14,99 €
10 gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis in einem Band!
Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.
Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern aus den Jahren 1978 - 1989 und ziehe mit ihm in den Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit. Erlebe mit, wie John Sinclair zum Schrecken der Finsternis wurde und die Serie Kultstatus erreichte.
Tausende Fans können nicht irren - über 640 Seiten Horrorspaß garantiert!
Dieser Sammelband enthält die Folgen 201 - 210.
Jetzt herunterladen und losgruseln!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 1434
Veröffentlichungsjahr: 2020
Jason Dark
John Sinclair Großband 21 - Horror-Serie
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
John Sinclair war es gelungen, das Tor zur Hölle aufzustoßen. Was erwartete ihn dahinter?Trotz der miesen Lage, in der er sich befand, siegte die Neugierde. Fragen quälten ihn. Würde er das Höllenfeuer sehen? Das absolute Grauen? Oder würde er nur in einem Pandämonium landen?John überlegte. Eigentlich hatte er die Reise in die fremde Dimension seelisch und körperlich gut überstanden. Warum sollte er kurz vor dem Ziel aufgeben?John wollte kämpfen. Er tauchte hinein in die Aura des Schreckens …
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve
ISBN 978-3-8387-2960-2
www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de
Sein Lächeln zeigte einen Triumph, wie ihn nur jemand empfinden konnte, der auf der ganzen Linie gesiegt hatte. Und das war bei Logan Costello tatsächlich der Fall.
Er besaß John Sinclairs Kreuz!
Dass dabei drei Menschen von seinen Leuten erschossen worden waren, kümmerte ihn nicht weiter. Der Zweck heiligt jedes Mittel, so lautete für den Mafiaboß Logan Costello die Maxime.
Das Kreuz!
Wenn er daran dachte, dass er es nun in den Händen hielt, wurde ihm ganz anders. Die Gefühle waren kaum zu beschreiben. Triumph, Freude, Überschwang, das alles mischte sich und steigerte sich bei ihm zu einer regelrechten Euphorie.
Und dabei war es so einfach gewesen, an das wertvolle Kruzifix heranzukommen. Drei Männer, von ihm gekauft, hatten John Sinclair in einer Tiefgarage niedergeschlagen und ihm während der Bewusstlosigkeit das Kreuz entwendet. Sie hatten ihm jedoch ein anderes dafür umgehängt. Das zweite Kreuz glich dem Original aufs Haar, ein Unterschied war kaum festzustellen, Sinclair war nahezu wehrlos. Ein Dämon hatte es ausprobieren sollen. Was aus ihm oder Sinclair geworden war, wusste Logan Costello nicht, aber er wusste eins. In der Gunst seines Gönners Dr. Tod stand er jetzt sehr weit oben.
Vor ihm lag das Kreuz. Er hatte es extra auf ein Samtkissen gelegt. Der Samt schimmerte dunkelblau, und das silberne Kreuz stach davon deutlich ab. Die Kette lag zusammengerollt neben dem Kissen. Auch sie bestand aus geweihtem Silber, und so mancher Vampir hatte sich daran schon seine Klauen verbrannt.
Costellos Gesicht verzog sich, als er daran dachte, dass er das Kreuz nicht behalten konnte. Er musste es Dr. Tod geben. Morasso, unter diesem Namen kannte man Dr. Tod auch, wusste Bescheid. Er würde kommen und das Kreuz an sich nehmen, denn im Gegensatz zu den Mitgliedern seiner Mordliga konnte er es anfassen, denn er war ein Mensch-Dämon.
Er hatte die Eigenschaften eines Menschen behalten, nur konnten ihn normale Waffen, wie Bleigeschosse, nicht mehr töten. Diese Existenz verdankte er Asmodina und dem Spuk, wobei Asmodina allerdings zu einer Feindin geworden war.
Seine Fingerkuppen glitten über das Silber. Sie tasteten genau, fühlten und zeichneten die Eingravierungen nach. Der Mafioso konnte sich einfach nicht erklären, dass in diesem Kreuz so starke Kräfte stecken sollten, er selbst merkte davon nichts. Sie waren auch nicht zu ertasten, er spürte kein Kribbeln in den Fingern, das Kreuz blieb völlig normal.
Und doch war es die gefährlichste Waffe, die John Sinclair besessen hatte.
Hatte, wohlgemerkt!
Als er über dieses Wort nachdachte, wurde sein Grinsen noch breiter. Es zog sich fast von Ohr zu Ohr hin. Dann jedoch zerfaserte es blitzartig, denn vor seinem großen Mahagonischreibtisch entstand plötzlich eine graue Nebelspirale.
Logan Costello, der große Mafiaboß, erschrak so heftig, dass er mit seinem gut gepolsterten Stuhl fast umgekippt wäre, denn er wusste das Zeichen genau zu deuten.
Dr. Tod kam!
Wenn Costello vor nichts auf der Welt Angst hatte, vor Morasso allerdings fürchtete er sich. Dieser Mann war so unberechenbar wie ein hungriger Tiger. Er konnte von einem Augenblick zum anderen seine Meinung wechseln und einen Mord begehen.
Costello schluckte. Er holte ein Tuch aus der Innentasche seines Jacketts und trocknete sich den Schweiß von der Stirn, der plötzlich ausgebrochen war.
Seine Hände zitterten. Er hoffte, alles richtig gemacht zu haben, denn Morasso rieb ihm jeden Fehler unter die Nase.
Die Nebelwolke breitete sich nicht aus, sondern wurde schmal und stieg hoch zur Decke. Bevor sie die jedoch erreicht hatte, blieb sie zitternd stehen.
Logan Costello wagte nicht, sich zu rühren. Vor allen Dingen traute er sich nicht, seinen Arm auszustrecken und die Wolke zu berühren. Dann wäre etwas Grässliches geschehen. Dieser Nebel hatte die Eigenschaft, Menschen das Fleisch von den Knochen zu lösen, sodass sie als lebende Skelette herumliefen oder vergingen.
Deshalb rührte er sich nicht vom Fleck und blieb auf seinem Stuhl sitzen.
Aus weit geöffneten Augen starrte er die lange Nebelspirale an. Noch war von seinem unheimlichen Gast nichts zu sehen, doch das würde sich rasch ändern, wie er wusste. Nicht zum ersten Mal besuchte ihn Dr. Tod auf diese Art und Weise, aber jedes Mal fürchtete sich der sonst eisenharte Mafioso.
Er brauchte in der Tat nicht lange zu warten, denn innerhalb der Spirale tat sich etwas.
Zuerst nur als Schatten sichtbar, formten sich allmählich die Umrisse eines Menschen hervor. Sie zirkulierten und vibrierten noch, wurden jedoch im Verlauf der nächsten Sekunden immer fester, härter und deutlicher.
Ein Mensch entstand.
Dr. Tod!
Plötzlich stand er da. Er war nicht einmal groß, sogar kleiner als Costello, jedoch kompakt gebaut und mit breiten Schultern. Sein Gesicht war blass, er hielt sich wenig an der Sonne auf, grausam blickten die Augen, das Kinn sprang hart hervor, und das kurze Haar zeigte eine dunkelgraue Farbe.
Er hatte sich nicht verändert, dieser Mensch-Dämon. Er veränderte sich nie.
Und er trat aus der Nebelwolke, ging einen Schritt vor und blieb erst stehen, als er fast den Schreibtischrand berührte.
Logan Costello wusste, was er seinem großen Gönner schuldig war. Er stand auf.
Die Nebelwolke blieb hinter Morasso. Costello wusste auch, dass der Würfel des Unheils sie produziert hatte. Er transportierte seinen Besitzer über Entfernungen hinweg zu seinem Ziel.
Morasso schaute Costello kurz an und nickte. Ohne ein Wort der Begrüßung zu sprechen, senkte er den Kopf und schaute auf das Kreuz.
