John Sinclair Großband 38 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Großband 38 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

10 gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis in einem Band!

Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.
Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern aus den Jahren 1978 - 1989 und ziehe mit ihm in den Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit. Erlebe mit, wie John Sinclair zum Schrecken der Finsternis wurde und die Serie Kultstatus erreichte.

Tausende Fans können nicht irren - über 640 Seiten Horrorspaß garantiert!
Dieser Sammelband enthält die Folgen 371 - 380.

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Seitenzahl: 1391

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Jason Dark
John Sinclair Großband 38

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2015 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Vicente B. Ballestar

ISBN: 978-3-7517-4714-1

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

John Sinclair Großband 38

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

John Sinclair 371

Cover

John Sinclair – Die Serie

Über dieses Buch

Über den Autor

Impressum

Karawane der Dschinns

Vorschau

John Sinclair 372

Cover

John Sinclair – Die Serie

Über dieses Buch

Über den Autor

Impressum

Werwolf-Omen (1. Teil)

Vorschau

John Sinclair 373

Cover

John Sinclair – Die Serie

Über dieses Buch

Über den Autor

Impressum

Das Schiff der Bestien (2. Teil)

Vorschau

John Sinclair 374

Cover

John Sinclair – Die Serie

Über dieses Buch

Über den Autor

Impressum

Der Inka-Henker

Vorschau

John Sinclair 375

Cover

John Sinclair – Die Serie

Über dieses Buch

Über den Autor

Impressum

Bluthand aus dem Jenseits

Vorschau

John Sinclair 376

Cover

John Sinclair – Die Serie

Über dieses Buch

Über den Autor

Impressum

Der Spiegel des Spuks

Vorschau

John Sinclair 377

Cover

John Sinclair – Die Serie

Über dieses Buch

Über den Autor

Impressum

General Zombie

Vorschau

John Sinclair 378

Cover

John Sinclair – Die Serie

Über dieses Buch

Über den Autor

Impressum

Masken- Terror (1.Teil)

Vorschau

John Sinclair 379

Cover

John Sinclair – Die Serie

Über dieses Buch

Über den Autor

Impressum

Todesfalle unter Wasser (2.Teil)

Vorschau

John Sinclair 380

Cover

John Sinclair – Die Serie

Über dieses Buch

Über den Autor

Impressum

Ich und der Poltergeist

Vorschau

Guide

Start Reading

Contents

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über dieses Buch

Karawane der Dschinns

Der Anführer der Dschinnhorde gab den Befehl, und sie ritten an. Die Hufe der Kamele trommelten über den ausgetrockneten Boden, die Horde jagte auf eine Kirche zu. Die goldenen Schwerter der Dschinns waren mit magischen Kräften aufgeladen, nichts konnte sich ihnen entgegenstellen. Die Karawane der Dschinns stellt eine tödliche Gefahr dar.

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin Verantwortlich für den Inhalt E-Book-Produktion: Jouve

ISBN 978-3-8387-3132-2

www.bastei-entertainment.de www.lesejury.de www.bastei.de

Karawane der Dschinns

Bei Regen und feuchter Straße soll man Abstand halten! Daran dachte ich an diesem Morgen auch, als ich auf der Fahrt von meiner Wohnung zum Büro war. Die Umleitung musste ich nehmen, weil irgendwo Frostschäden ausgebessert wurden. Es kam zu Staus.

Plötzlich stoppte vor mir ein Lastwagen.

Reaktionsschnell trat ich auf die Bremse. Mit seinen Regenreifen kam der Bentley sofort zum Stehen. Urplötzlich wurden die beiden Türhälften des Lasters aufgestoßen. Ich sah sie wie zwei Flügel auf mich zukommen, doch sie berührten mich nicht. Der Kerl war gleich darauf an der offenen Ladefläche zu sehen. Durch die Frontscheibe des Bentley starrte er mich an und sprang.

Der ist wahnsinnig, dachte ich noch, dann hörte ich schon den dumpfen Klang, als der Typ mit beiden Beinen auf der Motorhaube meines Autos landete.

Okay, der Wagen war alt. Keiner wird jünger, auch ein Auto nicht. Aber das war noch lange kein Grund, ihn zu malträtieren. Dagegen hatte ich etwas.

Ich stieß den Wagenschlag an meiner Seite auf und sprang aus dem Fahrzeug.

Der Typ war von der feuchten Motorhaube gerutscht und stand zwischen dem Kühlergrill des Bentleys und der Hecktürenklappe des Lastwagens. Schimpfend lief ich auf ihn zu. »Was fällt Ihnen eigentlich ein!«, fuhr ich ihn an. »Sind Sie eigentlich von allen guten Geistern verlassen?«

Das musste er sein. Ich jedenfalls hätte nach einer solchen Attacke nicht gegrinst. Er tat es, und ich kam mir vor, als würde er mich zudem noch auslachen.

Ich warf keinen Blick auf die Motorhaube, sondern wollte mir den Knaben vornehmen. Ohne Grund tat man so etwas nicht. Und deshalb war auch mein Misstrauen erwacht.

Der Mann war dunkelhaarig, besaß einen braunen Teint, trug einen ebenfalls dunklen Anzug und hielt plötzlich ein Messer in der Hand. Der Griff war in seiner Faust verborgen gewesen, und auf einen Knopfdruck hin schoss die Klinge plötzlich vor.

Fast wäre ich gegen die Spitze gelaufen. Im letzten Augenblick konnte ich stoppen, schielte nach unten und sah den blitzenden Reflex dicht über meiner Gürtelschnalle.

Ich nahm diese Person durchaus ernst. Wer es fertigbrachte, im morgendlichen Berufsverkehr einen Wagen anzuhalten und dessen Fahrer mit dem Messer zu bedrohen, der schaffte noch ganz andere Dinge, und dem würde es wahrscheinlich auch nichts ausmachen, seinem Feind die Messerklinge in den Leib zu stoßen.

Deshalb blieb ich stehen. Mein Blick traf die dunklen Augen des Mannes. Ich erkannte, dass die Brauen ebenso schwarz waren und über der Nasenwurzel schräg aufeinander zuwuchsen.

