John Sinclair 1129 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair 1129 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 2000 - 2009!

Das Blutmesser.

Michelle und Alain Maron waren Geschwister, die als Kinder schon wie Pech und Schwefel zusammenhielten. Nichts sollte sie trennen, auch der Tod nicht. Sie besiegelten ihren Schwur durch ihr eigenes Blut und mit dem Blutmesser.

Dann beging Alain Selbstmord. Den Schwur hatte er trotzdem nicht vergessen. Er wollte seine Schwester ebenfalls zu sich holen. Und er hatte etwas mit ins Jenseits genommen. Es war das Blutmesser.

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

CoverJohn Sinclair – Die SerieÜber dieses BuchÜber den AutorImpressumDas BlutmesserVorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über dieses Buch

Das Blutmesser

Michelle und Alain Maron waren Geschwister, die als Kinder schon wie Pech und Schwefel zusammenhielten. Nichts sollte sie trennen, auch der Tod nicht. Sie besiegelten ihren Schwur durch ihr eigenes Blut und mit dem Blutmesser.

Dann beging Alain Selbstmord. Den Schwur hatte er trotzdem nicht vergessen. Er wollte seine Schwester ebenfalls zu sich holen. Und er hatte etwas mit ins Jenseits genommen. Es war das Blutmesser.

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve

ISBN 978-3-8387-3862-8

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de

Das Blutmesser

Plötzlich waren die Stimmen da!

»Wir haben dich, Michelle! Du kannst uns nicht entkommen. Wir haben es dir versprochen. Wir freuen uns auf dich …«

Michelle Maron hörte noch ein schrilles böses Kichern, dann war es schlagartig still.

Sie blieb abrupt stehen. Ihr Stopp kam zu unerwartet für andere Menschen, die gegen ihren Rücken prallten und sie nach vorn stießen.

Sie konnte sich an einem Stuhl bei einem der Tische vor dem Café in der Einkaufspassage abstützen. Sie drehte sich und setzte sich hin. Die Beine hatten einfach nachgegeben.

Für eine Weile schloss sie die Augen. Trotzdem sah sie Bilder, die an ihr vorbeizogen. Sie konnte nichts Genaues erkennen, die einzelnen Sequenzen verschwammen wie schlechte Fotomontagen. Aber sie waren mit seltsamen Menschen gefüllt, die ungewöhnliche Kleidung und Kopfbedeckungen trugen. Zudem hielten sie etwas in den Händen, das an lange Stäbe oder Lanzen erinnerte, doch sicher war sich Michelle nicht.

Die Menschen bildeten eine schwankende Mauer, die gegen sie anrollte, um sie zu überschwemmen. Sie sagten nichts, sie glichen einfach nur stummen Zeugen, die ihren Weg von irgendwoher gefunden hatten.

»Möchten Sie was bestellen oder schlafen?«

Eine spöttisch klingende Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Michelle öffnete die Augen und war für einen Moment verwirrt, weil sie einen anderen Anblick erwartet hatte. Aber es war der Kellner, der vor ihr stand, ein junger Mann mit dunklen Haaren im Afrolook und sehr brauner Haut. Er trug ein weißes Hemd, eine schwarze Hose und eine helle Schürze.

Michelle schaffte ein schwaches Lächeln. »Pardon, aber ich bin für einen Moment eingenickt.« Die Worte kamen ihr glatt über die Lippen. »Die Luft hier, die Wärme – Sie verstehen …«

»Klar, wenn es draußen nieselt und feucht ist, geht es vielen Leuten hier mies.«

»Da bin ich ja beruhigt.«

»Ich empfehle Ihnen einen Espresso. Heiß, stark, echt super. Oder ein Glas Prosecco.«

»Schön.«

»Was nehmen Sie?«

»Beides.«

»Ho, das ist ein Wort, Madam. Da kommen Sie wieder auf Touren und können Bäume ausreißen.«

»Halme reichen mir schon«, erklärte sie.

