überrumpelt. Er fand auch nicht die Kraft, sich zu wehren. Er stand plötzlich auf der Bank, hielt sich noch am Fensterkreuz fest und bekam kaum mit, wie ihm die Frau die Schlinge über den Kopf streifte. Sie hatte sich dafür auf die Zehenspitzen stellen müssen.
Als er es merkte, war es bereits zu spät.
»Nein!«, gurgelte er. »Nicht …«
Linda zog die Schlinge so fest, dass Masters gerade noch sprechen konnte.
Und das war wichtig.
Hasserfüllt stieß sie die Fragen hervor. »Wer hat die Fotos? Rede, sonst stoße ich dich von der Fensterbank!«
Der Wind spielte mit dem Haar des Mannes, zerzauste es. Masters sah die beiden dicken Ulmen vor dem Fenster. Die Äste trugen schon die ersten kleinen Blätter. Die Natur hatte die Kälte des Winters abgeschüttelt, erwachte zu neuem Leben.
Und er sollte sterben!
Erste schüchterne Sonnenstrahlen fielen in das parkartige Gelände des Gartens. Vögel zwitscherten. Die Stare waren bereits zurückgekehrt …
»Rede, verdammt!«
William Masters sog gierig die Luft ein. »Conolly«, würgte er.»Es war Bill Conolly …«
»Danke!« Das Wort klang höhnisch. Wie ein Abschied.
Beide Hände legte Linda Blaine gegen den Rücken des Mannes. Dann gab sie William Masters einen Stoß …
*
»Wenn die Eier werden billiger, wenn die Mädchen werden williger, wenn dem Knaben juckt …«
»Hör auf«, unterbrach ich meinen Freund Bill, »denk daran, du bist verheiratet.«
Bill spielte den Zerknirschten. »Du gönnst mir auch gar nichts.«
»Doch. Aber mit deinen schmutzigen Gedichten verdirbst du mir noch den Charakter.«
»Was gibt es daran zu verderben?«
Ich lachte. »Das sagst du. Aber was sagt ein Gesunder?«
Wir vertrieben uns die Fahrt zu unserem Ziel mit Flachserei. Über London und der näheren Umgebung spannte sich wirklich ein strahlender Frühlingshimmel. Ein paar leichte weiße Wolken trieben unter dem Blau des Firmaments. Der Wind blies aus südlicher Richtung, brachte Wärme mit und ließ die Quecksilbersäule des Thermometers hochschnellen.
Wir erreichten den Ort über eine der nördlichen Ausfallstraßen. Hornsey lebte im Schatten des Molochs London, hatte sich trotzdem seine ländliche Idylle bewahrt. Vielleicht rührte es daher, dass Hornsey eine reine Wohnstadt war. Fast jeder pendelte zu seinem Arbeitsplatz in der City.
Die Straßen waren sauber. Wir sahen meist Frauen, die, beladen mit Einkaufskörben, in die Geschäfte gingen.
Bei einem Polizisten erkundigte ich mich nach William F. Masters’ Adresse.
»Das ist außerhalb, Sir«, erklärte mir der Beamte, dessen Uniform sich über dem Bauch spannte. »Sie müssen durch den Ort fahren und sich rechts halten. Nach etwa einer Meile zweigen zwei Straßen ab …«
Er beschrieb mir den Weg ziemlich umständlich. Dafür jedoch zweimal. Bill schrieb sicherheitshalber mit.
Wir bedankten uns bei dem freundlichen Polizisten und fanden tatsächlich den richtigen Weg.
»Wer sagt’s denn!«, rief Bill. »Macht sich doch bezahlt, dass ich mal bei den Pfadfindern gewesen bin.«
»Fragt sich nur, welche Pfade du da gesucht hast.«
»Die besten, John. Die besten.«
Der Weg entpuppte sich als eine Chaussee. Wie mit dem Lineal gerichtet wuchsen die Bäume. Weideland ringsum. Ein paar hundert Yards vor uns ein Waldgebiet.
In das mussten wir einbiegen.
Bald wurde aus dem Wald ein kleiner Park. Gepflegte Wege führten zu einem hochherrschaftlichen Haus. Ein sattgrünes Rasenrondell befand sich vor dem Haus. Der Weg teilte sich und führte um das Rondell herum auf das Haus zu.
Wir nahmen den linken. Unter den Reifen spritzte Kies weg. Ich konzentrierte mich auf die Fahrerei. Bill Conolly hatte es besser. Er konnte seine Blicke an der Hausfassade hochgleiten lassen.
Plötzlich schrie er auf. »Verdammt! John, am Haus. Mensch, gib Gas, John!«
Der Bentley sprang vor. Ich riss ihn in die Kurve, sah ebenfalls hoch zum Haus, und mir stockte der Atem.
