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10 gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis in einem Band!
Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.
Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern aus den Jahren 1978 - 1989 und ziehe mit ihm in den Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit. Erlebe mit, wie John Sinclair zum Schrecken der Finsternis wurde und die Serie Kultstatus erreichte.
Tausende Fans können nicht irren - über 640 Seiten Horrorspaß garantiert!
Dieser Sammelband enthält die Folgen 251 - 260.
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Seitenzahl: 1434
Veröffentlichungsjahr: 2021
Jason Dark
John Sinclair Großband 26
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Ich befand mich in einer verfluchten Lage … Zwar konnte ich mit meinem Leihwagen das Kloster verlassen, doch das half nicht viel, denn man hatte mir einen gefährlichen Aufpasser mit auf den Weg gegeben: Den Todesadler. Ich musste ihn los werden! Aber wie? Sollte ich aussteigen und kämpfen oder weiterfahren?
Ich bremste und stieg aus. Meine Waffen nahm ich mit und stellte mich in dem Schneesturm dem Kampf. Doch das war nur der Anfang.
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve
ISBN 978-3-8387-3010-3
www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de
Lady X starrte auf ihre mit Silberkugeln geladene Maschinenpistole und hätte sie am liebsten fortgeworfen. Nichts, aber auch gar nichts nützte ihr die Waffe. Vor allen Dingen nicht gegen Pandora oder auch Xorron, der sich auf deren Seite geschlagen hatte.
Ja, Lady X hatte Xorron an eine andere Dämonin verloren, weil diese ältere Rechte an dem Herrn der Zombies und Untoten besaß. Das jedenfalls behauptete sie.
Aber das war nicht alles. Weitaus schlimmer hatte Lady X der Verlust des Würfels getroffen, der jetzt irgendwo am Hang zwischen den Bäumen lag und als triumphale Beute für Pandora gedacht war. Reingelegt worden war Lady X. Eiskalt ausmanövriert, und sie wäre vielleicht von Xorrons Klauen auch zerfetzt worden, wenn es ihr nicht durch einen Trick gelungen wäre, das Monstrum zu stoppen.
Das Magazin hatte sie gewechselt. Die Waffe war jetzt wieder mit geweihten Silberkugeln geladen, und darum hatte sich eigentlich alles gedreht.
Lady X war unterwegs gewesen, um sich Nachschub an Silberkugeln zu besorgen. Durch Schläue und Raffinesse hatte sie herausgefunden, wie die geweihten Geschosse nach London geschafft wurden. Ein Bote brachte sie vom Kloster St. Patrick aus hinunter ins Tal, wo der kleine Ort Peelham lag, der auch eine Poststation besaß. Von dort aus wurde das Paket dann nach London verschickt.
Lady X hatte den Boten abgefangen und ihn getötet. Xorron hatte ihr dabei zur Seite gestanden, und alles wäre auch nach Plan verlaufen, hätte es da nicht ein Problem gegeben, und das hieß Pandora.
Wie ein Blitzstrahl war sie aufgetaucht und hatte Lady X die Grenzen ihrer Macht gezeigt. Plötzlich besaß der sonst so starke Würfel des Unheils keine Macht mehr. Er reagierte überhaupt nicht, als Lady X ihn aktivieren wollte, und Xorron schlug sich tatsächlich auf die Seite der Pandora, die ihm den Auftrag gab, Lady X umzubringen.
Xorron folgte dem Befehl.
Anschließend war es zu einer Jagd gekommen, wie sie die ehemalige Terroristin bisher noch nicht erlebt hatte. Sie wusste selbst, dass Xorron kaum gestoppt werden konnte, und trotzdem hatte sie es mit viel Glück und auch Raffinesse geschafft. Es war ihr, während sie in Deckung lag, durch Schüsse gelungen, einen schweren Felsblock so zu lockern, dass er sich in Bewegung setzte und auf Xorron zurollte. Xorron und der Felsblock wurden in einen Wald geschleudert.
Natürlich konnte man Xorron durch so eine Lappalie, mehr war es für ihn wirklich nicht, nicht stoppen, aber er war immerhin aufgehalten worden, sodass Lady X nun freie Bahn bekam.
Freie Bahn für ihre Rache. Denn sie wollte auf keinen Fall aufgeben. Pandora hatte zwar eine Schlacht gewonnen, einen Krieg nicht. Zum Schluss wurde abgerechnet.
Sie schaute noch einmal den Hang hoch und sah auch die Stelle, wo Xorron samt Felsbrocken in den Wald hineingeschleudert war. Dort allerdings rührte sich nichts.
»Hoffentlich dauert es noch eine Weile, bis du freikommst, du verdammter Bastard!« Ihre Augen funkelten, als sie die Worte sprach, obwohl sie Xorron nicht die Schuld gab. Er hatte nicht anders handeln können, und er musste Pandora von irgendwoher kennen. Leider wusste sie nichts Genaues, die Bekanntschaft der beiden schien in der Vergangenheit zu liegen, wobei Lady X hoffte, auch dieses Rätsel lösen zu können.
Sie befand sich auf einem schmalen Pfad, der auf der anderen Seite des Berges lag und nicht wie die Straße nach Peelham führte, sondern tiefer hineinstach in die schweigende Bergwelt des schottischen Hochlandes. Lady X hatte sich zuvor informiert. Wie sie wusste, würde sie der Weg, wenn sie ihm folgte, irgendwann nach Billings bringen, einem kleinen Ort, den sie aber nicht kannte.
Hätte sie den Würfel gehabt, wäre alles ein Kinderspiel gewesen. Durch seine Hilfe hätte sie sich an ihr Ziel teleportieren können, nun musste sie zu Fuß gehen.
Eine einsame Gestalt, die eine Maschinenpistole über die Schulter gehängt trug, ganz in weiches Leder gekleidet war, schmutzig aussah und nach Blut dürstete.
Sie war eine Vampirin, und sie brauchte Blut, um überleben zu können, wobei sie sich zu den modernen Vampiren zählte, die auch tagsüber existieren konnten und nicht nur in finsteren Grüften die Stunden der Helligkeit verbringen mussten.
Obwohl sie das andere Extrem sehr reizte, denn sie hatte einen gewaltigen Plan gefasst.
Die alten Vampirstätten, vor allen Dingen die, die in Rumänien lagen, interessierten sie sehr, und Lady X hatte bereits erste Vorkehrungen getroffen, um in diesem Land ihr Hauptquartier einrichten zu können, auch wenn der erste Anlauf gescheitert war, aber sie wollte nicht aufgeben und weitere Versuche unternehmen.
Und sie brauchte einen starken Rückhalt, eben diese dezimierte Mordliga, deren Chefin sie war. Deshalb konnte sie Xorron nicht so ohne Weiteres der Pandora überlassen.
All diese Gedanken spukten durch ihren Kopf, als sie den Weg weiterschritt und schon bald von dem Hang aus nicht mehr gesehen werden konnte, weil sie eine enge Klamm aufnahm.
Es gab dort nur einen schmalen Pfad. Rechts von ihr fiel die Wand steil in die Tiefe. Dort gurgelte auch ein Wildbach, der durch Schmelzwasser stark angeschwollen war, graugrün schimmerte und seine Strömung zischend und schäumend über die Steine ergoss.
Lady X ging vorsichtiger. Sie durfte auf keinen Fall mit fließendem Wasser in Berührung kommen, denn das hätte ihre Vernichtung bedeutet. Deshalb hielt sie sich auch zurück und beeilte sich nicht so sehr, wie es eigentlich hätte sein müssen.
