John Sinclair Gespensterkrimi Collection 7 - Horror-Serie - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Gespensterkrimi Collection 7 - Horror-Serie E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

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Fünf gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis in einem Band


Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.

Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind und erlebe mit, wie die Serie Kultstatus erreichte.


Dieser Sammelband enthält die Folgen 31 - 35 der John Sinclair Gespensterkrimis:

31 Das Todeskabinett

32 Irrfahrt ins Jenseits

33 Die Todesgondel

34 Der Voodoo-Mörder

35 Die Rache der roten Hexe


Tausende Fans können nicht irren - über 320 Seiten Horrorspaß garantiert!

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Veröffentlichungsjahr: 2019

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustration: Vincente Ballestar ISBN 978-3-7325-6677-8

Jason Dark

John Sinclair Gespensterkrimi Collection 7 - Horror-Serie

Inhalt

Jason DarkJohn Sinclair Gespensterkrimi - Folge 31Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Das Todeskabinett. Zwei alte Damen bringen John Sinclair an den Rand der Verzweiflung. Welches grauenvolle Geheimnis verbergen die Frauen im Keller ihres Hauses? Welche Verbindung besteht zwischen dem mordenden Sensenmann und den beiden Ladies? John will das Rätsel lösen und gerät dabei in einen Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint ... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 32Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Irrfahrt ins Jenseits. Die Kirchturmuhr des nahen Dorfes schlug Zwölf, als das schwere Eingangstor der Burg wie von Geisterhand aufschwang. Rasselnd löste sich die Zugbrücke aus der Verankerung und krachte auf den Boden. Staub wallte auf, dessen feine Partikel im Mondlicht wie unzählige kleine Diamanten funkelten. Plötzlich durchbrach das Trappeln von Pferdehufen die lastende Stille. Ein kastenartiges Gefährt jagte durch das offene Tor und wurde von zwei pechschwarzen Pferden in höllischem Tempo über die Brücke gezogen. Sie war wieder unterwegs: Die Teufelskutsche. Wieder einmal wartet auf John Sinclair ein Abenteuer, bei dem er auf einen der mächtigsten Dämonen seiner Zeit trifft ... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 33Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Die Todesgondel. Über Venedig tobte ein mörderisches Unwetter! Die Stadt wird für John Sinclair zu einem Albtraum. In dem Gewirr von Kanälen und engen Gassen jagt er die Bande der Goldenen Masken - und die geheimnisvolle Todesgondel. John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 34Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Der Voodoo-Mörder. Seine Opfer sind junge Mädchen, die den Keim des Todes in sich tragen. Wie eine Spinne zieht er sein tödliches Netz über den gesamten europäischen Kontinent. Nur ein Mann kann seinen teuflischen Mordtrieb stoppen: John Sinclair! John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 35Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Die Rache der roten Hexe. Fünf Menschen erhalten eine seltsame Einladung: Zu einem genau festgesetzten Zeitpunkt sollen sie sich in einem alten Haus an der französischen Küste treffen. Neugierig folgen sie der Einladung und ahnen nicht, dass sie sich bereits in den Bann der roten Hexe begeben haben. Ein mörderisches Schicksal hat sie nun zusammengebracht. Und für jeden der fünf beginnt der Kampf ums nackte Überleben! John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Über die Serie

Über den Autor

Impressum

DAS TODESKABINETT

Vorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

DAS TODESKABINETT

In einer gepflegten Villa am Stadtrand von Tonbridge leben die beiden alten Zwillingsschwestern Lydia und Emily Bradford. Niemand in der Nachbarschaft ahnt, welches absolut grauenvolle Geheimnis die scheinbar reizenden Damen im Keller ihres Hauses verbergen …

Gelbrot flackerte die Flamme des Zündholzes auf, beleuchtete für Sekunden das harte männliche Gesicht eines jungen Mannes. Eine Zigarette glühte, der Mann räusperte sich.

Das Streichholz verlosch. Würziger Rauch fächerte durch die Zweige des Strauches, hinter dem der Mann sich verborgen hielt.

Er wartete. Wartete auf Milly Day, ein bezauberndes, junges Mädchen mit langen, weizenblonden Haaren. Seit drei Tagen kannte er sie jetzt, und sie hatten sich von Beginn an sofort ausgezeichnet verstanden.

Rasch hintereinander glühte die Spitze der Zigarette auf, zeugte davon, wie hastig der junge Mann rauchte.

Ja, er war tatsächlich aufgeregt. Eine unerklärliche Angst hielt ihn umklammert. Eine Angst, die ihn jedes Mal packte, wenn er sich mit einem Mädchen verabredet hatte. Er wusste auch nicht, woher diese Angst kam, und niemals vorher war es zu einem Treffen gekommen. Immer war er kurz vor der verabredeten Zeit verschwunden. Die Angst in ihm hatte gesiegt.

Doch heute sollte es anders werden!

An diesem Abend wollte er dieses belastende unselige Gefühl endlich einmal unterdrücken. Er wollte leben und lieben wie ein normaler Mann.

Schritte drangen an seine Ohren! Milly kam. Endlich!

Der Mann leckte sich aufgeregt über die Lippen. Wieder war der Drang in ihm, wegzulaufen, doch er kämpfte dagegen an.

Und diesmal mit Erfolg.

Die Schritte stockten, eine Schuhsohle raschelte über verfaultes Laub.

»Larry?« Die Frage war nur ein Hauch. Unsicher, ängstlich.

»Hier bin ich, Milly!« Larry Harker warf die Zigarette zu Boden und trat sie mit dem Absatz aus. Mit beiden Händen schob er die Zweige zur Seite und drängte sich aus dem Gebüsch. Nasse Spinnweben blieben an seiner Stirn kleben. Es störte ihn nicht.

Milly hatte ihm das Profil zugewandt, suchte ihn in einer anderen Richtung.

»Ich bin hier«, sagte Larry Harker und breitete gleichzeitig die Arme aus.

Milly flog ihm an die Brust. »O Larry«, flüsterte sie. »Du ahnst gar nicht, wie sehr ich mich danach gesehnt habe, endlich mit dir allein sein zu können.«

Der junge Mann presste das blondhaarige Mädchen fest an sich. Seine Finger streichelten ihren Rücken, das Gesicht hatte er in dem weizenblonden Haar vergraben.

Minutenlang genossen die beiden das Glücksgefühl, völlig allein zu sein. Sie sagten kein Wort, sondern standen nur dicht aneinandergeschmiegt beisammen.

Milly war es, die sich löste. Sie hob den Kopf und blickte Larry an.

»Wohin gehen wir?«, fragte sie mit belegter Stimme, obwohl sie die Antwort schon vorher wusste.

»In das Gartenhaus.«

»Und du meinst, wir sind wirklich allein?«

»Ja.«

»Dann komm, und lass uns nicht länger warten.«

Milly zog den jungen Mann einfach mit sich fort. Sie hielt seine Hand fest umschlossen, als hätte sie Angst, ihren Larry wieder zu verlieren.

Wie ein Blitzstrahl hatte sie die Liebe getroffen. Mein Gott, wie würden sie die anderen Schülerinnen beneiden, wenn sie von Larry erzählte. Schließlich war sie nicht die Einzige, die ein Auge auf den attraktiven Mann geworfen hatte.

Der Weg war schmal. Wässriger Schneematsch klatschte unter ihren Sohlen. Es war stockdunkel. Die Bäume zu beiden Seiten des Weges waren kaum zu sehen, glichen unförmigen drohenden Schatten.

Und plötzlich war die Angst wieder da. Lass sie laufen!, warnte Larry eine innere Stimme. Noch ist es Zeit!

Larry Harker wischte sich über die Stirn. Dann blieb er abrupt stehen.

»Ist was?«, fragte Milly.

»Nein – ich …«

»Komm weiter, Larry, bitte.«

»Ja, ja, schon gut.«

Larry Harker setzte sich wieder in Bewegung. Milly ließ seine Hand los und legte dafür ihren Arm in Larrys Rücken. Selbst durch den dicken Mantel spürte Larry die Wärme des Mädchenkörpers. Verlangen stieg in ihm hoch, verdrängte die Angst.

»Wie weit ist es denn noch?«, fragte Milly. Sie drehte den Kopf, und ihr Blick hing an Larrys Lippen.

Er lächelte. »Wir sind gleich da.«

»Hoffentlich. Du weißt, ich muss noch vor Mitternacht in der Schule sein. Die Kontrollen sind streng.«

»Keine Angst, ich werde dich pünktlich abliefern.«

Der Weg gabelte sich. Links ging es zum Moor, rechts führte der Pfad zu einer kleinen Lichtung, auf der auch die bewusste Hütte stand.

Gartenhaus, nannte Larry es. Dorthin zog er sich immer zurück, wenn er allein sein wollte. Allein mit sich und der Musik, die er über alles liebte.

Das Haus war aus dicken Holzbohlen zusammengefügt worden, die auch einen Teil der Kälte abhielten. Die Fenster waren klein, die Scheiben blind.