Auf der Fensterbank stand ein älterer Mann. Mit einer Schlinge um den Hals.
Sein Gesicht war verzerrt. Er musste jeden Augenblick springen …
Ich stoppte.
Synchron flitzten wir aus meinem Bentley.
Der Mann bekam einen Stoß. Ich sah es genau, konnte jedoch nicht erkennen, wer ihm diesen Stoß versetzt hatte. Wie in Zeitlupe liefen die nächsten Ereignisse vor unseren Augen ab.
Ich hörte noch, wie Bill Conolly rief: »Das ist Will Masters!«, dann wurde der Bedauernswerte von der Fensterbank gestoßen.
Er fiel.
Das Seil straffte sich.
Ein Ruck – und …
Ich presste die Lippen zusammen. Es war ein schreckliches Bild. Masters war nicht sofort tot. Er kämpfte noch. Helfen konnten wir ihm nicht, wir waren zu weit weg, aber wir konnten unter Umständen seinen Mörder fassen.
Ich war als Erster an der Tür. Über eine Treppe musste ich hinauflaufen. Längst lag die Beretta in meiner Hand. Sie war zwar mit geweihten Silberkugeln geladen, aber die waren nicht nur für Dämonen tödlich. Auf Menschen haben sie die gleiche Wirkung wie Stahlmantelgeschosse.
Die Haustür war nicht verschlossen. Bill und ich erreichten eine Art Halle. Sie war vollgestopft mit alten englischen Bauernmöbeln. Eine breite Treppe führte in die oberen Etagen.
Ich war schneller als mein Freund. Im Laufen rief ich: »Bleib du hier. Ich sehe oben nach.«
Dort erwartete mich ein breiter Gang, von dem mehrere Türen abzweigten. Ich hatte mir die ungefähre Lage des Fensters gemerkt, erwischte auch die richtige Tür, riss sie auf und stürmte in den dahinterliegenden Raum.
Die Beretta beschrieb einen Halbkreis. Der. Raum war leer. Von dem Mörder keine Spur. Ich sah das jetzt straffgespannte Seil unterhalb des Fenstersimses verschwinden. Den Toten konnte ich nicht sehen. Er hing zu weit nach unten.
Trotzdem hetzte ich zum Fenster und zog den Erhängten hoch ins Zimmer. Die Arbeit kostete mich viel Kraft, da die Leiche doch ihr Gewicht hatte.
Es war nichts mehr zu machen. William F. Masters lebte nicht mehr. In Bruchteilen von Sekunden schossen mir die Gedanken und Vermutungen durch den Kopf.
Die Fotos, die Bill mir gezeigt hatte, waren doch kein Schwindel. Etwas steckte hinter der Sache. Ein Verbrechen? Von Dämonen inszeniert? Von normalen Menschen?
Ich war fest entschlossen, dies herauszufinden.
Rasch, aber gründlich durchsuchte ich das Zimmer. Ich fand keinen Hinweis auf den oder die Täter.
War der Mörder noch im Haus? Oder hatte er die Flucht ergriffen? Den Vordereingang hatte er sicherlich nicht genommen, dann hätten Bill und ich etwas bemerkt.
Also einen anderen Weg.
Ich lief hinaus in den Gang. Wollte mich an die Durchsuchung der anderen Zimmer machen.
Da hörte ich den Schrei und noch in der gleichen Minute einen dumpfen Fall.
Bill!
Ich raste die Treppe hinunter. Nahm drei Stufen auf einmal, und die letzten sechs Stufen sprang ich mit einem Satz.
Hart kam ich auf, blieb aber auf den Beinen. Sah mit einem Blick, was geschehen war.
Bill Conolly lag am Boden. Er stöhnte und hielt sich mit beiden Händen den Kopf. Ich rannte zu ihm, hielt mich sekundenlang bei ihm auf.
»Draußen … nach draußen!«, flüsterte Bill.
»Bist du okay?«
»Ja.«
Ich hetzte zu der Tür, riss sie auf und stürmte die Treppe hinunter.
Verlassen lag die Parkanlage vor mir. Nach Bills Schrei und meinem Auftauchen hier waren nicht einmal dreißig Sekunden vergangen. Wäre der Mörder nach vorn geflohen, hätte ich ihn sehen müssen. Blieb nur die zweite Möglichkeit.
Er war zur Rückseite gelaufen.
Ich sprintete an der Hauswand entlang, und dann hörte ich das Röhren eines Motors.
Eines Sportwagenmotors!
Hinter dem Haus.
Ich flitzte um die Ecke, sah einen grünen MG, der soeben gestartet wurde und dessen Hinterreifen mir den Dreck entgegenschleuderten.