In Schlangenlinien führte der Weg weiter. Er wand sich an den hochsteigenden Felsen entlang, die an einigen Stellen sogar überhingen und wie gewaltige Nasen nach unten schauten.
Vor jeder Kurve zögerte sie und schaute erst um das Gestein, denn Xorron hatte sicherlich nicht aufgegeben.
Er war nicht zu sehen.
Wieder ging sie weiter. Um ihren Mund spielte ein kaltes Lächeln, als sie daran dachte, wie ihre Rache aussehen sollte.
Auch auf der anderen Seite des Wildbaches wuchs eine Felswand hoch. Zwischen beiden Wänden war nicht mehr viel Platz. Das spärliche Tageslicht hatte Mühe, die Schlucht auszufüllen.
Auf einmal blieb sie stehen. Es geschah abrupt, denn von links oben herabfallendes Gestein, hatte sie aufgeschreckt.
Lady X lauschte.
Ihr Körper spannte sich, die Waffe hatte sie von der Schulter gleiten lassen und hielt sie schussbereit mit beiden Händen umklammert. Die Mündung wies schräg nach oben.
Sie dachte natürlich an Xorron. Noch fehlte ihr der Beweis, denn das Geröll konnte gut und gern von einem Tier stammen, das über ihr herumkletterte.
Als ihr dieser Gedanke in den Sinn kam, musste sie wieder an den mutierten Fuchs denken. Ein Tier, das in die Magie der Pandora hineingeraten war und sich auf so grässliche Art und Weise verändert hatte, dass es ein Bildnis des Schreckens abgab.
Etwa eine Minute verging. Hören konnte sie nichts. Zudem übertönte das durch die Schlucht rauschende Wasser jedes andere Geräusch. Vorsichtig und mit schussbereiter Waffe, dabei leicht geduckt, setzte sich die Untote wieder in Bewegung.
Vor ihr stach eine Felsnase auf den Weg. Wie es dahinter aussah, konnte sie nicht erkennen.
Die Scott schob sich jetzt vor. Sie tastete sich förmlich weiter, ihr Instinkt sagte, dass etwas im Busch war und irgendwer auf sie lauerte. Leider konnte sie den Gegner nicht sehen.
Dann presste sie sich gegen die Felsnase. Halboffen stand ihr Mund, das bleiche Gesicht war verzerrt, die Augen funkelten, und plötzlich hörte sie das Donnern.
Von der anderen Seite her bekam die Felsnase einen unheimlichen Schlag. Lady X reagierte gedankenschnell. Sie wuchtete ihren Körper zurück, denn sie ahnte, dass man ihr hier eine teuflische Falle aufgebaut hatte. Und sie sollte recht behalten.
Xorron kam!
Er das Monstrum, versehen mit der Kraft einer Hölle, hatte mit beiden Fäusten und ungeheurer Kraft die vorspringende Felsnase zertrümmert.
Lady X hatte sehr viel Glück gehabt. Auch ihr Reaktionsvermögen trug daran einen Teil der Schuld, sie war hastig zurückgewichen und bekam mit, wie das schwere, kompakte Gestein zusammenbrach. Die einzelnen Brocken flogen ihr zum Teil entgegen oder kippten zur Seite weg, wobei sie über den Rand rollten und im schäumenden Wasser des durch die Schlucht schießenden Bachs verschwanden.
Auch sie wurde getroffen. Es waren keine großen Stücke, die gegen sie prallten, kleinere Steine nur, außerdem verspürte sie sowieso keine Schmerzen.
Aber sie sah Xorron.
Und der ließ sich keine Zeit.
Wie eine gewaltige Maschine, ein nicht zu stoppender, alles vernichtender Roboter kam er an, um seinen Auftrag zu erfüllen und Lady X zu zerreißen.
Noch stand sie. Wenn Xorron erst einmal über sie herfiel, war alles verloren.
Was sollte sie tun?
Ins Wasser konnte die Untote nicht springen, einen direkten Kampf mit Xorron hätte sie immer verloren, und für eine Flucht war der Weg viel zu klein.
Sie musste sich blitzschnell entscheiden.
Und sie tat es.
Die Scott wusste selbst nicht, woher sie den Mut zu solch einer gefährlichen Entscheidung nahm, aber sie setzte in diesen Augenblicken alles auf eine Karte.
Als Xorron sie fast erreicht hatte und sie das Schimmern der grünen Knochen besonders deutlich erkennen konnte, ließ sie sich zu Boden sinken und stellte den Lauf der Maschinenpistole zwischen die Beine des Monstrums.
Mit Kraft konnte man ihn nicht besiegen, nur überlisten. Und das hatte Lady X getan.
Xorron kam aus dem Gleichgewicht. Er stolperte. Seine Hände griffen daneben, und Lady X kam noch dazu, ihr linkes Bein gegen ihn zu stemmen, sodass Xorron auf die Abgrundkante zugedrückt wurde.
Und dort befand sich kein Geländer, keine Brüstung oder sonst irgendetwas, das ihn aufgehalten hätte.
Xorron musste irgendwo Halt finden. Er versuchte es, trat dabei auch nach hinten, und das war sein Fehler.
Plötzlich war unter seinem rechten Fuß nichts mehr, was ihn abgestützt hätte. Er sackte weg, sein großes Gewicht sorgte dafür, dass er in die Tiefe gerissen wurde, und er versuchte noch, die Hände um den Rand zu klammern.
Abermals spielte ihm sein Gewicht einen bösen Streich. Das Gestein war am Wegrand nicht so fest und hart, es gab da einige lose Stellen, und ausgerechnet dort hatte Xorron hingegriffen.
Nichts konnte ihn mehr stützen.
Xorron, Herr der Untoten und Zombies, rutschte ab und fiel in die Tiefe.
Mit einem großen Schritt erreichte Lady X die Absturzstelle, schaute nach unten, sah den wirbelnden, fallenden Körper und konnte sich nicht mehr beherrschen.
In diesen Augenblicken reagierte sie menschlich, denn aus ihrem offenen Mund drang ein gellendes Lachen, das sogar noch das Rauschen des Wassers übertönte.
Xorron stürzte in die schäumende, graugrüne Flut, prallte noch gegen einen Stein, sein Körper wurde in die Höhe gewuchtet, und im nächsten Augenblick von dem reißenden Strom erfasst und mitgerissen. So kräftig er auch war, gegen die Strömung kam er nicht an. Er schlug mit den Armen, richtete sich immer wieder auf, wobei das Wasser bis an seine Brust reichte, doch die zum Teil stark gestauten Fluten fegten ihn immer wieder von den Beinen.
»Gute Reise, du Verräter!«, brüllte Lady X und schwenkte ihre Maschinepistole.
Erst jetzt war sie einigermaßen beruhigt, obwohl Xorron längst nicht erledigt war. So eine Strömung, mochte sie noch so kräftig sein, brachte ihn nicht um.
Die Vampirin schaute dem Monstrum so lange nach, bis es nicht mehr zu sehen war und die Fluten es nicht wieder an die Oberfläche spülten. Erst dann ging sie weiter.
Auf dem Weg lag Geröll.
Die Teile der zerbrochenen Felsnase waren nicht alle in die Tiefe gestürzt, die meisten versperrten den Weg, sodass die Scott erst noch hinüberklettern musste.
Sie schaffte es mit Leichtigkeit, erreichte die freie Strecke und ging wesentlich unbeschwerter weiter.