Larry fingerte nach dem Schlüssel und schloss auf.

»Warte hier«, sagte er zu Milly. »Ich muss erst Licht machen. Wir müssen uns leider mit Kerzenschein begnügen. Es ist alles eben noch etwas primitiv.«

»Ich finde es romantisch.«

Larry Harker ging ins Haus. Kerzen standen auf einem Holzbrett an der Wand. Larry zündete eine an, hielt seine Hand schützend um die Flamme und deutete Milly mit einer Kopfbewegung an, hereinzukommen.

Das Mädchen trat sich den Schneematsch von den Füßen und folgte seinem Freund in den einzigen großen Raum.

Larry zündete noch weitere Kerzen an, und das Licht reichte aus, um sogar ein Buch lesen zu können.

Milly blickte sich um. »Gemütlich ist es hier. Und sogar ein Klavier hast du«, sagte sie und blickte staunend auf das schwarze Instrument mit dem zugeklappten Deckel. »Spielst du mir etwas vor?«

»Vielleicht.«

Larry hatte seinen Mantel ausgezogen und ihn an einen in der Wand eingelassenen Haken gehängt. Er trug jetzt noch einen dicken dunkelroten Pullover und seine verwaschenen Jeans. Sein Gesicht wurde vom Kerzenschein beleuchtet, er flackerte über die dunkelbraunen, melancholisch blickenden Augen, die nicht so recht zu den harten, sehr männlich wirkenden Zügen passen wollten.

Larry streckte die Arme aus. »Gib mir deinen Mantel.«

»Gerne.« Milly schlüpfte aus ihrem Parka, den Larry ebenfalls über den Haken hängte.

»Ich habe leider kein Heizmaterial«, sagte er, »außerdem ist der alte Ofen verstopft.«

»Das macht nichts. Wir werden es uns schon gemütlich machen.« Milly dehnte und streckte sich. Larry sollte erkennen, dass sie unter dem dünnen T-Shirt keinen BH trug.

»Möchtest du etwas trinken?«, fragte er.

»Was hast du denn da?«

»Whisky.«

»Gut, ein Glas, da komme ich immer so leicht in Stimmung.«

Larry lächelte und kramte in einem schmalen, wackeligen Schrank herum.

Milly interessierte mehr das Bett. Es war ein altes breites Metallbett mit einem stabilen Rahmen und einen rot-weiß karierten Bezug.

»Schläfst du auch ab und zu hier, Larry?«

»Ja. Besonders im Sommer.«

»Auch immer allein?«

Larrys Augen wurden groß. »Natürlich. Hattest du etwas anderes angenommen?«

»Das ist ja schließlich nicht von der Hand zu weisen. Du bist immerhin vierundzwanzig Jahre alt.«

»Das ist doch kein Grund.« Larrys Stimme klang ungeduldig. »Ich schlafe eben nicht mit jeder.«

»Entschuldige, ich wollte dich nicht beleidigen.«

»Hast du auch nicht.« Larry zuckte die Schultern und hielt die Whiskyflasche gegen eine Kerzenflamme. »Reicht gerade noch für uns beide«, sagte er. »Gläser stehen neben dem Bett auf dem Nachttisch.«

Es waren saubere Trinkgläser. Larry Harker verteilte den Rest des Whiskys und stellte die leere Flasche in eine Ecke. Dann reichte er Milly ein Glas.

»Auf uns«, sagte das blonde Mädchen, leerte das Glas mit einem Zug und musste sich schütteln.

Larry hatte an der goldbraunen Flüssigkeit nur genippt. Er stellte sein Glas weg und nahm Milly in beide Arme. Fordernd pressten sich seine Lippen gegen die ihren. Milly hatte die Augen geschlossen, spürte nur Larrys tastende Hände, die plötzlich überall an ihrem Körper zu sein schienen.

Automatisch bewegten sich die beiden dem Bett zu. Doch plötzlich zuckte Larry zusammen.

»Was ist?«, fragte Milly.

»Hast du das Geräusch nicht gehört?«

»Das Geräusch?«

»Ja, draußen.«

»Ach, lass doch, es wird irgendein Tier gewesen sein. Wir brauchen uns darum doch nicht zu kümmern.« Milly nahm Larrys Kopf in beide Hände, doch der junge Mann schob sie von sich.

»Erst muss ich nachsehen, Milly. Dieses Geräusch, es hatte sich angehört wie – Schritte.«

»Du bist verrückt. Du willst mich nur ärgern.«

»Nein. Da, jetzt wieder.«

Milly war blass geworden. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe. Sie hatte das Geräusch tatsächlich gehört. Sofort dachte sie an irgendwelche Spanner oder Sittlichkeitsverbrecher. Schon allein bei diesem Gedanken zog sich eine Gänsehaut über ihren Rücken.

»Ich sehe mal nach«, sagte Larry.

Milly hielt ihn fest. »Bleib hier, bitte. Ich habe Angst. Wir verhalten uns ruhig, löschen die Kerzen und …«

»Ach, Unsinn.« Larry Harker schob das junge Mädchen kurzerhand zur Seite und näherte sich der Tür. Kurz davor wandte er sich noch einmal um. »Du bleibst auf jeden Fall hier«, sagte er, und Besorgnis schwang in seiner Stimme mit.

Milly nickte tapfer.

Larry lächelte ihr aufmunternd zu und verschwand nach draußen. Die Tür zog er nicht ganz ins Schloss.

Milly Day fröstelte. Sie ging auf das Klavier zu und hob den Deckel hoch. Sinnend sah sie auf die hellen und dunklen Tasten. Fast wie von selbst glitten ihre Finger über die Tastatur. Die Melodie eines alten englischen Kinderliedes schwebte durch den Raum. Sie war irgendwie beruhigend, und Milly begann zu lächeln.

Sie ahnte nicht, dass hinter ihrem Rücken schon das Grauen lauerte.

Daumenbreit wurde die Tür aufgestoßen. Die Melodie des Liedes übertönte das leise Quietschen.

Eine bleiche Knochenhand umfasste das Türholz.

Ein Arm folgte, umhüllt von einem blutroten Samtärmel. Halboffen stand die Tür jetzt, und lautlos schlich die unheimliche Erscheinung in die Hütte.

Groß war sie, reichte bis zur Decke.

Ein beinerner Totenschädel schimmerte unter der hochgezogenen Kapuze. Die blutrote Samtkutte reichte bis zum Boden, bedeckte die Füße. Die Arme des Unheimlichen waren vorgestreckt. Seine Fäuste umklammerten den Griff einer riesigen Sense. Silbrig schimmerte das scharfe, gebogene Blatt. Die Augen in dem Schädel waren leer, wirkten wie finstere Schächte.

Der Tod war gekommen …

Im gleichen Augenblick schlug der Tod die Tür zu. Milly Day war seine Gefangene …

Der Nachtwind kühlte Larry Harkers Gesicht, trocknete den klebrigen Schweiß. Larry fror. Er hatte seinen wärmenden Mantel im Haus hängen gelassen. Jetzt ärgerte er sich darüber, hatte aber keine Lust, wieder hineinzulaufen.

Larry trat zwei Schritte von der Tür weg und blieb, mit dem Rücken an die Hauswand gepresst, stehen.

Er lauschte.

Alles blieb still. Und doch hatte sich Larry vorhin nicht geirrt. Er hatte die Schritte deutlich vernommen.

Dann hörte er plötzlich die Melodie eines Kinderliedes aufklingen. Fast hätte Larry mitgesummt. Er lächelte und freute sich, dass Milly Klavier spielte. Sicher wollte sie damit ihre Angst unterdrücken.

Larry löste sich von der Hauswand und ging ein Stück in die Dunkelheit hinein. Seine Augen hatten sich schon einigermaßen an die herrschenden Lichtverhältnisse gewöhnt, und Larry konnte die Konturen der Bäume sehen.

Eine Gänsehaut lief über seinen Rücken. Wie leicht konnte sich jemand hinter den Stämmen verstecken. Er dachte an seine beiden Tanten, die ihn gewarnt hatten, nachts einfach loszuziehen.

Ach, zum Teufel mit den alten Schachteln! Die hätten am liebsten gehabt, wenn er den ganzen Tag im Haus geblieben wäre, damit sie ihn auch gut verwöhnen konnten.

Vielleicht waren ihm die beiden nachgeschlichen. Zuzutrauen war denen alles. Sie hatten ihn vor zwei Jahren sogar mal von einem Detektiv beobachten lassen, als er für einige Tage in London gewesen war.

»Lydia! Emily? Seid ihr es?«

Larry sprach die Namen flüsternd aus, er hatte Angst, dass Milly ihn hören konnte, und sie war von den Tanten nicht gerade begeistert.

Larry bekam keine Antwort. Nur der Nachtwind strich durch die Bäume und rieb die Zweige schabend aneinander.

Larry zuckte die Schultern. »Ich werde mich wohl getäuscht haben«, murmelte er, drehte sich um und wollte sich wieder auf den Heimweg machen.

