John Sinclair Gespensterkrimi Collection 9 - Horror-Serie - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Gespensterkrimi Collection 9 - Horror-Serie E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

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Fünf gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis in einem Band


Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.

Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind und erlebe mit, wie die Serie Kultstatus erreichte.


Dieser Sammelband enthält die Folgen 41 - 45 der John Sinclair Gespensterkrimis:

41 Der Alptraumfriedhof

42 Der schwarze Würger

43 Das Hochhaus der Dämonen

44 Der Hexer mit der Flammenpeitsche

45 Die Spinnen-Königin


Tausende Fans können nicht irren - über 320 Seiten Horrorspaß garantiert!

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Seitenzahl: 712

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustration: Vincente Ballestar ISBN 978-3-7325-6679-2

Jason Dark

John Sinclair Gespensterkrimi Collection 9 - Horror-Serie

Inhalt

Jason DarkJohn Sinclair Gespensterkrimi - Folge 41Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Der Albtraum-Friedhof. Wenn die Lebenden nicht in der Lage sind, die Botschaft der Finsternis in diese Welt zu tragen, so werden es die Toten tun. Denn wenn die Gräber sich öffnen und die Leichname dem feuchten Erdreich entsteigen - dann flieht! Flieht vor dem Zorn des großen Bakuur. Er hat die Saat der Rache gesät und harrt voller Ungeduld auf die Ernte des Bösen. Darum wartet nicht zu lange, sondern reiht euch ein in den Kreis der Diener. Bakuurs Rückkehr ist nah ... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 42Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Der schwarze Würger. Wenn die Nebelschleier wie lange Geisterfinger durch die Straßen schleichen und wenn die Finsternis ihren Mantel über das Land gelegt hat, dann verschließt Fenster und Türen. Denn das ist seine Zeit. Dann steigt er aus den Tiefen der Hölle, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Grausam sind seine Taten. Niemand kann ihm Einhalt gebieten. Denn er ist der schwarze Würger ... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 43Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Das Hochhaus der Dämonen. Das Hochhaus der Dämonen wird zu einem Hort der finsteren Mächte. Hunderte von Menschen sind eingeschlossen. Und für die meisten von ihnen scheint es keine Rettung mehr zu geben. In der dunkelsten Stunde nimmt Oberinspektor John Sinclair den fast aussichtslosen Kampf gegen das Böse auf - John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 44Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Der Hexer mit der Flammenpeitsche. Haben Sie nicht schon einmal den Wunsch gehabt, das Geheimnis des Lebens zu erfahren? Haben Sie nicht auch schon einmal darüber nachgedacht, wie Sie mit dem Jenseits in Kontakt treten können? Nichts leichter als das. Kommen Sie einfach in unsere Schule - die MYSTERY SCHOOL! Hier werden Sie mit unglaublichen Erscheinungen konfrontiert. Einen kleinen Haken hat die Sache allerdings: Ihr Lehrer ist kein normaler Mensch, sondern ein Dämon! John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair Gespensterkrimi - Folge 45Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1973 - 1978, die in der Reihe Gespenster-Krimi erschienen sind! Die Spinnen-Königin. Sie war wie ein Phantom! Schön, kalt und unnahbar. Sie stammte aus einer Zeit, die älter war als das Menschengeschlecht. Ihre Vorfahren hatten Dämonen und finsteren Göttern gedient und ihnen grässliche Opfer dargebracht. Dann waren sie zu Sklaven erniedrigt worden und selbst eingegangen in die Dimensionen des Terrors und des Grauens. Doch sie war durch einen geheimen Zauber selbst zu einem Dämon mutiert. Sie besaß eine grenzenlose Macht, und auf ihr Kommando hörte eine Armee. John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Über die Serie

Über den Autor

Impressum

DER ALBTRAUM-FRIEDHOF

Vorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

DER ALBTRAUM-FRIEDHOF

Wenn die Lebenden nicht in der Lage sind, die Botschaft der Finsternis in diese Welt zu tragen, so müssen es die Toten tun.

Darum flieht, wenn die Gräber sich öffnen und die Leichname dem feuchten Erdreich entsteigen – flieht vor dem Zorn des großen Bakuur! Er hat die Saat der Rache gesät und harrt voller Ungeduld auf die Ernte des Bösen …

Aufseufzend löschte die Küchenhilfe das Licht. Sie schob die Unterlippe vor und blies sich eine Strähne des dunkelblonden Haares aus der Stirn.

Der Tag heute hatte ihr gereicht. Nicht eine Minute hatte sie sich ausruhen können. Gegen Mittag waren noch zwei Busse angekommen, vollbesetzt mit holländischen Touristen. Sie hatten die Speisekarte dreimal rauf und runter gegessen und sich bis zum Abend aufgehalten. Der Koch hatte gewirbelt bis zur Olympiareife, und sogar der Chef war mit eingesprungen.

Am Abend war es dann weitergegangen. Geschäftsleute kamen, ein Händler brachte Fleisch, es musste in die großen Kühlboxen geschafft werden, dann kamen Getränke und so weiter.

Jetzt hatte Lisa die Nase gestrichen voll.

Im Dunkeln lehnte sie an der Wand. Sie war allein in der Küche. Noch immer hing der Geruch von gebratenem Fleisch und Pommes frites im Raum. Lisa konnte ihn einfach nicht mehr riechen.

Um die Flasche mit dem Obstwasser zu finden, brauchte sie kein Licht. Sie schloss die Tür eines Hängeschrankes auf, tastete nach der Flasche und nahm einen kräftigen Schluck.

Der scharfe Schnaps brannte in ihrem Magen, verbreitete aber dann eine wohltuende Wärme.

Lisa schloss die Augen. Zwei Minuten stand sie unbeweglich und genoss das Gefühl der Entspannung. Dann stellte sie die Flasche wieder weg und ging mit müden Schritten in Richtung Tür.

Das Bett in ihrer Dachkammer wartete schon längst. Zufällig streifte ihr Blick das Fenster.

Im ersten Augenblick glaubte sie, einer Täuschung erlegen zu sein. Verschwommen erkannte sie ein Gesicht.

Ein Männergesicht. Es gehörte dem alten Leitner.

Lisas Gedanken stockten. Himmel, der alte Leitner! Nein, das war unmöglich.

Der alte Leitner war schon seit drei Tagen tot …

Lisa schrie!

Der Schrei zerfetzte die Stille. Sie hatte die Arme halb erhoben und die Hände zu Fäusten geballt. Starr waren ihre weit aufgerissenen Augen auf das Gesicht gerichtet, das sich von außen gegen die Scheibe presste.

Lisa fühlte, wie ihr Herz rasend schnell schlug. Sie meinte, es müsste jeden Augenblick aus der Brust springen. Sie schrie immer noch, als die Tür aufgerissen wurde und eine Männerhand die Frau hart an der Schulter herumriss.

»Was ist los, Lisa?«

Die Küchenhilfe gab keine Antwort.

Dann schlug der Mann zweimal zu. Sein Handrücken klatschte gegen Lisas Wangen.

Der Schrei erstickte, endete in einem Wimmern.

Der Mann zerrte Lisa zu einem Stuhl, drückte sie darauf nieder.

Lisas Kopf war nach vorn gesunken, ihr Kinn berührte beinahe die Brust. Schluchzen schüttelte ihren Körper. Der Mann reichte ihr ein Glas mit Schnaps. Lisa nahm es mit zitternden Fingern entgegen, trank zum zweiten Mal an diesem Abend den scharfen Alkohol.

Dankbar gab sie dem Mann das Glas zurück. Aus tränenfeuchten Augen sah sie ihn an.

Der Mann war kein geringerer als Harry König, Besitzer des Hotels und gleichzeitig ihr Chef.

»So«, sagte er, »und nun erzähl mal.«

Lisa musste zweimal schlucken, bevor sie sprechen konnte.

»Ich – ich hatte das Licht schon gelöscht und wollte nach oben in meine Kammer gehen. Da – da, o Gott, es war schrecklich!«

»Was war schrecklich, Lisa?«

»Das Gesicht.«

»Welches Gesicht?«

»Es war am Fenster. Ich habe es deutlich gesehen. Es gehörte dem alten Leitner!«

Königs Augen wurden groß. Tief atmete er ein. Dann zwang er sich zu einem Lächeln.

»Sag mal, Lisa, du bist doch nicht etwa betrunken? Der alte Leitner ist seit drei Tagen tot und soll morgen beerdigt werden.«

Lisa nickte heftig. »Ja, ja, ich weiß. Aber es war der alte Leitner. Er hat mich angestarrt aus seinen schrecklichen Augen.«

Harry König legte seiner Angestellten die Hand auf die Schulter.

»Ist gut, Lisa, du hast also den alten Leitner gesehen.« Der Hotelbesitzer blickte zum Fenster. Dann sagte er: »Ich werde jetzt nachschauen, ob er noch da ist.« Er wartete Lisas Antwort gar nicht erst ab, sondern trat ans Fenster und öffnete es. Weit beugte er sich nach draußen, sah nach links und rechts.