»Das ist es«, sagte Costello, vor dem die Londoner Unterwelt zitterte, mit leiser Stimme.
Um Morassos Lippen zuckte es. »Ich weiß«, erwiderte er trocken. Ansonsten war bei ihm keine Gefühlsregung zu entdecken. Vielleicht spürte er den gleichen Triumph wie Costello, nur zeigte er ihn nicht, sondern blieb kalt und gelassen. Er streckte den Arm aus, fasste das Kreuz jedoch nicht an, sondern ließ seine Hand auf dem Schreibtisch liegen. »Hat es viel Mühe bereitet?« , erkundigte er sich mit tonloser Stimme.
»Nein.«
Dr. Tod verzog die Mundwinkel. »Dabei haben wir so lange dahinter gesessen. Verdammt, man braucht wirklich nur die gute Idee zu haben, und die hatte ich.« Seine Finger bewegten sich. Sie zitterten auch ein wenig, so ganz konnte sich Morasso nun doch nicht unter Kontrolle halten. Dann griff er zu.
Es war wie der Angriff einer Klapperschlange. So schnell. Er umkrallte das Kreuz regelrecht, hielt es für einen Moment fest und hob es dann langsam an.
Ja, das war es!
Und er konnte es anfassen, ohne dass die Kräfte des Kreuzes ihn zerstörten. Aber sie würden eine andere zerstören, eine Todfeindin, die vernichtet werden musste, das hatte sich Solo Morasso geschworen.
Asmodina!
Sie sollte sterben. Vielleicht auch durch das Kreuz, das er als letzten Trumpf ausspielen wollte.
Er hielt es dicht vor sein Gesicht. Die wulstigen Lippen zogen sich in die Breite und bewegten sich kaum, als er die folgenden Worte sprach.
»Ich habe dich endlich bekommen«, flüsterte er. »Lange genug hat es gedauert, wirklich lange genug. Aber nun gehörst du mir. Und nie wirst du in John Sinclairs Hände zurückkehren. Du hast mir noch in meiner Sammlung gefehlt. Ich habe den Bumerang, ich habe den Würfel des Unheils und das Kreuz. Jetzt, jetzt bin ich unbesiegbar!«
Und dann stieß er ein Lachen aus, das grausam und kalt durch den Raum hallte. Selbst der abgebrühte Logan Costello bekam eine Gänsehaut, die kalt über seinen Rücken lief.
Solo Morasso schleuderte seinen rechten Arm in die Höhe. Die Finger hielten das Kreuz umklammert, nur ein kleiner Teil von ihm schaute aus seiner Faust.
In Siegerpose stand er da.
Er hatte es geschafft.
Er – Solo Morasso.
Sieg auf der ganzen Linie!
Und wieder lachte er. Lange genug hatte er sich beherrschen müssen, aber nun musste er seinen Triumph los werden. Er hatte das Spiel für sich entschieden.
Da flog die Tür auf.
Ein Mann stand auf der Schwelle. Er gehörte zu den beiden Killern, die Morde an den drei Soho-Schlägern auf dem Gewissen hatten. Der Leibwächter, er hielt sich immer in Nähe des Arbeitszimmers seines Chefs auf, war durch das Lachen irritiert worden. Seine Waffe hatte er zwar noch nicht gezogen, doch seine rechte Hand war bereits unter dem Jackett verschwunden, um den Revolver blitzschnell hervorholen zu können.
Zwei Sekunden stand er starr, dann stürzte er in den Raum. »Capo, was ist? Soll ich …?«
»Bleib stehen!«, schrie Costello.
Er hatte das Unheil kommen sehen, doch er konnte es nicht mehr verhindern, weil sein Leibwächter zu schnell gewesen war. Dieser Mann sah den Nebelstreifen zwar, doch er wusste nichts von seiner schaurigen Funktion.
Er rannte praktisch mit der linken Hälfte seines Körpers hindurch. Das war sein Verderben.
Im nächsten Moment bewies der Nebel, welch eine grausame und mörderische Kraft in ihm steckte. Und Dr. Tod sah grinsend zu, während Logan Costello fassungslos den Kopf schüttelte, aber nicht wagte einzugreifen.
Der Killer kam nicht einmal bis zum Schreibtisch. Einen halben Schritt davor stoppte er.
Sein Gesicht veränderte sich. Die Züge schienen einzufrieren, als er nach links schielte.
Dort veränderte sich der Stoff des Jacketts. Er wurde zuerst grau, das kleine Karomuster der Jacke verschwand ganz und auch der Stoff löste sich auf.
Damit war das Grauen noch nicht beendet. Der gefährliche Nebel drang weiter. Er zerstörte das Hemd, sodass er anschließend an die Haut herankonnte.
Und nun zeigte er seine gewaltige, mörderische Kraft.
Das Schreien des Mannes war markerschütternd. Der Killer bekam für seine Verbrechen eine furchtbare Strafe. Vor dem Schreibtisch sackte er zusammen. Dabei fiel sein Kopf nach vorn, sodass er mit dem Kinn hart auf die Platte schlug. Den Mund hatte er aufgerissen. Ein gequältes Wimmern drang über seine Lippen. Mit einem flehenden Ausdruck in den Augen schaute er den stehenden Logan Costello an.
Der konnte ihm nicht helfen. Costello war froh, vom Nebel verschont geblieben zu sein. Der Killer hob den Kopf, eine letzte, verzweifelte Bewegung. Er hielt sich auch noch an der Kante fest, wobei seine linke Hand bereits aus weißen knöchernen Fingern bestand.
Dann fiel er zur Seite.
Solo Morasso hob die Schultern. »Er war ein Narr, ein Idiot«, erklärte er mit kalter Stimme. »Er hätte nicht kommen sollen, aber er wollte es nicht anders.«
Costello nickte. Im Moment konnte er nicht sprechen, dafür war ihm der Tod einer seiner besten Leibwächter zu sehr auf den Magen geschlagen. Er verwünschte Morasso und wünschte ihn weit weg.
Dr. Tod schaute ihn mit einem Blick an, als könnte er Gedanken lesen. Logan Costello fühlte sich ertappt und zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen.
Morasso grinste nur. Das Kreuz hielt er noch immer fest. »Ich werde wieder verschwinden«, sagte er und so etwas wie ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Mit diesem Kreuz hast du dir auch selbst einen Gefallen getan, mein Lieber.«
»Wieso?«
»John Sinclair wird bald nicht mehr leben. Wir löschen ihn eiskalt aus!«
Nach diesen Worten bewegte sich Dr. Tod zurück und stieg in die stehende Nebelfahne. Seine Gestalt begann bereits nach zwei Sekunden zu flimmern und einen Herzschlag später waren sie und der Nebel verschwunden.
Logan Costello wischte sich über die Augen. Hatte er das alles nur geträumt?
Nein, es war kein Traum. Er brauchte sich nur vorzubeugen und über den Rand des Schreibtisches zu schauen.
Dort lag sein Leibwächter.
Als Skelett …
*
Vor mir öffnete sich die Wand!
Jedenfalls hatte ich das Gefühl. Meine Finger waren nur leicht dagegengestoßen, und schon war dieses Riesengebilde – oder zumindest ein Teil davon – zurückgeschwungen.
Was lag dahinter?
Die Hölle? Das waren Vermutungen, und ich holte sie nicht einmal so weit her, denn vom Tor der Hölle hatte der sterbende Kugeldämon in der Tiefgarage gesprochen und auch die Stimme des Mediums Lucille in meinem Gehirn.
Was war geschehen?
Wir wussten seit einiger Zeit, dass Dr. Tod und die Mordliga sicherlich zum großen Schlag gegen Asmodina ausholen wollten. Darauf stellten wir uns ein, und dank eines gut ausgeklügelten Systems war es uns gelungen, das Versteck des Solo Morasso herauszufinden.