»Was soll das?«, fragte ich ihn.

»Einsteigen.« Der Kerl deutete mit seiner freien Hand nach links, wo der Wagen mit der offenen Ladetür stand.

Die beiden Hälften waren wieder zugefallen. Allerdings nicht völlig, denn zwischen ihnen klemmte etwas Rundes, das ich sehr genau kannte.

Es war eine Mündung.

Und zwar die einer Maschinenpistole. Zu sagen brauchte der andere nichts mehr, die drohende Mündung sprach für sich. Dennoch wollte ich es ihm nicht zu leicht machen und fragte: »Was soll ich?«

»Einsteigen.«

»In den Lkw?«

»Ja.«

»Und dann?«

Seine dunklen Augen bekamen einen harten Glanz. »Steig ein!«

Nun ja, wenn man so überzeugende Argumente gegen sich hat, bleibt einem wohl nichts anderes übrig. Ich hob die Schultern und drehte mich so, dass ich der Kühlerfront meines Bentleys den Rücken zudrehte.

Im Innern des Lkw musste man bemerkt haben, was von der Ladefläche passierte. Der rechte Türflügel wurde aufgedrückt. Links stand jetzt der Typ mit der MPi.

Ich kletterte auf die Ladefläche. Allmählich hatte ich ein dumpfes Gefühl bekommen. Den Mann, der mich mit dem Messer bedrohte, kannte ich nicht. Noch nie zuvor hatte ich ihn gesehen, aber er musste mich kennen, sonst hätte er mich nicht angehalten.

Auf allen vieren verschwand ich im Dunkel der Ladefläche. Dass sich außer mir und dem Messerhelden noch andere Personen dort aufhalten mussten, war mir klar.

Es roch nach Mensch.

Ein besonderer Geruch. Nicht allein den Schweiß nahm ich wahr, auch einen anderen »Duft«: Knoblauch.

Meine Augen brauchten Zeit, um sich an das Dämmerlicht zu gewöhnen, dazu kam es nicht mehr. Ich hörte den Knall, als die Wagentür hinter mir zugeschlagen wurde, vernahm Worte in einer kehlig klingenden Sprache, bevor ich den Hieb in den Nacken bekam, der mich zu Boden streckte.

Ich fiel auf die Knie, spürte in meinem Nacken die Taubheit, die sich bis in den Kopf ausbreitete und merkte kaum, dass ich mich mit den ausgestreckten Händen abstützte, sodass ich in der knienden Haltung blieb.

Das Denken fiel mir schwer. Trotzdem dachte ich an meinen letzten Fall, wo ich auch auf eine verrückte Art und Weise entführt worden war. 1 Dieses Kidnapping war auch nicht normal und wesentlich risikoreicher als das Letzte. Wer das tat, musste ziemlich stark unter Druck stehen.

Ich stand auch unter Druck, denn etwas Kaltes, Rundes wurde mir in den Nacken gedrückt.

Eine Mündung!

Sie gehörte wahrscheinlich der Maschinenpistole, die ich kurz zuvor zwischen den beiden Türen hatte klemmen sehen. Gleichzeitig wurde ich durchgeschüttelt.

Der Wagen war angefahren.

Da ich zum Glück kniete, kippte ich nicht um. Noch einmal musste ich einen Ruck ausgleichen, dann verlief die Fahrt normal. Mir kam es vor wie ein Traum. Dass dem nicht so war, bewiesen mir die geflüsterten Worte, der kalte Druck im Nacken und der Knoblauchgestank.

Knoblauch war in. Er hatte schon längst Einzug in die mitteleuropäischen Küchen gehalten. Wer allerdings so intensiv roch, der konnte eigentlich nur zu den Orientalen gehören.

Hatten die mich gepackt?

Vom Typ her konnte der Messerheld gut nach Arabien oder an die Levante passen.

Wieder erklang ein Befehl. Er war flüsternd gesprochen worden, aber auch sehr scharf. Er wurde verstanden, denn plötzlich hingen sie wie die Kletten an mir.

Bevor ich mich versah, wurden mir nicht nur die Arme weggezogen, auch die Beine mussten daran glauben. Ich konnte mich nicht mehr halten und fiel flach zu Boden. Dabei hatte ich noch das Pech, mit dem Kinn aufzuschlagen. Ich fluchte über meine eigene Dummheit, weil ich mich hatte überrumpeln lassen.

Sie waren wie wild. Plötzlich knieten sie auf mir. Arme und Beine wurden durch ihre Körpergewichte belastet, ich konnte mich nicht mehr rühren und erst recht nicht wehren, als flinke Finger mich abtasteten.

Sie suchten etwas.

Die Beretta war ich los, das Kreuz ebenfalls. Sie fassten es an. Demnach waren es keine Dämonen, die mich überrumpelt hatten.

Aber wer steckte dahinter?

Allmählich wurde ich sauer, denn sie behandelten mich wie einen Schinken. Ich wurde herumgerollt, wieder abgetastet und hörte ihre zischenden, jetzt böse klingenden Stimmen.

Die Augen hielt ich weit offen, denn ich wollte in die Dunkelheit hineinschauen und erkannte meine Gegner nur mehr als schattenhafte Gestalten, die sich blitzschnell bewegten, miteinander sprachen und mich dabei anstarrten.

Ihre helleren Gesichter hoben sich ein wenig von dem übrigen Dämmer ab. Dann schaltete jemand eine Taschenlampe ein. Dieser Sadist richtete den Strahl direkt auf mein Gesicht. Voll wurde ich geblendet und musste die Augen schließen.

So blieb ich liegen:

Ich spürte auch kein Gewicht in der rechten Innentasche der Jacke. Dort steckte stets meine Brieftasche mit dem Dienstausweis.