Zehn Minuten später hatte sie die Schlucht hinter sich gelassen. So etwas ging urplötzlich. Man erlebt das oft in den Bergen. Auf einmal treten die Felswände zur Seite oder verschwinden ganz, und der Blick fällt auf eine weite Ebene oder in ein Tal.
So erging es Lady X.
Sie stand da und schaute auf Hausdächer. Diese Bauten mussten zu dem kleinen Ort Billings gehören. Den Wildwasserfluss sah sie nicht mehr. Er war unterwegs in einer Felshöhe verschwunden, floss unterirdisch weiter und würde vielleicht überhaupt nicht mehr ans Tageslicht kommen. Möglich war alles.
Für einen Moment blieb sie stehen. Sie stand höher als Billings lag. Ihr Blick glitt über die Dächer, aber auch über den grauen Himmel, der sich hoch über dem Dorf spannte. Die Wolkendecke sah ziemlich geschlossen aus. Ein Zeichen dafür, dass es sicherlich bald anfangen würde zu schneien. Auch war es kühler geworden.
Plötzlich stutzte sie.
Innerhalb der Wolkendecke hatte sich etwas bewegt, was dort nicht hingehörte. Der Dunst wurde zuerst durcheinandergewirbelt, bevor er sich verdichtete und eine andere Farbe annahm.
Eine neue Wolke entstand. Eine unnatürliche. Und aus ihr schob sich etwas hervor.
Zwei riesige Hände, die einen seltsamen Gegenstand umklammert hielten, den es in der modernen Zeit kaum noch gab und der mehr an das Pulverhorn eines Jägers aus früheren Jahrhunderten erinnerte.
Es war ein Füllhorn.
Pandoras Waffe!
Und es wurde von zwei Händen gehalten, die es jetzt langsam umkippten und eine Brut des Schreckens entließen.
Eingehüllt in Dampf und Qualm fielen Skelette und schreckliche Monstren der Erde entgegen.
Sie hatte nur ein Ziel.
Das kleine Dorf Billings!
*
Ich befand mich in einer verfluchten Lage!
Zwar saß ich in meinem Leih-Rover und hatte das Kloster auch verlassen, doch das half nicht viel, denn man hatte mir einen gefährlichen Aufpasser mit auf den Weg gegeben.
Den Todesadler!
Ein gewaltiges Tier, ein Monstrum. Pechschwarz in der Farbe, mit einem messerscharfen, gebogenen Schnabel versehen, gewaltigen Schwingen und schockgelben Augen.
Ich besaß keinen hundertprozentigen Beweis, dass Pandora mir den Vogel auf den Hals geschickt hatte, aber es lag auf der Hand. Und ich musste sehen, dass ich ihn loswurde.
Im Augenblick schwebte er mit ausgebreiteten Schwingen vor meinem Wagen. Er stand nicht in der Luft, sondern beobachtete mich und vollzog jeden Schlenker nach, den ich auch mit dem Rover ausführte.
Ich konnte den engen Kurven und der Strecke, die ein starkes Gefälle aufwies, nicht ausweichen, denn es gab leider nur diesen einen Weg hinunter ins Tal.
Zudem war die Straße feucht und genau dort, wo auch der Asphalt begann, leicht gefroren. Sogar erste, feine Schneekristalle fielen gegen die Frontscheibe, wo sie gleich wegtauten.
Sollte ich aussteigen und kämpfen oder weiterfahren? Es gab nur diese zwei Möglichkeiten für mich. Wenn ich die Letzte in Betracht zog, kam ich immer schlechter weg. Der Adler konnte sich auf meinen Wagen stürzen und mit seinem scharfen Schnabel die Scheiben zerhacken. Auf freier Strecke wäre ich das Risiko noch eingegangen, aber nicht in diesen oft sehr engen Serpentinen.
Ich bremste.
Wahrscheinlich hatte ich das Pedal etwas zu hart getreten, der Rover geriet mit seinem Heck ins Rutschen und hätte sich fast quergestellt, denn aus der Spur brach er aus, driftete ein wenig nach links und kam zum Glück noch vor der Felswand zum Stehen, wobei es an der gegenüberliegenden Seite steil in die Tiefe ging.
Vor Schreck würgte ich sogar den Motor ab und blieb für zwei Sekunden sitzen, während ich den Gurt löste.
Bevor ich ausstieg, duckte ich mich etwas und suchte, während ich gleichzeitig den Kopf drehte, den Himmel ab.
Den Adler sah ich nicht.
Ein kaltes Lächeln umspielte meine Lippen. Es war auch nicht nötig, dass ich ihn sah, er war bestimmt noch da und lauerte auf seine Chance, mich zu vernichten.
Mal sehen, wer stärker war.
Die Waffen hatte ich griffbereit und stieß vorsichtig den Wagenschlag auf.
Die kalte Luft umwehte mich. Schneekörper peitschten in mein Gesicht, der Wind trieb sie hart voran, dass sie fast die Wirkung von kleinen Nadeln besaßen, als sie gegen meine Haut hämmerten.
Mit dem rechten Bein stieg ich zuerst aus. Die Beretta hatte ich gezogen, das Kreuz hing vor meiner Brust, und ich hoffte stark, dass mir beides helfen würde.
Dann schaute ich zurück.
Einen Teil der Klostermauern konnte ich noch erkennen. Sie ragten wuchtig und stark vom Berggipfel aus in die Höhe, doch ich wusste genau, dass die Mauern das Böse nicht abhalten konnten.
Vor wenigen Minuten noch war es mir auf drastische Art und Weise gezeigt worden, denn ich hatte die Mönche völlig leblos in der kleinen Kapelle liegen sehen, nachdem mir Pandora noch bewiesen hatte, dass ihr Einfluss auch vor Leichen keinen Halt machte. Der tote Pater Clemens hatte sich auf schreckliche Art und Weise verändert. Er war schwarz geworden und dabei geschrumpft. Es würde lange dauern, bis das Bild aus meinem Gedächtnis verschwunden war.
Im nächsten Augenblick verschwammen die Klostermauern hinter grauen Schleiern, denn die dicken Wolken trieben langsam heran. Sie wirkten in ihrer Trägheit schwerfällig, und als ich meinen Blick zur anderen Seite hindrehte, da entdeckte ich auch die anderen Wolken, die aus den Tälern in die Höhe krochen.
Hier oben braute sich ein widerliches Wetter zusammen, und ich steckte mittendrin.
Wo befand sich der Adler?
Ich suchte ihn. Dabei hatte ich mich hinter dem offenen Wagenschlag geduckt und so eine einigermaßen gute Deckung gefunden. Als ich bremste, war er noch in der Nähe gewesen, doch nun hatte er sich verkrochen. Auf jeden Fall würde er nicht aufgeben.
Links wuchs die Felswand hoch. Sie war ziemlich zerklüftet, zeigte Risse und Spalten, in denen Schnee klebte.
Dort sah ich den Vogel nicht.
An der anderen Seite auch nicht. Bis ich den Schatten innerhalb der Wolken erkannte.
Dort hielt er sich versteckt.
Ich zielte mit dem Waffenlauf genau in diese Richtung und legte ihn dabei auf den Holm der offenstehenden Tür. So konnte ich am besten zielen und erhöhte auch die Treffsicherheit.
Im nächsten Augenblick war er verschwunden. Ob nach oben oder unten, hatte ich nicht erkennen können, jedenfalls bot sich meiner Waffe kein Ziel mehr.
Ein Nervenkrieg begann.