Auf Feuerland hatte er sich verkrochen, an der Südspitze Amerikas. Wir griffen jedoch nicht frontal an, sondern lauerten im Hintergrund. Meine Freunde und ich waren davon überzeugt, dass Dr. Tod aus seiner Höhle kommen würde.
Er kam auch. Allerdings anders als wir gedacht hatten. Nicht Asmodina hatte sich Dr. Tod als direktes Angriffsziel gesetzt, sondern mich. Über Logan Costello, seinen Verbündeten in London, spann er die Fäden. Costello, ein Mafiaboß, hatte seine Beziehungen überall. Er schickte Schläger los, die mich in einer Tiefgarage überfielen. Als ich später zu mir kam, fand ich bis auf die Beretta und das Geld noch alles vor. Ich glaubte noch an einen Raubüberfall, bis ich von einem Kugeldämon attackiert wurde, eine Mischung zwischen Qualle und Ghoul. Auch davor machte ich mich nicht bange. Ich hatte ja noch mein Kreuz. Das jedoch versagte. Es kam zu einem harten Kampf, den ich durch Sukos Hilfe für mich entscheiden konnte. Später stellte ich fest, dass man mir während meiner Bewusstlosigkeit ein Duplikat des Kreuzes um den Hals gehängt hatte.
Nun wusste ich, dass der Überfall seinen Hintergrund hatte. Er war gesteuert worden.
Ich stand ohne mein Kreuz da.
Der zweite große Gegner, Asmodina, hatte ebenfalls geschworen, mich zu töten. Ihren Plan kannte ich nicht genau, aber ich bekam die Folgen zu spüren.
Irgendwo auf der Welt befand sich ein Medium, dessen Geist eine Verbindung zwischen Asmodina und mir herstellte. Allerdings war dann plötzlich der große Trumpf ausgespielt. Der Kelch des Feuers, der sich in meiner Wohnung befand, wandte sich gegen mich. Er sandte ein rotviolettes Licht aus, das mich einfing und so stark war, um mich in eine andere Dimension zu transportieren.
Ohne irgendetwas dagegen unternehmen zu können, befand ich mich auf dem Weg zum Tor der Hölle. Ich musste einen blutroten Nebelkanal durchschweben, sah innerhalb der Nebelwolken die Kugeldämonen und wurde von gierigen, grünen Armen gepackt, bevor ich gegen die Mauer prallen konnte, die vor mir hochwuchs.
Dafür stieß ich einen Teil auf.
Das Tor zur Hölle!
Was erwartete mich dahinter? Trotz der miesen Lage, in der ich mich befand, siegte die Neugierde. Ich konnte nämlich klar denken und auch dementsprechend reagieren. Die Reise in die fremde Dimension hatte ich seelisch und körperlich bisher unbeschadet überstanden.
Tat sich wirklich vor mir die Hölle auf, von der in der langen Geschichte der Menschheit immer wieder gesprochen und geschrieben wurde? Würde ich das Höllenfeuer sehen? Das absolute Grauen? Oder nur in einem Pandämonium landen?
Fragen, die mich quälten, und auf die ich trotz der gefährlichen Situation gern eine Antwort gewusst hätte.
Hinter dem Tor befand sich die absolute Schwärze. Ich tauchte in sie hinein und spürte sofort die Aura des Schreckens. Sie war so stark und drohend, dass sie mir die Brust zusammenpresste und ich überhaupt Mühe hatte, einen klaren Gedanken zu fassen. Hier herrschte das absolut Böse, und ich hatte das Gefühl, tatsächlich in die Hölle zu schweben. So stark hatte ich das Grauen noch nie in meinem Leben empfunden. Es presste mir das Herz zusammen, ich bekam ein überstarkes Gefühl der Angst, dass jetzt alles aus wäre, dass man mich für immer gefangen hielt in der endlosen, absoluten und tiefen Schwärze des Dämonenreiches.
Die Dunkelheit blieb nicht.
Vor mir, eine genaue Entfernung war schlecht abzuschätzen, sah ich einen helleren Umriss, der sich auch bewegte. Genaues konnte ich nicht erkennen. Erst als ich näher herankam, da entdeckte ich, dass es zwei Personen waren, die mir entgegenschauten.
Ohne dass ich mich dagegen wehren konnte, wurde ich auf diese Personen zugetrieben. Unsichtbare Hände schienen mich voranzustoßen, immer weiter, bis ich schließlich die beiden identifizieren konnte.
Sie hatten mich erwartet, und ich konnte verstehen, dass sie triumphierend grinsten.
Wer mir da entgegenschaute, waren meine beiden Todfeinde.
Asmodis, der Teufel, und Asmodina, seine höllische Tochter!
Überrascht war ich nicht, ich hatte ja damit gerechnet, und Asmodina grinste sogar noch höhnischer. Gegen sie hatte ich öfter gekämpft als gegen ihren Vater, aber beide hassten mich mit der gleichen Intensität.
Während ich noch weiter auf sie zuschwebte, öffnete Asmodina ihre rechte Hand, nachdem sie den Arm ausgestreckt hatte.
Auf der Fläche sah ich etwas blinken.
Es war der silberne Nagel, mit dem ich Dr. Tod damals umgebracht hatte …
*
Über die Tischplatte hinweg schaute Shao, die Chinesin, ihren Freund Suko an. »Dir schmeckt es nicht, was?«
»Doch, doch.«
»Lüg doch nicht. Sonst ißt du immer mehr als heute. Du hast etwas, Suko.«
»Klar. Dir würde es auch nicht schmecken, und dir schmeckt es auch nicht, obwohl du dich zwingst, zu essen.« Der Chinese schob seinen Teller zurück. »Ich war selten in meinem Leben so unruhig wie heute, das kannst du mir glauben.«
»Das Kreuz?«
»Ja. John hat es verloren. Sie haben es ihm abgenommen. Keiner weiß, wo es sich befindet. Ich glaube nicht daran, dass Costello es noch hat. Sicherlich befindet es sich bereits in den Händen von Solo Morasso. Jetzt hat er alle Trümpfe. Den Bumerang, den Würfel des Unheils und auch das Kreuz. Damit kann er herrschen.«
»Malst du da nicht zu schwarz?«, fragte Shao.
»Kaum. Du weißt selbst über das Kreuz Bescheid und auch darüber, welche Macht und Kraft es besitzt. Zudem kann Morasso es anfassen, das darfst du nicht vergessen. Er ist ein Mensch-Dämon, eine gefährliche Mischung, wie sie noch nie vorher erschaffen wurde.«
»Dann ist er unbesiegbar?«
Suko hob die Schultern und bemerkte, wie seine Partnerin fröstelte. Deshalb formulierte er die Antwort anders. »Unbesiegbar ist wohl keiner. Es ist zumindest schwer, gegen Dr. Tod zu gewinnen, sagen wir mal so.«
»Ja, das sehe ich ein.« Auch Shao schob ihren Teller zur Seite. »Sollen wir John nicht zu uns holen?«
»Das wird kaum Zweck haben. Er wollte ja allein bleiben. Ich verstehe das auch. Er muss es erst einmal überwinden, ohne seine stärkste Waffe dazustehen.«
»Ja, da hast du recht.«
Einige Minuten vergingen schweigend. Als das Telefon schrillte, zuckte Shao zusammen.
Suko stand blitzschnell auf und hatte den Hörer schon abgenommen, bevor es zum zweiten Mal klingelte. Er erwartete, John Sinclair zu hören, war allerdings überrascht, als Sir James Powells Stimme an sein Ohr drang.
»Wo befindet sich John Sinclair?«, fragte der Superintendent sofort.