Den hatten sie mir also abgenommen, und sie schienen das Dokument im Licht der Lampe zu lesen, was ich ihren Gesprächen entnehmen konnte. »Ja, er ist es, wir sind keinem Bluff aufgesessen.«

»Aber wo hat er sie?«

»Weiß ich nicht. Ich habe ihn durchsucht.«

»Er muss sie haben, verdammt.«

Sie sprachen jetzt Englisch, sodass ich ihre Worte auch verstehen konnte. Obwohl ich die Augen noch immer geschlossen hielt, wollte ich mich bemerkbar machen. »Kann mir einer von Ihnen mal erzählen, um was es überhaupt geht?«

»Du bist ruhig.«

Das war ich nicht. »Sie wissen, was auf die Entführung eines Polizeibeamten steht?«

»Es ist keine Entführung.«

Ich lachte rau. »Was dann?«

»Eine Einladung.«

»Da habe ich schon andere erlebt.«

Ich bekam keine Antwort mehr. Dafür spürte ich wieder den Druck auf der Brust. Das war mit Sicherheit die Mündung der MPi.

Da ich erstens nicht lebensmüde, zweitens aber neugierig war, wollte ich unbedingt herausfinden, was man von mir wollte und weshalb man mich entführt hatte. Freiwillig rückte keiner von ihnen damit heraus. Möglicherweise erst am Ziel. Bis dahin beschloss ich, mich in Geduld zu fassen. Dass mir dies nicht leichtfiel, versteht sich von selbst. Es ist auch nicht jedermanns Sache, rücklings auf einer Ladefläche zu liegen und zu warten, wo diese unfreiwillige Reise endet.

Jedenfalls fuhren wir nicht nur über gerade Straßen. Auch in Kurven wurde der Wagen gerissen. Mal rechts, dann wieder links herum. Wahrscheinlich befanden wir uns in Soho, denn dort gibt es eben diese engen und kurvenreichen Straßen.

Schließlich hielt der Wagen an. Draußen quietschte etwas. Wahrscheinlich war es ein Tor, das geöffnet wurde. Wenig später rollte das Fahrzeug wieder an.

Nur einige Yards weit, denn schon wurde es wieder abgebremst. »Bleib so liegen!«, befahl man mir, und ich konnte auf die Schritte achten, die sich der Doppeltür näherten.

Ich öffnete die Augen. Der Lampenstrahl blendete mich nicht mehr. Dafür sah ich durch die offene Tür das graue Licht eines Regentags.

Ich lag zwar auf dem Rücken. Wenn ich den Kopf ein wenig anhob und über meine Zehenspitzen lugte, konnte ich nach draußen schauen, wobei mein Blick auf eine helle Mauer fiel, die wohl einen großen Hof begrenzte.

Das genau musste das Ziel sein.

Nur – wo lag es?

Wir waren nicht sehr weit gefahren. Bis zum Yard Building wäre ich meiner Ansicht nach länger unterwegs gewesen. Demnach mussten wir uns irgendwo in Soho befinden.

Das sah ich als einen Vorteil an. London ist immer gut. In dieser Stadt kenne ich mich aus.

Vier Männer erschienen und blieben neben mir stehen. Zwei von ihnen bückten sich. Sie fassten mich unter und halfen mir auf die Füße.

Schweigend starrten sie mich an. Ich versuchte aus ihren Gesichtern etwas herauszulesen, was mir überhaupt nicht gelang. Sie blieben völlig ausdruckslos. Nur beobachteten sie mich sehr genau. Da sie bewaffnet waren und ich nicht, hatte es keinen Sinn, wenn ich mich wehrte.

An der Ladetür stand ein Fünfter. Er sah aus wie der Chef. Gesprochen hatte er mit mir noch kein Wort, gab den anderen jedoch ein Zeichen, und die packten zu.

An den Oberarmen wurde ich gefasst und auf die offene Ausgangstür zugeschleift. Als ich mit dem Anführer auf einer Höhe stand, schüttelte ich die Hände der anderen blitzschnell ab und schaute dem Mann ins Gesicht.

»Sind Sie so etwas wie der Chef?«

»Mein Name ist Al-Acham.«

Das war überraschend für mich. Normalerweise stellten sich mir meine Gegner nicht vor.

»Gut.« Ich nickte. »Sie wissen ja, wer ich bin. Deshalb frage ich Sie, ob …«

»Es ist keine Entführung im eigentlichen Sinne«, klärte er mich auf. »Ich möchte Sie jetzt schon bitten, uns zu verzeihen, Mr. Sinclair.«

Mein Grinsen fiel schief aus. »Sie sind gut. Erst kidnappen Sie mich auf eine spektakuläre Art und Weise, dann soll ich Ihnen verzeihen. Finden Sie das nicht ein wenig ungewöhnlich?«

»Das mag Ihnen so vorkommen. Uns nicht.«

Der Mann hatte gut reden. Meinte er es ehrlich? Ich forschte in seinem Gesicht. Die Augen blieben ausdruckslos. Sie waren dunkel wie sein Oberlippenbart. Das Haar wuchs voll auf seinem Kopf. Eine dünne, graue Strähne zierte die Frisur. Mich erinnerte er ein wenig an den Schauspieler Omar Sharif.

»Wenn alles so normal ist, wie Sie vorgeben, dann können Sie mir ja meine Waffen zurückgeben.«

»Was hat man Ihnen genommen?«, fragte er zu meiner Verwunderung.

»Die Pistole und das Kreuz.«

»Wer?«

»Einer von Ihren Figuren.«

»Es sind aufrechte Männer!«, berichtigte er mich. »Und sie kämpfen für eine gute Sache. Das werden auch Sie bald feststellen können, Mr. Sinclair.«

»Bisher kam es mir nicht so vor.«

»Gebt ihm zurück, was ihm gehört!«, befahl Al-Acham.

Zuerst nahm ich mein Kreuz entgegen, das von dem Anführer sehr genau angeschaut wurde. Das Magazin meiner Beretta überprüfte ich. Erst als ich sah, dass keine Kugel fehlte, ließ ich die Beretta wieder in der Halfter verschwinden.

»Können wir jetzt gehen?«, wurde ich gefragt.