»Nichts«, rief er ins Zimmer hinein. »Es ist eine wunderbar kühle Herbstnacht, aber von deinem Geist ist keine Spur zu sehen. Du wirst geträumt haben, Lisa. Wahrscheinlich war der Tag heute zu hektisch für dich. Am besten, du legst dich jetzt hin und schläfst erst einmal aus.« König hatte das Fenster wieder geschlossen und trank jetzt auch einen Schnaps. »Möchtest du noch?«, fragte er.

Lisa schüttelte den Kopf.

Der Hotelbesitzer verzog das Gesicht, weil der Schnaps in seinem Magen brannte.

Harry König hatte das Hotel im Schwarzwald erst vor einigen Monaten übernommen. Er hatte vorher ein Restaurant im Ruhrgebiet geleitet und sich dann im Schwarzwald einen alten Jugendtraum erfüllt.

Harry König war achtundvierzig Jahre alt, überdurchschnittlich groß und ziemlich schlank. Man sah ihm die Vorliebe für gutes Essen nicht an.

Die Einheimischen hatten den dunkelhaarigen Mann mit den etwas zu vollen Lippen und der leicht gekrümmten Nase schnell akzeptiert, was sich auch darin zeigte, dass in Königs Hotel die Honoratioren der umliegenden Orte verkehrten. Außerdem galt Königs Hotel als Geheimtipp für stressgeplagte Manager.

Harry König zündete sich eine Zigarette an. Während er den Rauch durch die Nase ausstieß, fragte er: »Warst du eigentlich schon in Urlaub, Lisa?«

»Nein.«

»Dann wird es wohl Zeit. Die Saison ist bald vorbei, danach kannst du drei Wochen ausspannen. Du hast mir doch erzählt, dass Verwandte von dir an der Nordsee wohnen. Ich kenne die See gut. Du solltest hinfahren und dich dort ausruhen.«

»Danke«, erwiderte Lisa leise. »Aber – ich habe den alten Leitner gesehen, Herr König.«

Der Hotelbesitzer seufzte. »Fall mir damit nicht wieder auf die Nerven, Lisa. Der alte Leitner ist tot!«

Lisa stand auf. »Entschuldigen Sie.«

»Wo willst du hin?«

»Auf mein Zimmer.« Lisa, die an der Tür stand, drehte sich noch einmal um.

König lächelte. »Gut, nimm aber noch eine Schlaftablette.«

»Ja, Herr König. Gute Nacht.«

Kopfschüttelnd sah der Hotelbesitzer seiner Angestellten nach. Lisas Verhalten passte ihm überhaupt nicht. Er war nur froh, dass die Gäste nicht gestört worden waren, schließlich galt das Hotel »Waldfrieden« als ein Hort der Ruhe und Erholung.

Harry König verließ die Küche. Auch er spürte jetzt die Müdigkeit. Es wurde Zeit, dass er ins Bett kam. Morgen, das heißt heute, begann wieder ein anstrengender Tag für ihn.

Am Ende des Flures in der zweiten Etage begann eine schmale Stiege, die bis unter das Dach führte. Dort lagen die Zimmer des Hotelpersonals, und hier hatte auch Lisa ihre Kammer.

Im Dunkeln schloss sie die Tür auf und betrat den kleinen Raum mit den schrägen Wänden. Durch das schmale Fenster an der Stirnseite des Zimmers sickerte fahles Mondlicht und zeichnete einen verwaschenen Streifen auf den Holzfußboden.

Schrank und Bett standen sich gegenüber. Neben dem Schrank war ein Waschbecken in die Wand eingelassen worden, darüber hing ein Spiegel. Die Wand über dem Bett zierte ein Kreuz. Es stammte noch von Lisas Eltern, und sie hielt es jetzt hoch in Ehren.

Die Kammer war klein, aber da Lisa eine bescheidene Person war, reichte sie ihr. Lisa war noch Single. Sie zählte fünfunddreißig Jahre, war eine dralle Person, mit hochgesteckten dunkelblonden Haaren. Ihr Gesicht besaß eine frische Farbe, die Hände waren rissig und abgearbeitet. An eine Heirat hatte Lisa bisher noch nicht gedacht, aber wenn sie ehrlich war, es gab auch keine Bewerber, und so ging sie völlig in ihrer Aufgabe auf, was Harry König sehr zu schätzen wusste.

Es war ruhig hier oben unter dem Dach. Die anderen Angestellten schliefen schon längst, und der Kellner, der hier ebenfalls wohnte, hatte heute seinen freien Tag gehabt und war nicht da. Er würde erst morgen Mittag wieder erscheinen.

Lisa setzte sich auf ihr Bett. Verflogen war die Müdigkeit. Immer wieder musste sie an ihr schreckliches Erlebnis denken. Sie glaubte an das, was sie gesehen hatte. Es war der alte Leitner gewesen, davon ließ sie sich nicht abbringen.

Wie viele Menschen in der Gegend war auch Lisa trotz ihrer Frömmigkeit abergläubisch. Sie glaubte an Gott, aber auch an den Teufel, und so war es nicht verwunderlich, dass sie dem Teufel die Schuld für das Auftauchen des alten Leitners gegeben hatte.

Lisa saß über zehn Minuten unbeweglich und mit zusammengefalteten Händen auf dem Bettrand. Dann hatte sie einen Entschluss gefasst.

Noch heute wollte sie in der Leichenhalle nachsehen, ob sie sich wirklich getäuscht hatte.

Sie brauchte gar nicht weit zu gehen, denn der kleine Dorffriedhof grenzte mit seiner Mauer direkt an das Hotelgrundstück.

Lisa drehte sich um und nahm das Kreuz von der Wand. Sie umklammerte das Holz mit beiden Händen, es war ihr einziger Schutz.

Auf Zehenspitzen verließ Lisa das Zimmer. Jedes Knarren der Holzdielen hörte sich überlaut in der Stille an, doch ungesehen und ungehört erreichte sie die Rezeption des Hotels.

Die untere Etage lag in völliger Dunkelheit. Der Besitzer wohnte in einem kleinen Anbau, genau entgegengesetzt. Lisa schlich an der gläsernen Eingangstür vorbei, drückte sich durch einen schmalen Gang, durchquerte die Küchenräume und gelangte zur Hintertür, für die sie einen Schlüssel besaß.

Lisa schloss auf und schlüpfte hinaus in die klare, kühle Herbstnacht. Die letzten Septembertage hatten noch einmal Sonnenschein gebracht, aber nachts wurde es doch schon empfindlich kühl.

Lisa hob fröstelnd die Schultern, überquerte den kleinen Platz, auf dem die Lieferwagen hielten, die immer die Waren brachten, und tauchte ein in einen Wald, der sich bis hinauf zu den Bergen zog und hinter dem Hotel seinen Anfang nahm.

Ein schmaler Pfad führte nach rechts, dem kleinen Friedhof entgegen.

Den Pfad kannten nur wenige. Er ringelte sich wie eine Schlange durch den Tannen- und Mischwald des Hochschwarzwaldes. Unter anderem berührte er auch den kleinen Dorffriedhof, und schon bald sah Lisa die Umrisse der brusthohen Steinmauer.

Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um hinübersehen zu können.

Das Bild war gespenstisch. Offen fiel das Mondlicht auf die gepflegten Grabreihen. Gestochen scharf waren die Kreuze und Denkmäler zu erkennen. Lisa konnte auch das frisch ausgeworfene Grab sehen, in dem der alte Leitner beerdigt werden sollte.

Lisa ging noch einen Meter weiter. Feuchte Blätter strichen wie Finger über ihr Gesicht oder raschelten gegeneinander, vom kühlen Nachtwind bewegt.

Schließlich erreichte sie die Stelle, die sie gesucht hatte. Ein kleines hüfthohes Eisentor unterbrach die Friedhofsmauer. Es wurde so gut wie nie als Eingang benutzt und hatte schon Rost angesetzt.

Das Tor war nicht verschlossen, Lisa wusste es. Sie drückte die gebogene Klinke und hielt den Atem an, als sie das Tor aufstieß und das Quietschen der Angeln ihr vorkam, als müsste man es meilenweit hören können.

Lisa schob das kleine Tor nur so weit auf, dass sie gerade hindurchschlüpfen konnte. Nach zwei Schritten blieb sie stehen und schloss das Tor auch nicht wieder, um sich so einen günstigen Fluchtweg offen zu lassen.

Kies knirschte unter Lisas derben Schuhsohlen. Die einzelnen Wege waren sehr gepflegt und zogen sich schachbrettartig über den Totenacker.

Lisa hielt ihr Kreuz fest umklammert. Das dunkelbraune handwarme Holz strahlte eine gewisse Sicherheit aus. Noch nie war Lisa nachts allein auf dem Friedhof gewesen. Selbst die Gräber ihrer Eltern hatte sie nur am Tage besucht. Vater und Mutter waren im Nachbarort bestattet worden, aus dem Lisa auch stammte.

So leise wie möglich ging sie weiter. Der Geruch von verfaultem Laub und frisch aufgeworfener Erde drang in ihre Nase. Lisa musste den Kopf einziehen, um unter den Zweigen einer hohen Trauerweide hergehen zu können.

