John Sinclair Gespensterkrimi Collection 3 - Horror-Serie - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Gespensterkrimi Collection 3 - Horror-Serie E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

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Fünf gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis in einem Band


Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.

Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind und erlebe mit, wie die Serie Kultstatus erreichte.


Dieser Sammelband enthält die Folgen 11 - 15 der John Sinclair Gespensterkrimis:

11 Der Gnom mit den Krallenhänden

12 Die teuflischen Schädel

13 Die Armee der Unsichtbaren

14 Die Insel der Skelette

15 Der Blutgraf


Tausende Fans können nicht irren - über 320 Seiten Horrorspaß garantiert!

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Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 659

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustration: Vincente Ballestar ISBN 978-3-7325-6673-0

Jason Dark

John Sinclair Gespensterkrimi Collection 3 - Horror-Serie

Inhalt

Jason DarkJohn Sinclair Gespensterkrimi - Folge 11Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Der Gnom mit den Krallenhänden. Ein unheimlicher Mörder treibt in einem kleinen französischen Dorf sein Unwesen. Niemand hat ihn gesehen, doch hinter vorgehaltener Hand flüstern die Menschen nur einen Namen: CASCABEL - der Bucklige. Selbst John Sinclair, der berühmte Geisterjäger vom Scotland Yard, scheint dem Buckligen nicht gewachsen zu sein, denn Cascabel hat einen mächtigen Verbündeten bekommen: Magier und Höllenfürst Sourette. Wird es John Sinclair gelingen, die Mordserie zu beenden? John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 12Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Die teuflischen Schädel. Mit einem erstickten Schrei fuhr Marylin Ross zurück. Sie war unfähig zu begreifen, was sich abspielte: Auf der schmalen Fensterbank vor ihr hockte ein Kopf. Die Haut spannte sich lederartig um die Wangenknochen und das kalte Glitzern der Augen verriet, dass der Schädel zu grausigem Leben erwacht war. Marylin hatte beide Hände vor den Mund gepresst. Todesangst keimte in ihr auf. Plötzlich bewegte sich der Schädel. Er öffnete seinen Mund und brachte nadelspitze Fangzähne zum Vorschein. Mit einem lauten Schrei wollte Marylin sich umwenden. Doch als würde er ihre Absicht ahnen, setzte der Kopf zum Sprung an - John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 13Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Die Armee der Unsichtbaren. Einem unheimlichen Wissenschaftler ist etwas gelungen, wovon Generationen von Menschen geträumt haben: Er entdeckte die Strahlen, mit denen Menschen unsichtbar wurden. Mit den neuen Strahlen behandelt der Wissenschaftler Zuchthäusler und baut sich damit eine Armee der Unsichtbaren auf. Unaufhaltbar marschiert die Gruppe geradewegs auf London zu. Wird es John Sinclair gelingen, den Feldzug des Grauens zu stoppen? John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 14Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Die Insel der Skelette. Asmodis, der Fürst der Finsternis, hat sich auf der Erde ein Heer von Sklaven geschaffen. Sie sollen ihm helfen, die Weltherrschaft zu ergreifen und ein Regiment des Schreckens und des Grauens aufzubauen. Sie schleichen als seelenlose Skelette durch die Nacht und sind besessen von dem Drang, zu töten. Wo sie erscheinen, verbreiten sie das nackte Entsetzen und hinterlassen die Leichen der Unschuldigen auf ihrem Weg. Doch John Sinclair will dem Grauen ein Ende bereiten und stellt sich dem Heer des Bösen entgegen. John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 15Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Der Blutgraf. Als John Sinclair das Schiff betritt, freut er sich auf den wohlverdienten Urlaub. Faulenzen und in der Sonne liegen sollen ihn zeichnen. Doch es kommt anders, als er denkt. Graf Tomaso, ein Vampir, ist unter den Gästen! Und langsam verwandelt sich das idyllische Schiff in einen Schauplatz voller Angst und Schrecken. Gefangen in der Hölle des Grauens nimmt John Sinclair mutig den Kampf auf und stellt sich Graf Tomaso und seinen schrecklichen Plänen - John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Über die Serie

Über den Autor

Impressum

Der Gnom mit den Krallenhänden

Vorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

Der Gnom mit den Krallenhänden

Ein unheimlicher Mörder treibt in einem französischen Dorf sein Unwesen. Niemand hat ihn gesehen, doch hinter vorgehaltener Hand flüstern die Menschen nur einen Namen: CASCABEL – der Bucklige.

Selbst John Sinclair, der berühmte Geisterjäger vom Scotland Yard, scheint dem Buckligen nicht gewachsen zu sein, denn Cascabel hat einen mächtigen Verbündeten bekommen: Magier und Höllenfürst Sourette.

Wird es John Sinclair gelingen, die grausame Mordserie zu beenden?

»Halt! Was machen Sie hier?« Überlaut hallte die Stimme des Museumswächters in dem großen Raum wider. Gleichzeitig durchschnitt der starke Strahl einer Taschenlampe die Dunkelheit.

Der Mann stand genau im Zentrum des grellen Lichtkegels. Er wirkte wie ein bösartiger Gnom, war kleinwüchsig, und deutlich war sein Buckel zu erkennen.

Der Wächter kam ein paar Schritte vor.

»Was haben Sie hier zu suchen? Sie …« Die weiteren Worte blieben ihm im Hals stecken.

Der Verwachsene fasste nach hinten und hielt plötzlich ein Beil in den Händen.

Die scharfe Schneide blitzte im Strahl der Lampe.

Der Bucklige zögerte nicht eine Sekunde. Er sprang vor und schlug gnadenlos zu.

Die höllisch scharfe Schneide des Beils traf den Schädel des Museumswächters!

Der Bucklige kicherte, als er auf den Leichnam blickte. Er bückte sich und nahm die Lampe des Toten an sich.

Die brennende Lampe in der Hand, hinkte er auf den großen Glasschrank zu, der in der Mitte des Raumes stand. Endlich konnte er seine Arbeit beginnen – und hoffentlich ungestört.

Der Verwachsene ließ den Lampenstrahl an der großen Scheibe entlangwandern. Allerlei ausgestopfte Tiere wurden aus der Dunkelheit gerissen.

Eulen und Uhus, deren Augen seltsam leuchteten, Eidechsen, Schlangen, Ratten und Frösche. Sie hockten oft auf knorrigen Ästen und sahen so lebendig aus, dass man meinen konnte, gleich würde ein Tier losspringen und sich seine Beute suchen.

Doch das alles interessierte den Buckligen nicht. Für ihn war nur eins wichtig.

Der Totenschädel!

Er stand auf einem grauen viereckigen Stein, in der Mitte des Glaskastens.

Der Schädel war noch gut erhalten, zeigte keinerlei Risse. Selbst die Zähne waren noch vorhanden.

Wieder kicherte der Bucklige. Seine strichdünnen Lippen formten unhörbare Worte.

Er griff in die Tasche seiner weiten Jacke und brachte einen Glasschneider zum Vorschein. Ihn setzte er an der Scheibe an, zog einen Kreis, und schon konnte er das runde Stück Glas herausnehmen. Vorsichtig legte er es auf den Boden.

Der Weg zu dem Schädel war nun frei.

Der Verwachsene – er hatte überlange Arme – griff durch die entstandene Öffnung in den Schaukasten.

Seine Fingerkuppen streichelten den Schädel. Ein seltsames Gefühl überkam ihn. Es erinnerte an elektrische Stromstöße, die auf einmal durch seinen Körper zu rasen schienen.

Ja, das war der richtige Schädel.

Der Schädel von Jean Sourette, dem Magier!

Vorsichtig holte der Bucklige den Schädel aus dem Kasten. Dann steckte er ihn in eine Plastiktüte, die er sich anschließend um den Hals hängte.

Bevor er ging, warf er noch einen Blick auf die Leiche.

»Du hast es nicht anders gewollt«, flüsterte der Verwachsene.

Lautlos verließ er den großen Raum. Auf leisen Sohlen huschte er durch den Korridor, erreichte eine der breiten Treppen, gelangte in den Keller und schließlich zu dem kleinen Fenster, durch das er auch eingestiegen war.

Geschickt kletterte er nach draußen.

Feuchtkalte Nachtluft empfing ihn.

Der Verwachsene blieb stehen und lauschte. Doch der kleine Ort Beaumont schlief. Noch nicht einmal das Jaulen eines Hundes war zu hören.

Der Bucklige kicherte wieder. Der erste Teil seines Planes hatte geklappt. Jetzt musste er nur noch die Hilfe der Geister erflehen. Der Bucklige blickte auf das Beil. Und er wusste auf einmal, dass die Geister ihm helfen würden. Dafür war er bereit, jedes Opfer zu bringen.

Der Museumswächter war das erste gewesen.

Weitere würden folgen …

Gilbert Ruminski war sechsunddreißig Jahre alt und Lehrer an der einzigen Schule in Beaumont. Warum er sich hier in die Provinz hatte versetzen lassen, wusste er selbst nicht mehr genau. Aber wahrscheinlich war es die Landschaft der Provinz Calvados, die es ihm angetan hatte.

Die Dorfbewohner waren damals froh gewesen, überhaupt eine Lehrperson gefunden zu haben, und so hatten sie Ruminski ein Haus als Unterkunft zur Verfügung gestellt. Es war zwar schon uralt und nicht sehr komfortabel, aber es ließ sich darin leben.