Ich schoss, zielte auf die Reifen, fehlte aber.
Der MG wurde in eine scharfe Linkskurve herumgerissen, schoss dann in einen kleinen Weg hinein und war aus meinem Blickfeld verschwunden.
Ich hatte nicht einmal den Fahrer erkannt, jedoch das Nummernschild. Oder wenigstens einen. Teil davon.
Die Zahlen blieben in meinem Gedächtnis haften.
Der Fluch, den ich ausstieß, war nicht druckreif. Natürlich hätte ich zu meinem Wagen laufen und die Verfolgung aufnehmen können, ließ es jedoch bleiben, da die Chancen an sich sehr schlecht standen. Der grüne Flitzer hatte einen zu großen Vorsprung.
Statt dessen lief ich zurück ins Haus.
Bill Conolly hockte in einem Ledersessel mit hoher Rückenlehne. Gequält grinsend blickte er mir entgegen.
Ehe ich eine Frage stellen konnte, sagte er: »Du kannst mir noch einen Schlag über den Schädel geben für meine Dusseligkeit, aber ich habe nichts gesehen.« Er deutete erst auf eine am Boden liegende zerbrochene Vase und dann zur Treppe. »Der Kerl muss die Vase von der Treppe her geworfen haben. Mich traf das Ding genau am Kopf. Der Typ hat Zielwasser getrunken, das kann ich dir sagen.«
»Also keine Beschreibung.«
Bill schüttelte den Kopf.
Zum zweiten Mal unterdrückte ich einen Fluch.
»Und jetzt?«, fragte mein Freund. Er schielte auf eine noch volle Whiskykaraffe. Sie stand auf einem kleinen Beistelltisch.
Ich verstand den Wink und schüttete ihm zwei Fingerbreit ein.
»Zum Glück habe ich die Autonummer. Wenigstens einen Teil davon. Der Wagen ist übrigens ein grüner MG.«
Bill nahm einen Schluck. »Müsste doch nicht schwer sein, den Halter des Wagens herauszubekommen.«
»Ist es auch nicht.« Ich war schon auf dem Weg zum Telefon.
»Wen willst du anrufen?«, fragte Bill.
Ich grinste. »Du scheinst wirklich etwas mehr abbekommen zu haben, als du verträgst. Die Mordkommission natürlich.«
»Cheerio«, sagte Bill. »Auf dich, du großer Geisterjäger.«
Der Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören.
*
Mein Brötchengeber, Scotland Yard, gehört zwar zu den ältesten Polizeiorganisationen der Welt, ist aber mit den Errungenschaften der modernsten Technik ausgestattet.
Als Sammelbegriff möchte ich hier nur das Wort Computer nennen. Außerdem sind die Verbindungen des Yards weltweit gespannt, besonders im Zuge der Terroristenbekämpfung sind Lücken im System aufgefüllt worden.
In Zusammenarbeit mit dem Straßenverkehrsamt bekam ich bald die vollständige Nummer des MG’s. Und natürlich auch den Namen des Fahrzeughalters. Oder vielmehr dessen Fahrzeughalterin.
Sie hieß Linda Blaine und wohnte in Chelsea. Da ihr verstorbener Mann zu den wichtigen Persönlichkeiten gehört hatte, war auch über ihn und seine Frau ein Dossier angelegt worden.
Linda Blaine zählte genau siebzig Jahre.
Ich fasste mir an den Kopf. Eine siebzigjährige Mörderin? Kaum vorstellbar. Außerdem fuhren solche Damen in der Regel keine MG’s. Die ließen sich vielmehr fahren und machten Londons Taxiunternehmer reich.
Ich jedoch musste jeder kleinen Spur nachgehen. Vielleicht hatte diese Linda Blaine den Wagen an eine Verwandte oder Bekannte verliehen. Möglich war alles.
Der Mordkommission hatte ich mit Erklärungen gedient, ohne ihren Leiter direkt in den Fall einzuweihen. Er hatte so viele Informationen bekommen, wie er brauchte.
Bill war nach Hause gefahren. Ich wollte ihn nach meinem Besuch bei Linda Blaine anrufen.
Glenda Perkins, meine Sekretärin, kam und brachte mir eine Tasse Kaffee.
Auch der schwarzhaarigen Glenda merkte man an, dass der Frühling nicht mehr weit war. Sie trug einen dünnen Pullover. Deutlich malte sich ihre atemberaubende Anatomie darunter ab. Ihr Rock schwang um die gut gewachsenen Beine wie eine Glocke.
Glenda war in mich verliebt. Und das gab sie auch offen zu. Sie hatte zwar nie ein Wort gesagt, aber Blicke und Gesten reichten auch so.
Als sie mir den Kaffee hinstellte, roch ich ihr Parfüm.