Da traf ihn der Schlag!

Larry hatte das Gefühl, der Kopf würde ihm von den Schultern gerissen. Sterne platzten vor seinen Augen auf, begannen sich in einem wilden Kreisel zu drehen.

Larry Harker sackte in die Knie. Er fiel lang aufs Gesicht, spürte den kalten Schneematsch auf der Haut. Seine Finger gruben sich in den weichen Boden. Er war nicht bewusstlos, nur gelähmt. Larry schmeckte Dreck auf den Lippen, drehte mühsam den Kopf zur Seite. Sein Atem ging japsend. Übelkeit würgte ihn.

Dann sah er die Füße. Sie standen dicht vor seinem Gesicht. Bleiche skelettierte Knochen, die kaum den Boden zu berühren schienen.

»Narr«, sagte eine dumpfe Stimme. »Blutiger Narr!«

Die Füße verschwanden. Zweige raschelten, dann war es still. Nicht einmal das Klavierspiel war mehr zu hören.

Larry versuchte sich hochzustemmen. Es ging nicht. Er war zur Bewegungslosigkeit verdammt.

Tränen der Wut und Hilflosigkeit traten in seine Augen. Er dachte an Milly und daran, dass sie sich jetzt schutzlos in der Hütte befand.

Larry Harker versuchte zu kriechen. Er schaffte es nicht. Der heimtückische Schlag hatte sein Nervenzentrum, seine Reflexe gelähmt.

»Milly!« Larry Harker hatte das Gefühl zu schreien, doch es war kaum ein Krächzen, das aus seiner Kehle drang.

Er fühlte, wie die Kälte durch seinen Pullover zog. Die Sicht auf die Hütte war ihm versperrt.

Eine schreckliche Ahnung stieg in ihm hoch.

Angst und Grauen schnürten Milly Day die Kehle zu und bannten das Mädchen auf der Stelle.

Die Gestalt, die vor der Tür stand, sah aus wie aus einem Horrorfilm entsprungen. Sie war riesig, reichte bis zur Decke.

Magisch wurde Millys Blick von der Sense angezogen. Sie sah die blitzende, höllisch scharfe Klinge, auf der sich das Licht der Kerzen brach.

»Was – was wollen Sie?«, hauchte Milly, die sich einzureden versuchte, dass alles nur ein Scherz war, den sich Larry ausgedacht hatte.

Der Sensenmann verzog das knöcherne Gesicht.

»Dein Leben«, sagte er mit dumpfer Grabesstimme.

Millys Augen wurden weit. Panikartig schüttelte sie den Kopf.

»Sie – Sie wollen mich töten?«

»Ja.«

Milly begann plötzlich zu lachen. »Der Spaß war gut, wirklich. Doch jetzt gehen Sie bitte, und sagen Sie Larry, dass Sie mich wirklich erschreckt haben.«

»Ich werde gehen«, antwortete der Tod. »Aber erst nachher.«

»Was heißt das?« Millys Stimme zitterte.

»Nachdem ich dich getötet habe.«

Erst jetzt schien dem jungen Mädchen die ganze Tragweite der grausamen Wahrheit bewusst zu werden. Das war kein Scherz, das war blutiger Ernst. Warnungen von Freundinnen kamen ihr in den Sinn. »Lass dich nicht mit Larry Harker ein«, hatten sie ihr gesagt. »Der hat so etwas Komisches an sich.«

Gelacht hatte sie über die Warnungen, doch jetzt war es zu spät.

Der Tod hob die Sense.

Die gekrümmte Klinge der Spitze zeigte auf Millys Brust.

Im gleichen Augenblick warf sich das Mädchen herum. Das federnde Stahlblatt verfehlte sie um wenige Millimeter und jagte in die Tastatur des Klaviers. Die Tasten zerbarsten, flogen durch die Luft. Dumpf schlugen einige Saiten an.

Milly hatte sich über das Bett gerollt, kam auf die Füße und hetzte auf die rettende Tür zu.

Der Tod lachte hohl, schwang die Sense über den Kopf und ließ sie durch die Luft pfeifen.

Diesmal hatte Milly keine Chance. Ihre Hand befand sich nur noch Millimeter vom Türgriff entfernt, als sie einen mörderischen Schlag in den Rücken bekam. Noch im gleichen Augenblick kam der Schmerz, doch den spürte Milly Day schon nicht mehr …

Urplötzlich wich die Lähmung von Larry Harker. Der junge Mann konnte es im ersten Moment nicht begreifen, doch dann sprang er auf die Füße.

Mit langen Schritten hetzte er dem Haus entgegen.

Milly! Das war sein einziger Gedanke. Larry übersah eine tückische Baumwurzel, rutschte aus und fiel hin. Er spürte den Aufprall bis in die Haarspitzen, doch die Sorge um Milly ließ ihn den Schmerz vergessen.

Er raffte sich wieder hoch. Schon sah er den Lichtschein, der aus der halb offen stehenden Tür fiel.

Larry fiel ein, dass er bei seinem Weggang die Tür bis auf einen kleinen Spalt geschlossen hatte.

Sein Herz hämmerte wie verrückt. Larry warf sich gegen die Tür. Sie klemmte. Etwas Schweres musste dahinter liegen.

Larry wand sich durch den Türspalt.

Und da packte ihn das Entsetzen.

Milly Day lag auf dem Boden.

Tot!

Larry Harker sah das Blut und glaubte plötzlich, den Verstand zu verlieren. Schreiend warf er sich über die Tote. Tränen rannen an seinen Wangen entlang. Seine Finger strichen über das wachsbleiche verzerrte Gesicht.

»Milly!«, flüsterte er weinend. »Milly, bitte, du darfst nicht tot sein. Nein, du nicht.«

Larrys Worte wurden immer wieder von einem krampfhaften Schluchzen unterbrochen.

Doch seine Milly gab keine Antwort.

Larry kam auf die Knie und schob die Arme unter Millys Körper. Er achtete nicht darauf, dass er blutverschmiert war, er hatte nur Augen für Milly.

Behutsam legte er die Leiche auf das Bett, setzte sich auf die Kante und hielt Millys Hand.

Lange starrte er in ihr Gesicht, und nur langsam begann er zu begreifen, dass Milly Day tot war.

Larrys Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt, seine Lippen bebten, die Augen waren voll Tränen.

»Ich werde den Mann finden, der das getan hat, Milly«, flüsterte er. »Ich werde ihn finden und ihn genauso umbringen, wie er dich umgebracht hat. Alle halten mich für einen Schwächling, aber das bin ich nicht. Ich werde es ihnen zeigen.« Er wischte sich über die Stirn. »Ja, ich werden deinen Tod rächen.«

Larry Harker stand auf, nahm zwei Kerzen von der Fensterbank und stellte sie auf den Nachttisch.

»Die Totenkerzen«, sagte er. »Sie werden dich begleiten. Ich werde sie immer erneuern. Jedes Mal, wenn sie heruntergebrannt sind, komme ich und wechsele sie aus.«

Aus Larry Harkers Worten sprach in diesen Augenblicken der Wahnsinn. Er hatte den Tod seiner Freundin einfach nicht verkraften können.

Behutsam strich Larry der Toten das weizenblonde Haar aus der Stirn und schloss mit einer zärtlichen Geste ihre Augen.

»Ich sage niemandem, dass du tot bist, Milly. Auch nicht meinen Tanten. Sie brauchen es nicht zu wissen. Weißt du, sie haben mir nicht gegönnt, dass du zu mir gehört hast. Aber ich habe mich diesmal nicht beirren lassen. Ich habe meinen Willen durchgesetzt. Ich bin stärker geworden, Milly, und das verdanke ich ganz allein nur dir.«

Wieder putzte sich Larry Harker die Nase. Er hatte das Taschentuch kaum weggesteckt, als er plötzlich eine Stimme hinter seinem Rücken hörte.

»Aber Larry, mit wem redest du denn da?«

Wie vom Blitz getroffen, fuhr Larry Harker herum. Sein Gesicht verzerrte sich in panischem Schrecken, doch die Züge glätteten sich rasch, als er erkannte, wer dort gekommen war.

»Tante Lydia«, sagte der junge Mann erstaunt. »Was willst du denn hier?«

Lydia Bradford lachte schrill. »Was ich will? Ich will dir helfen, mein Kleiner.«

Larry verzog das Gesicht. Da war es wieder. Mein Kleiner, hatte sie gesagt. Oh, wie er diese verdammten Kosenamen hasste!

Wild schüttelte Larry den Kopf. »Nein, mir braucht keiner zu helfen. Ich kann auf mich allein achten.« Verzweifelt versuchte er, mit seinem Körper die Tote zu decken. Es gelang ihm nicht.

Lydia Bradford kam näher. Sie trug ein enges kariertes Kostüm und eine Stola um die Schultern. Ihr Gesicht war hager. Tiefe Falten ließen die Haut wie rissiges Mauerwerk erscheinen. Die Nase stach wie ein Pfeil hervor, und der schmallippige Mund war nach unten gebogen.