Die Weide verdeckte einen Teil der Leichenhalle an der Nordseite des Friedhofes. Die Halle war aus großen Steinquadern errichtet worden, die im Laufe der Zeit eine Haut aus Moos und Efeu bekommen hatten.

Vor dem zweiflügeligen Holztor blieb Lisa stehen. In das Holz waren lateinische Sprüche geschnitzt worden, deren Sinn die Frau nicht verstand.

Schräg fiel das Mondlicht auf die Messingklinke und ließ sie aufglänzen wie einen Spiegel.

Zum ersten Mal bekam Lisa Angst vor ihrer eigenen Courage. Sie fürchtete sich plötzlich, die Leichenhalle zu betreten, und trat instinktiv einen Schritt zurück. Aber dann fasste sie sich ein Herz und drückte die schwere Klinke nach unten.

Die Tür war verschlossen.

Lisa fiel ein Stein vom Herzen. Die Entscheidung war ihr jetzt abgenommen worden. Gleichzeitig jedoch durchzuckte ein Gedanke ihr Hirn. Wie hatte dann der alte Leitner die Leichenhalle verlassen können?

Lisa dachte an die Fenster an den beiden Seitenfronten der Leichenhalle. Sie waren von innen zu öffnen, und man konnte so ohne Weiteres die Halle verlassen.

Lisa wandte sich nach rechts und hatte dann die Längsseite der Leichenhalle erreicht. Sie ging dicht an der Mauer entlang und stand plötzlich vor dem ersten Fenster.

Es war schmal und hoch. Die Scheibe war mehrmals unterteilt, und Lisa musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um hindurchsehen zu können.

In einem verwaschenen Grau lag das Innere der Leichenhalle vor ihr. Die Frau konnte so gut wie nichts erkennen, sämtliche Konturen verschwammen.

Fast eine Minute starrte sie durch die Scheibe, bis die Augen anfingen zu tränen. Schließlich fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte zu prüfen, ob das Fenster offen war. Sie streckte die Hand aus und drückte gegen die Scheibe.

Das Fenster schwang zurück.

Die plötzliche Erkenntnis traf Lisa wie ein Schlag. Obwohl sie eigentlich damit gerechnet hatte, kam diese Entdeckung für sie doch überraschend.

Dann habe ich also recht gehabt, dachte sie. Dann ist der alte Leitner …

Sie kam nicht mehr dazu, den Gedanken weiterzuspinnen. Hinter ihrem Rücken hörte sie plötzlich ein Geräusch.

Lisa wirbelte herum. Da packte sie das nackte Entsetzen. Drei Schritte vor ihr stand der alte Leitner!

Lisa war in diesen Sekunden des Schreckens unfähig zu schreien und auch nicht in der Lage, sich zu rühren. Sie konnte nur die grässliche Gestalt des Toten anstarren, der aussah, als wäre er einem Horrorfilm entsprungen.

Das Mondlicht fiel direkt auf das weiße, jetzt schon fleckige Hemd der lebendigen Leiche. Die Haut auf dem Gesicht und den Händen war eingefallen, tief lagen die Augen in den Höhlen. Der Tote hatte den zahnlosen Mund geöffnet, und ein widerliches Kichern drang über seine kaum zu erkennenden Lippen.

»Grüß dich, kleine Lisa«, geiferte er. »Hattest du Sehnsucht nach mir? Wolltest du mir einen Gegenbesuch abstatten? Das finde ich aber nett von dir. Komm her, ich lade dich ein. Komm.« Der Tote streckte seinen rechten Arm aus.

»Nein!«, flüsterte Lisa. »Nein, nein, nein! Ich will nicht. Ich will …«

Sie brach ab und wollte auf dem Absatz kehrtmachen, um wegzulaufen, doch da hatte der Tote schon zugepackt.

Er bekam Lisa am linken Oberarm zu fassen. Seine knochigen Finger wirkten wie ein Schraubstock. Lisas Muskeln wurden zusammengepresst, der Schmerz ließ sie aufschreien, und da traf ein harter Schlag ihren Rücken und schleuderte sie zu Boden.

Mit dem Gesicht zuerst fiel Lisa auf die lehmige Erde. Dreck wühlte sich in ihren Mund, verstopfte die Nasenlöcher. Das Kreuz wurde ihr aus der Hand gerissen. Zwei Hände gruben sich in den Stoff ihres Pullovers. Schmerzhaft drangen die spitzen Fingernägel in das Fleisch.

Lisa wurde hochgerissen. Der Tote verfügte über erstaunliche Kräfte.

Lisa würgte und keuchte, spie Erde, Speichel und Dreck aus. Alles drehte und bewegte sich vor ihren Augen. Sie war nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.

Dann hörte sie die Stimme dicht neben ihrem Ohr.

»Du wolltest mich ja besuchen, nicht wahr, kleine Lisa? Ich habe mich darüber gefreut, und ich habe auch schon einen Ehrenplatz für dich. Warte es nur ab.«

Ein Ruck ging durch ihren Körper, als sie weitergeschleift wurde. Durch den Tränenschleier sah sie, wie sie sich auf das frisch ausgeworfene Grab zubewegten.

»Ein nettes Plätzchen!«, kicherte der alte Leitner. »Wirklich ein nettes Plätzchen.«

»Nicht!«, flehte die Frau. »Bitte, ich …«

Sie wollte sich gegen den Griff stemmen, doch ihre Kräfte reichten nicht aus. Sie bekam noch einen harten Stoß in den Rücken und fiel geradewegs in die feuchte, kühle Grube.

Oben am Rand stand der Tote und lachte hämisch.

Kuchen, Weißbrot, Kaffee, Wurst, Käse – das alles bekam Kommissar Will Mallmann zum Frühstück vorgesetzt. Gekrönt wurde das ganze durch ein Ei, das die Serviererin mit einem freundlichen Lächeln vor den Kommissar hinstellte.

»Das ist ja sagenhaft«, sagte Will Mallmann, und seine Augen begannen zu strahlen. »Aber wenn ich meinen Urlaub hier beendet habe, dann wiege ich bestimmt zwanzig Pfund mehr.«

Die Serviererin hob die wohlgerundeten Schultern. »Sie können es ja hinterher wieder abtrainieren.«

»Das schafft ja kaum jemand.«

Kommissar Mallmann lehnte sich behaglich in seinem Stuhl zurück und goss sich eine Tasse Kaffee ein. Dabei glitt sein Blick durch die Scheibe des Frühstücksraumes hinaus in den Garten des Hotels.

Die Morgensonne schickte ihre Strahlen wie breite Speere über das Land und vertrieb die letzten Nebel. Die Blätter der Bäume waren schon von der Jahreszeit angemalt worden. Sie schimmerten gelb, rot und braun. Kleine Tautropfen schillerten auf ihnen wie kostbare Perlen.

Der Blick des Kommissars wanderte weiter bis hinüber zu den Höhen des Südschwarzwaldes. Der Feldberg, die höchste Erhebung dieses Gebirgszuges, hatte noch einen Nebelkranz um seinen Gipfel liegen, der sich jedoch von Minute zu Minute auflockerte.

Kommissar Mallmann fühlte sich pudelwohl und bedauerte es nicht im Geringsten, dass er seinen Urlaub in Deutschland verbrachte. Hier im Hotel »Waldfrieden« war er noch Gast, hier wurde er noch bedient – kurzum, er fühlte sich wie zu Hause.

Die erste Woche hatte er schon hinter sich. Es waren Wandertage gewesen. Lange Spaziergänge hatten sich abgelöst mit Trimmübungen, und abends hatte Will Mallmann dann Weinkuren unternommen, bis er jedes Mal leicht beschwipst ins Bett gesunken war.

Will Mallmann trank den Kaffee in kleinen Schlucken. Dabei strich er Butter auf das Weißbrot und häufte etwas von der selbst gemachten Marmelade auf das Brot.

Er war nicht der einzige Gast im Frühstücksraum. Hinter der Blumenwand saß noch ein junges Ehepaar. Kommissar Mallmann wusste, dass sich die beiden auf der Hochzeitsreise befanden.

Zwei Tische weiter saß ein Vertreter, der seinen Kopf hinter einer Zeitung vergraben hatte.

Die anderen Gäste hatten schon gefrühstückt und waren bereits unterwegs.

»Guten Morgen, Herr Mallmann«, hörte der Kommissar neben sich eine Stimme.

Will Mallmann wandte den Kopf.

Harry König stand an seinem Tisch. Der Hotelbesitzer hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und deutete eine leichte Verbeugung an.

Will Mallmann tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel ab.

»Morgen, Herr König«, rief er. »Haben Sie vielleicht das strahlende Wetter bestellt?«

»Natürlich. Nur das Beste für meine Gäste, lautet der Wahlspruch des Hauses.«

Kommissar Mallmann nickte anerkennend. »Das merkt man, Herr König. Ich habe mich selten so wohl gefühlt. Und Sie können mir glauben, ich kenne viele Hotels.«

»Das freut mich zu hören.«

Kommissar Mallmann nahm einen Schluck Kaffee und blickte den Hotelbesitzer von unten herauf an.

»Sie sehen aber nicht gerade freudig aus, Herr König. Ich habe eher das Gefühl, dass Sie irgendetwas bedrückt.«

»Na ja.« Harry König hob unbehaglich die Schultern. »Darf ich mich setzen?«, fragte er dann.