Sekunden dauerte er nur, dann sah ich ihn wieder. Und er war so verflucht nah, denn er schwebte fast lautlos dicht über dem Serpentinenweg und tauchte vor dem Wagen auf.
Dieses Tier hatte die Witterungsverhältnisse geschickt ausgenutzt und rechnete wohl auch mit meiner Schrecksekunde.
Die hatte ich, sodass es dem Vogel gelang, seinen Körper gegen die Wagentür zu schmettern. Die wurde nach hinten gedrückt und damit auch gegen mich geschleudert.
Da ich mein Gewicht mehr auf beide Hacken verlagert hatte, konnte ich der aufschwingenden Tür kaum Widerstand entgegensetzen. Ich fiel auf den Rücken. Eine schlechte Position, die der Adler natürlich ausnutzte.
Sein Körper, das habe ich schon einmal betont, war gewaltig und auch schwer. Er breitete dicht über mir seine großen Schwingen aus, und ich hatte das Gefühl, in einem Zelt zu verschwinden, so dunkel wurde es plötzlich um mich herum.
Ich dachte nur an den Schnabel, der, wenn er kräftig zuhackte, große Wunden reißen konnte. Und Schnabelhiebe in das Gesicht wollte ich auf keinen Fall abbekommen.
Ich riss den linken Arm als Deckung hoch und zielte mit der Beretta an ihm vorbei, als ich abdrückte. Das Aufblitzen des Mündungsfeuers nahm ich nicht wahr, es wurde von dem Körper verschluckt. Meine Kugel musste treffen, auf diese Entfernung konnte ich nicht fehlen, und das Geschoss hieb auch in den Körper.
Der Adler stieß einen wilden, zugleich wütenden Schrei aus, der dicht vor meinen Ohren aufgellte, und als Widerhall in meinem Kopf zu explodieren schien. Dann schrammte etwas über meinen Arm, das sehr scharf war und meine Kleidung aufriss.
Der gekrümmte Schnabel erwischte auch noch meine Haut und riss eine Furche hinein.
Ich biss die Zähne zusammen, denn der erste Schmerz war doch hart. Dann jedoch schien der Adler genug zu haben, denn er stieg in die Höhe und bewegte seine Flügel dabei sehr schnell.
Ich konnte wieder Atem holen. Blieb allerdings noch am Boden und verfolgte das Tier mit meinen Blicken.
Der schwarze Todesadler flog normal. Kein torkelnder Flug, kein Flügelschlag, der auf eine Schwäche hindeutete, obwohl ihn die Silberkugel erwischt hatte.
Aber sie konnte ihn nicht vernichten. Dieses Tier war gegen geweihtes Silber resistent.
Zum Glück hatte er mir eine kleine Atempause gegönnt, die ich auch nutzen wollte. Mich auf einen Kampf mit ihm einzulassen, wollte ich nicht. Er war erstens sehr schnell, zweitens sehr gefährlich, und ich konnte ihn wirklich nicht mit den Riesenfledermäusen vergleichen, die auf Vampiro-del-mars Konto gingen, denn sie hatten meinen Silberkugeln nichts entgegengesetzt. Einmal getroffen, waren sie vernichtet. Als Rest blieb bei ihnen der Staub zurück.
Anders hier.
Der Adler musste einen dämonischen Ursprung besitzen, der mir jedenfalls fremd war. Er und Pandora waren zwei Verbündete, die mir sehr große Schwierigkeiten bereiten konnten und auch würden, denn ein Gegenmittel oder eine Gegenwaffe kannte ich nicht.
Ich streckte den rechten Arm aus, umklammerte den Türholm und zog mich daran hoch. Dann drehte ich mich nach links, wobei ich den Kopf einzog, um mich in den Rover fallen zu lassen.
Wuchtig knallte ich die Tür zu.
Aufatmen. Für einen Moment jedenfalls. Sekunden der Ruhe und der Erholung, bis ich die Schmerzen spürte, die einen Teil des linken Arms ergriffen hatten.
Ich winkelte ihn an und drehte ihn so, dass ich auf ihn herabschauen konnte.
Die Wunde sah nicht sehr böse aus. Der Schnabel, schon mit einem Säbel zu vergleichen, hatte hineingehackt, war aber zum Glück durch die dicke Winterkleidung ein wenig gebremst worden. Trotzdem brannte sie. Ich dachte auch an eine Infektion und wollte dafür sorgen, dass dies nicht eintraf.
Die Notapotheke, in ein weiches Kissen verpackt, lag griffbereit. Einen Reißverschluss musste ich aufziehen, um in die beiden Kissenhälften hineingreifen zu können.
Ich fand ein Pflaster und ein Desinfektionsmittel. Den Adler wollte ich bei meiner eigenen Verarztung auch weiterhin im Auge behalten, wobei mir der auf der Scheibe klebende Schnee leider die Sicht ein wenig versperrte.
Die Wischer schaufelten die Scheibe zum Teil frei.
Von dem schwarzen Todesadler entdeckte ich nicht eine Feder. Dafür den wirbelnden, weißen Schleier, der über der Straße tanzte und schon eine dünne Schicht auf den Rover gelegt hatte.
Nicht nur der Adler war zu meinem Feind geworden, auch der verfluchte Schnee, der die Straße zu einer eisglatten Rutschbahn machte, denn das Zeug blieb liegen.
Aber ich musste ins Tal. Wer konnte denn schon sagen, was dort unten alles geschah? Wahrscheinlich hatte Pandora den Adler nur auf mich gehetzt, um mich von einer Fahrt in die nächste Stadt abzuhalten.
Obwohl es nicht mein Bentley war, hatte ich mich inzwischen mit dem Wagen vertraut machen können. Zudem war er ausgezeichnet in Schuss, der Motor sprang an, kaum dass er den Zündschlüssel gerochen hatte, und ich fuhr los.
Nur vorsichtig gab ich Gas, denn der Untergrund glich einer Schicht aus Seife, doch ich hatte Glück und kam von der Stelle.
Monoton arbeiteten die Wischer. Das Zeug, das gegen die Frontscheibe prasselte, war nicht weich. Es bestand aus Eiskörnern, die festklebten, und ich schaltete das Warmluft-Gebläse ein.
Zuvor hatte ich die Scheinwerfer eingeknipst. Ein matter gelber Glanz fiel auf den eisigen Weg, viel mehr konnte ich durch das Licht nicht sehen, zudem herrschte ein seltsames Zwielicht.
Die erste Kurve.
Ich musste mich stark auf das Fahren konzentrieren und den Todesadler erst einmal aus meinen Gedanken verbannen.
»Bleib ja in der Spur!«, flüsterte ich, »und schmier um Himmels willen nicht ab.«
Der Wagen hatte mein Flehen erhört und tat mir den Gefallen. Er blieb auf dem Weg, ich kam um die Kurve herum und sah bereits die nächste vor mir, die zum Glück nicht so eng war.
Für einen Moment besserte sich auch die Sicht. Eine Felswand hielt den meisten Schnee ab. Die Kurve vor mir war gut einzusehen. Schatten aber fielen auf die Straße, machten sie unübersichtlicher, und an einigen Stellen glitzerte es hell. Ich musste mich hüten, dort hinzufahren, dann würde ich wirklich abschmieren.
Da kam der Adler.
Der Todesvogel schwebte herbei wie ein gewaltiger Schatten. Ich nehme das Beispiel deshalb, weil sich die Scheibe vor mir verdunkelte, ich den Vogel selbst noch nicht genau sah.