»Sicher, Mister.« Ich lächelte. »Aber nach Ihnen.«

Al-Acham nickte. Er drehte sich um und sprang von der Ladefläche. Ich konnte es noch immer nicht fassen, was da abgelaufen war. Erst entführte man mich auf eine ungewöhnliche Art und Weise, dann gab man mir meine Waffen zurück, als wäre nichts geschehen.

Was waren das nur für Leute, und was wollten sie von mir?

Die vier anderen blieben hinter mir. Ich spürte ihren Atem im Nacken, so nah waren sie mir auf den Fersen. Als Erster sprang ich nach draußen. Dort stand bereits Al-Acham. Er hatte seine Hände in den Taschen des dunklen Mantels vergraben. Als Orientale musste ihn das Londoner Wetter besonders aufregen.

Es war auch schrecklich. Der Winter wollte sich einfach nicht verabschieden. Mitte März hatten wir schon, und noch immer war es nicht wärmer geworden.

Da rieselte feiner Schnee vom Himmel. Manchmal wurde er von Windböen gepackt und in unsere Gesichter geschleudert, sodass die kleinen Kristalle wie Nadeln stachen.

Ich stand tatsächlich in einem Hof. Von vier Seiten war er abgeschlossen. Die mit Stacheldraht bestückte Mauer war höher als ein normaler Mensch groß. Wenn ich über sie hinwegschauen wollte, musste ich mich auf die Zehenspitzen stellen.

An einer Seite jedoch versperrte mir eine Hauswand den Weg. Sie war grau und glatt. Eine Tür besaß sie, aber kein Fenster. Der Schnee rieselte gegen sie und hatte sich bereits in den sie durchziehenden Ritzen festgesetzt, wie eine Schicht aus weißem Moos.

Al-Acham hatte sich zu mir gesellt. Er deutete auf die Rückfront des Hauses. »Darf ich Sie bitten, mir zu folgen?«

»Und wohin?«

»In den Tempel.«

Ich hatte antworten wollen, mir blieben die Worte im Hals stecken, so überrascht war ich.

»Haben Sie mit etwas anderem gerechnet?«

»Allerdings.«

»Und womit?«

»Eher mit einem Keller, in dem Sie mich für eine Weile schmoren lassen würden.«

»Nicht mit dem Tod?«

»Ich habe es mir abgewöhnt, damit zu spekulieren.«

Al-Acham wischte durch sein Gesicht. »Vielleicht sollten Sie es sich wieder angewöhnen, sobald Sie erlebt haben, was in unserer Kirche vor sich geht.«

Er wollte sich schon abwenden, ich aber hielt ihn an der Schulter fest. »Moment noch, Meister. Erst sprechen Sie von einem Tempel, jetzt von einer Kirche. Das verstehe ich nicht. Was soll das alles?«

»Wir sagen beides.«

»Ach ja? Und wieso?«

»Weil wir Christen sind.«

Ich runzelte die Stirn. Für mich wurden seine Antworten immer verworrener. Tempel, Kirche, Christen, irgendwie hatte ich das Gefühl, als wollte er mich auf den Arm nehmen. Das sagte ich ihm auch und fügte noch etwas hinzu. »Hören Sie, bevor ich Ihnen folge, möchte ich genauere Informationen haben.«

»Das können Sie gern, Mr. Sinclair. Wir sind tatsächlich Christen, aber nicht die, die Sie kennen, wenn Sie verstehen. Wir stammen aus Ägypten und sind die Arabisch sprechenden, christlichen Nachfolger der alten Ägypter. Wissen Sie nun Bescheid?«

»Ja, man nennt Sie auch Kopten.«

»So ist es.«

»Und ich soll Ihnen helfen?«

»Wir werden sehen, ob Sie es können. Eigentlich müssten Sie es.« Er bedachte mich mit einem langen Blick. »Sie sind der Mann, der etwas sehr Wertvolles besitzt.«

»Wie meinen Sie das?«

»Später, Mr. Sinclair. Wenn Sie jetzt die Güte hätten und mir folgen würden? Sie können übrigens anrufen und in Ihrem Büro Bescheid geben  …«

Ich war noch nicht fertig. »Hätten Sie mich nicht auch anrufen und herbitten können?«

»Das hätten wir.«

»Weshalb haben Sie es nicht getan?«

»Will ich Ihnen sagen. Sie sollten erleben, dass auch wir über gewisse Machtmittel verfügen und bereit sind, sie auch einzusetzen. Es geht um eine große Sache, die allen Einsatz erfordert. Wir dürfen einfach auf nichts Rücksicht nehmen.«

»Auch nicht auf bestehende Gesetze?«

»Nein.«

»Das geht nicht.«

Er lächelte wissend. »Wenn Sie einmal mit den Tatsachen vertraut gemacht worden sind, werden Sie alles genau erleben können und die Dinge auch mit anderen Augen sehen. Glauben Sie mir, Mr. Sinclair, wir haben nicht ohne Grund so reagiert.«

»Es muss ein triftiger Grund sein.«

Er antwortete mir nicht mehr und ging vor. Ich folgte ihm kopfschüttelnd und nachdenklich.

Hinter mir schritten die anderen vier Männer. Ein Fünfter, der Fahrer, saß noch im Wagen. Ich sah sein Gesicht, als ich einen Blick über die Schulter warf.

Al-Acham holte aus seiner Manteltasche einen Schlüssel und blieb vor der grau gestrichenen Hintertür stehen. Er bückte sich, suchte das Schloss und öffnete.

Höflich hielt er mir die Tür auf. Ich ließ ihn dennoch vorgehen. Als ich über die Schwelle trat, schwang die Tür schon zu. Sie glitt langsam wieder in ihre alte Stellung, ein Zeichen dafür, dass sie sehr schwer war.

Mir war als Erstes ein bekannter Geruch in die Nase geströmt. Ich kannte ihn von Kirchenbesuchen an hohen Festtagen her. So roch nur Weihrauch.

Überall war dieser Geruch. Er hatte sich in dem langen klosterähnlichen Gang mit den weißen Wänden ausgebreitet. Es war kaum zu fassen, dass jenseits der Tür ein schmutziger Hinterhof lag, denn ich hatte zusammen mit den anderen eine völlig andere Welt betreten.