Gilbert Ruminski war Frühaufsteher. Jeden Morgen um fünf Uhr sprang er aus den Federn, ging zu dem kleinen Brunnen, holte sich dort eiskaltes kristallklares Wasser und wusch sich die Müdigkeit vom gesamten Körper.

Anschließend schlüpfte Ruminski in seinen Trainingsanzug und unternahm seinen drei Kilometer langen Morgenlauf.

Als Ruminski an diesem Donnerstag aus der Tür trat, lag ein leichter Nebelfilm über dem Dorf. Von der See her wehte ein rauer Wind und zerzauste ihm das Haar.

Bevor Ruminski anfing zu laufen, machte er noch ein paar Turnübungen.

Dann setzte er sich in Bewegung.

Zuerst lief er die Hauptstraße hoch, bis zum Ende des Dorfes. Dann bog er in einen schmalen Feldweg ein, der zwischen taunassen Wiesen hindurchführte, und lief schließlich ein Stück in den Mischwald, wo er auf einer kleinen Lichtung seine Freiübungen wiederholte.

Mittlerweile zog die Morgendämmerung herauf und übergoss den Himmel im Osten mit einem blutroten Schein.

Dieses Schauspiel nahm Gilbert Ruminski jedes Mal gefangen. Etwa fünfzehn Minuten lang beobachtete er den Sonnenaufgang. Dabei bemerkte er nicht, dass er selbst beobachtet wurde.

Es war der Bucklige, der seine funkelnden Augen auf den Rücken des Lehrers gerichtet hielt.

»Du wirst mein nächstes Opfer sein«, flüsterte der Verwachsene unhörbar und zog sich wieder tiefer in das Gebüsch zurück.

Gilbert Ruminski hatte inzwischen seine Gymnastik beendet und sich auf den Rückweg gemacht.

Er lief jetzt von der anderen Seite her auf das Dorf zu. Zu den ersten Häusern, die er erreichte, gehörte auch das kleine Museum. Wieso der Ort, der kaum tausend Einwohner zählte, ein Museum besaß, konnte niemand sagen. Es war eben so.

Plötzlich fiel dem Lehrer ein, dass er für die heutige Biologiestunde noch das Anschauungsexemplar einer Kreuzotter brauchte. Es war sinnvoll, wenn er es sich jetzt holte. Normalerweise war das Museum um diese Zeit noch geschlossen, aber Ruminski wusste, dass der alte Perell hier nachts seinen Dienst als Wächter versah. Warum, das wusste niemand. In dem Museum war noch nie etwas gestohlen worden.

Der Lehrer lief um das aus dicken Steinen erbaute Haus herum und klopfte gegen die Eichentür.

Die Schläge hallten dumpf über die Straße. Sogar ein Tauber musste sie hören.

Doch der Wächter rührte sich nicht.

Der wird bestimmt eingeschlafen sein, dachte Ruminski. Aber dann verwarf er den Gedanken. Der alte Perell warf zuverlässig wie eine Schweizer Uhr.

Ob etwas passiert war? Ruminski wusste nicht, wieso ihm plötzlich der Gedanke gekommen war.

Beunruhigt ging er um das Haus herum.

Mittlerweile war es heller geworden, und Ruminski konnte alles genau erkennen.

Prüfend tasteten seine Blicke die abgeblätterte Fassade ab. Er ging langsam weiter und gelangte an die Hintertür.

Sie war abgeschlossen.

Ruminski biss sich auf die Unterlippe. Noch einmal rief er nach dem alten Perell.

Keine Antwort.

Der Lehrer wollte schon gehen, da fiel sein Blick auf die blinden Scheiben der drei Kellerfenster.

Eine Scheibe war zerbrochen.

Die Glassplitter lagen nicht außen, sondern in dem Keller. Also musste jemand eingebrochen sein.

Ruminski war kein Feigling. Er wollte der Sache sofort auf den Grund gehen.

Mit einiger Mühe gelang es ihm, sich durch das Fenster zu winden. Ziemlich verschmutzt landete er im Keller des Museums. Seine Finger suchten nach einem Lichtschalter. Sie fanden keinen, dafür aber die Tür, die offen stand.

Ruminski setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen und gelangte schließlich an eine Treppe, die nach oben führte und vor einer anderen Tür endete, die ebenfalls offen stand.

Das machte Ruminski stutzig. Der alte Perell war ein ordentlicher Mensch.

Zum ersten Mal überkam Gilbert Ruminski das Gefühl, dass etwas passiert sein musste.

Er hatte mittlerweile das Erdgeschoss des Museums erreicht und konnte endlich Licht machen. Es waren nur trübe Funzeln, die aufflackerten.

Ruminski erreichte den großen Raum, in dem der Schrank mit den ausgestopften Tieren stand.

Noch einmal rief er nach dem Nachtwächter.

Wieder erhielt er keine Antwort.

Ruminski stieß die Tür zu dem Raum auf. Sie ließ sich nur schwer bewegen und quietschte in den Angeln.

Der Lehrer trat über die Schwelle – und erstarrte.

Vor dem großen Schaukasten lag der alte Perell in seinem Blut.

Das nackte Grauen überfiel die Einwohner der kleinen Stadt Beaumont wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Rasend schnell hatte sich der bestialische Mord an dem alten Perell herumgesprochen.

Männer, Frauen und Kinder versammelten sich in der frühen Morgenstunde vor dem Museum, dessen Eingangstür von zwei stämmigen Dorfbewohnern bewacht wurde.

Gerüchte kamen auf. Vor allen Dingen die älteren Menschen wollten genau Bescheid wissen. Der Fluch der alten Mühle wurde wieder lebendig. Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich die gruseligen Geschichten.

In dem großen Ausstellungsraum hatten sich der Lehrer, der Arzt, der Bürgermeister und der Gendarm des Dorfes um die Leiche versammelt. Jeden der Männer hatte bei dem Anblick des Toten das kalte Entsetzen gepackt.

»Es ist ganz klar«, sagte der Gendarm, »wir müssen die Mordkommission verständigen. Ich werde mit Saint Lô telefonieren, dann wird man uns die Beamten schon schicken.«

»Werden Sie danach den Fall aufklären?«, fragte der Bürgermeister, ein Mann in mittleren Jahren mit unzähligen Sommersprossen im Gesicht.

Der Gendarm tippte sich gegen die Stirn. »Ich bin doch nicht lebensmüde. In fünf Jahren werde ich pensioniert. Wenn ich dem Untier gegenüberstehe, habe ich doch gar keine Chance. Nee, die Aufklärung dieses Falls überlasse ich anderen. So, und nun gehe ich und rufe an.«

Der Bürgermeister wollte noch etwas sagen, winkte dann jedoch ab. Er wandte sich an Gilbert Ruminski, dessen sonst so sonnenbraunes Gesicht eine ungesunde Farbe angenommen hatte. »Nun, was meinen Sie dazu. Haben Sie vielleicht eine Idee, wer das getan haben könnte? Und vor allen Dingen: Wer stiehlt einen Totenschädel?«

Ruminski schüttelte den Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand von unseren Mitbürgern zu so etwas fähig ist. Was den Schädel betrifft, da habe ich auch keine Ahnung.«

»Wer kann schon hinter die Stirn eines Menschen schauen«, sagte der Arzt und putzte umständlich seine dicke Hornbrille.

»Dann gehe ich jetzt«, meinte Ruminski und machte auf dem Absatz kehrt.

Die Menschenmenge war inzwischen größer geworden. Fast das gesamte Dorf hatte sich versammelt.

Ruminski wurde mit Fragen bestürmt.

»Wie sieht der alte Perell aus?«, quiekte eine sensationslüsterne Frauenstimme.

»Scheußlich«, erwiderte Gilbert Ruminski und bahnte sich einen Weg zum Ausgang.

Zum Glück wurde die Aufmerksamkeit der Menge auf den Bürgermeister gelenkt, der soeben aus der Tür trat.

Ruminski stahl sich unmerklich davon.

Mit raumgreifenden Schritten näherte er sich dem kleinen Platz, auf dem das Schulgebäude stand. Der Hausmeister befand sich natürlich unter den Neugierigen, und so musste Ruminski die Tür mit seinem eigenen Schlüssel aufschließen.

In dem Gebäude roch es muffig und feucht.

Gilbert Ruminski ging sofort in das kleine Lehrerzimmer, das auch gleichzeitig als Schulbibliothek diente.

Ruminski war da nämlich eine Idee gekommen.

Etwa zehn Minuten wühlte er zwischen den Büchern herum. Dann hatte er endlich gefunden, was er suchte.

Das Buch war schon uralt und hatte keinen Rücken mehr. Man musste vorsichtig damit umgehen, damit die Blätter nicht auseinanderfielen.

Auf über vierhundert Seiten wurde die Geschichte der Provinz Calvados beschrieben. Unter anderem war auch ein Kapitel dem Ort Beaumont gewidmet.

Ruminski blätterte die Seiten durch und hatte endlich gefunden, wonach er suchte.