»Dem steht nichts im Wege. Bitte.« Will Mallmann deutete auf einen Stuhl. »Wenn es Sie nicht stört, dass ich esse.«

»Ich bitte Sie.« Der Hotelbesitzer nahm Platz.

Kommissar Mallmann sah, dass die Finger des Mannes nervös übereinander strichen. Auf der Stirn hatten sich feine Schweißperlen gebildet, den obersten Knopf seines Hemdes hatte Harry König geöffnet.

Der Mann hatte Sorgen, das war Mallmann klar. Der Hotelbesitzer wusste, dass Kommissar Mallmann bei Interpol beschäftigt war. Mallmann selbst hatte es ihm einmal erzählt, ihn aber gleichzeitig gebeten, es nicht breitzutreten. Will Mallmann wollte hier drei Wochen ausspannen, ja, er hatte noch nicht einmal hinterlassen, wo er zu erreichen war.

Es war sein erster zusammenhängender Urlaub seit Jahren. Will Mallmann war Junggeselle, Mitte Vierzig und hatte pechschwarzes, an der Stirn schon etwas gelichtetes Haar.

Niemand sah Will Mallmann an, dass er zu den fähigsten Beamten von Interpol gehörte, dass er in den letzten Wochen quasi im Alleingang und mit ungeheurem Einsatzwillen einen gefährlichen internationalen Rauschgiftring gesprengt hatte.

»Wo drückt denn der Schuh, Herr König?«

»Nun, ich will offen sein, Herr Mallmann. Es geht nicht um mich, sondern um Lisa, meine Küchenhilfe. Sie ist seit heute Nacht verschwunden.«

Will Mallmann krauste die Stirn. »Das ist, mit Verlaub gesagt, nichts Ungewöhnliches.«

»Natürlich, da gebe ich Ihnen recht, aber Lisa hatte in der vergangenen Nacht ein schreckliches Erlebnis. Haben Sie den Schrei nicht gehört?«

Will Mallmann schüttelte den Kopf. »Ich habe geschlafen wie ein Bär.«

»Dann will ich Ihnen die Einzelheiten mitteilen.« Harry König berichtete, was er in der letzten Nacht erlebt hatte. Dann meinte er: »Und heute Morgen, als Lisa ihren Dienst antreten sollte, ist sie nicht gekommen. Zuerst habe ich angenommen, sie hätte sich verschlafen, obwohl das bisher noch nicht passiert ist. Ich habe eine halbe Stunde gewartet und bin dann hinauf zu ihrem Zimmer gegangen. Es war leer, das Bett unbenutzt. Von Lisa keine Spur. Ich habe das Haus durchsucht und sie nicht gefunden. Sie ist und bleibt verschwunden.«

»Haben Sie denn in ihrem Schrank nachgesehen? Ich meine, hat sie Sachen mitgenommen?«

»Nein. Sämtliche Kleidungsstücke sind noch vorhanden. Das ist es ja, was mich so sorgenvoll stimmt.«

»Hm.« Kommissar Mallmann strich sich übers Kinn. »Das ist allerdings seltsam. Diesen angeblich Toten, den sie gesehen hat, haben Sie den …?«

»Verzeihen Sie, dass ich Sie unterbreche, Herr Mallmann. Aber der alte Leitner ist tot. Gesehen habe ich ihn nicht. Aber Lisa hat steif und fest behauptet, dass er ihr erschienen ist. Natürlich ist das Unsinn, aber wer weiß, was im Kopf der Frau vorgegangen ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie in heilloser Panik das Haus verlassen hat.«

Harry König schüttelte den Kopf. »So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich gebe zu, die Leute hier sind noch ziemlich abergläubisch. Aber wenn jemand tot ist, dann ist er tot. Oder sind Sie da anderer Meinung, Herr Mallmann?«

Kommissar Mallmann blickte den Hotelbesitzer ernst an. Dann meinte er: »Vor einigen Monaten hätte ich auch noch über solche Sachen gelacht. Aber dann bekam ich einen Fall in London, der mich eines Besseren belehrt hat.«

Königs Gesicht hatte einen ungläubigen Ausdruck angenommen. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.«

»Gut, dann will ich Klartext mit Ihnen reden, Herr König. Ich habe selbst erlebt, dass Tote wieder zum Leben erweckt worden sind. Und zwar durch Voodoo-Zauber.«

»Das gibt es doch nicht!«

»Moment.« Kommissar Mallmann hob die rechte Hand. »Sie kennen mich einigermaßen, Herr König, und ich darf voraussetzen, dass Sie mich nicht für einen Spinner halten. Es gibt in London einen Kollegen von mir – er heißt John Sinclair – der sich auf solche Fälle spezialisiert hat. Mit ihm habe ich gearbeitet und Abenteuer erlebt, die Ihnen die Haare zu Berge stehen lassen. Ich will mich jetzt nicht näher in Einzelheiten verlieren, aber es gibt Dinge, die wir mit unserem Verstand nicht oder kaum begreifen können. Damit will ich nicht gesagt haben, dass das hier bei Ihnen auch der Fall ist, aber es besteht durchaus die Möglichkeit, dass andere, uns noch unbekannte Mächte in ein Spiel eingegriffen haben, das wir noch gar nicht kennen.«

Harry König vergrub den Kopf in beide Hände. Mit leerem Blick starrte er auf die Tischplatte.

»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr, Herr Mallmann.«

Der Kommissar lachte. »Nun werfen Sie nicht gleich die Flinte ins Korn, mein Lieber. Wir werden die Sache gemeinsam schon schaukeln. Vorerst aber noch einige Fragen. Haben Sie schon die Polizei von Lisas Verschwinden verständigt?«

»Nein.«

»Gut, damit werden wir dann auch noch einige Zeit warten. Es besteht ja durchaus noch die Möglichkeit, dass Lisa zurückkommt.«

»Wer weiß.« Harry König klopfte sich eine Zigarette aus dem Päckchen und bot Kommissar Mallmann auch ein Stäbchen an, der jedoch dankend ablehnte.

Während Harry König sorgenvoll den blauen Rauchringen nachsah, trank Will Mallmann seinen letzten Schluck Kaffee.

Der Hotelbesitzer blickte den Kommissar überrascht an. »Was haben Sie vor?«

»Ich möchte mir den Toten gern einmal ansehen.«

»Den alten Leitner?«

»Ja.«

»Das wird kaum gehen.«

»Wieso nicht?«

»Weil heute Morgen die Beerdigung ist.«

»Das ist ja großartig. Dann wird der Sarg sowieso noch einmal geöffnet.«

»Das schon. Aber – ich meine, Sie sind fremd hier, und die Angehörigen würden zumindest überrascht sein. Der alte Leitner war ziemlich bekannt. Fast sämtliche Einwohner des Ortes werden zur Beerdigung kommen, und wenn wir die Feier stören …«

»Keine Angst, Herr König. Ich werde schon das nötige Maß an Pietät walten lassen. Wann beginnt die Beerdigung?«

»Um zehn Uhr.«

»Oh, das ist ja schon in einer Viertelstunde.«

»Ja, und die anschließende Trauerfeier findet hier im Hotel statt.«

»Gut.« Kommissar Mallmann nickte. »Ich gehe nur noch nach oben und ziehe mir etwas über. Warten Sie bitte auf mich, wir können ja dann gemeinsam gehen.«

Will Mallmann sah es dem Hotelbesitzer an, dass ihm bei dem Gedanken an die Beerdigung nicht ganz wohl war, aber wenn der Kommissar einmal eine Spur aufgenommen hatte, dann war er wie ein Bluthund. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass sich dieser Urlaub ganz anders entwickeln würde, als er ihn sich vorgestellt hatte.

Der Springbrunnen vor dem Hotel stieß seine drei Wasserfontänen in die Höhe, die schräg aufeinander zuliefen, sich vereinigten und wieder zusammenfielen. Das Rauschen des Brunnens war eine stetige Melodie, die den gesamten Tag über Gäste und Personal begleitete und einen gewissen Hauch von Romantik vorspielte.

Will Mallmann wartete neben dem Brunnen. Der Wind trieb ihm feine Wasserspritzer ins Gesicht, doch das störte den Kommissar nicht. Drehte er den Kopf nach rechts, so sah er auf die Frontseite des Hotels, mit den Parkplätzen, die von Blumenrabatten und Buschgruppen umgeben waren. Man musste um die Parkplätze herumgehen, um zum Friedhof zu gelangen, und der Weg vom Dorf her führte am Hotel »Waldfrieden« vorbei.

Noch immer kamen die Menschen zur Beerdigung. Fast alle Altersgruppen waren vertreten, sogar Kinder wurden an den Händen ihrer Eltern mitgeführt.

Die Trauergäste trugen Schwarz, hielten die Köpfe gesenkt und sprachen nur leise miteinander.

Kommissar Mallmann wurde kaum ein Blick zugeworfen. Er war ein Fremder, gehörte nicht ins Dorf.