»Okay, ich bringe Ihnen die beiden Aufputscher.« Er lachte und trat durch die offene Glastür in den Raum dahinter mit den weißen Wänden, der schwarzen Theke und den ebenfalls dunklen Tischen und Stühlen, die auf einem hellen Boden standen.

Michelle Maron ließ sich zurücksinken. Ihr war noch immer warm. Schweiß stand auf ihrer Stirn. Sie trug nur den dünnen Mantel und das graue Kostüm mit dem hellen Top darunter. Nein, für die Jahreszeit war sie nicht zu dick angezogen, doch in dieser Passage hatte es sie plötzlich überkommen.

Hinzu kamen die geheimnisvollen Stimmen dieser ebenfalls geheimnisvollen Wesen. Sie allein waren der Grund allen Übels. Ihretwegen fühlte sich Michelle verfolgt, und sie waren manchmal wie eine Peitsche, und ihretwegen fürchtete sie sich auch vor der Nacht. Tagsüber und bei Dunkelheit hatte sie das Wispern gehört, das böse Ahnungen in ihr hochjagte, aber sie war noch nie so direkt damit konfrontiert worden wie bei diesem Bummel.

Mit beiden Händen fuhr sie durch ihr braunes Haar, in das sich graue Strähnen hineingestohlen hatten. Dabei war sie gar nicht so alt. Eben mal 35. Doch das Erbe ihrer Mutter ließ sich nicht verleugnen, und sie wollte die Haare auch nicht färben. Michelle war dagegen, der Natur ins Handwerk zu pfuschen. Sie gehörte auch nicht zu den Frauen, die viel Wert auf Schminke legten. Mit Farben ging sie anderweitig um, denn sie war eine Malerin, die es immer wieder schaffte, Bilder zu entwerfen, die auch verkauft wurden. Dabei ging sie nicht einmal auf den Geschmack der Kunden ein. Sie malte, was ihr in den Kopf kam. Blumen, Landschaften, Menschen und Räume. Das alles etwas verfremdet, surrealistisch, überzeichnet und verändert, aber die Bilder kamen an, weil die Motive etwas aussagten.

Michelle konnte gut von ihrer Arbeit leben, und sie hatte sich in ihrem Haus auch wohl gefühlt – bis vor zwei, drei Wochen. Da war es zu den unheimlichen Vorgängen gekommen. Da hatte sie die Stimmen gehört. Dieses Flüstern, diese bösen Versprechungen, die ihr verdammt stark unter die Haut gingen.

Der Espresso wurde serviert und auch der Prosecco. Der Kellner lächelte wieder breit, als er die beiden Getränke abstellte. »Danach werden Sie sich toll fühlen, Madam, das kann ich Ihnen versprechen.«

»Danke. Darf ich schon bezahlen?«

»Wenn Sie wollen.«

Er tippte die Rechnung in einen kleinen Hand-Computer, der auch den Beleg ausdruckte. Eine Handtasche hatte Michelle nicht mitgenommen. Sie trug einen kleinen Rucksack aus Leder, der noch immer auf ihrem Rücken hing und sie auch beim Sitzen nicht störte. Etwas Geld hatte sie in die Tasche ihrer Kostümjacke gesteckt, und sie legte noch ein gutes Trinkgeld hinzu.

»Danke, Madam, sehr freundlich. Folgen Sie meinem Rat, und Sie werden wieder hipp sein.«

»Das hoffe ich.«

»Schönen Tag noch.«

Der Espresso dampfte. Sie fasste die Tasse am Henkel an und führte sie behutsam zum Mund. Das heiße Getränk trank sie mit langsamen Schlucken. Es war bitter, aber sie nahm keinen Zucker, und beim Trinken beobachtete sie sich in der nahen Scheibe.

Sie sah eine Frau mit einem leidlich hübschen Gesicht. Schmale Wangen, ein etwas breiter Mund, wie bei Julia Roberts, eine hohe Stirn und braune Augen. Es waren eben die Augen, die aus dem Gesicht etwas Besonderes machten, und oft genug spiegelten sie ihre Gefühle wider.