Die Chronik der Schwarzen Mühle. Dieses Bauwerk stand nicht weit von dem Dorf entfernt und war eine Stätte des Grauens. Die Geschichte berichtete von einem Müller, der mit dem Teufel im Bunde gestanden hatte. Er hatte angeblich das Dorf verhext, bis er geschnappt worden war und man ihn mit einem Beil den Schädel abgehackt hatte. Kurz vor seinem Tod sollte der Müller einen grausamen Fluch ausgestoßen haben. Aber das alles war schon zweihundert Jahre her und nur noch in dem Aberglauben der Menschen lebendig.

Aber trotzdem …

Irgendetwas zwang den Lehrer, diese Geschichte doch nicht einfach als Firlefanz abzutun. Ein Gefühl sagte ihm, dass hinter diesen Dingen mehr steckte, als man allgemein annehmen konnte.

Gilbert Ruminski klappte das Buch wieder zu und stellte es an seinen Platz zurück.

Dann blickte er auf die Uhr und stellte fest, dass in einer halben Stunde schon Schulbeginn war. Trotz der schrecklichen Ereignisse sollte der Unterricht nicht ausfallen.

Jemand klopfte an die Tür des Lehrerzimmers. Auf Ruminskis »Herein!« betrat der Hausmeister den Raum.

»Entschuldigen Sie, Monsieur Ruminski. Fällt der Unterricht vielleicht aus?«

»Nein.« Ruminski schüttelte den Kopf. »Ich gehe jetzt nach Hause, ziehe mich um und bin in einigen Minuten wieder da. Sie können die Kinder inzwischen hereinlassen.«

»Wie Sie meinen, Monsieur Ruminski.«

Dunkel und drohend lag die alte Mühle auf der Hügelkuppe.

Das Mühlrad mit den vier großen Flügeln stand still. Es war schon seit Jahren nicht mehr bewegt worden. Die dicken Holzspanten waren mit Algen und Moos überzogen und standen kurz vor dem endgültigen Verfall.

Über vierhundert Jahre war die Mühle alt. Nachdem der letzte Besitzer, der Magier Sourette, umgekommen war, hatte niemand die Mühle übernommen.

Die Menschen in der Umgebung sprachen von einem Fluch, der über diesem Relikt aus der Vergangenheit lastete.

Doch seit wenigen Wochen gab es jemanden, der in der Mühle wohnte.

Cascabel, der Bucklige!

Niemand wusste, woher er gekommen war. Kaum jemand hatte ihn bisher gesehen, und niemand wollte etwas mit ihm zu tun haben. Hinter vorgehaltener Hand nannte man ihn »den Gnom«.

Einen Kilometer hinter der Mühle begannen die Klippen, gegen die seit Urzeiten die wilde Brandung des Meeres schäumte. Die bleichen ausgewaschenen Felsen waren ein Tummelplatz für Seevögel, und auch die alte Mühle hatten sich die Tiere schon als Nistplatz ausgesucht.

Die Mühle war mit Teer bestrichen worden, und diese Schicht war zum Großteil noch immer erhalten.

Als Eingang zur Mühle diente eine Holztür, die nach oben hin spitz zulief. Ein Schloss gab es nicht, und so schwang die Tür im Wind immer hin und her.

Während unten im Dorf der tote Nachtwächter entdeckt wurde, lief Cascabel mit schnellen Schritten auf die Mühle zu. Den in dem Plastikbeutel steckenden Schädel hielt er mit beiden Händen fest umklammert, als hätte er Angst, die wertvolle Beute zu verlieren.

Lautlos huschte der Verwachsene in die Mühle. Er lief durch den großen Raum, in dem sich die beiden Mühlsteine befanden. Über ihnen wölbte sich der große Trichter, in den früher das Korn geschüttet worden war.

Cascabel blieb vor einer Falltür stehen, bückte sich und zog sie hoch.

Die Tür rastete auf halber Höhe ein.

Cascabel betrat die ersten Sprossen der stabilen Holzleiter und tauchte in der Dunkelheit unter, nicht ohne vorher die Falltür wieder zugezogen zu haben.

Der Verwachsene fand sich in der Finsternis ausgezeichnet zurecht. Nicht ein einziges Mal stieß er irgendwo an. Es schien, als würde er hier schon jahrelang leben.

Seine gekrümmten Finger streichelten den erbeuteten Schädel. Cascabels Augen glühten. Noch war es nicht soweit. Noch musste er warten.

Bis Mitternacht …

Vier schwarze Kerzen verbreiteten ein gespenstisches Licht. Sie bildeten ein Viereck, in dessen Mitte der Totenschädel lag, den Cascabel geraubt hatte.

Um den Schädel herum lagen in peinlich genauer Reihenfolge einige Knochen. Sie bildeten seltsame Zeichen und Symbole.

Die Flammen brannten ruhig und verströmten einen seltsam süßlichen Geruch. Sie rissen die feuchten Erdwände der Höhle aus der Dunkelheit und brachen sich an der blitzenden Schneide des Beils, das in der Ecke lehnte.

Der Bucklige kniete am Boden, hielt seine Augen starr auf den Schädel gerichtet und die Arme ausgestreckt. Seine dünnen Lippen murmelten halb laute Beschwörungsformeln.

Cascabels Gesicht glich einer Maske, in der nur die dunklen Augen zu leben schienen. Das grauweiße Haar fiel ihm strähnig ins Gesicht und berührte im Nacken den Kragen seiner verschlissenen Jacke.

Wie in Trance hockte Cascabel auf dem feuchten Boden. Sein Mund stieß die Worte jetzt lauter hervor, fordernder. Uralte magische Formeln drangen über seine Lippen. Ein dünner Schweißfilm legte sich auf seine Stirn.

»Komm!«, schrie er. »Komm, o großer Sourette! Verlasse das Reich der Dämonen und kehre auf die Erde zurück, wo die Opfer auf dich warten!«

Plötzlich schien die Luft zu knistern. Ein eiskalter Windzug fegte durch die Höhle. Die Flammen begannen zu flackern, richteten sich dann aber wieder auf.

Wispernde Stimmen drangen aus Ecken und Winkeln. Schattengestalten tanzten durch das Verlies.

Das Böse kam!

Der Totenschädel begann auf einmal zu strahlen. Ein dunkelrotes Feuer hielt ihn gepackt, hüllte den gesamten Schädel für Sekunden ein und schwebte nach oben.

Stumm starrte Cascabel auf das Schauspiel, das sich seinen Augen bot.

Das Feuer verblasste, verwandelte sich in dicke Rauchschwaden, die wie festgeklebt über dem Schädel hingen.

Das Wispern und Raunen in der Höhle nahm zu. Schattenwesen umtanzten den Schädel, der wie von einer unsichtbaren Macht angehoben wurde.

Cascabels Augen verfolgten gebannt den Weg des bleichen Totenkopfes.

Über der Rauchwolke blieb er stehen, verharrte für Sekunden, um dann eine seltsame Wandlung mitzumachen. Auf der kahlen Schädelplatte sprossen plötzlich dunkle Haare, die leeren Augenhöhlen füllten sich, Nase, Ohren und Lippen begannen sich zu formen, und die Knochen überzogen sich mit Fleisch. Ein dunkler Vollbart wuchs am Kinn des neu Erschaffenen. Aus der Rauchwolke entstand innerhalb von Augenblicken ein männlicher Körper.

Sourette, der Magier, war aus dem Schattenreich zurückgekehrt.

Cascabel hatte alles mit weit aufgerissenen Augen angesehen. »Sourette«, stöhnte er, »großer Sourette, nimm mich als deinen treuen Diener.«

Der Magier gab keine Antwort. Stumm starrte er auf den Verwachsenen hinab.

Das Wispern und Raunen hatte aufgehört. Totenstille lag über der Szene. Die Hölle hielt den Atem an.

Doch dann hörte Cascabel ein hartes Geräusch. Es kam von oben, aus der Mühle.

Cascabel zuckte zusammen.

Kein Zweifel, es waren Schritte.

Cascabel glitt vorsichtig zur Seite und fasste das mörderische Beil mit beiden Händen.

Jetzt konnte der Unbekannte kommen …

Lautlos und mit angespannten Sinnen betrat Gilbert Ruminski die alte Mühle.

Es war stockfinster. Am Himmel hatten sich dunkle Wolken zusammengeballt und sorgten dafür, dass kein Mondlicht die Erde berührte.

Der Lehrer lauschte mit angehaltenem Atem in die Dunkelheit. Er wagte es nicht einmal, seine Taschenlampe einzuschalten, aus Angst, ihn könnte jemand überraschen.

Behutsam tastete er sich in den Innenraum der Mühle. Seine ausgestreckten Hände berührten die einzelnen Gegenstände, tasteten sie ab, damit er ihnen ausweichen konnte.

Spinnweben streiften Ruminskis Gesicht.

Eine Gänsehaut rieselte über seinen Rücken. Ruminski bekam auf einmal Angst vor der eigenen Courage. Er spielte mit dem Gedanken umzukehren und schalt sich einen Narren, um Mitternacht überhaupt hierhergekommen zu sein.

Aber da war die alte Chronik. Vielleicht entdeckte er hier wirklich ein Geheimnis.

Minutenlang lauschte Gilbert Ruminski in die Dunkelheit. Mittlerweile hatten sich seine Augen auch an die herrschende Schwärze gewöhnt, und er sah plötzlich den schwachen Lichtschein, der aus dem Boden drang.