»Ist der Duft neu?«
»Dass Sie so etwas bemerken.«
»Wer könnte Sie übersehen …«
»Aber, Mr. Sinclair.« Sie richtete sich auf und strahlte mich an. Dabei zog sie den Pullover über ihren Rockgürtel, und die Sachen, die sich unter ihrem dünnen BH spannten, wurden noch stärker herausgestellt.
Ich wollte es nicht noch mehr auf die Spitze treiben und sagte deshalb: »Vielen Dank für den Kaffee.«
»Gern geschehen.« Glenda schwebte aus dem Raum.
Linda Blaine wohnte nahe der King’s Road, in einer wenig befahrenen Seitenstraße. Ich kannte die Gegend, hatte schon öfter dort zu tun gehabt.
Superintendent Powell brauchte ich über meinen kleinen Ausflug nicht zu informieren. Mein Vorgesetzter war in einer Besprechung. Worum es ging, wusste ich nicht. Der theoretische Kram interessierte mich ohnehin nicht.
Ich trank die Tasse leer, ging noch einmal die Akte durch und gönnte mir auch eine Zigarette. Glenda sagte ich, wo ich hinfahren wollte. Sie wünschte mir noch viel Erfolg.
Mehr schlecht als recht quälte ich mich durch den Londoner Nachmittagsverkehr. Über die Victoria Street erreichte ich die King’s Road und fuhr die Einkaufsstraße entlang in Richtung Süden. Hinter dem Sloane Square musste ich links abbiegen und fand mich in einer der stillen Seitenstraßen wieder.
Die Häuser hier stammten noch aus der Jahrhundertwende. Die meisten von ihnen waren im Innern renoviert worden, und auch an den äußeren Fassaden hatten sich Umweltschützer mit bunter Farbe verdokumentiert.
Ich kurvte noch durch einige Straßen und fand dann die angegebene Adresse.
Das Haus hatte nur ein Stockwerk, dafür aber einen breiten Vorgarten. Er wurde in der Mitte von einem Weg geteilt, der zur Haustür führte.
Ich schellte.
Die Sonnenstrahlen trafen meinen Rücken, wärmten mich und die Kleidung. Ich musste noch einmal klingeln, ehe die Tür geöffnet wurde.
Eine ältere Frau sah mich an.
In Sekundenschnelle nahm ich ihr Bild in mich auf.
Die Frau hatte ein faltiges Gesicht, Runzeln und Furchen in der Haut, einen schmallippigen, an den Winkeln herabhängenden Mund. Ihr dünnes weißes Haar lag wie ein Kokon auf dem Kopf. Vor ihrer Brust baumelte eine Brille. Sie hing an einer blitzenden Kette, wurde jetzt von faltigen, gichtkrummen Fingern hochgenommen und vor die Augen gesetzt. Die Frau trug ein blaugraues Kleid, einen schmalen Gürtel und dunkle Schuhe mit Blockabsätzen.
»Sie wünschen, Sir?«
Ich knipste mein Sonntagslächeln an. »Spreche ich mit Mrs. Blaine?«
»Ja.«
»Mein Name ist John Sinclair. Ich komme von Scotland Yard.«
»Polizei?«
Mein Lächeln behielt ich bei. »Es ist nichts Schlimmes, Mrs. Blaine. Ich habe nur ein paar Fragen.«
»Ja dann …« Sie zögerte noch, und ich musste ihr erst meinen Ausweis zeigen, bevor sie mich ins Haus bat.
In der Wohnung roch es muffig. Ich durfte im Living-room Platz nehmen. Dunkle Möbel, ein Highboard, das die gesamte Länge einer Wand einnahm, mit Bildern darauf, die immer nur ein Gesicht zeigten. Das Gesicht eines schnauzbärtigen weißhaarigen Mannes.
Ich musste wohl die Bilder länger betrachtet haben, denn die Frau sagte: »Das ist mein verstorbener Mann.«
Bald wäre mir ein »Ich weiß«, herausgerutscht, denn ich kannte Blaine von unserem Aktenfoto.
Linda Blaine nahm mir gegenüber Platz. Nur ein runder Tisch trennte uns. Auf der Platte lag ein selbstgehäkeltes Deckchen. Darauf stand eine leere grüne Blumenvase.
Abermals erschien es mir unmöglich, diese Frau als Mörderin einzustufen. Fast kamen mir meine folgenden Fragen schon überflüssig vor.