Von der Dorfkirche läutete die Totenglocke. Dünn schwang der Klang durch die klare Luft. Kommissar Mallmanns Blick wanderte über die Dächer der Häuser hinweg, bis hin zu der Schnellstraße, die in Richtung der Schweizer Grenze führte. Die Autos wirkten klein wie Spielzeuge.

Dann kam Harry König. Sein Gesichtsausdruck war ernst, als er die gläserne Hoteltür in Bewegung setzte.

»Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen«, sagte er, »aber der Anruf war dringend.«

Mallmann winkte ab. »Ist doch klar.«

Noch immer kamen die Menschen. Harry König grüßte fast jeden, der vorbeiging.

Die Totenglocke hatte aufgehört zu läuten. Der Priester und die beiden Messdiener gingen vorbei. Kommissar Mallmann und Harry König schlossen sich ihnen an.

Das schmiedeeiserne Tor des Friedhofs war weit geöffnet. Der Herbstwind strich durch die Ulmen und Trauerweiden, warf das erste braun gefärbte Laub zu Boden.

Die Natur begann langsam abzusterben, aber nur, um im nächsten Frühjahr wieder voll aufzublühen. Ein ewiger Kreislauf, in den der Mensch zum Glück noch nicht eingegriffen hatte.

Die kunstvollen Grabsteine und Kreuze glänzten noch vom Tau der Nacht. Das Blätterdach der Bäume hielt die meisten Sonnenstrahlen ab. Es war unangenehm kühl auf dem Totenacker. Will Mallmann konnte ein Frösteln nicht unterdrücken.

Die Leichenhalle fasste längst nicht alle Menschen. Viele Trauergäste mussten draußen bleiben. Sie standen schweigend und mit gesenkten Köpfen auf dem Fleck.

»Ich habe gehört, dass der Sarg noch offen ist«, flüsterte Harry König dem Kommissar zu. »Wenn Sie sich den Toten ansehen wollen …«

»Ja.«

Die beiden Männer schlossen sich den Menschen an, die die Leichenhalle betraten und dem Toten den letzten Gruß erwiesen.

Dämmerlicht nahm die Männer auf. Der Sarg stand in der Mitte der Halle, wurde von Buchsbäumen und einem Berg von Kränzen flankiert. Am Kopf- und Fußende des Sarges brannten jeweils zwei Kerzen. Ihre flackernden Flammen übergossen die Gesichter der Menschen mit zuckenden Schatten.

Manch einer weinte haltlos, als er den Sarg passierte. Zahlreiche Frauen hielten Taschentücher gegen Mund und Nase gepresst. Der alte Leitner musste sehr beliebt gewesen sein.

»Hatte er eine besondere Position im Dorf innegehabt?«, fragte Will Mallmann leise.

»Er ist lange Jahre Bürgermeister gewesen«, gab Harry König flüsternd zurück.

»Deshalb also.«

Die Männer hatten sich in die Schlange der Trauergäste eingereiht. Vor Will Mallmann ging eine Frau. Sie hatte den Kopf gesenkt und schluchzte.

Nur noch ein Meter trennte ihn jetzt von dem Sarg. Die Frau vor ihm hatte ihn bereits erreicht und brach plötzlich weinend zusammen, noch ehe Will Mallmann sie auffangen konnte.

Augenblicklich waren auch andere Helfer da. Sie fassten die Frau unter und führten sie hinaus.

Jetzt stand Will Mallmann neben dem Sarg. Sein Blick saugte sich an dem Toten fest. Er sah in ein eingefallenes altes Gesicht, aus dem die Wangenknochen spitz hervortraten. Der Tote sah friedlich aus, mit seinen geschlossenen Augen und den auf der Brust verschränkten Händen. Das weiße Totenhemd lag um seinen Körper – und …

Kommissar Mallmann presste die Lippen zusammen. Er hatte sich die Hände des Toten genauer angesehen und unter den Fingernägeln Schmutzspuren entdeckt. Soweit er erkennen konnte, war die Erde noch frisch, nicht völlig eingetrocknet. Sollte der Tote tatsächlich in der Nacht umhergegeistert sein?

Tief atmete Kommissar Mallmann ein. Er fühlte, wie eine Gänsehaut über seinen Rücken lief. Und jetzt entdeckte er auch die Schmutzspuren am unteren Rand des Totenhemdes.

Fieberhaft kreisten die Gedanken im Hirn des Kommissars. Sollte ihn der Zufall auf eine ungeheure Spur geführt haben? Spielten sich hier Vorgänge ab, die nicht mit rechten Dingen zugingen?

Jemand stieß ihn leicht an. Aufgeschreckt drehte Will Mallmann den Kopf.

»Gehen Sie weiter«, flüsterte Harry König. »Die Leute hinter mir werden schon unruhig.«

Mallmann nickte und trat schnell ein paar Schritte vor. Dann ging er rasch zum Ausgang.

Die frische Luft tat ihm gut. Mit dem Handrücken wischte er sich über die schweißfeuchte Stirn. Er hatte sich von den anderen Leuten abgesondert, stand unter den ausladenden Zweigen einer Trauerweide, und er hatte beschlossen, Harry König von seinem Verdacht nichts zu erzählen.

Will Mallmann winkte dem Hotelbesitzer zu, als dieser die Leichenhalle verließ.

»Nun?«, fragte König. »Bleiben Sie noch immer bei Ihrer Behauptung? Haben Sie etwas Verdächtiges entdecken können?«

»Nein.« Mallmann schüttelte den Kopf.

»Na bitte, ich sagte es doch. An lebende Tote, daran glaube ich einfach nicht. Aber trotzdem bereitet mir das Verschwinden von Lisa große Sorgen. Wenn ich nur wüsste, wo sie hingegangen ist?«

»Hatte sie denn wirklich keinen Freund?«, wollte Mallmann wissen.

»Nein, sie war eine Einzelgängerin. Männer waren für sie so etwas wie Wesen von einem anderen Stern. Es ist zwar unbegreiflich, aber so etwas gibt es auch noch.«

Kommissar Mallmann erwiderte nichts. Aus schmalen Augenschlitzen beobachtete er die Menschenmenge, die sich vor der Trauerhalle angesammelt hatte.

Die Trauerfeier hatte begonnen. Die Stimme des Priesters war durch die offene Tür deutlich zu vernehmen.

Dreißig Minuten standen Kommissar Mallmann und Harry König stumm nebeneinander.

Dann wurde der Sarg von vier Männern aus der Halle getragen. Direkt dahinter gingen die allernächsten Verwandten des Toten. Die Frauen weinten, die Blicke der Männer waren starr geradeaus gerichtet.

Kommissar Mallmann fühlte sich in seiner Rolle als Beobachter nicht sehr wohl. Aber er wollte diese Beerdigung bis zum Ende abwarten. Er und Harry König gingen nicht den normalen Weg der Trauergemeinde, sondern näherten sich dem Grab von der Rückseite.

Die Kränze und Blumenbuketts waren bereits von drei Helfern herbeigebracht worden und rund um die letzte Ruhestätte verteilt worden. Die Graböffnung selbst wurde noch von den Bohlen verdeckt. Der Totengräber wartete aber bereits schon, um die Bretter wegzunehmen. Er hatte sie am letzten Abend über das Grab gelegt. Aus Sicherheitsgründen, damit kein später Besucher, der sich noch bei Einbruch der Dunkelheit auf dem Friedhof aufhielt, in die Grube stürzte.

Die vier Sargträger hatten das Grab erreicht. Zwei Männer legten starke Seile um den Sarg, während die Träger die Totenkiste langsam absetzten.

In einem Halbkreis hatten sich die Trauergäste hinter dem Sarg aufgestellt. Der Totengräber kam, um die Bohlen wegzunehmen.

Kommissar Mallmann und Harry König gingen näher heran. Nur noch wenige Schritte trennten sie von der Öffnung.

Der Totengräber packte die Bretter nur an einem Ende. Er stand dabei so ungünstig, dass er nicht in das Grab hineinsehen konnte. Er bückte sich, um die letzte Bohle anzuheben.

In diesem Moment geschah es.

Eine Frau, die dem Grab am nächsten stand, schrie plötzlich gellend auf, wankte einen Schritt zurück und brach zusammen.

Ehe die anderen Menschen überhaupt reagieren konnten, startete Kommissar Mallmann. Mit drei Sätzen stand er neben dem offenen Grab.

Wie unter einem Peitschenschlag zuckte er zusammen.

Das Grab war nicht leer. Auf dem Boden lag die blutüberströmte Leiche einer Frau!

»Das ist ja Lisa!«, schrie Harry König. Er hatte nur einen Atemzug später das Grab erreicht und stierte mit verzerrtem Gesicht auf die Mädchenleiche.

Es war, als hätten Königs Worte den Beginn einer Kettenreaktion ausgelöst. Die Trauergäste – vor wenigen Sekunden noch gebannt vor Entsetzen und Grauen – erfassten plötzlich die gesamte Tragweite des ungeheuren Vorfalls.

Schreie gellten auf. Die in der Nähe des Grabes stehenden Menschen drängten zurück, stießen die hinter ihnen Wartenden zur Seite. Es gab ein ungeheures Durcheinander.