Ruminskis Nerven vibrierten.

Mit einer entschlossenen Bewegung holte er die Lampe aus der Tasche und knipste sie an.

Messerscharf schnitt der Lichtfinger durch das Dunkel. Kleine Staubpartikel tanzten in dem gebündelten Strahl.

Ruminski schwenkte den Arm mit der Lampe, leuchtete jeden Gegenstand an – und starrte plötzlich wie gebannt auf eine Stelle am Boden.

Deutlich zeichneten sich die Umrisse einer Falltür ab. Durch die Ritzen drang auch der Lichtschein, den Ruminski bemerkt hatte.

Wer hielt sich dort unten auf?

Der Mörder des alten Perell?

Ruminski knipste die Lampe aus. Er hatte einen Eisenring an der Falltür entdeckt und sich die Stelle genau gemerkt.

Mit zwei Schritten stand er neben der Tür, bückte sich, packte den Ring, holte noch einmal tief Luft und zog die Luke hoch.

Langsam, Millimeter für Millimeter, hievte er die Klappe in die Höhe.

Der Lichtschein wurde heller, und Ruminski konnte in den unter der Falltür liegenden Keller sehen.

Für einen Moment hatte er das Gefühl, sein Herz würde stehen bleiben.

In einem aus schwarzen Kerzen abgegrenzten Viereck stand ein Mann. Ruminski hatte ihn noch nie gesehen. Er hatte pechschwarzes Haar, trug einen Vollbart und ein langes blutrotes Gewand.

Der Unbekannte bewegte sich nicht, stand starr wie eine Puppe.

Der Lehrer wusste plötzlich, dass er einem großen Geheimnis auf die Spur gekommen war.

Er sah die Holzstiege, die in die Tiefe führte.

Ruminski setzte seinen Fuß auf die erste Sprosse.

Damit machte der Lehrer seinen ersten Fehler.

Während er die Sprossen hinunterkletterte, wandte er dem Unbekannten den Rücken zu und damit auch Cascabel.

Der Bucklige lauerte in einer dunklen Ecke der Höhle, die von dem Lichtschein nicht erreicht wurde. Seine Hände hatten den Stiel des Beils fest umklammert.

Gilbert Ruminski hatte das Ende der Leiter erreicht. Er wandte sich um und ging die paar Schritte auf den Magier zu.

Im gleichen Moment bekam er einen Schlag. Wie ein Stromstoß fuhr es durch seinen Körper.

Ruminski zuckte zurück. Seine rechte Hand, die das magische Viereck zuerst berührt hatte, brannte wie Feuer.

Ruminski hatte dafür keine Erklärung, ihm wurde nur klar, dass er sich hier auf ein Abenteuer eingelassen hatte, das ein böses Ende nehmen konnte.

Noch immer hatte sich der seltsame Mann nicht bewegt.

Ruminskis Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Was sollte er tun?

Er kam nicht mehr dazu, eine Entscheidung zu treffen. Ein hämisches Kichern in seinem Rücken ließ ihn herumfahren.

Aus weit aufgerissenen Augen starrte der Lehrer auf die Gestalt, die sich aus dem Dunkel einer Ecke löste.

Es war der Gnom. Das Beil hielt er mit beiden Händen gepackt. Deutlich konnte Gilbert Ruminski die rasiermesserscharfe Schneide erkennen.

Wie hypnotisiert saugten sich seine Augen an der schrecklichen Waffe fest.

Damit war auch der alte Perell ermordet worden!

Und er stand dem Mörder gegenüber!

»Du sagst ja nichts«, flüsterte Cascabel kichernd. »Hat dir die Überraschung die Sprache verschlagen?«

»Du bist der Mörder des alten Perell!«, brachte Ruminski hervor.

»Ja, das bin ich. Er war mein erstes Opfer, und du wirst mein zweites sein.«

Ruminski wich zurück. Er hatte auf einmal schreckliche Angst. Sein Herz schlug wie verrückt.

Fieberhaft suchte Gilbert Ruminski nach einem Ausweg.

Cascabel griff an.

Das Beil pfiff durch die Luft, raste auf Ruminskis Kehle zu. Der Lehrer sprang nach hinten, krachte gegen die Leiter und verlor für wenige Augenblicke die Übersicht.

Cascabel holte zum zweiten Schlag aus.

Und diesmal schaffte er es.

Ruminski schrie grässlich auf, als die Schneide seine Schulter streifte und das Fleisch zerschnitt.

Wieder und wieder blitzte das Beil auf. Blut spritzte.

Niemand hörte Ruminskis Schreie, die schließlich in ein Röcheln übergingen und dann völlig verstummten.

Aus funkelnden Augen blickte der Bucklige auf die verstümmelte Leiche zu seinen Füßen. Er war zufrieden. Ob es der Magier auch war?

Der Bucklige drehte den Kopf.

Und zum ersten Mal zeigte der Magier einen Funken Leben. Auf seinen Lippen lag ein grausames, aber zufriedenes Lächeln …

Als die Mordkommission aus Saint Lô angereist kam, wurde der Lehrer schon vermisst.

Der leitende Inspektor hörte sich die Hiobsbotschaft an und schüttelte immer wieder den Kopf.

»Machen Sie sich doch nicht lächerlich«, sagte er zu dem Dorfgendarm. »Monsieur Ruminski wird schon wiederkommen, keine Bange.«

Er und seine Beamten begannen mit der Spurensicherung. Sie waren sehr gründlich, achteten auf jedes Detail und kamen trotzdem nicht weiter.

Dann wurden die Dorfbewohner verhört. Der Inspektor hörte bestimmt vierzig Mal die Legende von Sourette dem Magier. Er wollte sie erst gar nicht mit in das Protokoll schreiben lassen, tat es dann aber doch.

Als es dunkel wurde, war der Lehrer immer noch nicht zurück.

Die Mordkommission packte ihre Sachen und fuhr zurück nach Saint Lô.

»Wir kommen morgen wieder«, versprach der Inspektor. »Dann werden wir uns mal die Mühle ansehen.«

Der Gendarm nickte. »Ist gut, Monsieur.«

Als er gerade beim Abendessen saß, kam Besuch. Es war der Hausmeister der Schule.

»Ich habe Ruminski noch gesehen«, sagte er. »Vor einer halben Stunde in seinem Zimmer. ›Monsieur‹, habe ich gesagt, ›wir suchen Sie schon den ganzen Tag.‹ Aber er … er hat mich ganz dumm angesehen und gelacht. ›Wollen Sie weg?‹, habe ich gefragt. ›Ja‹, hat er gesagt, ›zur Mühle.‹ Was sagst du nun, Pierre? Geht der Idiot um Mitternacht zu der verhexten Mühle. Der kann doch nicht gescheit sein.«

Der Gendarm zuckte mit den Schultern. »Morgen wird die Mordkommission die Mühle absuchen. Dann werden wir mehr wissen.«

»Ja, morgen«, sagte der Hausmeister und kippte einen Calvados.

Am anderen Tag fand man die Leiche des Lehrers. Es bestand kein Zweifel, dass Ruminski und der alte Perell von ein und demselben Mann umgebracht worden waren.

Aber von dem fehlte jede Spur …

Die Morde blieben unaufgeklärt. Es vergingen Wochen, ehe in einem anderen Land der Fall wieder aufgerollt werden sollte …

Die Sensation von London!

Der Magier Sourette ist da!

Die grellbunten Plakate mit den schreienden Anreißern leuchteten von unzähligen Haus- und Bretterwänden.

Vierzehn Tage lang hatte der große Reklamefeldzug gedauert. Fast jeder in London kannte den Namen des Magiers. Sourette sollte, so hieß es wenigstens in der Reklame, alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. Er sollte sogar Menschen verschwinden lassen können.

Dann kam der fünfte April.

An diesem Abend hatte der Magier Premiere. Schon Tage vorher war das James-Call-Theater ausverkauft. Die Menschen hatten sich um die Eintrittskarten gerissen und sogar überhöhte Preise auf dem Schwarzmarkt bezahlt.

Auch Marion Nelson und ihre Freundin Kitty Jones hatten das Glück gehabt, zwei Karten zu bekommen.

Die beiden Mädchen waren Freundinnen. Sie arbeiteten bei einer Versicherung und wohnten auch zusammen.

Marion Nelson war die Energischere der beiden. Vielleicht weil sie irische Vorfahren hatte. Davon zeugte noch ihr rötlich schimmerndes Haar, das kurz geschnitten war. Über die Sommersprossen in ihrem Gesicht ärgerte sich Marion zwar, machte sich aber nicht die Mühe, sie zu überschminken.

Kitty Jones war genau das Gegenteil von ihrer Freundin. Ruhig, ein wenig sensibel und immer bereit nachzugeben.

Dabei sah Kitty Jones sehr gut aus. Ihr welliges schwarzes Haar umrahmte ein Gesicht mit wunderschönen dunkelblauen Augen, die immer ein wenig traurig blickten. Ihr Mund war voll, und die Nase hatte einen ganz kleinen Schwung nach oben.

Die Männer verehrten Kitty Jones, doch sie schien das nicht zu sehen oder nicht sehen zu wollen.

Im Augenblick standen die beiden Freundinnen in der kleinen Diele ihrer Wohnung und schauten immer wieder auf die Uhr.