Im Moment war der Blick unstet. Geprägt von der Erinnerung an das Erlebte. Es war nicht real gewesen, aber trotzdem so echt, dass sie noch jetzt erschauerte. Das zu begreifen und damit zurechtzukommen, war nicht einfach. Mittlerweile hatten sich die Belästigungen schon zu einer Qual entwickelt und für Angstzustände gesorgt. Besonders bei Dunkelheit waren sie schlimm. Da hatte sie einfach das Gefühl, als wäre ihr Haus mit Gespenstern der übelsten Sorte gefüllt.

Der heiße Espresso brachte sie noch mehr ins Schwitzen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, innerlich zu kochen und diese innere Hitze sorgte bei ihr für einen erneuten Schweißausbruch.

Ein paarmal tupfte sie mit dem Taschentuch das Gesicht ab, aber es brachte nicht viel, denn der Schweiß kehrte immer wieder zurück.

Mit leicht zitternder Hand griff sie nach dem Glas, in dem der Prosecco perlte. Die prickelnde Kühle tat ihr gut.

’Der nette dunkelhäutige Kellner hatte recht behalten. Sie fühlte sich jetzt wohler und atmete tief durch. Bisher hatte sie verkrampft auf dem Stuhl gesessen. Jetzt streckte sie die Beine aus und schaute nach vorn. Direkt hinein in den Trubel der Einkaufspassage, in der sich die Käufer und Seher drängten, denn das schlechte Wetter hatte sie in die mit Geschäften gefüllten Ladenstraßen hineingetrieben.

Frauen, Männer, Kinder, bepackt mit Taschen und Tüten, als gäbe es am nächsten Tag nichts mehr zu kaufen. Viel Platz war nicht. Die Menschen bewegten sich im Schneckentempo voran.

Alles war normal und trotzdem fremd. Sie liebte es im Prinzip, sich unter die Menschen zu mischen, denn durch sie erhielt sie immer neue Eindrücke, die auch auf die Arbeit umschlugen.

Plötzlich war er da!

Er! Die Gestalt! Inmitten der anderen bewegte sie sich, ohne dass sie gesehen wurde. Sie ging einfach weiter, sie blieb vor ihr stehen, und die Frau auf ihrem Stuhl erstarrte. In der rechten Hand hielt sie das dünne Glas. Finger zuckten und das Material zerbrach. Sie merkte nicht, dass Blut aus den kleinen Wunden ihrer rechten Hand trat, denn ihre Augen waren nur auf die Gestalt in der roten Kutte gerichtet und in das graue, alte zerfurchte Gesicht. Auf dem Kopf saß der spitze Hut, ebenfalls grau, aber auch metallisch schimmernd.

Der Unheimliche beugte sich vor. Sein Gesicht kam näher und näher. Er kippte den Stab, dessen Ende auf ihre Brust wies. Es war keine Lanze, die sie hätte durchbohren können, denn sie sah eine kleine Kugel darauf sitzen.

Warum kommt denn niemand? schrie es in ihr. Warum hilft mir denn keiner? Die Menschen müssen doch gesehen haben, was hier vor sich geht! Sie können nicht vorbeigehen. Sie müssen fragen, was geschieht und mir helfen …

Nichts davon geschah.

Michelle Maron blieb allein.

Und sie schaute zu, wie die Lanze mit der Kugel kippte und auf sie zugeschoben wurde.

Näher, immer näher!

Michelle fürchtete sich vor dem Kontakt. Sie ahnte, dass dies alles andere als gut für sie sein könnte. Es war ihr auch nicht möglich, einen Schrei auszustoßen. Sie hockte allein in dem Trubel und schien von allem abgeschirmt zu sein.

Dann spürte sie den leichten Druck direkt unter dem Hals, wo die Haut so weich war. Es war kalt wie Eis, dann wurde es heiß, danach glühend, und plötzlich wusste sie nicht mehr, wo sie sich befand. Die Umgebung verschwand, nichts war zu sehen, keine Menschen, kein Café, keine Geschäfte. Dafür öffnete sich ihr eine völlig andere und grauenvolle Welt …

*

Es war nicht dunkel um sie herum, obwohl es Michelle im ersten Augenblick so vorkam. Aber sie hielt die Augen offen, und sie sah, dass die Dunkelheit allmählich verschwand. Dabei verwandelte sie sich nicht in ein strahlendes Hell, das Schwarz wurde nur von einer anderen düsteren Farbe abgelöst. Von einem finsteren und blutigen Rot, das ihre gesamte Umgebung wie ein Anstrich umgab.