Die grauweißen Haare hatte Lydia Bradford hochgesteckt und sie auf dem Kopf zu einem Knoten gebunden. Hinter den Brillengläsern funkelten kalte, wache Augen, die jeden Menschen, den Lydia kennenlernte, sofort negativ einstuften. Nur bei Larry Harker hatte Lydia Bradford eine Ausnahme gemacht. Ihm allein galt ihre ganze Sorge.

»Was ist geschehen?«, fragte sie, und ihre Stimme klang jetzt weich und beruhigend.

Larry hob die Schultern. »Ich …«

»Du hast sie umgebracht, nicht wahr?«

Larry sprang auf. »Nein!«, kreischte er. »Ich habe sie nicht getötet. Es war ein anderer. Ich habe sie doch geliebt, mein Gott.«

»Setz dich wieder hin, Darling.« Die siebzigjährige Frau sprach mit Larry wie mit einem kleinen Kind. »Wir wollen gemeinsam überlegen, wie wir uns aus dieser Situation herauswinden können.«

»Aber ich habe sie doch nicht getötet!«

»Mein armer Junge.« Lydia Bradfords knochige Finger umfassten Larrys Schultern. »Ich weiß doch, dass du mich nicht anlügst. Aber ob dir die Polizei auch glaubt, das ist fraglich.«

»Die Polizei?«

»Natürlich. Wir müssen sie verständigen. Das ist unsere Pflicht als Bürger.«

»Ja – aber.« Larry blickte auf seine Hände, die blutverschmiert waren. Millys Blut. Auch auf seiner Kleidung befanden sich die dunklen rostfarbenen Flecken. »Was soll ich aber dann machen, Tante Lydia? Wenn das so ist, werden sie mich doch einsperren.«

»Nein, mein Junge. Dich wird niemand einsperren. Lass mich nur machen. Allerdings musst du von nun an alles tun, was deine beiden Tanten dir sagen.«

Larry nickte eifrig. Sein Vorsatz, auf eigenen Füßen zu stehen, war vergessen. Er stand wieder völlig unter dem Bann der alten Frau.

»Was geschieht nun, Tante Lydia?«

»Gar nichts. Du musst mir nur einige Fragen beantworten.«

»Ja.«

»Warum hast du sie getötet?«

Larrys Kopf ruckte hoch. Er fletschte die Zähne wie ein Wolf.

»Aber ich habe sie doch nicht getötet!«, schrie er. »Ich habe sie nicht umgebracht!« Er wiederholte den Satz mehrere Male und schlug sich dabei mit beiden Fäusten auf die Oberschenkel.

Lydia Bradford ließ ihn toben. Aus kalten Augen beobachtete sie den jungen Mann. Ein zynisches Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Sie wusste, dass Larry Wachs in ihren Händen war.

»Warum glaubst du mir denn nicht?«, heulte Larry Harker. »Ich habe sie doch nicht getötet. Es war ein anderer. Ich habe ihn sogar gesehen.«

»So?« Lydia Bradford lachte spöttisch. »Wie sah er denn aus?«

Larry wischte sich über das Gesicht. »Ich – äh – also genau kann ich das nicht sagen. Es war schließlich dunkel draußen. Also, die ganze Sache war so. Ich bin mit Milly hier in die Hütte gegangen, um einige Stunden …«

»Was du wolltest, kann ich mir denken«, sagte die Alte. »Erzähle das Wesentliche.«

»Wir waren hier, und plötzlich hörte ich Schritte. Draußen vor dem Haus. Ich bin hinausgelaufen, um nachzusehen und habe mich auch vom Haus entfernt. Und dann hat mich jemand niedergeschlagen. Ich lag auf dem Boden, Tante Lydia, konnte mich nicht bewegen und bekam doch alles mit. Ich war nur gelähmt, doch mein Geist arbeitete weiter. Eine dunkle Stimme sagte dann: Narr oder so ähnlich, und dann sah ich einen Fuß. Aber das war kein richtiger Fuß, sondern ein Skelettknochen. Die Knochen schimmerten bleich, und der Fuß schien die Erde kaum zu berühren. Ich hatte Angst um Milly, wollte ihr helfen, konnte mich aber nicht bewegen. Und plötzlich ging es dann wieder. Ich sprang auf, rannte zum Haus und fand sie. Tot.« Larry Harker fing wieder an zu weinen. »Alles andere weißt du ja, Tante.«

Lydia Bradford schüttelte den Kopf. »Diese Version wird dir niemand abnehmen. Vielleicht war es so, vielleicht aber auch nicht.«

»Was soll das heißen?«

»Du weißt doch selbst, dass du anders bist als die übrigen Männer in deinem Alter. Du bist sehr sensibel und sogar krank, mein Junge.«

»Krank? Aber davon habe ich ja gar nichts gewusst.«

Lydia Bradford nickte. »Wir haben es dir auch immer verschwiegen. Es ist keine Krankheit im körperlichen Sinne, sondern sie ist mehr geistig bedingt. Es gibt in deinem Leben oft Stunden, wo dein Gedächtnis dich verlässt, und dann wirst du zu einem Risikofaktor. Aus diesem Grunde haben wir dich auch immer behütet wie unsere Augäpfel. Du hast es oft als Last empfunden, aber es war nur zu deinem Besten. Heute Abend bist du weggelaufen, zu einem Mädchen. Tante Emily und ich, wir haben uns große Sorgen gemacht und dich überall gesucht. Bis ich die Idee mit diesem Haus hatte. Leider bin ich ein paar Minuten zu spät gekommen, sonst hätte ich alles noch verhindern können.«

»Ich verspreche dir, dass ich von nun an nur auf euch hören werde«, erwiderte Larry Harker mit leiser Stimme und senkte den Kopf.

»Dann lass uns die Sache hier vergessen und hilf mir, das Haus anzuzünden. Draußen steht mein Fahrrad. Auf dem Gepäckträger ist ein Kanister mit Benzin. Hol ihn doch bitte herein.«

»Ja, Tante.«

Larry Harker erhob sich und ging nach draußen. Er war noch so durcheinander, dass er gar nicht auf die Idee kam zu fragen, wieso seine Tante schon einen Benzinkanister mitgebracht hatte. Er führte automatisch jeden Auftrag aus.

Lydia Bradford blieb allein im Haus zurück. Sie hatte die knochigen Arme in die Hüften gestemmt und sah sich um. Ohne Erbarmen blickte sie auf das tote Mädchen. Sie erschrak nicht einmal über den grauenvollen Anblick. Schließlich hatte diese dumme Gans sich ihren Tod selbst zuzuschreiben. Sie hätte die Finger von Larry lassen sollen. Der Junge gehörte ihr und ihrer Zwillingsschwester allein.

Larry Harker kam zurück. In der rechten Hand trug er den Kanister. Auf seinem Gesicht lag die nackte Angst. Er zitterte.

»Komm, gib den Kanister her!«

Lydia Bradfords Stimme klang weich, beruhigend. Die Frau nahm Larry den Kanister ab, öffnete den Verschluss und goss Benzin über die Mädchenleiche.

Es gluckerte, als die Flüssigkeit aus dem Kanister floss. Lydia Bradford kippte auch Benzin über die Wände, benetzte den alten Schrank und verteilte es sogar auf dem Fußboden.

Dann war der Kanister leer.

»Hier, halt ihn einen Moment«, sagte sie.

Aus ihrer Handtasche kramte Lydia eine Packung Zündhölzer. Dann schob sie Larry nach draußen und stellte sich selbst an die Tür. Schon füllten die Benzindämpfe den Raum, machten das Atmen zur Qual.

Lydia Bradford verließ ebenfalls das Haus, zog ein Kopftuch aus der Handtasche, riss das Zündholz an und setzte das Tuch in Brand.

Sie öffnete die Tür spaltbreit und warf das brennende Stück Stoff in den Raum.

Blitzschnell zog sie die Tür wieder zu. Im Inneren des Zimmers puffte eine Stichflamme hoch und wurde innerhalb von Sekunden zu einer Feuerwand.

Lydia Bradford hatte Larry vom Haus weggezogen. Der junge Mann hielt das Fahrrad und starrte aus weit aufgerissenen Augen auf das brennende Haus.

Schon zerplatzten die ersten Scheiben.

Flammen leckten aus den Öffnungen. Lydia Bradford und Larry Harker mussten ein Stück zurücktreten, als der Gluthauch der Hitze sie streifte.

»Mein Klavier«, sagte Larry und bewies gleichzeitig, dass er Milly schon vergessen hatte.

»Keine Angst, du bekommst ein neues. Wir werden dir sogar einen richtigen Konzertflügel kaufen, und es wird nicht lange dauern, da feierst du Triumphe. Ich sehe deinen Namen schon in allen großen Städten der Welt. Larry Harker spielt Chopin. Die Welt wird aufhorchen, glaube mir.«

Der zuckende Flammenschein ließ den fanatischen Glanz in den Augen der Alten noch intensiver erscheinen.