»Das Taxi kommt schon«, beruhigte Kitty die nervöse Marion.

»Hoffentlich. Aber du weißt, wie die heutzutage sind. Verlass dich nie auf …«

In diesem Moment klingelte es.

»Das Taxi«, sagte Kitty lächelnd.

Die beiden Mädchen verließen die Wohnung und gingen zu Fuß die drei Stockwerke nach unten. Einen Lift gab es in diesem siebenstöckigen alten Wohnhaus nicht.

Sie hatten sich elegant angezogen. Schließlich ging man zu einer Premiere.

Das Taxi brachte sie zum James-Call-Theater.

»Ich glaube, halb London ist auf dem Weg hierher«, meinte der Fahrer, als die Mädchen ausstiegen und bezahlten.

»Wieso?«, fragte Marion.

»Das ist schon meine vierte Fahrt hierher.«

Marion lachte. »Dann werden es bestimmt noch ein paar mehr.«

Kitty war schon einige Schritte vorgegangen. Aus leicht zusammengekniffenen Augen musterte sie die Fassade des Theaters.

Das James-Call-Theater war einer der ältesten Musentempel in London. Zum Eingang führte eine breite Treppe hoch, die von einem Säulenvorbau überdacht war.

Vor dem Theater herrschte hektischer Betrieb. Taxis kamen und spuckten elegant gekleidete Menschen aus. Diese Premiere wollten sich auch die oberen Tausend von London nicht entgehen lassen.

»Also ich find’s prima«, sagte Marion und fasste den Arm ihrer Freundin. »Allein dieses ganze Drum und Dran. Einfach toll. Komm, da ist die Garderobe.«

Die beiden hatten inzwischen das Foyer betreten, wo dicker Teppichboden die Schritte dämpfte. Bei einem distinguiert gekleideten Türsteher mussten sie die begehrten Karten vorzeigen und konnten dann erst ihre Mäntel an der Garderobe abgeben.

Die zwei Freundinnen hatten sich elegant gekleidet. Kitty trug einen langen schwarzen Samtrock und dazu eine dunkelrote Seidenbluse mit spitzem Ausschnitt.

Marion Nelson war im Nostalgie-Look erschienen. Ihr buntes Kleid reichte bis zu den Waden und schmiegte sich eng an ihre schlanke Figur.

Manche bewundernde Männerblicke wurden den beiden Freundinnen zugeworfen.

»Darf ich Ihnen aus dem Mantel helfen?«, fragte plötzlich eine sympathische Männerstimme neben Kitty Jones.

Sie wandte ein wenig überrascht den Kopf und sah in das lächelnde Gesicht eines großen blonden Mannes, der einen perfekt sitzenden Smoking trug.

»Danke, es geht schon«, erwiderte Kitty und konnte nicht vermeiden, dass sie rot wurde.

Der Mann lächelte immer noch, deutete eine Verbeugung an und wünschte noch einen angenehmen Abend.

»Du bist dumm«, sagte Marion. »Wirf doch endlich mal deine Schüchternheit ab.«

»Ich kann eben nicht aus meiner Haut«, erwiderte Kitty.

Bis zum Beginn der Vorstellung waren noch zwanzig Minuten Zeit.

Die Mädchen tranken in der Theaterbar Orangensaft und nahmen dann ihre Plätze in der vierten Reihe ein.

Noch wurde die Bühne von einem dunkelroten Samtvorhang abgedeckt, aber mittlerweile strömten die Besucher in Scharen in den Zuschauerraum. Sogar die Stehlogen ganz oben waren besetzt.

Marion hatte ihre Augen überall. Plötzlich stieß sie Kitty an. »Guck mal, wer da kommt. Na, wenn das kein Zufall ist.«

Kitty wandte den Kopf. Der Mann, der ihr vorhin aus dem Mantel hatte helfen wollen, kam genau auf sie zu. Er hatte den Platz neben ihr. Lächelnd setzte er sich hin.

Wieder wurde Kitty ein wenig rot.

»Da wir ja jetzt für einige Zeit Nachbarn sind, darf ich mich den Damen vorstellen. Ich heiße John Sinclair.«

Die Mädchen nannten ebenfalls ihre Namen.

John verwickelte die zwei in ein angeregtes Gespräch, und im Nu war die Zeit um, und die Vorstellung begann.

Langsam teilte sich der große Vorhang, während gleichzeitig das Licht bis auf die Notbeleuchtung verlosch. Aus versteckten Lautsprechern klang eine schwere, einschmeichelnde Melodie, die immer lauter wurde, je weiter sich der Vorhang öffnete.

Starke Scheinwerfer warfen ihre Strahlen auf ein unheimliches Bühnenbild.

Das Bild zeigte Fabelwesen und Dämonen aus dem Schattenreich. Grell bemalt und schrecklich anzusehen. Einige Zuschauer begannen schon bei diesem Anblick schwer zu atmen.

Minutenlang geschah nichts. Man ließ das Bühnenbild auf die Zuschauer wirken. Die Musik war ebenfalls leiser geworden, untermalte nur noch die im Hintergrund der Bühne zu sehenden schrecklichen Zeichnungen.

Die Blicke der beiden Mädchen waren gebannt nach vorn gerichtet. Die unheimliche Atmosphäre hatte sie gänzlich eingefangen.

Anders John Sinclair. Er betrachtete die Sache aus dem kühlen Blickwinkel eines Berufskriminalisten.

John Sinclair war Inspektor bei Scotland Yard. Allerdings wurde er nur bei Fällen eingesetzt, wo normale Polizeimethoden versagten. Er hatte den Geistern und Dämonen den Kampf angesagt. Und seine bisherigen Erfolge zeigten, dass auch die Wesen aus dem Schattenreich nicht allmächtig waren.

John Sinclair war noch relativ jung, hatte aber schon eine glänzende Karriere hinter sich und inzwischen einen Spitznamen erhalten: Geisterjäger.

Er war hier, weil er sich für alles interessierte, dem irgendwie der Hauch des Übersinnlichen anhaftete. Und bei Sourette dem Magier hatte man ja genügend die Werbetrommel gerührt.

Plötzlich klang ein dumpfer Trommelwirbel auf. Ein weiterer Scheinwerfer warf seinen kreisrunden Kegel auf die Bühne, in dessen Mittelpunkt ein Gnom stand.

Jedenfalls sah der kleinwüchsige Mann mit den überlangen Armen und dem Buckel ganz wie ein Gnom aus.

Ein leiser Aufschrei des Erschreckens ging durch die Reihen der Besucher.

Der Gnom lachte.

Teuflisch hallte das Gelächter durch den Zuschauerraum und wurde mithilfe der guten Akustik noch verstärkt.

Der Verwachsene hatte seine überlangen Arme in die Hüften gestützt und wiegte den Kopf im Rhythmus seines Gelächters.

Plötzlich brach das Lachen ab. Genauso unvorbereitet, wie es begonnen hatte.

Die Zuschauer hielten den Atem an. Manch einer konnte nicht vermeiden, dass ihm eine leichte Gänsehaut über den Rücken lief.

Der Gnom trug eine schwarze Trikothose und darüber eine glänzende hochgeschlossene Jacke mit goldenen Knöpfen. Sein Gesicht war hässlich, und die langen, strähnigen Haare hingen wirr an seinem Schädel herab.

Neben John atmete Kitty Jones gepresst aus. Der Inspektor registrierte dies mit einem kurzen Seitenblick.

Dann begann der Gnom zu sprechen. Mit blecherner überlauter Stimme.

»Ich, Cascabel, bin der Diener des großen Sourette. Ich habe die Ehre, den Meister anzukündigen, der euch, die ihr seine Künste sehen wollt, in das Schattenreich nimmt, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Hahaha.«

Wieder gellte das teuflische Gelächter des Verwachsenen durch den Zuschauerraum.

Cascabel wandte sich zur Seite und streckte den rechten Arm aus.

»Er kommt!«, rief er. »Sourette der Magier hat die Hölle verlassen und ist auf dem Weg zu uns!«

Sofort verloschen sämtliche Scheinwerfer. Sekundenlang war die Bühne in ein absolutes Dunkel getaucht.

Dann flammten von beiden Seiten zwei violette Lichtstrahlen auf, trafen sich in der Bühnenmitte und rissen einen Mann aus der Dunkelheit.

Sourette den Magier!

Er sah im Gegensatz zu seinem Helfer direkt zivilisiert aus. Sourette trug einen schwarzen Frack, ein weißes Hemd, das allerdings jetzt einen violetten Schimmer hatte, und um den Kragen eine dunkle Schleife. Ein Teil seines Gesichtes wurde durch einen Vollbart verdeckt. Das schwarze Haar war zurückgekämmt und glänzte.

Langsam ging der Magier einige Schritte vor. Die beiden Scheinwerferstrahlen folgten ihm.

Sourette erreichte den Rand der Bühne, blieb stehen und blickte in den Zuschauerraum.

Es war still. Eine fast greifbare Spannung lastete über den Menschen. Jeder hatte das Gefühl, von dem Magier direkt angesehen zu werden.

Sourette verzog die Lippen zu einem kalten Lächeln. Er hob den rechten Arm und schnippte einmal mit den Fingern.

Sofort tauchte Cascabel auf. Er schob einen kleinen Wagen vor sich her, auf dem allerlei Dinge lagen, die ein Zauberer benötigt.