Er griff zum zweiten Mal an. Obwohl ich fuhr, störte er sich nicht daran, sondern zielte auf die Scheibe. Dann konnte ich überhaupt nichts mehr sehen, der Vogel kam von vorn, nahm mir die Sicht, und ich ging vom Gas ganz herunter, wobei ich gleichzeitig sehr dosiert das Bremspedal nach unten drückte.
Ich rutschte weg.
Dagegen konnte der beste Fahrer nichts unternehmen. Der Rover war einfach nicht zu halten, ich betete, dass er noch vor der Felswand zum Stehen kommen würde und hatte Glück.
Er hielt, stand zwar schräg, doch das machte mir in diesem Fall nichts aus.
Endlich konnte ich mich um den Adler kümmern, und das wurde auch Zeit, denn das Tier griff an. Und es nahm seinen Schnabel dabei als Waffe, deren Wirkung ich bereits zu spüren bekommen hatte.
Der erste Hieb gegen die Scheibe war wie der Schlag mit einem Stein. Wobei der Stein härter war als das Glas, denn ich hörte das satte, platzende Geräusch, sah das Spinnwebmuster im Glas und auch ein kleines Loch darin.
Der nächste Hieb.
Es hatte keinen Sinn, eine Kugel gegen den Adler abzufeuern, so ließ ich ihn und sah zu, wie sich das Loch erweiterte und mir auch erste kleine Splitter entgegenflogen.
Wieder musste ich raus.
Das wollte der Adler, denn wenn ich nicht mehr durch irgendetwas gedeckt und geschützt war, konnte er seine Schnelligkeit voll ausspielen.
Ich wuchtete die Tür auf, duckte mich, ließ mich nach draußen fallen, machte dabei einen zu großen Schritt und rutschte auf dem Eis aus. Zum Glück konnte ich meinen Fall abfangen. Mir war jedoch klar geworden, dass ich an dieser Stelle keinesfalls weiterkämpfen konnte. Ich hätte überhaupt nicht die Standsicherheit gefunden, deshalb gab es nur eine Möglichkeit.
Rein in die Felsen!
Noch hockte der Adler auf der Kühlerschnauze des Rover. Als ich mich in Bewegung setzte, da drehte auch er seinen Körper, um mich zu verfolgen.
Ich riskierte es einfach, beschleunigte meine Schritte, und es gelang mir, mich an einer Stelle der steil in die Höhe ragenden Wand festzuklammern. Es war eine kleine Felsnase, die ich zu fassen bekam, durch einen Ruck ihre Festigkeit prüfte, zufrieden sein konnte und damit begann, in die Höhe zu klettern.
Beeilen musste ich mich dabei, denn ich wandte dem Adler zwangsläufig den Rücken zu. Davor hatte ich Angst, die sich durch Herzklopfen bemerkbar machte.
Drei, vier Yards wollte ich in die Höhe gelangen, denn dort hatte ich eine kleine Plattform entdeckt, auf der verkrüppelte Bäume wuchsen, die mir beim Klettern auch Halt geben konnten.
Mit dem ausgestreckten rechten Arm bekam ich einen Ast zu fassen. Er hielt mein Gewicht auch, sodass ich mich allmählich in die Höhe ziehen konnte und mich zusammenkauerte, als ich die Plattform endlich erreicht hatte.
Der Schneevorhang war ziemlich dicht geworden. Er kam mir schon wie eine wirbelnde, tanzende Mauer vor. Mein Leihwagen verschwand bereits in diesem Kreisel, und auch der schwarze Todesadler ließ sich Zeit. Mir stach ein Ast besonders ins Auge. Er wuchs schräg in die Höhe und berührte mich fast mit seiner Spitze.
Damit wollte ich mir den verfluchten Todesadler vom Hals halten.
Mit einer Hand schaffte ich es nicht, den Ast abzureißen, sondern musste beide nehmen, lehnte dabei noch meinen Körper zurück und zog.
Ein erstes Knirschen wies daraufhin, dass sich etwas tat. Der Ast brach. Dicht über dem Boden splitterte er ab, ich flog zurück und hatte große Mühe mich zu fangen. Auf dem glatten Boden kein Kinderspiel, fast wäre ich noch von der kleinen Plattform gerutscht. Mit einer Drehung hielt ich mich auf den Beinen.
Dann fuhr ich herum.
Scharf jagten die zahlreichen Schneekörner in mein Gesicht. Sie hieben gegen die Haut, dort brannten sie, und aus der ersten Hitze, die entstand, wenn die Körner aufschlugen, wurde schnell das Gefühl einer kalten Starre.
Ich holte ein paar Mal tief Luft, hatte mich leicht geduckt aufgebaut und wartete auf den Adler, wobei ich den abgebrochenen Ast mit beiden Fäusten festhielt.
Sollte er kommen …
Und er kam. Längst hatte er bemerkt, wo sich sein Feind befand. Er griff an und stieß nicht von unten auf mich, sondern war in den Schneewirbel getaucht, um aus diesen Flocken überfallartig zu erscheinen.
Ich hatte wirklich bis zum allerletzten Moment gewartet. Es war fast schon zu spät.
Wie ein Ritter mit seinem Schwert kämpfte, so hielt ich meinen Ast. Seitlich geschlagen, klatschte er gegen den Körper des schwarzen Todesadlers und holte ihn aus der Luft. Der Treffer schleuderte ihn jedoch nach unten, wo er auf die kleine Plattform prallte und mit seinen Flügeln wild um sich schlug. Ich musste ihn an einer entscheidenden Stelle erwischt haben. Durch meine Aktion ermuntert, griff ich an.
Diesmal war der Ast für mich eine Lanze. Von oben nach unten rammte ich ihn. Ich merkte einen kurzen Widerstand, als das Ende den Körper traf, und noch in derselben Sekunde flatterte das Tier mit seinen Schwingen, die sich vor meinen Augen in die Höhe schraubten und ich von einer gestreift wurde.
Es war ein Schlag, kein Streicheln. Der Adler hatte Kraft, und er war noch nicht erledigt. Während ich nach dem Gleichgewicht suchte, rutschte er über die Plattform, wobei er von dem dichten Flockenwirbel aufgesaugt wurde.
Bei normalem Wetter hätte ich ihn verfolgt. Bei dieser Witterung allerdings musste ich mich um mich selbst kümmern: Eine verdammte Sturmbö hatte mich fast umgehauen. Ich steckte jetzt mitten in den Wolken und konnte die Hand kaum vor Augen sehen. Der Abstieg gestaltete sich als sehr schwierig, das richtige Schuhwerk fehlte mir, ein paarmal rutschte ich aus, ging auch einen anderen Weg und musste zur Straße hin noch springen. Bis zu den Knöcheln reichte mir bereits der Schnee. Die Schicht war auch auf dem Rover liegen geblieben, sodass mich der Wagen an ein Schneeungeheuer erinnerte.
Wo steckte der Adler?
Den Ast schlagbereit in der Hand haltend, stand ich da und schaute mich um.
Wenn Tiere sterben, dann verkriechen sie sich in eine einsame Ecke, um dort ihr Leben auszuhauchen. Da ich den Adler nicht sah, hoffte ich, dass es auch bei ihm so sein würde und ich ihn so stark verletzt hatte, dass er nicht mehr zurückkehrte.
Mehr rutschend als gehend bewegte ich mich auf meinen Leihrover zu und stieg ein.
Durch die zerstörte Scheibe war der Schnee gewirbelt. Er lag auf dem Armaturenbrett, wo er allerdings sehr schnell wegtaute und eine Pfütze hinterließ.