»In seiner Wohnung, Sir.«
»Nein, da ist er nicht.«
Suko lief es bei dieser Antwort kalt über den Rücken. »Da ist er nicht? Aber wir haben uns doch …«
»Jedenfalls meldet er sich nicht auf meinen Anruf. All right, dann sage ich es Ihnen. Durch Zufall sind von einem Nachtwächter drei Tote gefunden worden. Die Leichen lagen in einer leer stehenden Fabrikhalle in der Nähe des Hafens. Sie müssen etwas mit dem Überfall auf John Sinclair zu tun gehabt haben, denn bei einem der drei haben wir die Beretta des Oberinspektors gefunden.«
»Und die Männer sind tot?«, fragte Suko entsetzt.
»Ja, sie wurden erschossen.«
»Costello löscht alle Spuren.«
»Genau. Jetzt aber zu Sinclair. Hat er Ihnen gesagt, wo er hingegangen ist?«
»Nein, Sir, er wollte allein bleiben und Ihren Anruf abwarten.«
»Ich mache mir Sorgen. Schauen Sie mal nach, Suko, und rufen Sie mich dann an.«
»Das geht in Ordnung, Sir.«
Suko legte auf. Shao hatte sich neben ihn gestellt und so einen Teil des Gesprächs mitbekommen. »John ist nicht da?«
Der Chinese nickte.
»Aber wo kann er nur sein?«
Da hob Suko die Schultern. Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Da ist irgend etwas passiert. Ich muss rüber.« Suko drehte sich und holte den Zweitschlüssel zur Wohnung seines Freundes. Es waren nur ein paar Schritte über den Gang. Shao wollte mit, doch Suko schüttelte den Kopf. »Nein, bleib du lieber hier, es ist besser so. Wenn etwas passieren sollte, habe ich dich aus dem Gefahrenbereich.«
»Wenn du meinst …«
Suko nahm nicht nur den Schlüssel mit, sondern auch seine Waffen. Die Beretta hatte er schon gezogen. Er hielt sie in der rechten Hand, mit der linken hatte er die Tür aufgeschlossen.
In der Wohnung war es still. Der übersensible Suko spürte, dass etwas geschehen war, denn ihm kam die Stille nicht normal, sondern unheimlich vor.
Er wagte kaum zu atmen, als er durch die schmale Diele schlich. Die Tür zum Wohnraum stand offen. Auf der Schwelle blieb Suko stehen und hatte einen freien Blick.
Er sah sofort den Schrank, wo der Kelch des Feuers stand. Die Tür war nicht mehr geschlossen, Suko konnte in den Schrank hineinschauen.
Er blickte auf den Kelch des Feuers.
Aus welchem Grunde hatte John Sinclair die Tür geöffnet? Wollte er nur an den Kelch?
Tief atmete der Chinese ein und ging langsam vor. Ein Kampf hatte nicht stattgefunden. Nichts wies darauf hin. Alles war normal. Auf dem Tisch stand noch ein Glas, an dessen Innenwand letzte Bierschaumreste klebten.
Der Chinese verstand nichts. Es gab auch keine Spuren, aus denen er einen Tathergang hätte nachkonstruieren können. Alles war so seltsam, so unheimlich …
Vor dem Schrank blieb er stehen, steckte die Pistole weg und ließ seine Finger über den Kelch des Feuers gleiten.
Er fühlte sich völlig normal an. Suko konnte nicht erfassen, dass von ihm eine Gefahr ausgehen sollte. Und doch musste er mit Johns Verschwinden zu tun gehabt haben.
»Hast du etwas gefunden?« Shao war ihrem Freund gefolgt und stand dicht hinter Suko.
Der Chinese drehte sich um. »Nein«, erwiderte er. »Nur den Kelch im offenen Schrank.«
»Dann hat er irgendeine Bedeutung gehabt«, folgerte Shao sofort.
»Das kann sein.«
»Aber John kann sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben«, rief Shao erschreckt. »Das ist unmöglich …« Sie stockte, denn ihr war eingefallen, dass es für das Sinclair-Team eigentlich das Wort unmöglich nicht geben durfte.
»In Luft aufgelöst«, murmelte Suko. »Verdammt, da kannst du recht haben oder auch nicht. Ich würde es gern umschreiben. Man kann auch sagen, er hat eine Dimensionsreise hinter sich gebracht.«
»Das weißt du nicht genau.«
»Nein, es ist Spekulation. Wenn ich nur wüsste, welche Kräfte in dem Kelch stecken! Sie müssen auf irgendeine Art und Weise erweckt oder geweckt worden sein.«
»Durch John?«
»Kann sein.«
Shao wollte es genau wissen und schaute in der Wohnung nach. Als sie zu ihrem Freund zurückkehrte, da hob sie nur die Schultern. »Nichts«, stellte sie mit tonloser Stimme fest.
Suko ging erst gar nicht in die Nachbarwohnung zurück, sondern rief direkt an. Er tippte die einzelnen Zahlen. Sir James Powell meldete sich auf der Stelle.
»Sir, John Sinclair ist verschwun-, den! Seine Wohnung fanden wir leer. Irgendjemand muss ihn erwischt haben, wenn ich das mal so sagen darf. Und dabei spielt der Kelch des Feuers eine bedeutende Rolle.«
Sir James atmete heftig ein. An den folgenden Geräuschen erkannte Suko, dass er auch einen Schluck von seinem Magenwasser nahm. »Sonst haben Sie keine Spuren gefunden, Suko?«
»Nein, Sir.«
»Dann bleibt uns nichts anderes zu tun, als abzuwarten«, gab Sir James kleinlaut zu.
»Sollen wir nicht Costello auf den Zahn fühlen?«
»Das wird keinen Zweck haben. Wie Sie mir zudem die Sachlage geschildert haben, nehme ich an, dass Logan Costello damit nichts zu tun hat. Am besten ist es, wenn Sie in Sinclairs Wohnung bleiben. Vielleicht meldet er sich auf irgendeine Art und Weise.«
»Ja, das könnte möglich sein«, erwiderte Suko leise.
»Sie rufen mich an, falls etwas geschehen sollte.«
»Natürlich, Sir.«
»Und?«, fragte Shao. Sie hatte diesmal nicht mitgehört.
Der Chinese hob nur die Schultern. Diese Geste sagte eigentlich alles.
*
Ein schriller Entsetzensschrei drang aus dem Mund der ehemaligen Terroristin Pamela, Barbara Scott, auch Lady X genannt und seit kurzer Zeit ein Vampir. Sie hatte das Kreuz gesehen, das Solo Morasso hochhielt, und sie spürte die starke Ausstrahlung des Kruzifixes, sodass sie zusätzlich noch zurückwich und den rechten Arm als Deckung vor ihr Gesicht riss.
»Nimm es weg! Nimm es weg!«, kreischte sie.
Morasso lachte. »Was hast du? Du brauchst es doch nicht zu berühren, Lady X.«
»Trotzdem.«
Dr. Tod dachte nicht daran, dem Wunsch der Vampirin nachzukommen. Er behielt das Kreuz offen in der Hand. Schließlich mussten die anderen sehen, dass er gesiegt hatte. Und zwar auf der ganzen Linie gesiegt, denn er hatte das Wertvollste, was er nur überhaupt bekommen konnte.
In dem alten unterirdischen Betonbunker, einem Überrest des Zweiten Weltkriegs, hallte das Lachen des Solo Morasso von den kahlen Wänden wider. »Jetzt ist Sinclair erledigt!«schrie er. »Endgültig und für alle Zeiten.«
Abermals lachte er. Die Lampen an den Wänden und der Decke begannen zu flackern, als wollten sie ihm zustimmen.
Die anderen Mitglieder der Mordliga schauten ebenfalls auf ihn und das Kreuz.
Vor allen Dingen Mr. Mondo. Er konnte es auch anfassen, denn er war der einzige Mensch in der Mordliga. Sein Blick zeigte großes Interesse, die Augen hinter den Brillengläsern blitzten.