Cascabel stellte den Wagen vor dem Meister ab und verließ eilig die Bühne.

Sourette griff nach einer Silberkugel. Sie passte so gerade in seine Hand.

Er hob den Arm, drehte ihn ein paar Mal, flüsterte seltsame Beschwörungsformeln – und …

Die Kugel war verschwunden!

Ein Aufstöhnen geisterte durch den Zuschauerraum. Selbst John Sinclair konnte sich einer gewissen Faszination nicht entziehen.

Neben ihm flüsterte Kitty Jones: »Mein Gott, wie ist das möglich?«

Dann klang Beifall auf. Er währte minutenlang und endete erst, als der Magier beide Arme hob.

Eine halbe Stunde verging. Sourette ließ sämtliche Gegenstände, die auf dem Wagen lagen, der Reihe nach verschwinden. Auch John Sinclair musste sich insgeheim eingestehen, dass er so etwas noch nicht erlebt hatte.

Nach dieser glänzenden Vorführung war der erste Teil des Abends zu Ende. Es gab eine zwanzigminütige Pause.

Die Zuschauer verließen den Saal, um sich an dem kalten Büfett und an der Bar zu stärken.

John Sinclair lud die beiden Mädchen ein, die dankend annahmen.

»Verstehen Sie das?«, fragte Marion Nelson und nippte an ihrem Sektglas.

John lächelte. »Ich muss ehrlich gestehen, dass ich auch noch keine Erklärung gefunden habe. Aber Illusionisten, wie Sourette einer ist, arbeiten mit allen Tricks.«

»Kann aber nicht doch etwas Übersinnliches im Spiel sein?«, meinte Kitty Jones. »Ich meine, er hat gesagt, er stehe mit dem Teufel im Bunde.«

»Glauben Sie an das Übersinnliche? Zum Beispiel an schwarze Magie?«

»Ich weiß nicht so recht.« Kitty zog fröstelnd die Schultern hoch. »Man liest so einiges.«

John wechselte das Thema, obwohl er zu dieser Sache wesentlich mehr hätte sagen können. Aber er wollte die beiden Mädchen nicht beunruhigen.

Die Pause ging schnell vorbei. Der zweite Teil der Vorstellung begann. Und da sollte laut Reklame auch das Publikum mitmachen.

Gespannt wartete man auf den Beginn.

Diesmal war die Bühne hell erleuchtet. Es standen auch einige Requisiten herum. Unter anderem ein rot angestrichener Kasten, der an der Vorderseite eine Tür hatte.

Sourette und Cascabel erschienen gemeinsam. Sie wurden mit frenetischem Beifall begrüßt. Sourette wartete ab, bis er verklungen war, und begann dann mit seiner Vorrede.

»Dieser Kasten hinter mir ist das Tor zu einer anderen Welt. Wer ihn betritt, wird in das Reich jenseits unserer Vorstellungskraft eingehen. Ich werde mit meinem Assistenten Cascabel den Versuch wagen. Dazu brauche ich aber Ihre Hilfe.«

Der Magier machte eine gekonnte Pause, um seine Worte wirken zu lassen.

»Ich möchte jemanden aus dem Publikum bitten, auf die Bühne zu kommen, damit er sich überzeugen kann, dass ich nicht mit einem Trick arbeite. Nun, wer hat Mut?«

Stille. Keiner der Besucher wagte sich zu melden.

Der Magier lachte spöttisch. »Wo bleiben denn die mutigen Herren?«

John Sinclair merkte, wie die beiden Mädchen neben ihm anfingen zu tuscheln.

»Wollen Sie sich etwa melden?«, fragte er Kitty Jones.

»Nein, Mr. Sinclair. Aber meine Freundin. Sie will unbedingt herausfinden, was an der Sache dran ist. Ich kann es ihr nicht ausreden.«

John überlegte noch, ob er nicht gehen sollte, da stand Marion Nelson bereits auf.

»Ah, eine Dame hat den Mut gefunden. Schämen Sie sich, meine Herren«, sagte der Magier.

Alle Augen richteten sich auf Marion, die sich bereits durch die Zuschauerreihe drängte.

An der linken Bühnenseite war eine kleine Trittleiter befestigt, über die man auf die Bühne gelangen konnte.

Der Magier half Marion galant die Stufen hoch.

Dann legte er den Arm um ihre Schultern und führte sie in die Bühnenmitte.

»Sehen Sie sich dieses junge Mädchen an. Sie hat als Einzige keine Angst vor der Konfrontation mit der Dämonenwelt. Darf ich Ihren Namen erfahren?«

Während der Magier Marion noch ausfragte, machte sich John seine Gedanken. Für seinen Geschmack sprach der Kerl zu viel vom Dämonenreich. Der Inspektor wusste, dass dieses Reich existent war. Ihm selbst war es schon fast gelungen dorthinzugelangen.1) Sollte sich hinter dem Magier ein Dämon verbergen?

Sourette hatte seine Fragen beendet. Er winkte Cascabel herbei.

»Was Sie jetzt sehen, Ladies and Gentlemen, ist einmalig. Cascabel wird in den hinter mir stehenden Kasten steigen und diese Welt verlassen. Bitte.«

Der Bucklige trat vor und zog die Tür des Kastens auf.

John Sinclair, der ziemlich vorn saß, konnte erkennen, dass die Innenwände mit geheimnisvollen Zeichen bemalt waren. Zeichen, die der Inspektor aus der Fachliteratur über schwarze Magie und Hexerei kannte.

Sein Verdacht erhärtete sich.

Cascabel stieg in den Kasten. Er warf noch einen letzten Blick in den Zuschauerraum, bevor Sourette die Tür schloss.

Marion Nelson stand einige Schritte entfernt und beobachtete alles aus großen Augen.

Der Magier blieb hinter dem Kasten stehen. Er streckte die Arme aus und murmelte dumpfe Beschwörungsformeln in einer Marion unbekannten Sprache.

Die Zuschauer hielten den Atem an, starrten gebannt auf die Bühne.

Plötzlich trat Sourette zurück. »Sehen Sie nach, Miss Nelson, ob Cascabel noch im Kasten ist.«

Marion machte ein paar zögernde Schritte.

»Bitte, Miss Nelson, nur keine Angst.«

Marion berührte den kleinen Türknauf. Sie zögerte einen Moment, als hätte sie Angst vor dem, was kommen würde.

Dann zog sie die Tür mit einem Ruck auf.

Der Schrank war … leer!

Ein Aufstöhnen ging durch das Publikum. Marion Nelson konnte einen leisen Schrei nicht unterdrücken.

In ihre Überraschung drang Sourettes Stimme. »Nun, was sehen Sie, Miss Nelson?«

»Er ist leer«, sagte Marion kaum hörbar.

»Wiederholen Sie es laut und deutlich.«

»Der Schrank ist leer!«

Wieder gab es Beifall. Auch Kitty Jones klatschte.

Nur John Sinclair blieb gelassen. Es gab für ihn zwei Möglichkeiten. Entweder befand sich unter der Bühne eine Klappe, durch die Cascabel verschwunden war, oder Sourette stand wirklich mit dem Teufel im Bunde.

John hoffte auf die erste Möglichkeit.

»Sind Sie nun überzeugt, Miss Nelson?«, hörte er wieder Sourettes Stimme.

»Ja.«

Der Magier lachte. »Das klang immer noch ungläubig. Wie wär’s, wenn Sie selbst einen Versuch wagen?«

»Ich? Ich soll mich in den Schrank stellen?«

»Das hatte ich gemeint.«

»Mr. Sinclair«, flüsterte Kitty Jones, »das können wir nicht zulassen, Sie …«

»Marion ist erwachsen und hat ihren eigenen Willen«, antwortete John, obwohl auch ihm die Sache nicht behagte.

Auf der Bühne versuchte Sourette immer noch, das Mädchen zu überzeugen.

Schließlich willigte Marion ein.

»Was geschieht dann mit mir?«, wollte sie wissen.

»Das darf ich Ihnen nicht verraten, Miss Nelson. Die Überraschung wäre weg. Aber ich kann Ihnen sagen, Sie werden nicht enttäuscht sein.«

»Na, ich weiß nicht.«

»Angst vor der eigenen Courage?«

»Nein. Ich mache es.«

»Na, bitte.«

Sourette trat zur Seite und zog die Tür des geheimnisvollen Schranks auf, die er vorher wieder geschlossen hatte.

Abermals konnte John Sinclair die seltsamen Zeichen sehen.

»Sie geht tatsächlich hinein«, flüsterte Kitty Jones.

John erwiderte nichts. Er hatte den Blick starr auf die Bühne gerichtet. Ihm entging nicht die kleinste Bewegung, jedes Detail nahm er wahr.

Im Zuschauerraum war es still. Niemand wagte einen Ton zu sagen. Vorhin war Sourettes Assistent in den Kasten gestiegen, doch jetzt war es eine Zuschauerin, die nicht ahnen konnte, was sie erwarten würde.

Sorgfältig verschloss der Magier den Kasten. Noch einmal ließ er den Blick über das Publikum schweifen, ehe er wieder hinter den Kasten trat und seine Beschwörungsformeln sprach.