Das Feuer hatte jetzt das gesamte Haus erfasst. Eine Wand brach zusammen. Lange Flammenzungen leckten aus dem Dach. Funken wurden hochgewirbelt, stiegen in den Nachthimmel und verglühten.

Es war ein schaurig-schönes Bild, das sich den Blicken der beiden Menschen bot.

»Komm, Larry, wir haben hier nichts mehr verloren.«

Larry Harker stieg in den Sattel, und Lydia Bradford nahm auf dem Gepäckträger Platz. Der leere Benzinkanister schaukelte in ihrer rechten Hand.

Es war schwierig, durch den dicken, glitschigen Schneematsch zu fahren. Larry hatte Mühe, das Rad in der Spur zu halten und fuhr Schlangenlinien.

Er war froh, als er nach einer Viertelstunde eine asphaltierte Straße erreichte, die in einigen Windungen auf Tonbrigde zuführte.

Tonbridge war ein kleiner Ort zwischen London und Southampton, und ungefähr gleich weit von beiden Städten entfernt. Der Ort zählte sechstausend Einwohner und lag in einer idyllischen Hügelgegend. Industrie gab es kaum. Viele der männlichen Einwohner arbeiteten in London oder Southampton und kamen nur am Wochenende nach Hause.

Larry Harker lebte mit seinen beiden Tanten am Stadtrand von Tonbridge in einem alten Haus, das um die Jahrhundertwende erbaut worden war. Es war zweistöckig, und Larry hatte die gesamte obere Etage für sich, während die Tanten unten ihr Reich besaßen.

Als sie über den schmalen Plattenweg fuhren, der den Vorgarten teilte, wurde eine Haustür geöffnet.

Eine Frau, die Lydia Bradford aufs Haar glich, stand in dem offenen Türrechteck.

»Da seid ihr ja endlich«, rief sie, »ich hatte mir schon große Sorgen gemacht.«

Auch die Stimme war mit Lydias identisch.

Lydia Bradford sprang zu Boden. Ein heimlicher Beobachter hätte sich gewundert, wie gelenkig die Frau noch war.

»Es ist alles in Ordnung, liebe Emily«, sagte sie und schlüpfte ins Haus. »Bring du doch das Fahrrad in den Schuppen«, rief sie über die Schulter dem jungen Larry Harker zu.

»Ja, Tante Lydia.«

Die beiden Frauen gingen in den Wohnraum. Lydia zog ihre Kostümjacke aus und hängte sie über eine Sessellehne.

»Es hat alles geklappt«, flüsterte sie ihrer Zwillingsschwester zu. »Larry wird wohl nie mehr etwas mit einem Mädchen anfangen.«

Emily Bradford rieb sich die knochigen Hände.

»Du bist wunderbar, Lydia«, lobte sie. »Ich hätte das kaum gekonnt.«

»Bedanke dich nicht bei mir, sondern bei ihm. ER hat uns geholfen.«

»Du meinst, wir haben es geschafft?« Emilys Augen leuchteten fanatisch.

»Ja. ER ist gekommen. Ich habe ihn sehen können. Oh, es war fantastisch! ER war riesig, und in den Händen hielt er eine scharfe Sense, genau wie wir es uns immer gewünscht haben. ER hat uns nicht im Stich gelassen, wir werden ihm noch heute Nacht dafür danken. Wir …«

»Still, Lydia! Larry kommt zurück.«

Schon wenige Sekunden später stand der junge Mann im Livingroom. Er hielt den Kopf gesenkt und machte einen niedergeschlagenen Eindruck.

»Aber was ist denn mit dir, mein Junge?«, rief Emily Bradford, trat auf Larry zu und nahm seinen Kopf in beide Hände. »Du darfst jetzt nicht mehr daran denken. Es wird alles wieder in Ordnung kommen. Vergiss dieses Mädchen, denke an dich und an uns.«

»Ja, Tante Emily.«

»Du bist müde«, sagte Lydia Bradford. »Am besten, du legst dich hin. Warte, ich gehe mit dir hoch.«

»Ja.« Larry drückte sich aus dem Sessel, hauchte Emily einen Kuss auf die faltige Wange und stieg mit Lydia die schmale Treppe hinauf. Das Geländer und die gedrechselten Stäbe waren aus Holz und wurden jeden Tag von den beiden alten Frauen poliert.

Larry besaß drei Zimmer für sich. Einen kombinierten Schlaf- und Wohnraum, ein Hobbyzimmer und das kleine Bad, in dem es auch eine Dusche gab.

Emily Bradford hatte Larrys Bett schon aufgeschlagen. Die Nachttischlampe brannte, und ein Buch über Chopin, Larrys Lieblingskomponisten, lag aufgeschlagen daneben.

»Gute Nacht, mein Junge«, sagte Lydia Bradford und gab Larry einen Kuss auf die Wange.

Der junge Mann schreckte instinktiv vor der Berührung zurück. Lydia bemerkte es mit Erstaunen.

»Was hast du?«

»Ach nichts, Tante, ich bin nur noch etwas durcheinander.«

»Das kann ich gut verstehen. Und deshalb ist es am besten, du legst dich hin und schläfst bis morgen Mittag. Wir werden dich schon zum Essen wecken. Vielleicht fahren wir auch nach London und suchen dir einen neuen Flügel aus. Mal sehen.«

Larrys Augen leuchteten. »Das wäre wunderbar, Tante.«

Lydia Bradford lachte, zwinkerte Larry zu und verließ den Raum.

Larry Harker starrte noch einige Sekunden auf die Tür, dann zog er sich aus und legte sich aufs Bett.

Emily Bradford erwartete ihre Schwester Lydia unten an der Treppe.

»Schläft er?«, fragte sie mit flüsternder Stimme.

Lydia machte ein zufriedenes Gesicht. »Es kann nicht mehr lange dauern.«

Emily lächelte. »Er ist ein braver Junge. So haben wir es uns auch immer vorgestellt.«

Die beiden Frauen gingen zurück in den Livingroom. Lydia holte eine Flasche Likör und zwei Gläser aus dem Schrank. Es war ein grüner Pfefferminzlikör, klebrig und bitter.

Die Frauen tranken ihn mit großem Genuss.

»Wie hat er es denn aufgenommen?«, fragte Emily und stellte ihr leeres Glas auf den Tisch.

»Besser als ich dachte. Er saß neben der Leiche und schwor Rache. Ich konnte ihm dieses Vorhaben aber schnell ausreden. Jetzt glaubt er sogar, er hätte diese Milly umgebracht.« Lydia kicherte, als hätte sie einen guten Witz gehört.

»Das ist ja prächtig. Ich sage ja, Lydia, du bist die Größte. Übrigens, ich habe Erkundigungen über diese Milly Day einholen lassen.«

»Und?«

»Ihr Vater bekleidet einen hohen Posten im Innenministerium. Er scheint mächtig viel Einfluss zu haben und wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um das Verschwinden seiner Tochter aufzuklären.«

»Die Hölle steht auf unserer Seite«, erwiderte Lydia knapp. »Und was die Nachforschungen angeht, so muss man uns erst mal etwas beweisen. Larry hält sowieso dicht. Schließlich will er ja nicht als Mörder eingesperrt werden. Außerdem haben diese Dorfpolizisten nicht viel Ahnung. Ich kenne mich da aus.«

Emily war nicht so optimistisch. Sie verzog das Gesicht, und ihre Stirn nahm Waschbrettfalten an.

»Wenn so etwas passiert, wird meistens Scotland Yard eingeschaltet«, gab sie zu bedenken. »Und bei denen müssen wir vorsichtig sein.«

Jetzt wurde Lydia wütend. »Seit wann bist du so ängstlich?«, fauchte sie. »Wer mit der Hölle einen Bund geschlossen hat, braucht die Menschen nicht zu fürchten. Nein, uns kann keiner etwas. Wir sollten in den Keller gehen und unsere Dankbarkeit zeigen. ER hat uns gerettet, vergiss das nie, Emily.«

»Schon gut, Lydia, aber ich bin nun mal eben etwas ängstlicher als du.«

Lydia Bradford winkte ab. Ruckartig erhob sie sich aus dem Sessel, öffnete die Tür und lauschte in den Flur.

Oben war alles ruhig. Um Lydias strichdünne Lippen spielte ein Lächeln. Die Luft war rein.

»Komm, Emily.«

Auf Zehenspitzen schlichen die beiden alten Frauen durch den Flur, gingen an der Treppe vorbei und standen schließlich vor der Kellertür.

Sie war abgeschlossen. Wie immer. Keiner außer den beiden Frauen durfte den Keller betreten. Auch Larry nicht. Er hatte natürlich oft nach dem Grund gefragt, doch Lydia hatte ihm immer gesagt, dass es dort unten nicht mit rechten Dingen zuginge. Und Larry – schon als Kind ängstlich und scheu – hatte sich strikt daran gehalten. Bis heute.