»Haben Sie einen Wagen, Mrs. Blaine?«
Die Frau sah mich erstaunt an. »Was soll ich haben?«
»Ein Auto. Genauer gesagt, einen grünen MG. Das ist ein Sportwagen.«
Jetzt fing Mrs. Blaine an zu lachen. »Sie sind gut, Herr Oberinspektor. Eine Frau in meinem Alter. Ich bin siebzig, und da fährt man normalerweise kein Auto mehr. Also diese Frage finde ich ehrlich gesagt komisch. Wie sind Sie nur darauf gekommen?«
»Weil eine Linda Blaine als Halterin des MG’s in der Kartei steht.«
»Ja, das verstehe ich auch nicht. Vielleicht ist es eine Verwechslung.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Mrs. Blaine. In dieser Kartei stehen auch all Ihre Daten. Oder haben Sie den Wagen verschenkt und ihn nicht umgemeldet?«
»Ich habe ihn nie besessen!« Die Antwort klang schroff. »Haben Sie sonst noch Fragen, junger Mann?«
»Ja. Wo waren Sie in der Zeit von zwölf Uhr mittags bis gegen vierzehn Uhr?«
»Soll das ein Verhör sein?«
»Nein, Mrs. Blaine. Zu einem Verhör hätte ich Sie zu mir ins Büro bestellt. Ich möchte nur, dass Sie mir einige Fragen beantworten. Sehr wichtige Fragen, denn es geht um Mord.«
»Wer ist denn ermordet worden?« Ihre Augen weiteten sich hinter den Brillengläsern.
»Ein gewisser William F. Masters. Kannten Sie ihn?«
»Nein!«
Die Antwort kam verdammt schnell. Manch einer hätte erst noch überlegt, und ich fragte mich, ob diese Person mich nicht an der Nase herumführen wollte.
»Sie haben mir immer noch nicht meine Frage beantwortet«, sagte ich.
»Gut, junger Mann. Wenn Sie darauf bestehen. Ich war zur fraglichen Zeit hier in diesem Raum. Reicht Ihnen das?«
»Haben Sie Zeugen?«
»Nein. Mich besucht niemand. Sie müssen mir schon glauben, Herr Oberinspektor.«
Die Frau wollte mich leimen, das spürte ich. Sie verbarg irgend etwas. Aber was? Deckte sie jemanden?
»Haben Sie sonst noch was auf dem Herzen, Sir?«
Ich stand auf. »Nein, im Moment nicht. Es kann natürlich sein, dass noch Fragen auftauchen, dann werde ich mich wieder an Sie wenden. Vielen Dank für Ihre Auskünfte, Mrs. Blaine.«
Ich war schon auf dem Weg zur Tür. Die Frau kam mir nicht nach, ließ mich allein in den Hausflur gehen.
Ich öffnete die Außentür, tat, als würde ich das Haus verlassen, zog die Tür aber nicht ganz ins Schloss, sondern legte ein kleines Stückchen Holz zwischen Türblatt und Rahmen. Innerlich betete ich, dass Mrs. Blaine nichts davon merkte.
Rasch ging ich durch den Vorgarten. Als ich kurz einen Blick über die Schulter warf, sah ich Mrs. Blaine am Fenster stehen. Mit unbewegtem Gesicht sah sie mir nach.
Der Bentley parkte etwas abseits. Ich entfernte mich einige Schritte vom Haus, fand hinter einem Baum Dekkung und wartete ein paar Minuten ab.
Dann ging ich den gleichen Weg wieder zurück. Rasch und mit ausholenden Schritten, Die Menschen, die mir begegneten, blickten mich kopfschüttelnd an.
Mrs. Blaine stand nicht mehr hinter der Scheibe. Ungesehen – so glaubte ich – gelangte ich bis an die Haustür.
Sie war offen. Linda Blaine hatte den Trick nicht bemerkt.
Auf Zehenspitzen schlich ich in den Flur. Der Living-room lag zur rechten Hand. Spaltbreit stand die Tür offen.
Ich riskierte einen Blick. Hörte eine Stimme.
Die Frau sprach mit sich selbst.
Leider verstand ich nur Bruchstükke.»… dieser Esel … mich zu überlisten … früher aufstehen … mieser Bulle …«
Worte von einer siebzigjährigen Frau. Seltsam. Sehr seltsam sogar.
Ich drückte die Tür weiter auf, konnte die Frau sehen. Sie drehte mir den Rücken zu und trank irgendetwas.
»Führen Sie immer Selbstgespräche?« , fragte ich.
Mrs. Blaine erschrak. Ein kleines Glasgefäß rutschte ihr aus der Hand, fiel auf den Teppich, ging aber nicht zu Bruch. Linda Blaine selbst kreiselte auf dem Absatz herum.
Ich wollte etwas sagen, doch die Worte blieben mir im Hals stecken, als ich in Linda Blaines Gesicht sah …
*
Sheila, Bill Conollys Frau, war beim Arzt. Anschließend wollte sie noch einen Einkaufsbummel machen, und wie Bill seine Frau kannte, würde sie sicherlich erst gegen Abend wieder eintreffen. Bepackt mit Babywäsche und Umstandskleidern.