Nur noch ein Scheinwerfer war eingeschaltet. Er warf seine violette Lichtbahn genau auf den Kasten.

Plötzlich zuckte John Sinclair zusammen. Er hatte für den Bruchteil einer Sekunde ein helles Flimmern über dem Kasten bemerkt.

Sollte er mit seinem grässlichen Verdacht recht behalten?

»Sehen Sie her!«, dröhnte die Stimme des Magiers. Er trat an die Vorderseite des Schranks und zog die Tür auf.

Ein Aufschrei ging durch das Publikum.

Marion Nelson war verschwunden!

Im gleichen Augenblick fiel der Vorhang …

Kitty Jones griff nach Johns Hand. Hart krallte sie ihre Fingernägel in das Fleisch.

»Mr. Sinclair, was ist geschehen? Wo ist Marion?«

»Ich weiß es nicht«, erwiderte John leise. »Noch nicht«, fügte er hinzu.

Der Inspektor erhob sich.

»Was haben Sie vor, Mr. Sinclair?«, fragte Kitty.

»Werde mir mal die Bühne genauer ansehen.«

»Ich komme mit.«

»Nein!«

Johns Antwort hatte bestimmt geklungen, und Kitty, die schon halb aufgestanden war, ließ sich wieder in ihren Sitz fallen.

Auch unter den anderen Zuschauern war Unruhe aufgekommen. Jeder wartete darauf, dass sich der Vorhang öffnete und das verschwundene Mädchen wieder auf seinen Platz zurückkehren würde.

Aber nichts geschah.

John drängte sich durch die Zuschauerreihe, lief zu der kleinen Trittleiter am Bühnenrand und stieg die Sprossen hoch.

Einige Hundert Augenpaare sahen John Sinclair zu, wie er auf die Vorhangmitte zulief und die Stelle suchte, durch die er hindurchschlüpfen konnte.

John hatte sie schnell gefunden. Er zwängte sich durch den Vorhangspalt und stand auf der dunklen Bühne.

Es dauerte etwas, bis sich Johns Augen an die herrschenden Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.

Langsam machte der Inspektor seine Runde. Der dünne Teppich auf dem Holzboden dämpfte seine Schritte ein wenig.

Hoch über sich hörte John Stimmen. Es waren die Bühnenarbeiter und Beleuchter, die ihre luftigen Sitze verließen. Dort oben brannte auch nur noch das Notlicht.

Aber wo war Sourette der Magier? Auch der geheimnisvolle Kasten war verschwunden.

Ein Mann im weißen Kittel kam plötzlich von der Seite her auf John zu. Im gleichen Moment ging auch wieder das Licht an. John sah überall am Rand der Bühne die Notbeleuchtung brennen.

Der Weißkittel rief John an. »He, sind Sie wahnsinnig, Mister? Was haben Sie hier zu suchen?«

Das musste der Inspizient sein. Er war es auch, wie sich herausstellte, und er wurde wesentlich freundlicher, als John seinen Ausweis präsentierte.

»Oh, Scotland Yard. Was kann ich für Sie tun, Inspektor?«

»Ich möchte gern die Garderobe des Magiers sehen.«

Der Inspizient knetete sein Doppelkinn. »Das ist sehr schwer, Sir. Mr. Sourette hat verboten, irgendwelche Besucher vorzulassen.«

»Bei mir wird er eine Ausnahme machen«, antwortete John. »Ach, sagen Sie, weshalb war es vorhin so dunkel?«

»Ein Kurzschluss, Inspektor.«

»Kommt das oft vor?«

»Eigentlich nie. Es war heute das erste Mal. Komisch. Na ja, wir hatten schließlich einen Magier hier.«

Die Männer hatten inzwischen die Bühne verlassen, gingen eine eiserne Wendeltreppe hoch und gelangten in den langen Flur des Theaters, in dem sich auch die Garderoben der Künstler befanden.

»Hier ist es, Inspektor.« Der Inspizient deutete auf die dritte Tür rechts. »Sie haben wohl nichts dagegen, wenn ich jetzt verschwinde.«

»Nein, nein«, sagte John lächelnd, »gehen Sie nur.«

Der Inspizient rannte geradezu davon.

John wollte gerade an die Garderobentür klopfen, als diese aufgerissen wurde.

Cascabel trat heraus.

John ging unwillkürlich einen Schritt zurück. Cascabel reichte ihm kaum bis zum Bauchnabel. Er trug immer noch die Kleidung, die er auf der Bühne angehabt hatte. Sein Buckel schoss wie ein spitzer Höcker hervor. Man hätte vielleicht Mitleid mit ihm haben können, wenn nicht die Augen gewesen wären.

Sie blickten kalt und brutal, ohne jegliches Gefühl.

»Was wollen Sie hier?«, zischte Cascabel feindselig.

»Ich möchte den großen Sourette sprechen.« John gab sich bewusst den Anstrich eines Fans.

Cascabel kicherte völlig unmotiviert. »Das möchten viele. Sehr viele sogar. Aber es ist noch keinem gelungen. Hauen Sie ab, Mann!«

John kniff die Augen zusammen. Noch nahm er den Kerl nicht richtig ernst. »Schön, dann werde ich eben der Erste sein, der den Meister spricht.«

»Nein!«, kreischte Cascabel, stellte sich blitzschnell vor die Garderobentür, breitete beide Arme aus und verwehrte John den Eintritt.

Der Inspektor lächelte, packte Cascabel und wollte ihn zur Seite schieben.

Doch der hatte Kräfte, von denen der Inspektor nichts ahnen konnte.

Höllenkräfte!

John spürte den unerwarteten Widerstand, den ihm Cascabel entgegensetzte, und bekam einen brettharten Schlag in den Magen.

Der Inspektor taumelte und stöhnte auf. Er presste beide Hände auf die getroffene Stelle und ging in die Knie.

Verschwommen sah er, wie Cascabel die Garderobentür aufriss, in dem dahinterliegenden Raum verschwand und die Tür wieder zuwarf.

John quälte sich auf die Beine. Verdammt, er hatte den Kerl unterschätzt.

Er atmete tief durch und merkte, dass es ihm besser ging. Noch hatte sich auf dem Flur niemand blicken lassen. Von der sonst herrschenden Theaterhektik war nichts zu spüren.

Seltsam.

Welches Geheimnis verbarg die Garderobe? John musste es herausfinden.

Er ging zu der nächsten Tür und fand sie offen. John huschte in den dahinterliegenden Raum.

Es war ebenfalls eine Garderobe. An einer Wand standen drei Schminktische mit den dazugehörigen Spiegeln, an der anderen entdeckte John einen Kleiderständer mit alten Kostümen. Licht brannte keines. Trotzdem fiel durch das Fenster von draußen noch genügend Helligkeit, um alles einigermaßen gut erkennen zu können.

John öffnete das Fenster. Er schaute an der alten Theaterfassade hinunter und hatte Glück.

Etwa einen halben Meter tiefer zog sich ein schmaler Sims um das Gebäude.

Hoffentlich hält der dein Gewicht, dachte John, als er aus dem Fenster kletterte.

Vorsichtig berührten seine Schuhe den Sims. John verlagerte das Gewicht voll auf seine Ballen, während seine Hände den Fensterrahmen umklammerten.

Das Gestein hielt.

Stück für Stück tastete sich John nach links, kam dem Garderobenfenster des Magiers immer näher. Seine Finger fanden in den rissigen Steinen der Hausfassade ein wenig Halt.

John hangelte sich weiter. Immer näher kam er dem Fenster. Fingerdick lag ihm der Schweiß auf der Stirn. Seine Hände begannen zu zittern.

Nur nicht schlappmachen, hämmerte er sich ein.

John schaffte es.

Er war so weit gekommen, dass er nur den Kopf zu drehen brauchte, um in die Garderobe des Magiers sehen zu können.

Zuerst sah John nichts. Doch dann fiel ihm ein schwaches rotes Licht auf, das wie eine riesige Kerzenflamme in der Mitte des Raumes zu schweben schien.

Was dann geschah, war so unwahrscheinlich, dass es ihm niemand geglaubt hätte.

Der Magier und Cascabel traten gleichzeitig in den Lichtschein, der sich von Sekunde zu Sekunde verstärkte.

John sah die Umrisse der Männer wie durch ein dickes rot gefärbtes Glas.

Und plötzlich waren die Konturen verschwunden. Weg, so als hätten sie sich aufgelöst.

Es gab keinen Magier mehr und keinen Buckligen. Das Dämonenreich hatte sie verschluckt.

John Sinclair machte sich auf den Rückweg. Als er schließlich wieder in der Garderobe stand, zitterte er am ganzen Körper. Nun stand endgültig fest, dass er es mit einem Dämon zu tun hatte.

Der Inspektor gelangte nach einigem Suchen in den Zuschauerraum, der gerade von den letzten Besuchern verlassen wurde.

John Sinclair suchte Kitty Jones. Er musste ihr vorsichtig beibringen, dass ihre Freundin fort war.

Aber Kitty war nirgendwo zu finden.

Auch an der Garderobe konnte John sie nicht entdecken. Die beiden Mäntel waren allerdings abgeholt worden, wie ihm die Garderobiere mitteilte.

John bedankte sich und ging nach draußen. Er achtete nicht auf die Bemerkungen, die manche Besucher über seinen verschmutzten Smoking machten.