Es war die Welt der Erneuerung im geistlichen Sinne. Ein Hort des Friedens, des Gebets und der Gesänge, denn sie vernahm ich wie aus weiter Ferne.

Ein schwermütiger Singsang, irgendwie zu vergleichen mit Chorälen gregorianischer Mönche.

Al-Acham hatte bemerkt, dass ich mich darüber wunderte. Er war stehen geblieben und hatte die Schultern gehoben. »Unsere Gemeindemitglieder versuchen, durch Gebete und Gesänge das Böse zu stoppen. Ob es ihnen gelingt, ist noch fraglich.«

»Als letzten Joker haben Sie dann mich geholt.«

»So ungefähr.«

Ich ging kopfschüttelnd weiter. Vorbei an den schmalen Wandnischen, in denen brennende Kerzen standen. Ihr Lichtschein fiel auf die kleinen ikonenartigen Holzbilder, die allesamt Motive aus dem christlichen Leben der Kopten zeigten oder einfach nur Heiligenfiguren darstellten. Die meisten von ihnen waren gekleidet wie Mönche.

Ich erinnere mich daran, von koptischen Klöstern gelesen zu haben. Sie waren damals bekannt und berühmt gewesen für ihre Strenge und Askese. Ihr Glaubensfundament hatten sie in den Niederschriften des Apostels Marcus gefunden. In den ersten Jahrhunderten nach der Zeitrechnung hatten die Kopten eine sehr große Gemeinde gebildet, die auch zusammenhielt.

Wir waren allein. Unsere vier Begleiter mussten draußen geblieben sein. Das fiel mir erst jetzt auf.

»Wo wollen Sie hin?«, fragte ich Al-Acham.

»Nicht in den Kirchenraum, wir werden in die Gruft steigen.«

Ich runzelte die Stirn. »Und was soll ich da?«

»Jemand kennenlernen.«

»Darf ich fragen, wen?«

»Ich würde Ihnen jetzt keine Antwort geben, Mr. Sinclair. Lassen Sie sich überraschen.«

»Das tue ich schon die ganze Zeit über«, erwiderte ich und wollte dem anderen folgen, als meine Aufmerksamkeit auf ein Bild gelenkt wurde, das in der Nische stand, vor der ich mich aufhielt. Zuerst dachte ich an eine Täuschung, bis ich genauer hinschaute und auch erkannte, dass sich das im Holz abzeichnende Gesicht tatsächlich bewegte.

Es war ein Heiligenbild. Der helle Heiligenschein lag wie ein Kreis um den schmalen Kopf.

Er interessierte mich nicht, vielmehr waren es die groß gemalten Augen, die mich in ihren Bann zogen.

Sie weinten blutige Tränen  …

*

Durch einen Zischlaut machte ich den schon vorgehenden Al-Acham darauf aufmerksam. Er drehte sich um, sah mein Winken und war mit wenigen Schritten bei mir.

»Was ist denn?«

»Schauen Sie sich das Bild an.«

Al-Acham ging noch etwas vor. Er senkte den Kopf und blickte genauer hin. »Ja!«, hauchte er. »Ja, das ist es. Das ist es haargenau. Sie sind bereits unterwegs und versuchen, unseren Abwehrschirm zu zerstören. Es ist wirklich höchste Zeit gewesen, etwas dagegen zu unternehmen, Mr. Sinclair.«

»Weshalb weint er diese Tränen?«

»Er sprüte das Grauen.«

»Welches?«

»Jedes Bild besitzt seine Geschichte«, erklärte mir Al-Acham flüsternd und richtete sich dabei auf. »Und jedes hat seine besondere Bedeutung. Sie alle stehen hier zum Schutz, aber das will ich Ihnen nicht alles sagen. Wichtig ist, dass Sie mit mir in die Gruft kommen. Dort erleben Sie es hautnah.«

Ich hob die Schultern. Nur ungern wandte ich mich ab. Die Tränen aus Blut quollen noch immer aus den Augen, rannen an den dünnen Wangen entlang, verließen das Bild und zerrannen auf dem hellen Gestein der Nischenbank, wo sie rote Streifen hinterließen. Nicht ein Geräusch entstand dabei, nur als die ersten Tropfen von der Nische aus nach unten fielen, vernahm ich ein leises Klatschen.

Ich ging langsamer weiter, schaute mir in den folgenden Nischen jedes Bild an, weil ich sehen wollte, ob auch dort blutige Tränen geweint wurden.

Das war nicht der Fall.

Schließlich erreichte ich Al-Acham, der vor einer schmalen Holztür stehen geblieben war.

»Ist das hier der Zugang zur Gruft?«, fragte ich ihn.

»Ja.« Er hatte die Tür schon aufgedrückt. Ich schaute über seine Schulter hinweg, und mein Blick fiel auf eine geschwungene helle Treppe aus Kalksandstein, die in einem nach links schwingenden Bogen in die Tiefe eines Kellers führte.

Selbst hier nahm ich noch den Weihrauchgeruch wahr!

Al-Acham ging vor. Dabei bemühte er sich, die Schritte zu dämpfen. Er wollte wohl die Ruhe in der Gruft nicht stören. Auch ich dämpfte das Geräusch meiner Schritte.

Es war kein elektrisches Licht eingeschaltet worden. Um die Stufen erkennen zu können reichte der Schein der in eisernen Haltern steckenden Kerzen völlig aus.

Sie befanden sich über uns an der rechten Wand. Jedesmal, wenn sie von einem Luftzug gestreift wurden, bewegten sich ihre Flammen und schufen ein zuckendes Muster.

Die Treppe endete direkt in der Gruft. Ein großes unterirdisches Gewölbe mit die Decke stützenden Säulen, flackerndem Kerzenschein und auch zahlreichen Nischen im Hintergrund.

Ich war vor der letzten Stufe stehen geblieben, denn ich wollte die Atmosphäre dieser Gruft in mich aufnehmen. Manchmal besitze ich so etwas wie einen sechsten Sinn für Gefahr.