Den Schlüssel trug Lydia bei sich. Das Schloss war gut geölt und sprang sofort zurück. Lydia drückte die Klinke nach unten und zog die Tür auf.

Muffige, verbrauchte Luft schlug den beiden Frauen entgegen. Elektrisches Licht gab es hier nicht. Dafür lagen in einer Mauernische immer mehrere Kerzen sowie Zündhölzer bereit.

Lydia und Emily zündeten zwei Kerzen an und gingen die schmalen, hohen Steinstufen hinunter.

Die Treppe war lebensgefährlich, doch die Frauen kannten den Weg im Schlaf.

Das Licht der Kerzen zuckte über dicke Mauerwände, auf denen weißer Schimmel wie eine Puderschicht lag. Mehrere Türen zweigten zu beiden Seiten des Ganges ab. Es waren einfache Lattenroste, durch Vorhängeschlösser gesichert. Dahinter befanden sich die Vorratsräume der beiden Frauen. Dort lagerten Konserven, Heizmaterial und vieles andere mehr.

»Ob ER wach ist?«, fragte Emily und hatte Mühe, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.

»Bestimmt«, gab Lydia flüsternd zurück. »Bisher hat ER immer auf uns gewartet.«

Und dann standen sie vor der geheimnisvollen Tür. Sie war aus dicken Holzbohlen angefertigt, befand sich am Ende des Ganges und besaß drei Schlösser.

»Halt mal die Kerze«, sagte Lydia, kramte die passenden Schlüssel hervor und schloss auf.

Aufregung hatte die beiden Frauen gepackt. Obwohl sie schon unzählige Male hier unten waren, war es doch immer wieder ein prickelndes Erlebnis. Nie ließen sich die Reaktionen der finsteren Mächte vorausberechnen, es gab immer wieder neue Überraschungen.

Lydia zog die Tür auf. Grabesluft wehte den Frauen entgegen und ließ sie frösteln.

»Henry?«, rief Lydia leise. »Bist du da? Wir sind es. Wir wollen dir einen Besuch abstatten.«

Henry gab keine Antwort.

Lydia zog ihre Zwillingsschwester mit in das Verlies. Die Kerzen flackerten, bekamen zu wenig Sauerstoff. Und doch reichte der Schein aus, um das unheimliche Verlies zu erleuchten.

Die Mauern waren mit schwarzen, langen Tüchern verhängt, die bis auf den Boden reichten. Die Tücher waren mit seltsamen Zeichen bestickt. Symbole und Formeln der Schwarzen Magie. Selbst an der Decke waren die gefährlichen magischen Symbole zu sehen. Die Kälte und Beklemmung, die dieser Kellerraum ausströmte, war körperlich fühlbar. Selbst das Atmen wurde hier unten erschwert.

Das Zentrum des Verlieses jedoch bildete ein hochlehniger Stuhl. Er stand mit dem Rücken zur Tür, und von der Person, die auf dem Stuhl saß, war nur der Hinterkopf zu sehen und ein Teil der strähnigen grauen Haare.

Lydia blieb stehen. Die rechte Hand mit der Kerze hielt sie ausgestreckt. Der rotgelbe Schein tanzte über dem Stuhl, auf dem der Unheimliche saß.

»Henry?«, rief Lydia. »Bist du da, Henry?«

Hohl klangen die Worte und wurden von den dicken Vorhängen verschluckt.

Atemlos warteten die beiden Frauen auf eine Reaktion. Sie sollten nicht umsonst gewartet haben.

Die Person auf dem Stuhl gab plötzlich ein lang gezogenes Ächzen von sich und schwang dann herum.

Larry Harker fand keinen Schlaf. Zu sehr hatten ihn die Ereignisse der vergangenen Stunden innerlich aufgewühlt. Immer wieder sah er das Bild der Toten vor seinem geistigen Auge und spürte die Anklage, die ihm Milly entgegenschleuderte. Doch dann war wieder die Angst vor seinen beiden Tanten da. Eine Angst, die sich seit seiner Kindheit in ihm eingefressen hatte.

Schweißgebadet stand Larry auf. Er zog seinen Morgenmantel über, trat ans Fenster und öffnete es.

Die kühle Nachtluft tat ihm gut. Am Himmel hingen schwere Wolken, und es roch nach Schnee. In der Ferne sah Larry in unregelmäßigen Abständen Lichtpunkte aufblitzen und wieder verschwinden. Dort führte der Highway entlang, der die beiden Städte London und Southampton miteinander verband. Die Schnellstraße lief an Tonbridge vorbei, war aber durch einen Zubringer gut zu erreichen.

Er schloss das Fenster, wollte sich wieder hinlegen und überlegte es sich dann aber anders.

Nein, er würde noch einmal mit den Tanten reden. Bestimmt waren sie noch wach. Sie gingen nie vor Mitternacht schlafen, und die Tageswende war noch nicht erreicht.

Entschlossen öffnete Larry seine Zimmertür und trat in den Gang. Er beugte sich über das Holzgeländer und blickte nach unten. Aus dem Livingroom fiel schwacher Lichtschein in den Flur. Demnach waren die Tanten noch auf.

Larry ging die Treppe hinab und bemühte sich dabei nicht einmal, besonders leise zu sein. Dann stand er vor der Tür zum Livingroom.

»Tante Lydia! Tante Emily!«, rief er und drückte die Tür ganz auf.

Keine Antwort, das Zimmer war leer.

Larry überlegte. Sollten die beiden schon im Bett liegen und vergessen haben, das Licht zu löschen? Es war möglich.

Larry wandte sich dem Schlafraum zu, klopfte an die Tür, und als er keine Antwort bekam, trat er ein.

Im Schlafzimmer war es dunkel. Larry machte Licht. Keine der beiden Tanten lag im Bett. Wie große Wolken lagen die glatten Daunenoberbetten auf den Matratzen.

Larry löschte das Licht und zog die Tür wieder zu. Sinnend stand er in der Dunkelheit. Wo konnten die beiden sein? Waren sie noch mal weggegangen? Aber mitten in der Nacht? Unmöglich, so etwas taten sie nicht. Nein, sie mussten sich noch irgendwo im Haus aufhalten.

Der Keller fiel Larry ein.

Schon allein der Gedanke daran ließ ihn frösteln. Es war ihm immer verboten worden, den Keller zu betreten, und er hatte sich auch in den langen Jahren immer an das Verbot gehalten, obwohl er nicht verleugnen konnte, dass der Keller irgendwie eine gewisse Anziehungskraft auf ihn auslöste.

Larry raffte allen Mut zusammen. Ja, er wollte heute in den Keller gehen.

Wie ein Dieb schlich er sich an der Treppe vorbei und erreichte die Kellertür. Stockfinster war es um ihn herum. Das Licht, das aus dem Livingroom fiel, reichte nicht bis hierher.

Larry atmete schneller. Aufgeregt huschte seine Zunge über die spröden Lippen. Er tastete die Tür ab und stellte fest, dass sie nicht verschlossen war.

Vorsichtig zog er sie auf. Wenn sie jetzt ein Geräusch machte, dann war er entdeckt.

Alles ging gut. Larry schlüpfte durch den entstandenen Spalt und schob sein rechtes Bein vor. Die Fußspitze ertastete eine Stufe. Sie war ziemlich steil. Larry, der nur Pantoffeln trug, fühlte die Kälte des Steins durch die dünnen Sohlen.

Er breitete die Arme aus und stützte sich mit den Händen rechts und links an der Wand ab, als er die steilen Stufen hinunterging. Seine Augen waren weit aufgerissen, bohrten sich in die Dunkelheit. War dahinten nicht ein heller Schimmer zu sehen?

Larry blieb stehen und starrte so lange in die Schwärze, dass seine Augen schon anfingen zu tränen. Aber er hatte sich nicht getäuscht. Der helle Schimmer war tatsächlich da. Es war nur ein schmaler Lichtstreifen, und er musste unter einer Tür hervorkommen.

Larry wischte sich über das Gesicht. Jetzt war er sicher, dass er seine Tanten gefunden hatte.

Obwohl er schon jahrelang in diesem Haus wohnte, bewegte er sich doch in dem Keller wie ein Fremder. Unter seinen Fingern spürte er die feuchten, schimmeligen Wände, und als er heil das Ende der Treppe erreicht hatte, atmete er erst einmal auf.

Die erste Hürde war genommen.

Schritt für Schritt ging Larry Harker weiter. Die Arme hatte er ausgestreckt, um ein eventuelles Hindernis schnell genug zu ertasten.

Doch er kam gut voran und hatte etwa die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, als er die Stimmen hörte.

Larry blieb stehen. Lauschte.

Die Stimmen mussten aus dem Raum dringen, unter dessen Tür auch der Lichtbalken hervorkroch.

Deutlich erkannte Larry die Stimmen seiner beiden Tanten. Aber mit wem sprachen sie da? Oder unterhielten sie sich nur miteinander? Sätze oder Worte konnte Larry nicht verstehen, dafür war er noch zu weit von dem Raum entfernt.