Bill sollte in ungefähr fünf Monaten Vater werden. Auf die Feier freute er sich jetzt schon. Das gab ein Fest, dass die Bude nur so wackeln würde. Seinem Freund John hatte er den Befehl erteilt, eine Woche Urlaub zu nehmen.
Mit all diesen Gedanken beschäftigte sich der Reporter, als er seinem Bungalow zustrebte.
Bill Conolly besaß ein prächtiges Haus im Londoner Süden. Geld genug hatte Sheila mit in die Ehe gebracht. Sie hatte mehrere Firmen geerbt, das Management jedoch in die Hände zuverlässiger Experten gelegt und war nun schon einige Jahre mit Bill Conolly verheiratet.
Bill arbeitete für die größten Illustrierten der Welt als freier Reporter. Seine Berichte und Artikel waren sensationell, und man riss sich darum. Den letzten Artikel über die Himalaya-Reise mit all ihren Aufregungen und Abenteuern verkaufte Bill in Fortsetzungen an ein amerikanisches Wochenmagazin.
Die letzten Wochen waren auch für den Reporter Bill Conolly ziemlich aufregend gewesen. Mit Schrecken noch dachte er an das Abenteuer in dem kleinen Dorf Orlington, als sein Freund John Sinclair lebendig begraben wurde. Er und Suko hatten damals wirklich keine Chance mehr gesehen. Zum Glück war alles noch einmal gut ausgegangen.1
Aber das Böse schlief nicht. Manifestiert war es in Asmodis, dem Höllenfürsten, und dessen erstem Diener, dem Schwarzen Tod. Wo dieser grauenhafte Dämon auftauchte, verbreitete er Angst und Schrecken. Bill hatte ihn in Orlington selbst zu Gesicht bekommen, aber besiegt hatten sie ihn nicht.
Bill Conolly verringerte die Geschwindigkeit des roten Porsche, als er in die Straße einbog, in der auch sein Haus lag. Hin und wieder erblickte er sein Gesicht im Innenspiegel. Dort, wo die Vase ihn getroffen hatte, klebte ein großes Pflaster. Bill suchte jetzt schon nach einer guten Ausrede, wie er Sheila seine Verletzung erklären konnte.
Doch zuvor wurde seine Aufmerksamkeit von etwas anderem abgelenkt. Fast genau vor dem Eingangstor parkte ein schwarzer Wagen.
Es war ein Kastenwagen, Marke Mercedes. Hell blinkte der silberne Stern auf dem schwarzen Lack. Soviel Bill erkennen konnte, saß niemand im Führerhaus. Da der Wagen jedoch so nah an seinem Grundstück stand, hatte der Reporter das unbestimmte Gefühl, dass der Besuch des Fahrers ihm galt.
Bill sollte sich auch nicht getäuscht haben.
Als er seinen Porsche an den Fahrbahnrand rollen ließ, traten aus der Deckung des Mercedes zwei schwarzgekleidete Männer hervor.
Wie Sargträger! dachte Bill.
Beide trugen sie schwarze Anzüge. Auf ihren Köpfen saßen dunkle Melonen. Darunter schimmerten bleiche Gesichter. Die Männer waren hoch aufgeschossen, standen gerade wie Ladestöcke und blickte in den roten Porsche.
Die meinen also doch dich!
Er schätzte die Typen trotz ihres etwas unheimlichen Aussehens als nicht sehr gefährlich ein. Dazu waren sie ihm nicht kräftig genug. Und ein Mann wie Bill wusste sich seiner Haut schon zu wehren, wenn es hart auf hart ging.
Er stieg aus.
Nach einem Schritt musste er stoppen. Die beiden versperrten ihm den Weg.
»Mr. Conolly?«, fragte der linke der Knaben.
»Ja.« Bill ließ seine Blicke an den Männern vorbeigleiten. Auf den Bürgersteigen befand sich kein Mensch. Etwa hundert Yards weiter fuhr soeben ein Wagen aus der Garage.
»Sie wollen zu mir? Was kann ich für Sie tun?«
Die Männer lächelten. Doch das Lächeln erreichte die Augen nicht. Es war, als verschöbe sich bei ihnen eine Gummimaske.
»Wir möchten Sie bitten; mit uns zu kommen.«
»Und wohin?«, fragte Bill lauernd.
»Das werden Sie schon merken. Machen Sie keinen Unsinn. Es lohnt sich nicht.«
Bill schürzte verächtlich die Lippen. »Ich habe noch nie ungebetene Einladungen angenommen«, erwiderte er. »Und ich denke auch jetzt nicht daran, es zu tun. Lassen Sie mich bitte durch.«
»Dann müssen wir eben zu anderen Mitteln greifen«, wurde Bill entgegengehalten.