Andere wiederum wollten einen Blick auf die Tote werfen und versuchten, in die Nähe des Grabes zu kommen. Zwei Frauen wurden zu Boden gestoßen. Ein Mann rutschte aus und fiel zwischen die Kränze. Er hatte Glück, dass er nicht ins Grab stürzte.

Kommissar Mallmann hatte sich den Totengräber geschnappt. Er hielt den zitternden Mann am rechten Arm gefasst.

»Ich bin von der Polizei!«, zischte Mallmann dem Totengräber zu. »Sie werden mir gleich einige Fragen zu beantworten haben.«

Der Mann nickte schweigend. Er war schon älter und hatte viel erlebt, aber das, was heute geschehen war, sprengte doch die Grenzen seines Verstandes.

Die Trauergäste drängten sich jetzt dem Ausgang zu. Panikartig rannten sie hinunter ins Dorf.

Zurückgeblieben waren noch vier Männer. Kommissar Mallmann, Harry König, der Totengräber und der Priester, dessen Gesicht kalkweiß war und der immer wieder nur den Kopf schütteln konnte.

»Wir werden die Polizei verständigen müssen«, sagte er leise.

»Das übernehme ich schon«, erwiderte Will Mallmann. »Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle?« Will Mallmann nannte seinen Namen und den Dienstgrad. Er fügte noch hinzu, dass er sich hier zwar privat aufhalte, aber bei diesem Fall würde er doch mithelfen, ihn aufzuklären.

»Wer kann das nur getan haben?«, flüsterte Harry König rau. Er zeigte auf den Sarg, der einsam und verlassen neben dem Grab stand. »Er?«

»Der Mann ist tot, Herr König«, sagte der Pfarrer scharf.

»Wissen Sie das genau?«

»Herr König! Versündigen Sie sich nicht. Wir …«

»Bitte, meine Herren, jetzt keinen Streit!«, mischte sich Will Mallmann in den heftiger werdenden Dialog ein. »Wir müssen jetzt vor allen Dingen die Nerven behalten.« Er wandte sich an den Totengräber. »Darf ich um Ihren Namen bitten?«

»Franz Torgau.«

»Also, Herr Torgau, dann berichten Sie mal.«

»Da gibt es nicht viel zu sagen. Ich habe ganz normal das Grab ausgehoben, und als es dunkel wurde, habe ich Bretter über die Öffnung gelegt. Wissen Sie, es ist schon mal vorgekommen, dass jemand in ein Grab hineingefallen ist. Vor allen Dingen in der Dunkelheit. Seitdem gehe ich auf Nummer sicher.«

»Gesehen haben Sie dann niemanden mehr auf dem Friedhof?«

»Nein, Herr Kommissar. Außerdem bin ich nach unten ins Wirtshaus gegangen und habe ein paar Viertel getrunken. Ein alter Freund von mir hatte Geburtstag.«

»Sie wohnen nicht hier am Friedhof?«

Der Totengräber schüttelte den Kopf. »Ich habe das Haus im Dorf noch von meinen Eltern geerbt. Da brauche ich wenigstens keine Miete zu bezahlen.«

Kommissar Mallmann wischte sich über die Stirn. Die Erfolgsaussichten sahen nicht gerade rosig aus. Aber noch wollte Mallmann an die übersinnliche Theorie nicht recht glauben. Er hoffte immer noch, einen normalen, logischen Weg zu finden.

»Herr Torgau, Sie kennen die Leute im Dorf doch ziemlich gut, nicht wahr?«

»Das kann man wohl sagen. Ich bin schließlich hier geboren.«

»Wunderbar. Dann können Sie mir doch bestimmt mehr über Lisa erzählen.«

Franz Torgau kratzte sich an seinem Kopf, auf dem nur noch wenige Haare wuchsen.

»Da haben Sie mich direkt in Verlegenheit gebracht, Herr Kommissar. Die Lisa – die hat sich ja kaum mal ins Dorf hinuntergetraut. Die hatte ja schon Angst, dass man ihr die Unschuld wegguckte.«

»Franz, ich bitte dich!«, sagte der Pfarrer scharf.

Der Totengräber bekam einen roten Kopf.

»Entschuldigen Sie, Herr Pfarrer, ist mir nur so rausgerutscht. Lisa machte sich nichts aus Männern.«

»Wie ich Ihnen schon gesagt habe«, meinte Harry König. »Lisa war eine Einzelgängerin.«

»Hatte sie denn Verwandte?«

»Wenigstens keine lebenden.«

»Und trotzdem muss sie jemand so gehasst haben, dass er sie getötet hat«, sagte der Pfarrer leise. »Aber wer?« Verständnislos schüttelte der weißhaarige Mann den Kopf. Er hatte die Hände gegeneinander gelegt und murmelte ein leises Gebet.

Kommissar Mallmann dachte daran, dass er die Mordkommission in Freiburg verständigen musste. Der Frau waren böse Verletzungen beigebracht worden. Womit, war nicht genau zu erkennen, damit sollten sich die Experten beschäftigen.

Nicht alle Trauergäste hatten den Friedhof verlassen. Als Mallmann den Kopf drehte, sah er einige Männer am Friedhofstor stehen.

»Was geschieht jetzt mit dem Sarg?«, fragte Harry König.

»Wir werden ihn wieder zurück in die Leichenhalle bringen. Schließlich dürfen wir hier nichts verändern, bis die Mordkommission eingetroffen ist.«

Der Hotelbesitzer nickte, bückte sich dann und fasste nach einem der Griffe. Die anderen drei Männer taten es ihm nach. Gemeinsam trugen sie den schweren Sarg zurück in die Leichenhalle.

Die Kerzen brannten noch immer. Ihre Flammen zeichneten helle Kreise an die Decke. Noch immer lag Weihrauchgeruch in der Luft, vermischt mit dem Duft, den die Buchsbäume ausströmten.

Es war der typische Leichenhallengeruch, der viele Menschen abstieß und die Angst vor dem Tod noch verstärkte.

Die Männer stellten den Sarg wieder auf die alte Stelle.

»Gott möge dir deinen ewigen Frieden geben«, sagte der Pfarrer leise und schlug ein Kreuzzeichen.

»Ich hoffe, dass Sie ihn morgen früh beerdigen können«, sagte Kommissar Mallmann. »Ich werde jetzt die Mordkommission in Freiburg anrufen. Hoffentlich sind noch genügend Spuren vorhanden.«

»Gebe Gott, dass diese schreckliche Tat aufgeklärt und der Schuldige zur Rechenschaft gezogen wird«, murmelte der Pfarrer.

Kommissar Mallmann warf noch einen letzten Blick auf den Sarg, während der Totengräber die Kerzenflammen ausblies.

Dämmerlicht erfüllte das Innere der Leichenhalle. Die getönten Fensterscheiben hielten viel von der Helligkeit ab, und nur durch die halb offen stehende Tür fiel ein breiter Streifen Tageslicht, der sich aber mehr und mehr im Inneren der Halle verlor.

»Gehen wir«, sagte Will Mallmann, blieb aber im gleichen Atemzug wie vom Donner gerührt stehen.

Drei dumpfe Schläge hallten durch das Leichenhaus.

Die Männer sahen sich an. Die Augen des Totengräbers waren weit aufgerissen. Er hatte seine linke Hand gegen die Kehle gepresst. Der Pfarrer und Harry König standen wie festgeleimt auf der Stelle. Auch Will Mallmann fühlte, wie ihm eine unsichtbar eisige Hand den Rücken hinunterfuhr.

Ihnen allen war klar, woher die Schläge kamen.

Direkt aus dem Sarg!

Harry König fing sich als Erster.

»Das – das Klopfen«, stotterte er, »es – es kam aus dem Sarg. Mein Gott, was ist das?«

Auch der Totengräber bibberte vor Angst. Seine Zähne klapperten aufeinander, während der Pfarrer mit beiden Händen sein vor der Brust hängendes Kreuz umklammerte.

Nur Will Mallmann behielt die Nerven.

»Ich werde den Sarg öffnen«, sagte er mit rauer Stimme.

»Nein!«, flüsterte Franz Torgau, der Totengräber. »Lassen Sie den Deckel zu. Im Sarg liegt der Teufel. Er – er wird uns fressen und in die Hölle ziehen!«

»Halten Sie den Mund!«, fuhr Mallmann den Totengräber an. Er betrachtete den Sarg genauer. Der Deckel war nicht verschraubt, sondern mit vier Schnappverschlüssen verriegelt worden. Man brauchte die Eisenhebel nur nach oben zu biegen, und schon konnte man den Deckel abheben.

»Sie brauchen nicht hierzubleiben«, wandte sich Mallmann an die anderen Männer.

Es ging keiner. Sechs Augenpaare waren auf Kommissar Mallmann gerichtet, als er den ersten Riegel hochdrückte. Mit einem harten Geräusch schnappte er zurück.

Der zweite Riegel, dann der dritte.

Kommissar Mallmann wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er fühlte, dass er dicht vor einer grauenhaften Überraschung stand. Noch einmal holte er tief Luft, dann zog er den vierten Riegel zur Seite.

Im nächsten Augenblick flog der Sargdeckel, wie vom Katapult abgefeuert, hoch, knallte mit der Längskante auf den Steinboden und kippte dann zur Seite.