Hier deutete sich nichts an  …

Mich überkam so etwas wie ein ehrfürchtiges Gefühl. Ich hatte den Wunsch, einfach den Mund zu halten, kein Wort zu reden, um die Stille nicht zu stören.

Sie war einfach da. Irgendwie kam es mir vor, als würde sie etwas erzählen.

Von einer langen, schweren Vergangenheit, von einer Last der Unterdrückung und des Kampfes, den die Kopten wegen ihres Glaubens jahrhundertelang getragen hatten.

Das merkte auch Al-Acham. »Sie spüren es auch, nicht wahr?«, fragte er flüsternd.

»So ähnlich  …«

»Jeder spürt es.«

»Was ist es denn?« Auch ich hatte meine Stimme gesenkt, weil ich daran glaubte, dass jedes zu laut gesprochene Wort störend wirkte.

»Es ist der Geist des Chamal Gossarah, unseres großen Freundes und Vorbilds.«

»Und wer war dieser Mann?«

»Ein Großer, ein Gerechter. Ein Mönch, den viele verehrten. Er ist schon lange tot, Jahrhunderte, weit über tausend Jahne, aber seine Religion lebt weiter. Er ist für uns der Mann, nach dessen Grundsätzen wir uns richten.«

»Und wo liegt er begraben?«, fragte ich.

Al-Acham lächelte weise und wissend. »Kommen Sie mit, Mr. Sinclair. Ich werde Ihnen etwas zeigen.«

Ob ich wollte oder nicht, ich hatte einmal in den sauren Apfel gebissen und konnte jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Wir schritten tiefer hinein in das Gewölbe, und nur der Klang unserer Schritte auf dem glatten Boden war zu hören.

Als wir die ersten Stufen passierten, erkannte ich auch, dass sie bemalt worden waren. Auch ihre äußeren Seiten zeigten Motive aus der koptischen Religionslehre. Die Bilder waren nie klar zu erkennen. Gesichter und Gegenstände verschwammen im Schein der Kerzen.

Hier weinten keine Augen blutige Tränen. Diese Atmosphäre wurde von einem großen guten Geist beherrscht.

Meine Gedanken kehrten wieder in die Realität zurück, denn wir hatten unser Ziel fast erreicht.

Al-Acham war stehen geblieben. Er deutete nach vorn auf einen Gegenstand, der ein wenig erhöht auf einer viereckigen Steinplatte stand und trotz seines schlichten Aussehens kostbar wirkte.

Es war ein Sarg!

*

Eigentlich hätte ich damit rechnen können, denn in einer Gruft standen nun mal Särge. Aber ich war einfach zu sehr abgelenkt worden, aus diesem Grunde zeigte ich mich überrascht.

Al-Acham war neben dem Sarg stehen geblieben. Er hatte die Arme ausgestreckt. Die Hände lagen flach auf dem steinernen Deckel. »Das ist unser wertvollstes Stück.«

»Ist der Sarg leer?«

»Nein, natürlich nicht. In ihm liegt der, um den sich für uns alles dreht, und dessen Körper noch fast erhalten ist, weil er mumifiziert wurde. Er ist einer der Gründer und hat in einem der berühmt gewordenen Weißen Klöster der Kopten gelebt.«

»Sie haben mir vorhin einen Namen genannt. Kann ich davon ausgehen, dass es diese Person ist, die im Sarg liegt?«

»Das können Sie, Mr. Sinclair. In der Tat ist es Chamal Gossarah.«

Ich war skeptisch. »Hier in London? Wäre er nicht besser in seiner Heimat aufgehoben?«

»Wir haben ihn bewusst hergeholt«, erklärte mir Al-Acham. »Er durfte nicht länger in Ägypten bleiben.«

»Gab es einen Grund?«

Er nickte. »Das hat alles auch mit uns beiden zu tun. Die Feinde Chamal Gossarahs sind zurückgekehrt. Er hatte sich damals gegen die Dschinns gestellt, nun ist die Zeit abgelaufen. Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen erklären soll. Jedenfalls müssen wir eines tun. Wir werden den Sarg öffnen. Wollen Sie mir dabei helfen?«

»Gern.«

Ich kannte Steinsärge und wusste auch, wie schwer die Deckel oder Steinplatten waren. Ein Mann allein reichte oft genug nicht aus, um sie zu öffnen.

Ob wir an die Ober- oder Unterseite des Sargs getreten waren, konnte ich nicht erkennen. Gemeinsam packten wir zu, hoben den Deckel an, und ich vernahm ein saugendes Geräusch. Wir rückten das Oberteil ein wenig zur Seite.

Gemeinsam stemmten wir uns dagegen. Erst beim zweiten Anlauf schafften wir es. Das dabei entstehende kratzende Geräusch trieb mir eine Gänsehaut über den Rücken. Schweiß trat auf unsere Stirn. Diese Arbeit strengte sehr an.

Ich roch den Staub. Er musste die Jahrhunderte erlebt haben und wallte in kleinen Wolken hoch.

Der Ägypter und ich keuchten um die Wette. Schließlich lag eine Hälfte des Sarges offen vor unseren Augen.

Ich trat zurück. Mit dem Handrücken wischte ich über meine Stirn und schüttelte den Kopf. »Haben Sie den Sarg schon einmal geöffnet?«

»Nein.«

»Dann ist es für Sie auch eine Premiere?«

»Ja.«

Das Kerzenlicht reichte nicht aus, um den Sarg zu erleuchten. Wir hätten jetzt eine Taschenlampe gebrauchen können. Ich hatte meine dünne Stablampe schon hervorgeholt, als Al-Acham den Kopf schüttelte. »Lassen Sie es. Ich hole einen Kerzenständer.«

»Bitte.«

Er verschwand und kam bald darauf mit einem Standleuchter wieder, in dem drei weiße Kerzen ihr Licht verteilten. Der Ständer bestand aus Gusseisen. Ich half dem Ägypter ihn so zu drehen, dass das Kerzenlicht auch den offenen Teil des Sargs anleuchtete.