Lupina, die das Kreuz ebenso fürchtete wie Lady X, hatte sich zurückgezogen. Sie wusste ebenfalls um die Gefährlichkeit dieser Waffe. Tokata, Vampiro-del-mar und Xorron schauten ziemlich teilnahmslos, als schien das Kreuz sie nicht zu interessieren. Nur Mr. Mondo konnte nicht länger hinter dem Berg halten.
»Dir nutzt das Kreuz nichts gegen John Sinclair«, sagte er. »Damit kannst du ihn nicht besiegen!«
Morasso fuhr herum. »Das weiß ich selbst. Aber Sinclair ist geschwächt, und ich will das Kreuz gegen Asmodina einsetzen. Ich habe eine so starke Waffe, dass sie die Teufelstochter vernichten kann. Sinclair ist in diesem Falle eine Nebensache, ein Abfallprodukt. Wir bekommen ihn so oder so. Asmodina ist mir wichtiger. Wenn wir sie ausgeschaltet haben, steht einer gewaltigen Machtübernahme nichts mehr im Wege. Ihre Reiche werden dann uns gehören.«
Starke Worte, jedoch nicht übertrieben, wenn es ihnen gelang, die Teufelstochter zu stürzen.
Solo Morasso hatte es im Laufe der Zeit geschafft, all seine Mitglieder davon zu überzeugen, dass Asmodina als Todfeindin Nummer Eins angesehen werden musste. Das war praktisch die Bedingung, überhaupt Mitglied der Mordliga zu werden. Erst wenn Asmodina aus dem Weg geschafft war, konnte man sich anderen, großen Aufgaben widmen. Davon gab es genug. Denn auch Dr. Tod hatte von einer voratlantischen, unheimlichen Magie gehört, die noch schlief, von ihm jedoch zum Leben erweckt werden sollte. Wenn es ihm gelang, auch diese fürchterlichen Dämonen und Wesen auf seine Seite zu ziehen, war das die halbe Miete. Zuvor mussten allerdings sämtliche Hindernisse aus dem Weg geschafft werden.
»Ihr steht voll auf meiner Seite?«, fragte Solo Morasso noch einmal.
Die Mitglieder der Mordliga sagten nichts. Morasso schaute jedes von ihnen an.
Bei Mondo begann er. Der verbrecherische Wissenschaftler grinste und nickte.
Lady X gab ebenfalls durch eine Kopfbewegung ihre Zustimmung.
Vampiro-del-mar stieß ein undefinierbares Geräusch aus. Ein Zeichen, dass auch er einverstanden war.
Xorron ebenfalls.
Und auch Lupina, die Königin der Wölfe, hatte nichts dagegen, obwohl sie ihr eigenes Süppchen später kochen wollte, davon allerdings sagte sie nichts.
Blieb Tokata.
»Wie ist es mit dir?«, fragte Dr. Tod, als er sah, dass der Samurai des Satans keine Anstalten machte, dem Vorschlag zuzustimmen.
»Ich bin auch damit einverstanden!«, drang es dumpf unter seiner Maske hervor.
»Dann ist es ja gut.«
»Allerdings möchte ich dazu noch etwas sagen.«
Solo Morasso krauste die Stirn. Er spürte, dass Tokata doch nicht so einverstanden war und schickte ihm ein gedehntes »Ja?« entgegen.
»Ich werde euch für eine Weile verlassen müssen, denn ich spüre, dass der große Kampf bevorsteht.«
Morasso beugte sich nach vorn. Sein Gesicht nahm einen lauernden Ausdruck an. »Von welch einem Kampf sprichst du?«
»Nicht von deinem, sondern von meinem.«
»Du willst allein gegen Asmodina vorgehen?«
»Nicht gegen Asmodina, sondern gegen einen anderen. Der Goldene Samurai treibt sich noch auf dieser Welt herum. Einer von uns ist zu viel. Ich habe inzwischen herausgefunden, dass er sich auf den Weg gemacht hat, um den heiligen Fächer der Göttin Amaterasu zu suchen. Er befindet sich versteckt auf einer Insel. Wenn der Goldene den Fächer findet, ist er sehr stark. So stark, dass er uns gefährden kann. Und das wollen wir nicht.«
Selbst Solo Morasso wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Mit diesen Worten hatte er nicht gerechnet. Sollte Tokata etwa Angst haben?
Danach fragte er ihn.
»Nein, ich habe keine Angst. Ich werde mich dem Goldenen nur stellen, das ist alles.«
»Du wirst hier gebraucht.«
»Ihr seid doch jetzt stark genug?«
Das stimmte. Und doch wollte Solo Morasso es nicht zugeben. Wenn das Beispiel Tokatas Schule machte, dann ging hinterher jedes Mitglied der Mordliga seinen eigenen Weg. Andererseits konnte er sich den Argumenten des untoten Samurais nicht verschließen. Er wusste auch um den Goldenen Bescheid und dass dieser ein Feind Tokatas war, deshalb suchte Dr. Tod nach einem Kompromiss und fand ihn auch.
»Es ist klar«, sagte er, »dass der Goldene eine Gefahr darstellt. Wir sollten sie gemeinsam angehen. Deshalb sage ich dir, bleib du so lange hier, bis wir Asmodina erledigt haben. Dann werden wir uns den Goldenen vorknöpfen.«
Tokata schüttelte das Maskengesicht. »Das geht nicht. Bis wir Asmodina erledigt haben, kann es längst zu spät sein. Ich muss ihn vorher finden.«
Morasso schwieg. Er befand sich in einer Zwickmühle. Urplötzlich war eine Situation entstanden, die er nicht einkalkuliert hatte. Tokata spielte nicht mehr mit.
Konnte er das zulassen?
Morasso dachte an sein großes Ziel. Er musste Asmodina vernichten, und er besaß das Kreuz. Wenn man es als Waffe mit Tokata verglich, dann war es wesentlich stärker als der Samurai des Satans, vor allen Dingen auf Asmodinas Person bezogen. Und der goldene Samurai existierte tatsächlich und war ein Feind Tokatas. Also musste er ausgelöscht werden. Nur passte Morasso der momentane Zeitpunkt nicht. Er konnte allerdings daran nichts ändern.
»Und es gibt wirklich keinen anderen Weg für dich?«, hakte er noch einmal nach.
»Nein«, erwiderte Tokata.
Solo Morasso nickte. Er hatte sich entschlossen, nachzugeben. Etwas, was bei ihm so gut wie nicht vorkam. Doch die Vorzeichen hatten sich verändert. Zudem besaß er das Kreuz.
»Du kannst gehen!«, sagte er. »Geh und töte deinen Gegner!«
Tokata verbeugte sich. »Du wirst mit mir zufrieden sein«, antwortete er grollend. Auf dem Absatz machte er kehrt und verschwand aus dem großen Bunkerraum.
Die anderen schauten ihm nicht nach. Unter den Mitgliedern der Mordliga gab es keine Verbindung. Sie waren eine Interessengemeinschaft, mehr nicht.
Für Solo Morasso war das Thema Tokata erledigt. Er drehte sich um und wandte sich wieder den gegenwärtigen Problemen zu. Auf einem Tisch stand der Würfel des Unheils. Harmlos sah er aus. Weißbläulich schimmerten seine Flächen. Schlieren hatten sich innerhalb des Materials gebildet, sie bewegten sich langsam.
Dr. Tod hatte mithilfe des Würfels den Nebel produziert. Eine ungemein starke und gefährliche Waffe. Die nächste, den Bumerang, legte er neben den Würfel. Auf der rechten Seite hatte er seinen Platz gefunden. Das Kreuz deckte die linke Seite ab.
Dann umfasste Morasso den Würfel mit beiden Händen. Er senkte den Kopf und konzentrierte seine Gedanken auf den Spuk. Durch den Würfel als Katalysator sollte der Spuk mit ihm in Kontakt treten. Durch Morassos Gedanken war er zu manipulieren.
Innerhalb des Würfels begannen sich die Schlieren schneller zu bewegen. Sie rotierten nicht, aber sie zuckten vor und zurück sowie nach oben und unten.