Larry setzte sich wieder in Bewegung. Vorsichtig, nur auf Zehenspitzen.

Jetzt wurden die Stimmen lauter, waren besser zu verstehen.

Larry hörte Worte wie Satan, Teufel und Hölle. Es waren Begriffe, die ihn erschreckten, vor allen Dingen deshalb, weil seine Tanten es waren, die sie ausstießen.

Was hatte das zu bedeuten? Weshalb verkrochen die beiden sich hier? Welches Geheimnis verbarg der Raum?

Larry spürte, wie sein Herz gegen die Rippen hämmerte, und er hatte das Gefühl, man müsse das Geräusch meilenweit hören.

Der junge Mann musste sich überwinden, weiterzugehen, und als er die Tür erreicht hatte, legte er sein Ohr gegen das Holz.

Die Stimmen waren verstummt. Dafür vernahm er ein grauenhaftes Stöhnen. Es war so schrecklich und unheimlich, wie Larry es noch nie gehört hatte. Es schien geradewegs aus den Tiefen der Hölle zu kommen.

Eine Gänsehaut rieselte über Larry Harkers Rücken, und der junge Mann spürte die Angst und das Grauen wie eine drückende Last.

Immer noch klang das Stöhnen auf, doch jetzt mischte sich ein Kreischen und Kichern darunter, dass es in Larrys Ohren schrillte.

Was ging hinter der Tür vor?

Larrys Körper war verkrampft, seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt, die Fingernägel schnitten in das Fleisch. Er spürte den Drang in sich, die Tür zu öffnen, doch dann hielt ihn wieder die Angst davon ab.

Er hatte plötzlich die Version, in dem Verlies würden grässliche Ungeheuer auf ihn warten, um ihn umzubringen.

Larry richtete sich auf. Die kreischenden Geräusche waren verstummt, dafür vernahm er jetzt einen monotonen Singsang aus dumpfen, unheimlichen Lauten, die ihm von Beginn an Angst und Grauen einflößten.

Larry Harker hielt es nicht mehr aus. Er wollte plötzlich gar nicht mehr wissen, was hinter der Tür geschah, für ihn gab es nur noch eins.

Weg von hier! Weg aus diesem unheimlichen Keller, in dem es nicht mit rechten Dingen zuging und in dem die Angst nistete.

Larry lief, so schnell es ging, zurück. In der Dunkelheit übersah er die erste Stufe und stieß mit dem rechten Schienbein gegen die Kante.

Larry verzog das Gesicht. Er hätte schreien können, doch er verbiss sich den glühenden Schmerz. Die Angst vor seiner Entdeckung war noch größer.

Auf allen vieren kroch Larry die Treppe hoch und erreichte unbeschadet die Tür.

Wie ein Betrunkener wankte er durch das Erdgeschoss des Hauses, erreichte die Treppe zum ersten Stock und stolperte sie hinauf.

Er warf sich gegen die Tür seines Zimmers und ließ sich auf das Bett fallen.

Schwer atmend lag er auf dem Rücken und zitterte am ganzen Körper. Was er erlebt hatte, war so ungeheuerlich, dass er mit niemandem darüber reden konnte. Sicher, seine Tanten waren schon immer etwas schrullig gewesen, und er hatte sich auch immer darüber gewundert, dass die Tür zum Keller verschlossen war, aber was die beiden Frauen dort im Keller trieben, darüber hatte er nie nachgedacht. Er hatte die entsprechenden Gedanken einfach verdrängt.

Plötzlich hörte er Stimmen. Sie kamen aus dem Erdgeschoss, und Larry hörte deutlich, wie Tante Lydia sagte: »Ich sehe mal nach.«

Mit einem Satz sprang Larry Harker vom Bett. Er riss sich den Morgenmantel vom Körper und hängte ihn in den Schrank. Dann löschte er das Licht und kroch unter die Decke.

Schritte kamen die Treppe hoch.

Larry hielt den Atem an, tat, als ob er schliefe.

Die Schritte verhielten vor seiner Tür.

»Larry?« Das war Tante Lydias Stimme.

Der junge Mann gab keine Antwort. Er hatte sich auf die Seite gedreht.

Trotz der schlechten Sichtverhältnisse erkannte Larry, wie die Klinke nach unten gedrückt wurde, und wenig später stand Tante Lydia in seinem Zimmer.

»Schläfst du schon, Larry?«

Der junge Mann gab keine Antwort, er versuchte nur, tief und regelmäßig zu atmen.

»Warum verstellst du dich, Larry?« Lydia Bradford drückte den Lichtschalter, und die Deckenleuchte flammte auf.

Zwei Schritte und Lydia stand neben Larrys Bett. Den linken Arm hatte sie auf dem Rücken verborgen.

Larry wusste, dass er seiner Tante nichts vormachen konnte, und öffnete die Augen.

Lydia Bradfords Lächeln war falsch wie ihre Zähne, als sie fragte: »Warst du noch einmal unten, Larry?«

»Ich? Wieso? Nein …«

»Warum lügst du, Larry? Du warst unten. Und ich kann es auch beweisen. Hier.«

Im gleichen Atemzug kam Lydia Bradfords Hand hinter dem Rücken hervor. Zwischen ihren Fingern hielt sie Larrys Pantoffel. »Du hast ihn verloren, Larry …«

Jetzt ist alles aus! Wie eine Flamme schoss der Gedanke in Larry Harker hoch. Er wurde rot und konnte es nicht verhindern. Schon als kleiner Junge hatte er nicht dagegen angekonnt.

»Willst du mir nicht die Wahrheit sagen, Larry?«

Der junge Mann setzte sich im Bett auf. Noch immer starrte er auf den Pantoffel, während sich hinter seiner Stirn fieberhaft die Gedanken jagten.

»Es war so, Tante Lydia. Ich – ich konnte nicht schlafen. Ich war einfach zu aufgewühlt. Und plötzlich bekam ich riesigen Durst. Ich bin aufgestanden, habe nach euch gerufen, und als ich keine Antwort erhielt, bin ich nach unten gegangen. Ich …«

»Und dann hast du dir etwas aus dem Kühlschrank genommen«, unterbrach Lydia Bradford ihn.

»Ja«, sagte Larry schnell und erleichtert. »So war es.«

Lydia Bradford ließ den Pantoffel fallen. »Ich habe ihn unten an der Treppe gefunden. Du musst sehr schnell hochgelaufen sein.«

Larry senkte den Kopf. »Ja, ich hatte ein schlechtes Gewissen«, gestand er leise.

»Aber das brauchst du doch nicht. Was uns gehört, das kannst du dir doch auch nehmen. Wir waren zu der Zeit gerade im Keller und haben unseren Konservenvorrat nachgezählt. Deine Tante Emily ist plötzlich auf den Gedanken gekommen. Und du weißt ja selbst, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist sie so leicht nicht mehr davon abzubringen.«

Larry hörte gar nicht mehr hin, was seine Tante noch alles sagte. Er war unsagbar erleichtert und dankte Gott, dass er den Pantoffel nicht unten im Keller verloren hatte. Hätte Tante Lydia den Pantoffel dort entdeckt, hätte er nicht gewusst, wie er sich aus der Sache rauswinden sollte.

Lydia Bradford beugte sich vor und hauchte Larry noch einen Kuss auf die Stirn.

»Dann schlaf mal, mein Junge«, sagte sie. »Mitternacht ist schon vorüber, und du brauchst die Ruhe.«

»Ja, Tante, ich werde es versuchen.«

Lydia Bradford lächelte noch einmal beruhigend und verließ das Zimmer. Leise schloss sie die Tür und Larry Harker konnte den Stein förmlich poltern hören, der ihm da vom Herzen fiel.

Diesmal war es gut gegangen. Doch Larry Harker war von der Neugierde gepackt worden, und tief in seinem Inneren nagten schon die ersten Zweifel an der Redlichkeit seiner Tanten …

BEAUTY SCHOOL stand auf dem Messingschild, das an einem Torpfeiler befestigt war. Darüber blinkten die Rillen eines Lautsprechers, und einen Klingelknopf gab es auch.

Das Haus selbst wirkte wie eine Festung. Die Mauern waren dick und die Fassade mit Putz und Stuck überhäuft. Die Fenster waren schmal und hoch und hatten Doppelscheiben. Zwei gewaltige Ulmen standen links und rechts des Eingangs. Ihre knorrigen, dicken Äste wirkten wie mahnende Finger.

Das Haus und der Park strahlten eine gewisse Solidität aus, und das war es auch, was der Direktor der BEAUTY SCHOOL bezweckte. Schließlich zahlten die Eltern der Mädchen horrende Summen, um ihre Töchter hier in den »feinen Umgangsformen« ausbilden zu lassen.

Auch an diesem trüben Wintervormittag wirkte das Haus wie eine uneinnehmbare Trutzburg. Doch hinter der Fassade begann es langsam zu bröckeln, und das lag besonders an Frederic Stafford, dem Direktor der Schule.