»Alles klar«, keuchte er.

Auf seine Worte hörte ich nicht, denn ich hatte den Blick auch in den Sarg geworfen. Bisher war es mir schwergefallen, an die Worte des Mannes zu glauben, nun aber sah ich sie bestätigt. Der Sarg war nicht leer. In ihm lag eine Gestalt.

Chamal Gossarah!

War er ein Mensch, eine Mumie, ein Mann oder ein Kind?

Sein Kopf jedenfalls wies auf den Schädel eines Kindes hin. So klein war er. Von der Haut konnte ich kaum sprechen. Diese rötlich glänzende Schicht erinnerte mehr an eine Pelle, die im Laufe der Zeit getrocknet und zusammengeschrumpft war. Dadurch hatten die Knochen irgendwie mehr Platz bekommen, denn sie traten scharf hervor, und die dünne Haut spannte sich von einem Knochenstück zum anderen wie ein straff gezogenes Stück Stoff, wobei sie trotzdem noch ein wirres Faltenmuster zeigte.

Ich schaute auf die Augen. Sie waren vielleicht noch vorhanden, aber sie mussten tief in die Höhlen gerutscht sein, da ich keine Pupillen mehr entdeckte.

Mit der Nase verhielt es sich ähnlich. Das Kinn war ebenfalls kaum vorhanden, nur noch ein winziger Vorsprung, der den unteren Teil der dünnen Haut festhielt.

Wir hatten den Sargdeckel so weit zurückgezogen, dass wir seinen gesamten Körper anschauen konnten, denn er war tatsächlich nicht größer als ein Kind.

Ich schüttelte den Kopf, als ich das kostbare Gewand sah, das der Tote trug. Aus schwerem Stoff bestand es. An den Säumen und am Kragen glitzerten bunte Perlen wie geschliffene Diamanten.

Das Gewand, es musste einmal ein intensives Rot gezeigt haben, war im Laufe der Zeit verblasst. Möglicherweise lag es auch am Schein der Kerzen, dass sie so wirkte.

Ich spürte die Berührung des Fingers auf meiner rechten Schulter und kam wieder hoch. Al-Acham wollte mir etwas sagen. Er hatte seine Stimme zu einem Flüstern gesenkt, als er mit der ersten Erklärung herausrückte. »Chamal Gossarah war einer der wenigen Mönche, die sich gegen die grauenhaften Dschinns gestellt haben. Er besaß eine große Macht, denn er vertraute auf die Kraft des Kreuzes.«

»Wie ich!«

Der Ägypter nickte zweimal. »Ja, wie Sie, John Sinclair. Es gab also schon einmal jemand, der dem Kreuz vertraut hat und damit das Böse zu stoppen versuchte.«

»Er hat es nicht geschafft?«

»Nein, die Dschinns waren stärker. Sie stürmten das Kloster, ohne Chamal Gossarah allerdings zu erwischen. Als andere erfuhren, dass die Dschinns kamen, da vergruben sie ihren Anführer …«

»War er schon tot?«

»Nein, Mr. Sinclair.«

Ich schluckte und hob gleichzeitig die Augenbrauen. »Wollen Sie damit sagen, dass er bei lebendigem Leibe  …?«

»Ja, er ist bei vollem Bewusstsein in den Sarg gestiegen und gestorben.«

Das war hart. Ich konnte davon ein Lied singen, denn auch mich hatte man schon in Särge gesteckt. »Hat man ihn denn zuvor noch mumifiziert?« , erkundigte ich mich.

»Nein, das tat man später, als er schon verstorben war. Und man hat ihm auch die Waffe mitgegeben.«

»Wovon sprechen Sie?«

Al-Acham bückte sich. Im Licht der Kerzen bekam sein Gesicht ein Schattenmuster aus Rot und Schwarz. »Ich werde Ihnen die Waffe zeigen, John Sinclair. Denn sie ist ebenfalls ein Grund dafür, weshalb wir Sie geholt haben.«

»Bitte.« Ich ging ein wenig zur Seite, damit er den nötigen Platz für seine Aktion bekam.

Al-Acham bückte sich noch tiefer. Sein rechter Arm verschwand im Sarg. »Es muss doch hier liegen. Die alten Schriften haben darüber berichtet. Und sie irren sich nie.«

»Vielleicht doch«, murmelte ich.

»Nein, Mr. Sinclair, nein! Hier habe ich es. Ja, die Schriften logen nicht!« Der Ägypter kam wieder hoch, drehte sich und legte den Gegenstand, den er gefunden hatte auf den Sargdeckel.

Es war ein Kreuz, das konnte ich sehen. Um Einzelheiten erkennen zu können, musste ich näher heran, wobei mir Al-Acham bereitwillig Platz schuf. Mehr durch Zufall sah ich sein Lächeln auf den Lippen und wurde vorsichtig.

Und da sah ich es besser.

Und plötzlich hatte ich das Gefühl, im Boden zu versinken. Das Kreuz aus dem Sarg ähnelte in der Form dem meinen aufs Haar  …

*

Auch mein wertvoller Talisman war an den Kanten abgerundet und bildete gleichzeitig einen halbrunden Wulst. Sogar in der Größe stimmte es, denn ich nahm mein Kreuz, legte die beiden nebeneinander und verglich sie.

Nur etwas war anders. Und zwar zeigte es einen gravierenden Unterschied. Das Kreuz aus dem Sarg besaß keinerlei Zeichen. Es war auf der Oberfläche völlig blank oder glatt.