Die Kerle griffen zu.
Doch da kamen sie bei Bill Conolly an die richtige Adresse. Er war auf einen Angriff vorbereitet. Mit beiden Fäusten schlug er zu und traf die Typen an der Brust.
Sie flogen zur Seite, fielen aber nicht, sondern hatten sich erstaunlich schnell gefangen.
Dann kamen ihre Schläge.
Bill stöhnte. Diese Typen hatten Fäuste wie Schmiedehämmer. Spielend durchbrachen sie Bills Deckung.
Dann sah der Reporter eine Faust riesengroß vor seinen Augen auftauchen. Er wollte noch den Kopf zur Seite drehen; er schaffte es nicht mehr.
Der Hammer detonierte an seinem Kinnwinkel. Bill wurde bis gegen die Grundstücksmauer geschleudert und brach dort zusammen. Bewusstlos blieb er liegen.
Die Männer schnappten sich den Reporter. Schweigend verstauten sie ihn auf der Ladefläche ihres Wagens. Ihr nächstes Ziel war ein Haus in Chelsea. Sie wollten einer gewissen Mrs. Linda Blaine einen Besuch abstatten …
*
Das Gesicht sah wirklich grauenvoll aus. Es war dabei, sich auf schreckliche Weise zu verändern.
Die faltige Haut fiel von den Knochen wie alter, zerschlissener Stoff. Ein blanker, hässlicher Totenschädel kam zum Vorschein. Das Gleiche geschah mit den Händen. Auch dort löste sich die Haut, wurden skelettierte Finger sichtbar.
Diese Verwandlung geschah in Sekunden, in einer Zeitspanne, in der ich die Frau wie einen Geist anstarrte.
Aber es war noch nicht Schluss.
Eine weitere Überraschung stand mir bevor.
Eine neue jugendliche Haut bildete sich. Zuerst war sie nur ein winziger Fleck auf der Stirn, dann jedoch breitete sie sich auf der linken Gesichtshälfte weiter nach unten aus, bedeckte einen Teil der Nase, dann die Wange, die Kinnhälfte. Auch ein Stück der Unter- und Oberlippe bildete sich zurück, doch nur – und das war das Schreckliche – auf der linken Körperhälfte. Die rechte blieb skelettiert.
Ebenso der rechte Arm, während der linke sich mit der pfirsichfarbenen Haut eines jungen Mädchens überzog.
Linda Blaine streckte den rechten skelettierten Arm aus. Ihr knochiger Zeigefinger wies auf mich. Der Mund öffnete sich.
»Du bist schuld!«, schrie sie mich an. »Nur du allein. Wärst du nicht gekommen, hätte ich den Trank der Jugend zu mir nehmen können. Jetzt ist es vorbei.«
Ich wusste, was sie meinte. Die kleine Flasche, die zu Boden gefallen war, musste diesen Trank enthalten haben. Jetzt versickerte die Flüssigkeit im Teppich.
Unwiderruflich …
Sie stand vor mir und zitterte. Ich hatte den Anblick mittlerweile verdaut und musste eingestehen, dass die linke Gesichtshälfte die eines wunderschönen jungen Mädchens war. Sogar das weiße Haar hatte sich verändert. In rotblonden Locken fiel es bis auf die Schulter und streichelte den Stoff des Kleides.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte ich. »Geben Sie mir eine Erklärung, Mrs. Blaine.«
Sie lachte hart auf. »Die können Sie haben, Polizist. Aber viel wird Sie Ihnen auch nicht nützen, da ich Sie töten werde. Ich haben den Trank der ewigen Jugend bekommen. Nur er macht für mich das Leben noch lebenswert. Wenn ich ihn einnehme, kann ich meine Jugend zurückgewinnen. Das ist das Geheimnis.«
Mir wurde so einiges klar. »Dann fahren Sie also doch den Sportwagen«, vermutete ich.
»Natürlich. Aber nicht in meiner Eigenschaft als alte Frau, sondern als junges Mädchen. Ich habe all die Chancen zurückbekommen, die ich vor langen Jahren hatte. Aber jetzt ist es vorbei. Und daran bist du schuld, Polizist.«
»Sie können sich doch einen neuen Trank holen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das geht nicht so einfach. Ich muss eine bestimmte Zeit mit ihm auskommen, erst dann wird Asmodis entscheiden, ob ich würdig genug bin, abermals den Trank der Jugend einnehmen zu dürfen.«
Sie sprach noch weiter, aber ich hörte gar nicht hin. Der Name Asmodis war gefallen. Asmodis, auch Satan oder Teufel genannt, war der oberste Höllenfürst. Er regierte in der Unterwelt. Er war neben dem Schwarzen Tod mein schlimmster Feind. Es war fast unmöglich, Asmodis oder auch seinen ersten Diener zu besiegen. Man konnte ihnen nur Teilniederlagen bereiten.