Stafford saß hinter seinem Eichenschreibtisch wie ein griechischer Rachegott. Sein Gesicht war hochrot, und seine Augen schienen fast aus den Höhlen zu quellen.

Etwas Ungeheures war geschehen!

Eine Schülerin war über Nacht fortgeblieben und auch am Vormittag nicht erschienen. Das Mädchen hieß Milly Day und war im Allgemeinen als stilles, strebsames Wesen bekannt und beliebt. Dass sie einfach über Nacht weggeblieben war, damit hätte niemand gerechnet. Und doch musste sich Frederic Stafford mit den Tatsachen abfinden.

Eine umfangreiche Suchaktion war vergebens gewesen. Stafford hatte bewusst noch nicht die Polizei eingeschaltet und auch den anderen Schülerinnen nichts davon gesagt. Er wollte Ärger und Unruhe vermeiden. An der Suche hatte nur das Lehrpersonal teilgenommen, und die einzelnen Kollegen hatten sich in Staffords Augen auch nicht viel Mühe gegeben.

Immer wieder wischte er sich mit einem blütenweißen Taschentuch über die hohe Stirn.

Im Augenblick spielten seine Finger mit einem Bleistift. Allein diese Geste zeugte davon, wie nervös Stafford war. Schließlich gab er sich einen Ruck und drückte mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf die Taste der Gegensprechanlage.

»Ja, Sir?«, ertönte eine weibliche Stimme.

»Bitten Sie Miss Folsom zu mir, Brenda.«

»Sofort, Sir.«

Frederic Stafford lehnte sich zurück. Miss Folsom war die Hausmeisterin und gleichzeitig die Anstandsdame in der Schule. Sie war eine alte Jungfer und von den Schülerinnen mit dem Namen Nebelkrähe versehen worden. Miss Folsom war eine giftige Person und gönnte den Schülerinnen nicht einmal das kleinste Vergnügen. Nur Frederic Stafford war ihr heimlicher Schwarm, was aber wiederum nicht auf Gegenseitigkeit beruhte.

Als zaghaft gegen die Tür geklopft wurde, rief Frederic Stafford »Herein!« Seine Stimme durchbrach die Stille wie ein Pistolenschuss.

Miss Folsom schob sich in das Zimmer.

»Sie haben mich rufen lassen, Sir?«

Der Begriff »graue Maus« war für Miss Folsom schon ein Kompliment. An ihr war aber auch gar nichts Auffälliges. Das Gesicht war immer bleich, und sie trug nur weiße, gestärkte und hochgeschlossene Blusen. An diesem Tag hatte sie ein graues Tweedkostüm an, das sie noch farbloser erscheinen ließ. Ihre Füße steckten in Schuhen mit flachen Absätzen.

Frederic Stafford betrachtete die Hausmeisterin. Dann räusperte er sich und sagte: »Wir haben keine Spur von Milly Day gefunden, Miss Folsom. Ich sehe mich leider gezwungen, die Polizei einzuschalten.«

»Mein Gott.« In einer Schreckreaktion presste Miss Folsom ihre rechte Hand vor den Mund.

Stafford lächelte maliziös. »Ich kann mir denken, dass Ihnen das nicht recht ist, Miss Folsom. Schließlich hatten Sie gestern bis Mitternacht Dienst. Sie hätten Milly Day ja sehen müssen, wie sie die Schule verlassen hat.«

»Sir, ich …«

»Ach, schweigen Sie, diese Mädchen sind schlauer als Sie, Miss Folsom. Wahrscheinlich ist Milly Day durch ein Fenster geklettert, und dann ist alles andere nur noch ein Kinderspiel. Wir wollen uns aber nicht lange mit Selbstvorwürfen aufhalten, sondern zum Thema kommen. Ich hatte Ihnen den Auftrag gegeben, sich einmal unauffällig nach Milly zu erkundigen. Was ist dabei herausgekommen?«

Miss Folsom wurde rot, was bei ihr selten und nur in Gegenwart ihres Chefs vorkam.

»Sir, ich habe es versucht, aber die Schülerinnen haben mir entweder gar keine oder nur patzige Antworten gegeben. Sie wissen ja selbst, heutzutage gibt es keine Respektspersonen …«

»Ja, ja, schon gut.« Stafford winkte ab. »Beinahe hatte ich mir so etwas gedacht. Dann werde ich es versuchen. Eine Frage: Sind die Schülerinnen alle im Haus?«

»Selbstverständlich, Sir.«

»Gut. Dann berufen Sie in einer halben Stunde eine Versammlung in der kleinen Aula ein. Schaffen Sie das?«

»Ja, Sir.«

Miss Folsom verneigte sich und ging mit steifen Schritten zur Tür. Frederic Stafford musste daran denken, dass sie von den Schülerinnen Nebelkrähe genannt wurde, und trotz der ernsten Situation huschte ein schmales Lächeln über seine Lippen.

Er zündete sich eine Pfeife an und verbrachte die nächste halbe Stunde in dumpfen Grübeleien. Er hatte Angst davor, Millys Vater zu benachrichtigen. Jonathan Day besaß einen einflussreichen Posten im Innenministerium und konnte auch einem Mann wie Stafford die Hölle heiß machen.

Fünf Minuten vor der verabredeten Zeit verließ Frederic Stafford sein Arbeitszimmer und begab sich in die kleine Aula.

Etwa vierzig junge Mädchen saßen auf den Stühlen und blickten ihn spöttisch an. Die meisten kicherten, als Stafford den Saal betrat. Der Direktor war das gewohnt, er nahm es nicht zur Kenntnis. Sein Blick glitt auch gleichgültig über die provozierend engen Pullover der Schülerinnen hinweg, er konnte sich in seiner Stellung keine Gefühle leisten. Wenigstens nicht, was die weiblichen Reize betraf.

»Meine Damen«, begann Stafford, »Sie werden vielleicht schon bemerkt haben, dass jemand aus Ihrer Mitte fehlt, Milly Day ist in der vergangenen Nacht nicht in die Schule zurückgekehrt. Und auch bis zum jetzigen Zeitpunkt haben wir keine Spur von ihr.«

In der ersten Reihe begann eine Blondine zu kichern.

»Die kleine Milly wird sich bestimmt jemanden geangelt haben«, sagte sie. »Schließlich muss jeder mal anfangen, und ich …«

»Ihre Bemerkungen können Sie sich sparen«, unterbrach Stafford die Schülerin. »Ich habe wohl vergessen, Ihnen zu sagen, dass es sich hier um eine todernste Angelegenheit handelt. Milly Day kann etwas passiert sein, und deshalb möchte ich Sie bitten, mit mir zusammenzuarbeiten. Wer von Ihnen weiß, wo Milly Day gestern Abend hingegangen ist?«

Schweigen. Die Mädchen sahen sich an und zuckten die Schultern. Manche machten auch ein übertrieben gelangweiltes Gesicht, und Stafford konnte ihnen ansehen, dass sie auf seine Frage bewusst keine Antwort gaben.

»Gut, dann fragen wir anders«, sagte Frederic Stafford, der sich so leicht nicht aus der Ruhe bringen ließ. »Wer von Ihnen teilt mit Milly Day das Zimmer?«

Ein schwarzhaariges Mädchen mit einer wilden Lockenfrisur stand auf. Provozierend stemmte es die Arme gegen den Gürtel der Jeans und sagte: »Ich teile mit ihr das Zimmer.«

»Schön. Dann werden Sie uns sicher sagen können, Miss Sturgess, was Milly am gestrigen Abend vorgehabt hatte. Sie wird doch mit Ihnen darüber geredet haben.«

Janet Sturgess schüttelte den Kopf. »Da sind Sie aber auf dem falschen Dampfer, Sir. Über Vergnügungen haben wir nie geredet.«

Janet Sturgess hatte kaum ausgesprochen, als die anderen Mädchen anfingen zu lachen, und es dauerte einige Zeit, bis die Ruhe wiederhergestellt war.

»So kommen wir doch nicht weiter«, mahnte Frederic Stafford. »Ich sehe, Sie wollen mir nicht helfen, das wird es sein, aber ich appelliere noch einmal an Ihren gesunden Menschenverstand. Sie …«

Das harte Klopfen an der Tür unterbrach den Direktor. Irritiert wandte er den Kopf.

»Ja?«

Miss Folsom streckte ihren Kopf in die Aula. Ihr Gesicht war noch bleicher als sonst.

»Entschuldigen Sie, bitte, Sir, aber da möchte Sie ein Herr sprechen.«

»Hat das nicht Zeit?«

»Nein, Sir.«

Stafford atmete tief aus und blickte auf seine Uhr. »Gut, aber nur ein paar Minuten.«

Während er auf die Tür zuging, begannen die Mädchen schon zu kichern und ihre Witze zu reißen.

Draußen auf dem Gang mit der hohen gewölbten Decke und den baumdicken Säulen flüsterte Miss Folsom: »Der Herr ist von der Polizei, Sir.«