Vier Augenpaare starrten auf den Toten im Sarg.

Auf einen Toten, der lebte!

Der Schock ließ die Männer nicht einmal schreien. Ihre Blicke saugten sich an dem grauenvollen Anblick fest. Sie sahen das entstellte Gesicht der lebenden Leiche, die sich aufgesetzt und den Mund zu einem bösen Grinsen verzogen hatte. Und sie sahen die Hände, deren Finger zu Klauen gekrümmt waren. Spitz stachen die langen Nägel hervor, und plötzlich schnellte die Hand des lebenden Toten zur Seite, um Will Mallmann zu packen.

Der Kommissar reagierte nicht schnell genug. Der Tote bekam Mallmanns Handgelenk zu fassen.

Will Mallmann schrie unwillkürlich. Eiskalte Totenfinger pressten seinen Unterarm zusammen und zogen ihn dann ruckartig auf den Sarg zu.

Während die anderen drei Männer fluchtartig die Leichenhalle verließen, schlug Mallmann mit der freien Hand in das Gesicht der lebenden Leiche.

Der Kopf wurde zurückgeschleudert, doch der alte Leitner ließ nicht los, und der Kommissar fiel quer über den Sarg.

Dort roch es nach Verwesung. Schwungvoll warf sich Mallmann auf der anderen Seite des Sargs zu Boden, drehte gleichzeitig seinen Arm und kam frei. Instinktiv rollte er sich ein paar Meter weiter, weg aus der unmittelbaren Gefahrenzone.

Fauchend schnellte der Tote aus dem Sarg, doch Mallmann war im selben Augenblick wieder auf den Beinen.

Er packte einen der Buchsbäume und schleuderte ihn mit dem großen Topf zusammen dem Toten entgegen.

Der Kommissar traf gut. Der lebende Leichnam bekam das ungewöhnliche Geschoss voll mit und flog gegen die Wand der Leichenhalle, wo er zu Boden ging.

Mallmann hatte keine Waffe bei sich, und ihm war klar, dass er dem Toten im rein körperlichen Kampf unterlegen war. Dieser lebende Leichnam besaß die Kräfte der Hölle, und man konnte ihn nur mit bestimmten Waffen ausschalten.

Deshalb zog Will Mallmann die Flucht vor. Er rannte auf die Tür zu, übersah aber den am Boden liegenden Sargdeckel und stolperte,

Mallmann hörte das Poltern des Deckels, spürte, wie er nach vorn gerissen wurde und versuchte krampfhaft, das Gleichgewicht zu behalten. Denn wenn er jetzt hinfiel, war es aus!

Mallmanns ausgestreckte Hände berührten bereits den Boden, als er seinen Körper noch einmal hochreißen konnte und stolpernd auf den Ausgang zu rannte.

Hinter sich hörte er die hastigen Schritte des Toten.

Noch zwei Meter trennten die beiden Gegner.

Da hatte Mallmann die Tür erreicht. Er riss sie ganz auf und warf sich hinaus ins Freie. Er hatte vorgehabt, die Tür hinter sich zuzuschmettern, um den Toten in der Leichenhalle zu fangen, doch die Zeit war jetzt nicht mehr vorhanden. Mallmann war froh, mit dem Leben davongekommen zu sein.

Er sprang über die Gräber hinweg und jagte mit Riesenschritten in Richtung Ausgang.

Verschwommen sah er den Priester am Tor stehen, und hinter sich hörte er die stampfenden Schritte der lebenden Leiche.

»Geben Sie mir Ihr Kreuz, Herr Pfarrer!«, brüllte der Kommissar. Er sah darin die einzige Möglichkeit, die lebende Leiche zu stoppen.

Der Pfarrer reagierte schnell. Er löste das geweihte Kreuz von seiner Brust und warf es Mallmann zu.

Im vollen Lauf fing der Kommissar es auf, kreiselte dann urplötzlich herum und hielt der heranstürmenden lebenden Leiche das geweihte Symbol entgegen.

Der Tote stoppte, als wäre er vor eine Wand gelaufen. Er riss beide Arme hoch. Unsagbarer Schmerz zeichnete sein Gesicht, und er stieß einen grauenhaften, unartikulierten Schrei aus.

Die geweihte Kraft des Kreuzes bannte den Diener des Satans!

Aber sie vernichtete ihn nicht.

Der Tote warf sich plötzlich auf der Stelle herum und hetzte mit weiten Sprüngen auf die Friedhofsmauer zu.

Mallmann hatte keine Chance, ihn einzuholen. Als der Kommissar die Mauer erreichte, war der alte Leitner bereits darüber hinweggeklettert und in dem dichten Mischwald verschwunden.

Mallmann kletterte auf den Mauerrand. Dunkel, beinahe undurchdringlich erscheinend lag der Wald vor seinen Augen. Es würde schwer sein, den Toten zu finden, wenn nicht gar unmöglich.

Kommissar Mallmann sprang wieder zurück auf das Gelände des Friedhofes.

Langsamer als vorher ging er auf das Tor zu. Das Kreuz hielt er in der rechten Hand. Dort, wo ihn der Tote gepackt hatte, lief die Stelle bereits blau an. Es war ein mörderischer Griff gewesen. Die Fingernägel hatten sich in das Fleisch gebohrt, und der Kommissar blutete aus mehreren kleinen Wunden.

Am Tor warteten noch immer die drei Männer. Das Grauen stand auf ihren Gesichtern wie eingemeißelt. Aber auch das Nichtverstehen war in ihren Augen zu lesen.

Mallmann blieb vor den Männern stehen und hob in einer hilflosen Geste die Schultern.

»Nichts«, sagte er mit rauer Stimme. »Er ist mir entkommen!« Mit einem verlorenen Lächeln gab er dem Pfarrer das Kreuz zurück. »Vielen Dank, es hat mir das Leben gerettet.«

Der Priester nahm das Kreuz entgegen. Seine Lippen waren blass.

»Die Zeit des Satans ist angebrochen«, stammelte er. »Hoffen wir, dass die Macht des Guten stark genug ist, um der Hölle entgegenzustehen. Wenn das Ende der Welt nahe ist, werden seine Diener kommen, um den Weg des Teufels vorzubereiten.«

Kommissar Mallmann wusste, wie es in den Männern aussah. Ihm selbst, der ja schon einmal mit dem Grauen konfrontiert worden war, ging es auch nicht besser. Nie würde er begreifen können, dass solche Dinge überhaupt geschehen konnten.

»Und jetzt?«, fragte Harry König, nachdem er sich mehrmals geräuspert hatte.

Kommissar Mallmann grinste hart. »Ich weiß, Sie erwarten von mir eine Antwort darauf, was wir nun unternehmen können. Aber ich muss Ihnen sagen, ich bin überfragt. Nur so viel: Wichtig ist, dass wir strenges Stillschweigen über das bewahren, was heute geschehen ist. Kein Wort von der lebenden Leiche. Unter den Menschen würde es zu einer Panik kommen, und die können wir auf keinen Fall brauchen. Und besonders Sie, Franz Torgau, möchte ich darauf hinweisen. Halten Sie, um Himmels willen, den Mund. Kein Wort im Gasthaus – nichts. Versprechen Sie das?«

Der Totengräber nickte. »Bevor der Spuk nicht beendet ist, kehre ich nicht auf den Friedhof zurück.«

»Die Leute werden fragen, weshalb wir den alten Leitner nicht beerdigen«, warf der Pfarrer ein.

»Sie müssen sie eben vertrösten«, erwiderte der Kommissar. »Außerdem wird ja noch heute die Mordkommission erscheinen, und dann sagen wir einfach, sie hätte den Friedhof noch nicht freigegeben, was durchaus der Fall sein kann.«

»Wollen Sie denn den Beamten von dem Vorfall berichten?«, fragte der Pfarrer.

»Nein.«

Die Augen des Priesters wurden groß. »Ja – aber wie …?«

»Ich habe noch keine Ahnung. Es kann durchaus sein, dass ich es auf eigene Faust versuchen werde. Wir müssen diese Bestie fangen. Ich halte heute Nacht auf dem Friedhof Wache. Vielleicht kehrt der alte Leitner wieder zurück.«

»Und dann …?«

Kommissar Mallmann schwieg. Nach einer Weile meinte er: »Das wird alles die Situation ergeben.«

Die Männer schlossen das Tor des Friedhofes und gingen zum Hotel »Waldfrieden« zurück. Im Gastraum saßen eine Anzahl Trauergäste. Sie standen noch immer unter dem Schock des furchtbaren Ereignisses und redeten wild durcheinander.

Harry König wurde mit Fragen bestürmt, doch er wehrte sie alle ab. Der Totengräber war ins Dorf zurückgegangen, und während Kommissar Mallmann die Mordkommission in Freiburg anrief, hatten Harry König und der Pfarrer an einem der noch freien Tische Platz genommen. Beide hatten sich einen Schnaps bestellt, und auch für Mallmann stand ein Glas bereit.

»Auf den Schreck«, sagte Harry König, als der Kommissar zurückgekommen war und Platz genommen hatte.

Die Männer tranken.