Eine feine Nebelspirale quoll aus der Oberseite. Sie stieg bis zur hohen Decke und durchdrang sie nicht, sondern breitete sich wie ein großer Pilz aus.
Heftig dachte Morasso an den Spuk. Der Dämon, der inzwischen auf seiner Seite stand, musste seine gedanklichen Wünsche einfach vernehmen.
Er reagierte auf schwarze Magie wie ein Seismograf auf die Wellen eines Erdbebens.
Und es tat sich etwas, der. Spuk kam, er hatte den Ruf des Mensch-Dämons vernommen.
Innerhalb der Nebelwolke erschien ein dunklerer Schatten. Er blieb nicht ruhig, doch Dr. Tod und auch die Mitglieder der Mordkommission wussten, dass sie hohen Besuch bekommen hatten.
»Du hast mich gerufen?« Die Stimme des Spuks schien aus dem Nichts zu erschallen.
Dr. Tod drehte seinen Kopf ein wenig, sodass er jetzt zur Decke blickte und den Spuk oder vielmehr den Schatten in der Nebelwolke anschauen konnte.
»Ja, ich habe dich gerufen!«
»Und warum?«
Solo Morasso kicherte wie ein Teenager. »Schau mal neben den Würfel. Dort siehst du etwas.«
Der Schatten in der Nebelwolke geriet in Bewegung. Dann drang ein dumpfes Grollen hervor, und im nächsten Augenblick erfüllte das schaurige Gelächter des gestaltlosen Dämons den Bunker. »Das Kreuz!«, donnerte der Spuk. »Du hast das Kreuz.«
»Genau!«, schrie Dr. Tod zurück. »Ich habe es, und damit werde ich Asmodina vernichten. Sei froh, dass du dich auf meine Seite gestellt hast. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen. Wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe, denn auch John Sinclair ist nun wehrlos. Wir können ihn zerquetschen.«
»Das stimmt«, erwiderte der Herr im Reich der geknechteten Dämonenseelen. »Aber ich habe auch eine Überraschung für dich, Solo Morasso. Du wirst dich um John Sinclair wohl kaum noch zu kümmern brauchen. Das übernehmen andere.«
»Wieso?«
»John Sinclair befindet sich nicht mehr in seiner Wohnung, auch nicht in London und nicht auf der Welt. Er ist von Asmodina in ihr Reich geholt worden. Sie hat sich mit Asmodis zusammengetan, die beiden kämpfen jetzt miteinander gegen Sinclair. Sie werden ihn töten. Du brauchst dir um ihn keine Gedanken zu machen.«
Dr. Tod duckte sich unter den Worten des Spuks zusammen. »Stimmt das wirklich?«, fragte er lauernd.
»Ja.«
Morasso stieß ein tiefes Knurren aus. Seine Hände bewegten sich unruhig. Die Vorstellung, seinen Todfeind als Leiche zu sehen, machte ihn rasend. »Das ist natürlich noch besser gelaufen, als ich annahm«, erwiderte er, »viel besser.«
»Sei vorsichtig«, warnte der Spuk. »Denke auch daran, dass Asmodina dich vernichten will. Und im Verein mit ihrem Vater ist sie sehr gefährlich. Zudem hat sie etwas, das dir schon einmal den Tod gebracht hat. Den silbernen Nagel!«
Morasso reckte die Faust in die Luft. Sein Gesicht verzerrte sich. »Nein, ein zweites Mal wird sie es nicht schaffen. Das schwöre ich dir, Spuk. Sie packt es nicht, glaube mir.«
»Ich hoffe es, denn wenn sie gewinnen sollte, ginge es mir auch schlecht.«
Es waren seine letzten Worte. So rasch wie er gekommen war, verschwand er auch wieder.
Zurück blieben die fünf Mitglieder der Mordliga und Solo Morasso. »Asmodina wird nicht gewinnen«, flüsterte er heiser. »Sie schafft es nicht. Ich will ihren Kopf, und ich werde ihn bekommen. Zum Schluss triumphiere ich!«
Er sagte dies und schlug zur Bekräftigung seiner Worte mit der Faust auf den Tisch. Niemand der anderen widersprach ihm. Die Mordliga war von ihrem Sieg überzeugt.
*
Ich schaute auf den Nagel.
Er lag auf dem Handteller der Teufelstochter und hatte ihr nichts getan. Seine Kraft war einfach nicht stark genug, um Asmodina zu zerstören. Da hätte ich schon stärkere Kaliber als mein Kreuz auffahren müssen.
Gut gegen Böse.
Der uralte Kampf. Bisher hatte ich ihn für mich entscheiden können, nun aber hatten sich die Vorzeichen verändert.
Mein Blick löste sich von dem Nagel und glitt über die Gestalt der Teufelstochter. Sie sah so aus, wie ich sie in Erinnerung hatte, bis auf eine Kleinigkeit.
Ihr Gesicht.
Es zeigte nicht mehr die normale Haut, sondern war pechschwarz und wirkte ledern. Irgendetwas musste mit ihr geschehen sein, ich wagte allerdings nicht, danach zu fragen.
Einen Schritt neben ihr stand Asmodis. Der Teufel!
Von Angesicht zu Angesicht sah ich ihn. Wie vor einigen Monaten, als er die Blutorgel spielte, ein höllisches Instrument, dem auch ich zum Opfer fallen sollte.1
Das dreieckige Gesicht. Spitz lief es unten zu. Über dem Kinn befand sich der lang gezogene, viereckige Mund. Dann eine Nase, die keine normale Form aufwies. Sie erinnerte mich an eine Mischung zwischen dem Geruchsorgan eines Tieres und dem eines Menschen. Das Gesicht schimmerte bräunlich. Ich konnte sogar die wenigen Haare eines Fells erkennen. Aus der breiten Stirn wuchsen zwei Hörner. Sie waren ein wenig gedreht, die Spitzen zeigten nach oben. Der Teufel trug einen schwarzen Umhang, den er fest um seine magere Gestalt gezogen hatte. In der Mitte klaffte der Umhang auf. Ich sah ein Bein. An das Bein schloss sich jedoch kein menschlicher Fuß, sondern der eines Pferdes an.
Jetzt sah ich den Satan vor mir.
Und ich lebte, was für mich schon so etwas wie ein kleines Wunder war.
Zum ersten Mal sprach Asmodis. Er sagte einen Satz, der mir unter die Haut ging. »Willkommen in der Hölle, John Sinclair!«
Obwohl ich große Angst verspürte, blieb ich äußerlich relativ gelassen. »Bin ich tatsächlich in der Hölle?«
»Ja, im Zentrum des Schreckens.«
»Die Hölle habe ich mir immer anders vorgestellt.«
Da riss der Satan seinen Rachen auf, und seine Augen rotierten feuerrot. »Du denkst zu menschlich, Sinclair. Die Hölle hat tausend Gesichter, eines davon siehst du hier. Es gibt auch das andere Gesicht, das grauenvolle. Vielleicht wirst du es sehen. Nein, nicht nur vielleicht, sondern bestimmt.«
»Danke, mir reicht dies schon.«
Satan lachte. »Du bist wirklich noch nicht klein genug, John Sinclair. Aber wir werden es schon schaffen.« Dabei warf er seiner Tochter einen auffordernden Blick zu.
»Und wie«, sagte Asmodina. Sie hatte mich die gesamte Zeit über angeschaut, und der Hass in ihren Augen war überhaupt nicht zu übersehen. Sie wollte mich vernichten.
Von ihrem Standpunkt aus gesehen war das sogar legitim. Denn ich hatte ihr wirklich zu viele Niederlagen beigebracht. Sie hatte es oft versucht, aber immer wieder war sie zurückgeschlagen worden. Wie musste es in einem Wesen, dessen Innerstes praktisch nur aus Hass bestand, aussehen, wenn es jetzt seinem ärgsten Todfeind gegenüberstand.