Zu einem Vergnügen würde die Fahrt ins Tal für mich auf keinen Fall werden, das stand fest. Schneeketten lagen auch nicht im Kofferraum, davon hatte ich mich schon zuvor überzeugt. Zwar besaß der Rover Winterreifen, aber es kam immer mehr Schnee hinzu, dass ich schon einen Räumer benötigt hätte, um weiterzukommen.
Trotzdem versuchte ich es. An meiner rechten Fahrerseite konnte ich noch einigermaßen etwas erkennen, ich brauchte nicht die Scheibe einzuschlagen, musste mich allerdings schräg hinsetzen.
Und dann begann eine Fahrt, die ich nie im Leben vergessen würde. Mit einem geliehenen Fahrzeug über vereiste und verschneite Serpentinenwege hinunter ins Tal, das war die Hölle. Ich verfluchte nicht nur mich und das Wetter, sondern auch Pandora, die mir dies alles eingebrockt hatte.
Zudem dachte ich auch an die Mönche, die in einem Zustand magischer Lethargie oben im Kloster St. Patrick zurückgeblieben waren und von denen ich nicht wusste, was noch weiterhin mit ihnen geschehen würde.
Ich war die Strecke schon des Öfteren gefahren, allerdings nicht bei so einem Sauwetter. Von der Gegend sah ich nichts. Der weiße wirbelnde Vorhang verdeckte alles. Dass ich die Straße trotzdem noch fand, grenzte an ein Wunder.
Und dann die Kurven.
Wenn sie eng waren, hatte ich besonders viel Angst. Da wuchsen dann die Wände wie gefährliche Schatten bis dicht an die Straße heran, und manchmal, wenn der Wagen rutschte, glitt ich nur haarscharf an vorspringenden Kanten vorbei.
Von einer Geschwindigkeit konnte man kaum sprechen. Es war ein Kriechen, mehr nicht.
Ich schaute angestrengt nach vorn, atmete durch den offenen Mund und hatte die Hoffnung, dass es eigentlich nur besser werden konnte. Man erlebte es oft genug in den Bergen, dass oberhalb einer gewissen Grenze das Wetter ganz anders ist als im Tal.
An diese Hoffnung klammerte ich mich.
Irgendwann – ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war – erreichte ich das mir schon so bekannte große, gerade Teilstück in einem Hochtal des Gebirges.
Auch kam es mir so vor, als hätte der starke Schneefall ein wenig nachgelassen. Die Sicht wurde besser, ich konnte rechts und links wieder Umrisse erkennen.
Dann machte ich einen Versuch und steigerte die Geschwindigkeit. Im Anfang klappte es, bis ich ein wenig leichtsinnig wurde und zu stark mit dem Gaspedal spielte.
Da kam der Wagen ins Rutschen, und ich näherte mich gefährlich schnell einem Abgrund.
Plötzlich stand Schweiß auf meiner Stirn. Im Nu hatte sich die Lage wieder verschärft, die Reifen rutschten auf dem seifigen Boden, und zu allem Unglück erschien vor der Kühlerschnauze noch ein großer Schatten.
Der Adler!
Ich hatte es geahnt, doch um sich Vorwürfe zu machen, dazu war es zu spät.
Die nächsten Sekunden waren schrecklich, und sie dehnten sich, als würden sie an einem Gummiband hängen, denn der Adler nahm keine Rücksicht mehr.
Er flog den Wagen direkt an und wuchtete seinen großen Körper dort gegen das Blech, wo sich auch die Beifahrerseite befand. Das Krachen hallte wie ein Donner in meinen Ohren nach, dazwischen hörte ich das satte Platzen, als die Scheibe barst, ich erschrak heftig und konnte mich unmöglich auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren, nämlich auf das Fahren und den Adler.
Vielleicht rutschte mein Fuß auch ab, ich wusste es nicht so genau, denn der Rover kippte auf einmal nach vorn.
Man hatte keine Leitplanken aufgestellt. Wer hier fuhr, kannte die Strecke normalerweise, ich auch, aber nicht bei dieser Gefahr und dem Wetter.
Wie im Zeitlupentempo bekam ich mit, dass sich der Wagen nach vorn beugte, als wollte er sich verneigen.
Sollte ich noch aussteigen?
Zu lange hielt ich mich mit der Entscheidung auf, denn der Adler umflatterte das Fahrzeug, und er hieb noch einmal dagegen, sodass es den schweren Rover sogar durchschüttelte.
Es war auch gleichzeitig der Beginn des Abfalls.
Nirgendwo fanden die Räder noch Halt. Zusammen mit dem Auto geriet ich ins Rutschen, wurde immer schneller und durchgeschüttelt. Schnee, Dreck und Wasser drangen durch die zerstörte Frontscheibe, vermischten sich mit dem Glas und machten ein gezieltes Sehen unmöglich.
Mir kam die Zeit endlos vor. Als ich das Krachen hörte, dachte ich noch, jetzt hat es dich erwischt, und der Rover stellte sich allmählich aufrecht, wobei ich noch mitbekam, wie sich sein Vorderteil zusammenschob und zu einer Ziehharmonika wurde, bevor der schwere Wagen wieder nach hinten und gleichzeitig auf die Seite fiel.
Den Aufprall hörte ich noch, dann pakten mich Kräfte, denen ich nichts entgegenzusetzen hatte, und die machten mit mir, was sie wollten …
*
Im Tal schneite es nicht.
Das Wetter hing zwischen den Bergen fest, sodass jeder in dem kleinen Ort Billings freie Sicht besaß.
Auch Suko.
Und er sah das Grauen.
Am grauen Himmel waren zwei Hände aufgetaucht, die ein Füllhorn hielten, das sie allmählich zur Seite kippten und das Gefäß somit leerten.
Es brachte das Grauen!
Die Büchse der Pandora war geöffnet worden, und vielleicht war Suko der einzige Zeuge, der mitbekam, wie das Unheil der Erde entgegenwirbelte.
Dabei flog es lautlos. Da rutschten Skelette aus dem Füllhorn, gefolgt von kleinen, grünen Monstren, dämonenartigen Wesen, die Suko nie gesehen hatte und irgendwo in weiterer oder näherer Umgebung den Boden berührten.
Für Suko war es schrecklich, denn er hatte bereits erlebt, welch ein Grauen Pandora anrichten konnte.
Er brauchte nur an den Arzt Dr. McGovern zu denken, den es voll erwischt hatte. Suko hatte mit ansehen müssen, wie er starb, und der Inspektor schüttelte sich noch im Nachhinein, wenn er daran dachte. Dabei hätte John Sinclair eigentlich in diesen Ort fahren sollen, denn er hatte von einem Amtsarzt die Nachricht bekommen, dass etwas nicht stimmte. Dieser Amtsarzt war mit Dr. McGovern bekannt, der seinen Freund über eine Krankheit alarmiert hatte, die er nicht in den Griff bekam. Sie war in den Lehrbüchern nicht bekannt. John Sinclair war über die Symptome der Krankheit informiert worden und hatte sich entschlossen, nach Billings zu fahren.
Ob Zufall oder nicht, jedenfalls traf noch am selben Tag ein Telegramm von Pater Ignatius ein, der um die Hilfe des Geisterjägers bat.
Ein Klosterbruder war erschossen worden!
Spuren wiesen darauf hin, dass als Täter nur eine Person dafür infrage kommen konnte.
Lady X!
Das war natürlich Wasser auf die Mühlen des Sinclair-Teams. Lady X trieb sich in Schottland herum, und gleichzeitig trat eine seltsame Krankheit auf.