Aber in welch ein teuflisches Spiel hatte sich der Höllenfürst diesmal wieder eingekauft. Ich ahnte, dass ich erst einen kleinen Stein dieses grausamen Mosaiks in der Hand hielt.
»Wo haben Sie Asmodis getroffen?«, unterbrach ich ihren Redeschwall.
Sie breitete die Arme aus. Beim linken rutschte der Ärmel des Kleides hoch und gab einen Teil des skelettierten Arms frei. »Der Teufel ist überall. Man muss ihn nur zu finden wissen«, antwortete sie mir allgemein.
»Dann führen Sie mich zu ihm!«, verlangte ich.
Sie lachte wieder. »Nein, ich werde dich nicht zu ihm führen. Wenn er was von dir will, dann holt er dich. Er nimmt sich alles, verstehst du. Aber ich – ich nehme dir dein Leben, Polizist. Großes wird geschehen. Vieles ist im Umbruch. Ich bin nicht die Einzige, die den Trank der Jugend bekommen hat. Es gibt viele, die so sind wie ich. Nur weiß es niemand. Und du wirst dein Wissen nicht mehr verwerten können.«
Linda Blaine war siegessicher. Daran war auch nichts auszusetzen, nur kannte sie mich noch nicht. Man nannte mich den Geisterjäger, und dieser Name kam nicht von ungefähr. Ich hatte schon mit zahlreichen Geschöpfen der Hölle gekämpft und sie letzten Endes auch besiegt. Es waren mächtige Dämonen und unheimliche Gegner darunter, wie zum Beispiel Doktor Tod, dem ich meine sichelförmige Narbe auf der rechten Wange verdankte.
»Machen Sie sich nicht unglücklich, Mrs. Blaine«, riet ich. »Sie werden verlieren. Wir könnten uns zusammentun und gemeinsam gegen Asmodis kämpfen. Vielleicht kann ich Sie noch vor dem Schlimmsten bewahren.«
Sie fauchte mich regelrecht an. Das Auge in ihrer linken Gesichtshälfte schien zu glühen. Hass strömte mir entgegen. Ich fühlte ihn fast körperlich, und über meinen Rücken rann eine Gänsehaut.
Nein, diese Kreatur war nicht zu bekehren. Sie war nur noch zu besiegen!
In ihr steckte eine höllische Kraft. Das bewies sie mir, als sie mit einem einzigen Hieb ihrer rechten Klaue den Tisch, der uns trennte, zur Seite fegte. Das schwere Möbel kippte um, prallte gegen eine kleine Kommode und brachte sie zu Fall.
Ich ließ meine Beretta stecken, wollte versuchen, die Frau mit den bloßen Fäusten zu überwältigen. Sie war das Bindeglied zwischen mir und Asmodis, sie wusste, was der Höllenfürst noch alles vorhatte. Ich musste sie am Leben lassen, wollte ich sie aushorchen.
Ihre gekrümmten Finger wollten meinen Hals umklammern. Ich schlug die Hände weg, packte aber gleichzeitig zu, wandte einen Judogriff an und schmetterte Linda Blaine mit einem Hüftschwung zu Boden.
Sie brüllte, kam aber sofort wieder auf die Füße. Blitzschnell ergriff sie eine schwere Vase.
Mir fiel Bills Abenteuer ein. Mein Schädel sollte keine Bekanntschaft mit einer Vase machen.
Ich zog den Kopf ein.
Linda Blaine konnte den Wurf nicht mehr korrigieren. Das Gefäß wischte über meinem Kopf hinweg, prallte gegen die Wand und zersplitterte dort zu tausend Scherben.
Linda Blaine stieß einen Fluch aus. »Höllenfeuer!«, schrie sie. »Es soll dich und deinen verdammten Kadaver verbrennen!«
Den Gefallen tat ihr das Höllenfeuer nicht. Außerdem war sie noch nicht Dämon genug, um mich mit schwarzmagischen Formeln besiegen zu können. Sie musste weiterhin zu weltlichen Waffen greifen oder sich auf ihre körperlichen Kräfte verlassen.
Ein Stuhl kam ihr gelegen. Sie packte ihn und schwang ihn über ihren Kopf.
Das Sitzmöbel hätte mir sicherlich den Schädel und noch einiges mehr zertrümmert, doch da hielt ich schon mein geweihtes silbernes Kreuz in der Hand. Rasch und geschickt hatte ich es über meinen Kopf gestreift.