»Hat er Waffen?«, fragte Asmodis. Er dachte da schon praktischer als seine Tochter.
»Bestimmt«, erwiderte seine Tochter und verzog das schwarze Gesicht zu einem Grinsen. »Gib es zu!«, fuhr sie mich scharf an.
Ich wollte schon nicken, als mir etwas einfiel. Die Idee wurde wirklich in einem winzigen Augenblick in meinem Kopf geboren, und wenn man von dem Begriff Gedankenblitz sprechen kann, dann war es bei mir der Fall.
Warum sollte ich nicht versuchen, Asmodina und ihren Vater mit einem Bluff zu überlisten? Die Frage des Teufels war so gestellt worden, dass ich davon ausgehen konnte, ein Wesen vor mir zu haben, das nicht wusste, was lief. In meinem Fall hieß das: Der Satan hatte bestimmt nicht erfahren, dass mein Kreuz nicht echt war. Und seine Tochter natürlich auch nicht.
Ich nickte.
»Du hast also Waffen?«, fragte Asmodina.
»Ja.«
»Welche?«
»Meine Pistole, den Dolch …«
Asmodina winkte ab. »Die Dinge kannst du vergessen. Mich interessiert nur dein Kreuz!«
Ich schaute sie an, und sie ließ sich tatsächlich bluffen, denn sie sagte: »Du hast es also!«
»Ich gehe nie ohne Kreuz!«
Die Teufelstochter warf ihrem Vater einen raschen Blick zu. Der Teufel grinste böse. Auch er hatte einen regelrechten Horror vor dem geweihten Kruzifix, und er verlangte mit herrischer Stimme, dass ich es abnahm und niederlegte.
Niederlegte war gut. Bisher hatte ich nicht bemerkt, dass wir überhaupt auf einem festen Boden standen. Dabei kam es mir vor, als würde ich über der Erde schweben. Die Gravitationskraft schien in dieser Welt aufgehoben zu sein, denn ich erkannte keine Länge, Breite oder Höhe.
Alles war so seltsam, so unwirklich. Es gab keine Wände, die ich greifen konnte, keine festen Punkte zum Orientieren, höchstens der Teufel und seine Tochter.
Und ich stand den beiden gegenüber.
Das musste man sich einmal vorstellen. Es war zwar kein Menschheitstraum in Erfüllung gegangen, aber ich erlebte, einen Teil der Hölle wie er tatsächlich war. Ich konnte jetzt – vorausgesetzt, ich würde je hier herauskommen –, mehr über die Hölle berichten. Doch wie hatte man mir gesagt?
Die Hölle ist vielschichtig. Sie bildet keine Einheit. Ich stellte mir darunter eine Konzentration mehrerer Dimensionen vor, die sich wie die Häute einer Zwiebel überlappten. Eine andere Vorstellung von diesem Phänomen schaffte ich einfach nicht.
»Was zögerst du?«, fuhr die Teufelstochter mich an. »Nimm das verfluchte Kreuz ab!«
Ich hob meine Arme.
Gleichzeitig bewegte sich auch Asmodis. Mit der linken Klaue zeichnete er einen Kreis in die Luft. Im gleichen Augenblick erschienen aus dem Nichts Wesen, die ich genau kannte.
Es waren die gefährlichen Kugeldämonen, treue Diener des Satans, und die bauten sich wie eine Wand vor Asmodis und dessen Tochter auf, sodass ich die beiden nicht mehr sehen konnte.
Trotz meiner prekären Lage konnte ich mir ein Lächeln nicht verbeißen. Beide, Asmodis als auch seine Tochter, hatten vor dem Kreuz einen regelrechten Horror. Sie wussten genau um seine Stärke, und sie bauten deshalb einen Schutzwall auf, damit ich sie nicht direkt angreifen konnte.
Wenn die gewusst hätten …
Ferner wunderte es mich, dass sie noch nichts von dem von mir getöteten Kugeldämon erfahren hatten. Er hätte ihnen ja sagen können, dass mein Kreuz versagte. Oder hielten sie sich bewusst damit zurück?
Eine Antwort wusste ich nicht. Sie spielte auch keine Rolle, ich musste nur meinen Bluff weiter ausbauen.
Meine Finger fanden die Kette. Ich dachte daran, wie oft ich das Kreuz schon über den Kopf gestreift hatte, aber diesmal war es ein unechtes. Und ich drückte mir beide Daumen, dass die Gegenseite auf den Bluff hereinfiel.
Ich zog es hervor, dabei schielte ich auf die vor mir stehenden Kugeldämonen.
Sie rührten sich nicht und hatten nur ihre Mäuler weit aufgerissen, sodass ich die gefährlichen Zähne sehen konnte und die Rachen, in die sie ihre Opfer hineinschlangen.
Dann lag das Kreuz in meiner Hand. Ich hatte den rechten Arm ausgestreckt und das Kruzifix offen auf die Fläche gelegt. Die Kugeldämonen gerieten in Bewegung. Zwei von ihnen rückten ein kleines Stück zur Seite. Es entstand ein Zwischenraum, durch den Asmodina und der Teufel mich anschauen konnten.
Sie sahen auch das Kreuz. Gern hätte ich gesehen, wie es in ihren Gesichtern aussah. Statt dessen hörte ich einen zischenden Befehl.
»Wirf es zu Boden!«
Boden war gut. Ich kippte meine Hand nach links, sodass das nachgemachte Kreuz von der Fläche rutschen konnte. Würde es irgendwo verschwinden oder vor meinen Füßen liegen bleiben?
Es blieb liegen.
Im gleichen Augenblick verschwanden auch die grässlichen Fratzen der Kugeldämonen. Die Köpfe, monsterhaft verzerrt, zogen sich zurück. Der Kreis um mich löste sich auf. Ich konnte wieder meine Erzfeinde direkt anschauen, und zwischen uns lag jetzt das, was die beiden immer gefürchtet hatten.
Das Kreuz!
Würden sie den Bluff schlucken? Bis jetzt hatte sich nichts getan. Ich konnte erkennen, wie beide die Köpfe senkten und auf das Kreuz schauten.
»Jetzt bist du ohne Schutz!«, versprach mir Asmodis und funkelte mich aus seinen roten Augen an.
»Ja, das bin ich.«
Asmodina sagte nichts. Das beunruhigte mich. Sie starrte nur auf das Kreuz, schaute mich kurz an, dann ihren Vater und ging plötzlich auf das Kruzifix zu.
Drei Schritte brauchte sie nur. Kleine Schritte. Dann blieb sie vor dem Kreuz stehen und bückte sich.
Sie befand sich noch in der Bewegung, als Asmodis schrie: »Was tust du? Du wirst sterben! Du wirst vergehen!«
Asmodina kümmerte sich nicht um die Worte ihres Vaters. Sie streckte zwar den Arm aus, aber griff noch nicht zu, sondern drehte nur ihr schwarzes Gesicht, um Asmodis anzuschielen.
»Keine Angst, ich weiß genau, was ich mache. Du wirst dich wundern, Asmodis!«
Da wusste ich Bescheid. Wer reagierte wie Asmodina, der war nicht auf einen Bluff hereingefallen.
Sie packte das Kreuz!
Es war ein wilder, beinahe böser Griff, als ihre Finger den Gegenstand umklammerten. Auf dem Absatz fuhr sie herum und schleuderte Asmodis das Kreuz entgegen.
»Da!«, schrie sie dabei. »Nimm es! Fang es auf! Es wird dir nichts tun. Gar nichts!«
Der Teufel griff tatsächlich zu. Er bekam das Kreuz auch zu fassen. Es verschwand fast in seiner Klaue, und es geschah nichts. Keine zerstörerische Kraft riss den Satan auseinander. Er überstand dies ebenso wie seine Tochter.