Harry König verzog das Gesicht. »An das Kirschwasser werde ich mich nie gewöhnen können«, sagte er, aber langsam kehrte wieder Farbe in sein Gesicht zurück. Er sprach Kommissar Mallmann direkt an. »Sagen Sie, Kommissar, haben Sie für diese grauenhaften Vorgänge eine Erklärung? Ich erinnere Sie an unser Gespräch vor etwas über einer Stunde. Da haben Sie mir gesagt, dass es Dinge gibt, die wir mit unserem Verstand nicht begreifen können. Sie haben ja Lisa geglaubt.«

»Demnach werden Sie Ihre Meinung auch geändert haben, Herr König.«

»Ja, das stimmt.«

»Entschuldigen Sie, wenn ich mich einmische«, sagte der Pfarrer, »aber wovon reden Sie?«

Kommissar Mallmann schilderte mit wenigen Worten, was ihm Harry König über Lisas Entdeckung gesagt hatte.

»Dann ist der alte Leitner also schon vorher herumgespukt«, meinte der Pfarrer.

»Es sieht danach aus.«

»Mein Gott, was soll das noch werden?

Mallmann gab keine Antwort. Grübelnd sah er in sein leeres Glas.

»Worüber denken Sie nach, Kommissar?«, fragte Harry König.

»Ich denke daran, dass wir zusammen dem Phänomen ziemlich hilflos gegenüberstehen, aber es gibt jemanden, der mit der Sache durchaus fertig werden könnte.«

»Sie meinen Ihren Bekannten in London?«

»Genau den. Oberinspektor Sinclair ist Beamter von Scotland Yard. Er beschäftigt sich jedoch nicht mit normalen Fällen, sondern greift immer dann ein, wenn übersinnliche Mächte sich der Menschen bedienen und sie zu ihren Werkzeugen machen.«

»Dann ist dieser Mann ein Exorzist?«, fragte der Pfarrer.

»Nein, das nicht. Aber er ist ein Phänomen auf seinem Gebiet. Er hat schon Fälle gelöst, die unbegreiflich waren. Er kämpfte gegen Dämonen, Vampire und andere Horrorgestalten – und er hat sie besiegt!«

»Was hindert Sie dann daran, den Mann anzurufen?«, fragte der Hotelbesitzer.

Kommissar Mallmann blickte Harry König an. »Sie haben recht, Herr König. Nichts hindert mich mehr daran.«

Die Luft war kaum zu atmen. Dampfschwaden zogen träge durch den heißen Raum und verwehrten die Sicht.

Die drei Männer auf den übereinanderliegenden Holzpritschen schwitzten um die Wette. Endlose Bäche von Schweiß drangen aus den Poren ihrer Haut.

Diese Saunatortur konnte nur ein gesunder Organismus aushalten.

John Sinclair war gesund!

Er lag auf der obersten Pritsche und hatte sich das Badetuch unter den Kopf gelegt. Unter ihm wälzte sich jemand auf den Bauch.

»Teufel«, hörte John die Stimme des Mannes, »in der Hölle kann es nicht schlimmer sein.«

»Freuen Sie sich gleich auf das Bad im eiskalten Wasser«, gab John zurück.

»Mache ich auch. Aber noch mehr auf das Bier. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte jetzt ein kühles …«

Der Mann sprach nicht mehr weiter, denn selbst durch die Dunstschwaden war zu erkennen, dass die Tür geöffnet wurde. Das geschah nur in sehr dringenden Fällen, und John Sinclair spürte sofort ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend, das immer dann eintrat, wenn Ärger auf ihn zukam.

»Mister Sinclair?«, hörte er die Stimme des schwergewichtigen Masseurs.

»Bin nicht hier«, erwiderte John.

»Telefon für Sie, Mister Sinclair. Ein Anruf aus Deutschland.«

»Oh, verdammt.« Wie weggeblasen war Johns Lethargie. Er sprang auf und nahm sein Badetuch. »Wo steht der Apparat?«

»Kommen Sie mit, Sir.«

Das Telefon stand im Büro des Masseurs. Das Zimmer war winzig, und John wunderte sich, dass der dicke Masseur überhaupt hineinpasste.

John nahm den Hörer. »Sinclair«, meldete er sich.

»Hier Mallmann. Können Sie mich verstehen, John?«

Der Oberinspektor dachte nach. Mallmann? Da kannte er nur einen. Kommissar Will Mallmann von der Interpol-Zentrale Deutschland.

»Mensch, Will«, rief John Sinclair. »Wo brennt es denn? Sie haben sich auch den denkbar ungünstigsten Zeitpunkt ausgesucht. Ich habe gerade sauniert …«

»Entschuldigen Sie, John, aber der Fall ist wirklich dringend.«

»Okay, reden Sie.«

Will Mallmann berichtete. Es wurde ein langes Gespräch, und als Kommissar Mallmann zum Schluss mit seiner Bitte an John herantrat, da hatte er den Oberinspektor sofort auf seiner Seite.

»Natürlich komme ich, Will. Im Moment liegt hier nichts Dringendes an. Scheint so, dass die Geister in Old England Herbstferien machen.«

Die Mordkommission aus Freiburg war rasch zur Stelle und arbeitete schnell und präzise. Die Männer hatten ihr Hauptquartier im Hotel aufgeschlagen, das bis auf die Pensionsgäste und wichtige Zeugen geräumt worden war.

Lisa war erschlagen worden. Auf gemeine und grauenhafte Weise. Die Details wollte Mallmann gar nicht wissen. Man hatte die Tote bereits in die Zinkwanne gelegt und in den Leichenwagen geschoben. In Freiburg würde eine Obduktion vorgenommen werden.

Die Beamten blieben bis zum späten Nachmittag, und als bereits die ersten Schatten der Dämmerung in die Täler krochen, verließen sie den Tatort.

»Das hätten wir hinter uns«, sagte der Hotelbesitzer zu dem Kommissar und lud ihn auf einen Drink an die Bar ein.

Will Mallmann hatte nichts dagegen. Er nahm einen Cognac.

Der Kommissar und Harry König waren noch nicht dazu gekommen, privat zu reden. Jetzt fragte der Hotelbesitzer: »Haben Sie mit Ihrem Anruf Erfolg gehabt?«

»Ja. Oberinspektor Sinclair wird morgen hier sein.«

»Auf den Wunderknaben bin ich mal gespannt. Aber dazwischen liegt immerhin noch eine volle Nacht, in der Sie allein auf sich gestellt sind.«

Mallmann hob die Schultern. »Ich werde es schon schaffen.«

»Ich drücke Ihnen jedenfalls die Daumen.« Harry König wandte den Kopf, weil ein Mann die Bar betreten hatte, der wirklich ungewöhnlich aussah.

Sein Haar war schlohweiß und wuchs mähnenartig auf seinem hageren Schädel. Die braune Gesichtshaut ließ darauf schließen, dass sich der Mann oft an der frischen Luft bewegte. Die Augen blickten klar und scharf, nur mit der Größe hatte der liebe Gott gespart. Der Ankömmling reichte dem etwa ein Meter achtzig großen Kommissar höchstens bis zur Schulter. Er trug eine karierte, viel zu große Jacke und Kniebundhosen, was bei seinen kurzen Waden geradezu lächerlich aussah. Im Gegensatz dazu wirkte die Stimme fast wie ein Donnergrollen.

»Darf ich einen Augenblick Platz nehmen, meine Herren?«, fragte der Mann.

»Aber sicher, Professor.«

»Danke.« Der Professor mit der schmächtigen Figur und der lauten Stimme erklomm einen Hocker, und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Er nahm dann ein Glas Mineralwasser, was die Serviererin freundlich lächelnd vor ihm hinstellte.

»Gestatten, dass ich die Herren miteinander bekannt mache«, sagte Harry König. Er wies auf Kommissar Mallmann. »Das ist Herr Mallmann.« Dann machte er eine Bewegung in die andere Richtung. »Professor Jurc.«

Der Professor reichte Will Mallmann die Hand.

»Angenehm. Gesehen haben wir uns schon. Wenn auch nur flüchtig auf dem Hotelflur.«

Und wieder war Will Mallmann überrascht. Und zwar über den Händedruck dieses schmächtigen Mannes.

Endlich ließ der Professor Mallmanns Hand los. Er nahm einen Schluck Mineralwasser und fragte: »Sie sind privat hier, Herr Mallmann?«

»Ja, ich mache Urlaub.«

Der Professor lachte. Dabei bildeten sich unzählige winzige Fältchen auf seiner Gesichtshaut. »Da habe ich es besser. Ich bin pensioniert, aber wie das so ist, eigentlich immer noch im Dienst.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Nun – ich bin Völkerkundler und habe mich mein Leben lang mit vorchristlichen Völkern beschäftigt. In den letzten Jahren besonders mit den Etruskern, diesem Volk, das etwa fünfhundert Jahre vor Christus in Oberitalien gelebt hat. Die Etrusker haben weite Raubzüge unternommen, sogar – wie ich es in alten Aufzeichnungen gelesen habe – bis in den Südschwarzwald hinein. Und hier in der Nähe soll es etruskische Felsengräber geben. Die zu finden, ist meine ganze Hoffnung.«