Sie selbst saß auf dem Boden, die Beine angewinkelt, hin zur rechten Seite gedreht. Sie hatte sich mit einer Hand abgestützt, die linke schwebte leicht über dem Boden.

Es gab keinen Wind. Sie hörte keine Stimmen, Michelle war eingepackt in diese bedrückende Stille, in der sie sich selbst nicht einmal atmen hörte.

Es gab auch Licht. Vor sich sah sie die beiden dicken Kerzen, die der kalt gewordene Talg am Boden festhielt. Die Flammen standen ruhig auf den Dochten, weil es keinen Wind gab, der sie bewegt hätte. Es war alles so starr geworden, wie eingefroren.

Dann fiel ihr Blick auf die Schale. Aus Blech geformt und rund. Sie war halbhoch mit einer roten Flüssigkeit gefüllt. Michelle wusste sofort, dass es keine Farbe war, sondern Blut. Neben der Schale lag ein altes Rasiermesser.

Michelle begriff es nicht. Sie saß nur da. Sie fühlte nichts, sie dachte nicht, und wenn sie jetzt etwas tat, entsprach dies nicht ihrem eigenen Willen.

Und doch stellte sie fest, dass sie nicht allein war. Etwas lauerte in ihrer Nähe.

Langsam drehte sie den Kopf!

Ihr Erschrecken war groß. Aus weiten Augen starrte sie stumm auf diese Wand aus Kuttenträgern, die im Hintergrund standen und sich vor dessen roter Farbe abhoben.

Sie trugen wieder ihre spitzen Hüte. Sie hielten auch die Stäbe in den Händen, und all ihre Blicke waren nur auf sie gerichtet. Michelle spürte die Botschaft. Sie drängte sich ihr auf, obwohl kein Wort gesprochen wurde.

Gedanken malträtierten sie und brachten sie völlig durcheinander. Sie »sprachen« vom Blut, das benötigt wurde. Blut einer bestimmten Person, das fließen musste.

»Du … du … du …!« hämmerten die Gedanken auf Michelle Maron ein. Es war nicht möglich, ihnen zu entgehen. Sie waren einfach zu stark.

Michelle wusste auch, was damit gemeint war. Das Messer neben der Schale war wichtig. Sie sollte es nehmen, und sie wusste seltsamerweise auch, wie sie die Klinge zu führen hatte. In die Handflächen hineinschneiden und dort das weiße Fleisch zerstören, um das scharfe Messer dann weiter bis zu den Pulsadern zu führen.

Die Finger hatte sie ausgestreckt, als sich die rechte Hand allmählich dem Griff näherte.

Es gab kein Zurück. Auch wenn sie es gewollt hätte. Aber ihr Wille war nicht mehr vorhanden. Hier herrschten andere Gesetze, von anderen gemacht.

Michelle fasste zu. Das heißt, sie wollte zufassen, aber etwas anderes war schneller.

Jemand berührte ihre Hand. Finger umklammerten ihr Gelenk. Plötzlich hörte sie Stimmen und glaubte auch, die des dunkelhäutigen Kellners zu verstehen.

»Ich weiß auch nicht, wie es passiert ist. Sie muss eingeschlafen sein oder wie auch immer Ein Krampf und dann …«

»Bringen Sie mir ein Tuch«, sagte eine Zweite, ihr unbekannte Männerstimme.

Michelle Maron öffnete die Augen.

Sie schaute in das jungenhaft lächelnde Gesicht eines blonden Mannes, der sich über sie gebeugt hatte. Ihr fielen die blauen, mit einem leichten Stich ins Graue versehenen Augen auf, und sie fühlte sich plötzlich in einer völlig vertrauten Umgebung.