Der Teufel hielt das Kreuz fest. Langsam senkte er seinen dreieckigen hässlichen Schädel, und nur allmählich schien er zu begreifen, dass etwas nicht stimmte, denn er schüttelte seinen Kopf.
»Nein!«, flüsterte er. »Nein, das ist nicht möglich. Es tut mir nichts. Es zerstört mich nicht. Das Zeichen des Guten, die Urangst des Bösen, ist vorbei. Wir, die Hölle, haben gesiegt!« Nach diesen Worten stieß er ein triumphierendes Brüllen aus und schaute seine Tochter an, die seltsam unbeteiligt und mit hängenden Armen vor ihm stand.
Das Brüllen beach ab. Eine Sekunde lastete die Stille zwischen uns. Mein Magen spannte sich. Die Szene trieb jetzt dem Höhepunkt zu.
»Du freust dich zu früh«, sagte Asmodina mit kalter Stimme. »Viel zu früh. Sinclair hat uns reingelegt!«
»Wieso?«
»Das Kreuz, das wir beide anfassen konnten und das du nun in der Hand hältst, ist nicht das echte!«
Diesmal dauerte das Schweigen länger. Der Teufel sagte nichts. Er schaute auf das Kreuz, zuckte, drehte den Kopf, blickte mich an und dann wieder das Kreuz. »Es ist nicht das echte?«, flüsterte er rau.
»Nein, nur ein Duplikat.« Asmodina wandte sich an mich. »Habe ich recht, John Sinclair?«
Es hatte keinen Zweck, noch eine große Lüge zu versuchen. Deshalb bejahte ich.
Der Satan bekam einen Tobsuchtsanfall. Das geschah urplötzlich, ich hatte damit nicht gerechnet. Er schrie wie von Sinnen, drehte sich, schleuderte das Kreuz von sich, trat mit seinem Pferdefuß auf. Blitze zuckten vom Boden hoch, Feuer regnete hinter ihm zu Boden, ein gewaltiges Grollen erschütterte die Dimension, ich sah die Kugeldämonen durcheinanderwirbeln, als hätte jemand mit ihnen gekegelt, ein wilder Sturm erfasste mich und schleuderte mich fast zu Boden. So schien es zu sein, wenn die Hölle ihre Pforten öffnete. Wie aus dem Nichts erschienen schreckliche Gestalten, von denen ich nur die Köpfe sah. Unheimliche Monstren, dagegen war Frankenstein noch eine Schönheit. Sie heulten und jaulten, bliesen mir den Pesthauch der Hölle ins Gesicht, und die Angst hielt mich umklammert.
Für einen Augenblick hatte ich wirklich das Gefühl, sterben zu müssen, denn die Monstren hatten ihre Mäuler aufgerissen, als wollten sie mich zerreißen.
Dann verschwanden sie wieder.
Zurück blieben Asmodina, der Satan und ich!
Sie schauten mich an. Ich las kein Erbarmen in ihren Blicken. Hatte ich jetzt mein Todesurteil gesprochen?
Tief holte ich Luft, und ich freute mich darüber, dass ich noch atmen konnte.
Wie lange?
»Du hast uns reingelegt, Geisterjäger«, sprach der Teufel. »Du hast es tatsächlich gewagt, uns in der Hölle aufs Glatteis zu führen. Er lachte kreischend. »Aber das hast du nicht umsonst getan, das schwöre ich dir. Verdammt, das hast du nicht umsonst getan. Du wirst die Qualen der Höllen erleiden. Du wirst das erleben, was die Menschen immer in ihren Büchern schreiben. Bei dir werden wir es wieder einmal ausprobieren. Lerne den Ort kennen, wo Heulen und Zähneknirschen herrschen. Die Hölle öffnet ihre Pforten. Für dich, John Sinclair. Nur allein für dich!«
Asmodina nickte bei jedem Wort. Sie bestätigte die Rede ihres Vaters. Freunde, es fiel mir verflucht schwer, ruhig zu bleiben. Ich hätte noch so viel zu sagen gehabt, ich hätte ihnen erklären können, wer das Kreuz wirklich besitzt, aber ich zögerte.
Wahrscheinlich hätte dies nur einen Aufschub bedeutet. Mehr nicht. Einen Pakt mit ihnen schließen konnte man nicht. Ich selbst konnte mir auch nicht mehr helfen, denn das mussten jetzt andere tun – wenn überhaupt …
*
Sie hieß Tanith, und sie war das, was man im Allgemeinen als Wahrsagerin und Astrologin bezeichnet. Aber sie konnte noch mehr, viel mehr. Sie besaß eine rote Kugel, unermeßlich in ihrem Wert, denn mithilfe der Kugel und eines Mediums war es Tanith möglich, mit der Welt der Dämonen Kontakt aufzunehmen.
Das Medium hieß Lucille und lag tot auf der Couch. Ein Pfeil hatte sie in die Brust getroffen. Auch Tanith wäre gestorben, wenn nicht zwei Reiter auf wirklich wundersame Art und Weise bei ihr erschienen wären.
Was war geschehen?
Tanith, die Astrologin, hatte Lucille, das Medium, zu einer Sitzung eingeladen. Lucilles Geist konnte den Körper verlassen und auf Wanderschaft gehen. Für ihn gab es dann keine dreidimensionalen Schranken mehr, er durchwanderte die Überlappungsgebiete der fremden Dimensionen und drang in sie ein.
In der Kugel sah Tanith dann die Bilder, die der Geist des Mediums einfing.
Und es waren schreckliche Bilder. Sie konnte einen Blick in Reiche werfen, die den Augen der meisten Menschen verschlossen blieben. Das Pandämonium tat sich ihr auf. Eine Welt des Grauens, eine Welt des Schreckens. Im Anfang war Tanith davor zurückgeeschreckt, doch mittlerweile hatte sie sich zwar nicht daran gewöhnt – das kann wohl kein Mensch –, aber sie war neugierig geworden. Sie wollte mehr über den Aufbau dieser Welt wissen, über die Strukturen, die Zusammensetzung und die Wesen, die dort lebten.
Es war der Schrecken überhaupt.
Ein paarmal waren die Sitzungen gut verlaufen. Gut natürlich nur mit Einschränkungen, denn Lucille litt unter dieser ungeheuren Belastung, der sie ausgesetzt war. Sie war nach den Sitzungen und Ausflügen nicht nur körperlich erschöpft, sondern auch geistig. Jedesmal war sie so fertig, dass sie eine Pause von Tagen, manchmal Wochen brauchte, um wieder einen »Ausflug« zu unternehmen.
Eines Tages stieß sie an eine Grenze.
Irgendwie hatte Tanith immer damit gerechnet, dass sich die anderen nicht so ohne Weiteres in die Karten schauen lassen wollten. Denn auch sie hatten Probleme. Es gab innerhalb dieser Welten starke Feindschaften, sogar Kriege und unbeschreiblichen Hass.
Aber es gab auch Menschen, die sich vorgenommen hatten, diese Welten zu bekämpfen, denn das Ziel der anderen war es, die Erde zu erobern und untertan zu machen.
Einer dieser Menschen hörte auf den Namen John Sinclair!
Auf einer ihrer transzendentalen Reisen traf Lucilles Geist die Gedankengänge dieses Mannes. So etwas war zuvor noch nie geschehen, und dieses Treffen setzte eine Reaktion in Gang, die von Tanith und ihrem Medium nicht mehr zu stoppen war.
Lucille geriet in die Nähe des Höllenherrschers und störte seine Aktivitäten. Asmodis reagierte über seine Tochter. Sie wollte John Sinclair, fühlte sich jedoch durch den Geist des Mediums in ihren Plänen gestört und sorgte dafür, dass Lucille ermordet wurde.
Sie schickte ihre Todesengel.
Zwei waren es, die in die Wohnung der Tanith eindrangen und beide töten wollten.