Suko und John entschlossen sich, vereint zu marschieren, um getrennt zuschlagen zu können.
Der Chinese fuhr nach Billings, während John Sinclair sich auf den Weg zum Kloster St. Patrick machte. Was ihn dort erwartete, konnte Suko nicht sagen, er jedenfalls machte sich um seinen Freund Sorgen, so wie dieser sich auch um den Chinesen sorgte.
Nun, sie waren getrennt marschiert, und Suko hatte das Pech oder Glück, einer mächtigen Gegnerin gegenüberzustehen, von der er bisher nur die Hände gesehen hatte, die das Füllhorn auskippten.
Billings war eine tote Ortschaft.
Zwar lebten die Einwohner noch, doch die dämonischen Bazillen hatten ihren Keim in die Menschen gelegt und sich ihrer Körper als auch Seelen bemächtigt.
Menschen waren zu Robotern degradiert worden. Es kam Suko so vor, als hätte man ihnen die Psyche genommen, sie ihrer Seelen beraubt, und das ließ ihn schaudern. Soviel er bisher wusste, gab es nur zwei Personen im Ort, die noch normal waren.
Mrs. McGovern, die Schwester des toten Doktors, und eben Suko. Der Chinese hatte versucht, Mrs. McGovern zur Flucht zu überreden, sie aber wollte bleiben und nicht von der Seite ihres toten Bruders weichen. Eine Reaktion, die Suko irgendwie verstehen konnte.
Er hatte das Haus verlassen, um sich in Billings umzuschauen, und er wollte sich auch in einer Gaststätte informieren. Dort fand man die meisten Menschen, die etwas zu erzählen hatten, denn Suko wollte mehr, viel mehr über Billings wissen. Vielleicht gelang es ihm, die Menschen zum Reden zu bewegen.
Auf dem Weg dorthin passierte es.
Plötzlich erschienen die Wolken. Aus ihnen tauchte das Paar Hände auf, das ein Füllhorn hielt und es über dem Ort Billings ausleerte. Suko hatte die Skelette und Monstren gesehen, aber er konnte nicht erkennen, wo sie sich befanden.
Mittlerweile war auch der Nebel verschwunden. Von Pandora entdeckte der Inspektor ebenfalls nicht die geringste Spur. Minutenlang hatte seine Pause angedauert, jetzt setzte er sich wieder in Bewegung und schritt über die menschenleere Hauptstraße seinem Ziel, der Gastwirtschaft, zu.
Da rührte sich nichts. Der Inspektor hatte das Gefühl, durch eine Geisterstadt zu laufen. Die Bewohner schienen sich verkrochen zu haben, und abermals stieg die Angst in ihm hoch, denn wer sagte ihm, dass er von dem Bazillus verschont blieb?
Er schaute auf seine Hände, suchte nach grauen Flecken, die eine Veränderung ankündigten, aber er sah nichts.
Noch nichts …
Auch die Tiere hatten sich verkrochen. Allerdings wusste Suko sehr genau, dass die Veränderung auch sie erfasst hielt. Nicht umsonst hatte er gegen zwei mutierte Hunde und eine Katze gekämpft, die ihn in ihrem Aussehen an schleimige Ghouls erinnerten, denn so hatten die Körper fast ausgesehen.
Er brauchte nur noch ein paar Schritte zu gehen, um sein Ziel zu erreichen.
Unter dem Schild blieb er für einen Moment stehen und schaute zurück. Die Straße hinter ihm blieb leer. Der Marktplatz wurde von keinem Lebewesen bevölkert. Sie hielten sich zurück.
Tief atmete Suko ein. Er stand vor einer schweren Entscheidung, aber er musste sie durchstehen, denn er durfte von dem einmal eingeschlagenen Weg nicht abgehen.
Das Blut stieg Suko zu Kopf, als er sich mit einem entschlossenen Ruck umdrehte und die Tür der Gaststätte aufstieß.
Kein Lärm, keine Stimme schallte ihm entgegen. Der Inspektor wurde von einer fast lähmenden Stille empfangen, obwohl sich Menschen innerhalb des Gastraums aufhielten.
Frauen befanden sich nicht darunter, sondern nur Männer. Alle Altersgruppen waren vertreten. Suko zählte sieben Personen. Zwei jüngere standen an der Theke und hielten Bierkrüge umklammert. Der Wirt zapfte ein weiteres Glas, und das Geräusch des einschäumenden Bieres unterbrach als einziges die Stille.
Man hatte Suko bemerkt. Jeder Gast drehte sich in Richtung Tür und schaute den Fremden an.
Für einen Moment blieb Suko hinter der Schwelle stehen. Seine Stirn legte sich in Falten, er nahm die Atmosphäre in sich auf, bevor er weiterging.
Sieben Gäste und der Wirt.
Jetzt war auch Suko hinzugekommen. Insgesamt neun Personen. Acht von ihnen zeigten bereits die ersten Anzeichen der schrecklichen Seuche. Ihre Haut wirkte bleich. Deshalb waren die grauen Flecken auf den Wangen besonders deutlich zu erkennen. Bei einigen waren sie groß wie Fingernägel, andere erinnerten schon an die Ausmaße von Geldstücken.
Pandora hatte zugeschlagen!
Der Gastraum zeigte eine gemütliche Einrichtung. Holzbalken unter der Decke, grobe Tische, kleine Fenster. Ein warmes Licht, von Decken und Tischlampen angestrahlt, sorgte dafür, dass man sich in diesem Raum wohlfühlen konnte.
Die Tische waren kreuz und quer aufgestellt worden. Trotzdem erkannte Suko bei näherem Hinsehen so etwas wie einen Gang, durch den er zur Theke schreiten konnte.
Als er sich in Bewegung setzte, knarrten unter seinen Füßen die Holzdielen. Sie bewegten sich ächzend, federten noch etwas und zeigten an einigen Stellen Flecken von eingetrockneten Bierlachen.
Die Menschen verfolgten ihn mit Blicken. Die meisten saßen an den Tischen und drehten die Köpfe, je weiter Suko vorging. Ein älterer Mann öffnete den Mund. Für einen Moment sah es so aus, als wollte er etwas sagen, dann überlegte er es sich und schüttelte den Kopf. Er sprach dabei kein Wort. In ihrer Stummheit wirkte diese Bewegung regelrecht gespenstisch.
Suko erreichte den Tresen. Nur die Holztheke trennte ihn noch von dem Wirt, der seinen Kopf angehoben hatte und ihn fragend anschaute.
»Ich möchte etwas trinken«, sage Suko.
Der Wirt nickte. Er war ein Rübezahl-Typ. Groß, kantig. Sein dunkler Bart, der ebenso rötlich schimmerte wie das Haar, reichte ihm fast bis auf die Brust. Er trug ein grünes Hemd und darüber eine Weste aus speckigem Leder.
Auch in seinem Gesicht befanden sich die grauen Flecken, wie Suko mit Schrecken feststellte.
Der Wirt bewegte sich sehr langsam. Er drehte sich zur Seite, um einen Krug in die Hand zu nehmen, stellte ihn danach unter den Zapfhahn und drehte diesen auf.
Das Bier schäumte aus einem großen Holzfass, das die Mitte der Theke einnahm.
Normalerweise verzichtete Suko auf Alkohol, aber er hätte in so einer Wirtschaft kaum Saft bestellen können. Hier trank jeder das schottische Bier.