»Geht’s wieder?«

»Ja, ja.«

»Wunderbar. Aber jetzt tun Sie mir einen Gefallen und rücken Sie etwas nach hinten. Ihre Lage ist sehr unbequem.«

»Ja, gern.«

Michelle hatte gesprochen wie ein Automat. Sie kam dem Wunsch nach und sah, dass der Fremde ihre rechte Hand festhielt. Das leere Glas bestand nur noch aus Scherben. Die meisten davon lagen am Boden, einige Splitter steckten noch im Fleisch, die der Fremde jetzt behutsam hervorzupfte.

Der Kellner eilte herbei. Er brachte eine Serviette, reichte sie dem Mann, der zugleich noch einen Kaffee bestellte und sich dann auf den zweiten Stuhl am Tisch setzte und die Hand näher zu sich heranzog.

Michelle schaute zur anderen Seite. Die Menschen, die stehen geblieben waren, zogen wieder weiter. Es gab keine Sensation mehr, die sie bestaunen konnten.

Der Fremde hatte Michelles Hand auf sein Knie gelegt. Er arbeitete vorsichtig und fand jeden noch so kleinen im Fleisch steckenden Splitter. Es tat nicht weh, als er sie entfernte. Es ziepte nur ein bisschen, aber dieses Gefühl wurde vom Lächeln des Fremden wieder wettgemacht. Er flößte Michelle Vertrauen ein, besah sich jetzt die Hand genauer und nickte zufrieden.

Der Kellner kam mit dem Kaffee. »Ist alles wieder einigermaßen okay?« erkundigte er sich.

»Ja, schon gut.«

»Dann fege ich eben die Scherben auf.«

»Tun Sie das.«

Er hatte den Handbesen und die Schaufel schon mitgebracht, bückte sich und machte sich an die Arbeit. Es klirrte leise, als er die Splitter auf das Blech fegte. In weniger als zwei Minuten hatte er die unmittelbare Umgebung des Tisches gesäubert und zog sich wieder zurück. Zuvor fragte er noch, ob Michelle etwas zu trinken wünschte.

Die Antwort gab der Mann. »Bringen Sie ihr einen guten Whisky. Der hilft manchmal Wunder.«

»Gern.«

Michelle hob den Blick. Der Fremde war jetzt dabei, ihre Hand abzutupfen. »Warum tun Sie das?« fragte sie.

»Ich bin zufällig vorbeigekommen und habe gesehen, dass das Glas zwischen Ihren Händen zerbrach.«

»Ich habe wohl zu kräftig zugegriffen.«

»Nur das?«

Michelle räusperte sich. »Wie … meinen Sie?«

»Sie haben sich etwas seltsam benommen«, sagte der Fremde. »Wenn ich mir in die Hand schneide, dann schrecke ich auf. Ich fluche, ich ärgere mich darüber, aber bei Ihnen ist das nicht der Fall gewesen. Sie haben nichts dergleichen getan. Sie saßen da und kamen mir vor, als wären Sie weggetreten. Oder eingeschlafen.«

Michelle schaute den Fremden direkt an. »Irgendwie haben Sie auch recht, Mister.«

»Ich will nicht unbedingt neugierig sein, aber es würde mich schon interessieren, wie so etwas passieren kann.«

Mich auch, wollte sie sagen, doch der Whisky wurde gebracht, und der Vorgang hielt sie zunächst von einer Antwort ab. Der Mann wickelte noch die Serviette um ihre rechte Hand und drückte ihr das Glas in die andere.

»Dann trinken Sie mal.«

»Danke.« Zum ersten Mal konnte sie lächeln. »Ich heiße übrigens Michelle Maron.«

»Ein schöner Name. Mich können Sie John Sinclair nennen …«

*

Tja, und so lernte ich die ungewöhnliche Michelle Maron kennen. Es war wieder einmal einer der Zufälle im Leben, die einem kaum ein Mensch abnimmt, wenn man es erzählt. Aber es traf zu, denn an diesem Samstag war ich unterwegs.