Er musste unbedingt Kitty Jones finden. John hatte das Gefühl, dass auch sie in großer Gefahr schwebte …

Kitty Jones wartete genau zehn Minuten.

Als John Sinclair dann noch nicht zurückgekehrt war, stand sie auf, ging zur Garderobe und holte ihren und Marions Mantel. Zum Glück hatte sie beide Karten eingesteckt.

Sie machte sich um ihre Freundin große Sorgen. Aber schließlich sagte sie sich, dass Kitty bestimmt schon zu Hause war und sie nur erschrecken wollte.

Zum Glück regnete es nicht, als das Mädchen aus dem Theater trat und die große Treppe hinunterging, um nach einem Taxi Ausschau zu halten.

Sie musste warten. Das Angebot eines Mannes, sie mitzunehmen, lehnte sie ab.

Schließlich gelang es ihr doch, einen Wagen zu ergattern. Sie setzte sich in den Fond und nannte ihre Adresse.

Während das Taxi durch die Straßen von London kurvte, hing Kitty ihren Gedanken nach. Sie machte sich plötzlich Vorwürfe, nicht doch noch länger gewartet zu haben.

Dann merkte sie, dass sie schläfrig wurde. Sie schloss die Augen und dämmerte dahin.

»Kitty.«

Erschrocken zuckte das Mädchen zusammen.

Da hatte sie doch jemand gerufen.

»Kitty.«

Wieder. Die Stimme. Mein Gott, es war die von Marion.

Kitty riss die Augen auf, doch sie sah nur den Rücken des Taxifahrers.

Beunruhigt wandte Kitty den Kopf. »Marion?«, fragte sie leise.

Nichts.

»Ist was, Miss?«, fragte der Fahrer.

»Nein, nein. Schon gut.«

»Wir sind übrigens gleich da.«

Zwei Minuten später war Kitty aus dem Taxi gestiegen. Verloren stand sie vor dem siebenstöckigen alten Wohnhaus, das ihr auf einmal unheimlich vorkam.

Kitty kramte den Schlüssel aus der Handtasche und schloss auf. Dabei merkte sie, dass ihre Hände zitterten.

Sie betrat den langen, mit grünen Fliesen gekachelten Hausflur und machte Licht.

In Gedanken versunken stieg sie die Steintreppe hoch. Als sie das erste Stockwerk erreichte, begann sie schneller zu gehen. Sicher wartete Marion bereits auf sie.

Kitty hatte den Wohnungsschlüssel schon in der Hand. Sie schloss auf.

Leise betrat Kitty die Wohnung.

Alles war dunkel.

»Marion?«

Keine Antwort.

Kitty spürte, wie ihr eine Gänsehaut über den Rücken rieselte. Sie hatte auf einmal Angst. Ihre rechte Hand tastete nach dem Lichtschalter.

Die viereckige Lampe unter der Dielendecke flackerte auf. Sie verbreitete ein warmes gelbbraunes Licht.

Kitty machte überall Licht. Im Wohnzimmer, in der Küche, im Bad.

Nichts. Die Wohnung war leer. Keine Spur von Marion Nelson.

Mit klopfendem Herzen ließ sich Kitty Jones in einen Sessel fallen.

Du bist nervös, sagte sie sich. Am besten legst du dich hin und versuchst zu schlafen.

Gewaltsam verdrängte sie ihre Gedanken an Marion Nelson.

Kitty ging in das kleine Badezimmer und zog sich aus. Gedankenverloren betrachtete sie die mit einem Plastikvorhang abgeteilte Duschkabine. Kitty war verschwitzt, da konnte eine Dusche nicht schaden.

Sie zog den Vorhang zur Seite – und erstarrte!

Auf dem gefliesten Boden lag das Kleid ihrer Freundin!

Zwei, drei Sekunden lang war Kitty unfähig, sich zu rühren. Sie hatte die Arme halb erhoben und die Hände zu Fäusten geballt. Der Schrei, der sich ihrer Kehle entringen wollte, blieb auf halbem Weg stecken.

Kitty schloss die Augen. Sie war einfach nicht mehr in der Lage, das Kleid anzusehen.

Sie wusste nicht, wie lange sie so gestanden hatte, doch als sie die Augen wieder öffnete, war das Kleid verschwunden.

Kitty Jones wankte. Hätte sie sich nicht mit einer Hand am Waschbecken festgehalten, wäre sie lang hingestürzt. Sie brauchte Minuten, um sich von dem Schreck zu erholen.

Was ging hier vor? Oder spielten ihr die überreizten Nerven einen Streich?

Kitty wusste keine Antwort. Mit unsicheren Schritten ging sie in das Schlafzimmer und ließ sich ins Bett fallen. Das Licht in ihrer Wohnung hatte sie brennen lassen.

Kitty lag auf dem Rücken. Aus glanzlosen Augen starrte sie gegen die rissige Decke. In ihrem Körper war ein Gefühl der völligen Leere.

Irgendwann dämmerte Kitty ein. Sie wusste nicht, wie lange sie in diesem Zustand zwischen Traum und Wachsein gelegen hatte, auf jeden Fall schreckte sie plötzlich hoch.

Ein kalter Windzug berührte ihre nackten Schultern.

Das Fenster! Es war offen!

Der Wind pfiff in den Raum und blähte die Gardinen.

Plötzlich verlöschte das Licht!

Die Dunkelheit ließ Kitty zittern. Rasend schnell schlug ihr Herz.

Wer hatte das Licht ausgeschaltet?

Ein Einbrecher?

Starr vor Angst saß Kitty in ihrem Bett und lauschte.

Doch nichts geschah. Keine Schritte, kein Atmen. Nur der Wind pfiff durch das offene Fenster.

Kitty fasste sich ein Herz, stand auf und schloss das Fenster. Dann ging sie zu dem Lichtschalter, betätigte ihn – nichts.

Es blieb dunkel.

Wahrscheinlich ist die Sicherung rausgesprungen, dachte Kitty, wusste aber im gleichen Atemzug, wie billig diese Ausrede war.

Mit klopfendem Herzen legte sie sich wieder ins Bett. Sie bebte am gesamten Körper. Es war die Angst, die ihre Krallen nach ihr ausgestreckt hatte.

Im Haus war es still. Die Bewohner hatten sich schon alle zur Ruhe gelegt.

Kitty nahm ihre Uhr und blickte auf das Leuchtzifferblatt.

Mitternacht …

Und da geschah es!

Plötzlich sah Kitty das rote Licht, das in ihrem Zimmer schwebte. In Form einer riesigen Kerzenflamme leuchtete es direkt vor dem Fußende ihres Bettes.

»Kitty.«

Wieder hörte sie den Ruf ihrer Freundin.

Aus angstgeweiteten Augen starrte das Mädchen auf das rote Licht. Und dann glaubte sie, ihr Verstand würde aussetzen. Im Innern des roten Lichtkreises zeichnet sich eine Kontur ab.

Marion Nelson.

Kitty stöhnte auf. Sie wollte ihren Blick von dieser unheimlichen Erscheinung losreißen, doch es ging nicht. Wie ein Magnet saugten sich ihre Augen an Marion fest.

Jetzt löste sich der Frauenkörper aus dem roten Licht, schwebte über ihr Bett.

Kitty erkannte es mit nahezu brutaler Deutlichkeit.

Ja, dieses Wesen war Marion, ihre Freundin.

Sie trug dasselbe Kleid wie im Theater. Das Kleid, das Kitty auf dem Boden der Dusche gesehen hatte.

Mein Gott, wie war das möglich?

»Hallo, Kitty«, hörte sie Marions ferne Stimme. »Ich will dich zu mir holen. Komm mit in unser Reich.«

Nein!, wollte Kitty Jones schreien, doch nur ein raues Krächzen drang aus ihrer Kehle.

Die Gestalt schwebte näher, stand direkt über ihr.

Mit unendlicher Mühe hob Kitty den Arm, wollte Marion anfassen, aber ihre Hand glitt durch die Gestalt hindurch.

»Ich – ich will nicht«, stöhnte Kitty. »Bitte, lass mich in Ruhe. Bitte! Ich …«

Das Grauen schnürte ihr die Kehle zu.

Doch der Geist kannte keine Gnade. »Wenn du nicht willst, musst du sterben«, hörte Kitty die Stimme ihrer Freundin.

»Sterben?«, flüsterte Kitty.

»Ja, sterben.«

Im gleichen Augenblick verschwamm Marions Gesicht, und ein grinsender Totenschädel nahm dessen Platz ein. Die Hand der unheimlichen Erscheinung fuhr in das Kleid, kam zurück und hielt ein Messer in der Faust.

Wie hypnotisiert starrte Kitty auf das Messer und sah die blitzende Klinge, die sich langsam ihrer Kehle näherte …

Nicht weit vom James-Call-Theater entfernt fand John eine Telefonzelle.

Mit langen Schritten eilte er darauf zu, sah, dass sie unbesetzt war, riss die Tür auf und schnappte sich sofort das Telefonbuch.

Fieberhaft blätterte er den dicken Wälzer durch, suchte nach Kitty Jones’ oder Marion Nelsons Namen.

Ohne Erfolg.

John machte sich wegen der beiden jungen Frauen immer mehr Sorgen. Besondere Angst hatte er um Marion Nelson.