Die Menschen schauten Suko an. Sie saßen an ihren Tischen, und als sich der Chinese umdrehte, da sah er ihre Blicke auf sich gerichtet. Es sprach niemand.
Nur das stumme Taxieren und das apathische Starren, das bei dem Inspektor Unwohlsein verursachte.
Er drehte sich wieder um, weil er ein paar Worte reden wollte, und wandte sich an den Wirt. »Was ist denn hier los?«, erkundigte er sich mit leiser Stimme.
Der Bärtige hob die Schultern. Er stand in einer etwas schiefen Haltung hinter dem Zapf und zapfte.
»Weshalb bekomme ich keine Antwort?«
»Sie sind fremd.«
Wenigstens etwas, dachte Suko. Er ist also doch nicht stumm. »Natürlich bin ich fremd, aber ich kann nicht verstehen, was hier vorgeht. Weshalb spricht man hier nicht?«
»Wir reden doch.«
Diese Antwort entlockte dem Chinesen nur mehr ein müdes Lächeln. »Ich weiß, dass die Schotten nicht gerade verschwenderisch sind, aber dass sie auch mit Worten geizen, ist mir neu«, erklärte Suko und schüttelte den Kopf.
»Trinken Sie Ihr Bier. Mister!« Diesen Satz hätte man auch scharf formulieren können, doch der Wirt sprach ihn ebenso ruhig aus wie seine früheren Antworten.
Irgendwie nichtssagend, lethargisch.
»Was ist geschehen?« Suko ließ nicht locker. Er war einmal hier und wollte es auch wissen.
»Nichts.«
»Das sehe ich.« Suko drehte sich um, wandte dem Wirt jetzt den Rücken zu und schaute in das Lokal hinein.
Die Männer hockten an ihren Tischen. niemand rührte sich. Nicht ein Arm wurde erhoben, um ein Glas zum Mund zu führen. Wie Wachsfiguren kamen die Menschen dem Inspektor vor.
»Ich frage euch«, wandte er sich mit lauter Stimme an die Gäste. »Was ist hier in Billings geschehen?«
Man redete nicht, sondern schwieg ihn, den Fremden, an. Soweit es Suko möglich war, blickte er in jedes Gesicht. Ablehnung las er in allen, vermischt mit Apathie und einem gewissen Desinteresse. Suko suchte auch nach Spuren in den Gesichtern der Männer. Die allerdings sah er nicht. Bis ein jüngerer Mann meinte, der links von Suko neben einer Säule saß: »Dich trifft es auch noch, Fremder.«
»Was trifft mich?« »Halte den Mund, Rac!«, sagte ein anderer Mann.
»Nein, lassen Sie ihn reden«, beharrte der Insprektor.
Der mit Rac Angesprochene stand auf und ging. Er beugte dabei seinen Oberkörper vor, die Schritte waren schwer, mit denen er das Lokal durchschritt.
Für einen Moment spielte Suko mit dem Gedanken, ihn zu verfolgen, ließ es dann bleiben, weil er sich von den anderen Gästen Antworten erhoffte.
»Weshalb wollt ihr nicht reden?«, erkundigte er sich.
Jetzt schauten die Männer ihn nicht einmal an, sondern blickten ihrem Freund nach, der verschwunden war und zuletzt die Tür hinter sich zugeknallt hatte.
Suko runzelte die Stirn und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Da war nichts zu machen. Er kam sich vor, als hätte er gegen eine Wand geredet und nicht Menschen angesprochen.
»Ihr Bier, Mister. Wollen Sie es nicht trinken?« Jetzt sprach der Wirt hinter Suko.
Der Chinese drehte sich um.
Apathisch blickten die Augen in dem Rasputin-Gesicht. Das Fass stand zwischen Suko und dem Wirt. Letzterer bewegte sich ein wenig nach links, um Suko den Bierkrug vorbeireichen zu können.
Auch der Inspektor rückte weiter. Er wollte nicht unhöflich sein und das bestellte Bier annehmen.
Mit der rechten Hand hielt der Wirt den Henkel fest. Zwangsläufig schaute Suko auf den Krug und sah auch die Hand.
Seine Augen wurden groß. Er wollte es nicht glauben, doch eine Täuschung war es nicht.
Die Hand hatte sich verändert.
Sie schillerte pechschwarz und fiel genau in diesem Moment ab, als sie Suko das Glas reichen wollte …
*
Ich wurde nicht bewusstlos, sondern erlebte alles mit, auch wenn ich mich in einem Zustand befand, der dem der Gleichgültigkeit irgendwie nahe kam.
Die Wucht des Aufpralls und der von mir nicht kontrollierten Bewegungen hatte mich auf die Seite, genau zwischen die Sitze gepresst. Mit dem Kopf lag ich am Boden. Wasser tropfte vom Armaturenbrett her in meinen Nacken, wo es sich sammelte.
Während ich lag, bewegte sich der Rover. Unendlich langsam neigte er sich zur Seite. Irgendwie machte ich einen völlig irrwitzigen Versuch, mich noch dagegen anzustemmen und mein Gewicht zu verlagern, aber so konnte ich das Fahrzeug auf keinen Fall aufhalten. Ein Knirschen und Reißen erklang innerhalb der Karosserie, der Rover stöhnte, als läge er in den letzten Zügen, was auch irgendwie seine Berechtigung hatte, denn mit dem Fahrzeug konnte niemand mehr fahren.
Noch ein Schlag.
Dann platzten die Scheiben. Die Frontscheibe war sowieso schon zerbrochen, die anderen Scheiben gaben allmählich ihren Geist auf, und der Rover geriet wieder ins Rutschen.
Ich hatte gedacht, dass er sich irgendwo festklammern konnte oder aufgehalten werden würde, dies schien nur so, denn mit dem Vorderteil zuerst rutschte der Rover talwärts.
Langsam, dennoch unaufhörlich.
Ich hatte mich zusammengeduckt. Bei der Rutschpartie war mit mir gespielt worden. Einige blaue Flecken würden zurückbleiben, gebrochen oder verstaucht hatte ich mir zum Glück nichts.
Immer weiter ging es.
Auch ein Hindernis erschien. Ich konnte es nicht sehen, dafür hörte ich, wie der Rover dagegenhieb. Diesmal mit der linken Seite, die eingedrückt wurde.
Zum Glück lag ich rechts, sodass mir nichts geschah. Ich schielte rüber und sah, dass die Tür Beulen bekam und die Verkleidung innen wegplatzte.
Noch ein Ruck.
Diesmal kam er mir vor, als hätten starke Hände am Heck des Rover kräftig geschoben.
Dann stand das Fahrzeug.
Es gab ein letztes Stöhnen von sich, als wäre es ein waidwund geschossenes Tier. Mir hatte mal ein Autonarr erzählt, dass auch Blech ein eigenes Leben führte. Als ich das Stöhnen vernahm, konnte ich dem Auto-Fan fast glauben.
Danach legte sich die Stille über die Absturzstelle. Obwohl es dabei nicht absolut still war, denn ich hörte das Prasseln des Eisregens, der, vom Wind getrieben, auf die Karosserie hieb und durch die zerstörten Scheiben drang, wobei er auch mein Gesicht traf.
Ich musste raus.
Das war leichter gedacht, als getan. Schließlich wusste ich nicht, wie der Wagen gefallen und wohin er gerutscht war. Er konnte am flachen Hang liegen, aber auch ebenso gut dicht vor einem Steilhang gestoppt haben.
Nur keine zu hastigen Bewegungen, mein zerknautschtes Blechgefängnis konnte es mir unter Umständen übel nehmen.