Ich richtete mich auf. Mein Kreuz hatte ich wieder in die Hand genommen. Als ich Al-Acham ansah, las er mir die Frage bereits von den Augen ab. »Sie wollen wissen, was es bedeutet?«

»Ja …«

Mit der rechten Hand deutete der Ägypter auf die mumifizierte Gestalt. »Chamal Gossarah war nicht nur ein Mönch, auch ein weitgereister Mann, der sich für viele Dinge interessierte. Besonders für die Zeit, die man heute mit der des Alten Testaments umschreibt. Schließlich hatten wir Ägypter schon zu sehr alten Zeiten eine blühende Hochkultur gehabt, und die wollte Chamal Gossarah durchforschen. Er ist gereist, hat mit anderen Völkern gesprochen, er war zwischen Euphrat und Tigris, er hörte von dem Volke Israel und den Leiden, die dieses Volk hinter sich hat. So erfuhr er ebenfalls von einer babylonischen Gefangenschaft, in der sich das israelitisehe Volk befunden hatte. Es hatte für diese Menschen immer wieder Hoffnung gegeben. Waren die Feinde auch noch so stark, es gab keinen, der das Volk Israel in die Knie zwingen konnte. Zudem besaßen sie einen sehr starken Glauben. Sie glaubten an den Herrn ihren Gott und auch an die Worte ihrer Propheten. Ich will Sie Ihnen jetzt nicht der Reihe nach aufzählen, Sie werden sie ebenfalls kennen, Mr. Sinclair. Aber ein Prophet war besonders wichtig. Für Sie als auch damals für den Gerechten namens Chamal Gossarah  …«

»Das war Hesekiel«, sagte ich.

»Ich sehe schon, wir verstehen uns. Auch Chamal hatte von diesem Menschen gehört. Man erzählte an den Lagerfeuern von seinen Weissagungen und Kräften, die er besaß. Legenden hatten sich um ihn gerankt. Eine Legende berichtete von einem geheimnisvollen Kreuz, das Hesekiel geschmiedet hatte und mit den Abwehrwaffen versah, die er damals schon sah. Er hatte Wahrträume über verschiedene Mythologien. Und er vermengte dies mit den Symbolen der alttestamentarischen Lehre und hat als äußeres Zeichen das Symbol des Sieges geschaffen, eben das Kreuz. Obwohl dieser Gegenstand im Alten Testament überhaupt keine Bedeutung besaß und erst später als das Zeichen des Sieges anerkannt wurde. Da hat das Leben über den Tod gesiegt. Das alles wusste Hesekiel bereits. Er hat es vorausgeahnt und entsprechend gehandelt.«

Ich hielt mein Kreuz noch in der Hand. »Dann wissen Sie sicherlich auch, von wem es stammt.«

»Ja, es ist geschaffen worden für den Sohn des Lichts. Das sind Sie, Mr. Sinclair. Eine Irreise hat dieses Kreuz hinter sich, bis es endlich der bekommen hat, der es auch haben soll.«

»Nur ist es nicht allmächtig«, sagte ich.

»Das hat der Prophet leider nicht voraussehen können. Die Zeiten haben sich geändert. Die Kräfte des Bösen sind vielfältiger und vielschichtiger, aber im Grunde ist das Kreuz seinen Prinzipien geblieben, wenn Sie verstehen.«

»Das habe ich schon oft bemerkt.«

»Sind die Fragen weniger geworden, Mr. Sinclair?«

»Nein, eher zahlreicher.«

»Das habe ich mir gedacht.« Er lächelte. »Bitte, fragen Sie. Noch ist es Zeit.«

»Chamal Gossarah hat lange Zeit nach Hesekiel gelebt?« Es war mehr feststellend als fragend gesagt.

»Das ist klar.«

»Wie konnte er genau die Form meines Kreuzes wissen? Hat man es ihm gesagt? Gab es Aufzeichnungen?«

Da hob der Ägypter die Schultern. »Ich weiß es leider nicht. Es ist im Dunkel der Zeiten verschwunden. Die Dschinns haben auch das Kloster zerstört, in dem Chamal lebte. Sie brannten es nieder. Viel ist zerstört worden, sodass wir heute leider auf Vermutungen angewiesen sind. Tatsache ist dieses Kreuz, und eine Tatsache ist ferner, dass er das gleiche Kreuz haben wollte sie Sie, Mr. Sinclair.«

»Weshalb?«

»Um den Terror der Dschinns zu stoppen. Er wusste damals, dass er das Kreuz dazu benötigte. Wie das genau geschehen sollte, ist mir bis zum heutigen Tage unklar.«

Ich blickte allmählich durch. Nun wusste ich sehr genau, weshalb man mich entführt hatte. Ich sollte demnach die Aufgaben Chamal Gossarahs übernehmen. Sein Kreuz hatte es nicht geschafft, meines würde es schaffen, vorausgesetzt, Chamal hatte sich nicht geirrt und dass es die Dschinns auch noch gab.

»Sie denken nach, Mr. Sinclair?«

»Ja, ich weiß allmählich, weshalb Sie mich geholt haben.«

»Es geht um die Dschinns.«

»Hier in London?«

Er nickte. »Die Anzeichen sind vorhanden. Die Karawane der Dschinns ist dazu verflucht, so lange durch die Zeiten zu ziehen, bis es einem gelingt, sie zu stoppen. Wir Kopten hoffen stark, dass Sie es sein werden, Mr. Sinclair.«

»Das weiß ich mittlerweile auch. Haben Sie die Dschinns eigentlich schon gesehen?«

»Ja.«

»Und? Gab es Tote, Verletzte  …?«

»Nein, ich sah die Karawane nur für den Augenblick. Sie versuchte, die Zeiten zu durchbrechen. Sie bewegte sich am Schnittpunkt der Dimensionen entlang, wo sich das Diesseits und das Jenseits treffen. Bisher haben uns die Dschinns in Ruhe gelassen, aber sie verfolgen noch immer den Plan, Chamal Gossarah zu zerstören.«

»Er ist doch tot.«

»Für uns ja, aber nicht in ihrem Sinne. Sie würden seine Asche nehmen und sie über die Wüste verstreuen. Erst wenn das geschehen ist, können sie zufrieden sein.«

Ich warf einen Blick auf den offenen Sarg und sah auch das Gesicht des mumifizierten Menschen. Ich dachte an die blutenden Augen auf dem Heiligenbild. Die Zeit schien tatsächlich reif zu sein für eine Rückkehr der Karawane.

»Wenn ich Ihre Worte richtig interpretiere, hat Ihnen die Mumie gewissermaßen als Lockvogel gedient, nicht wahr?«

»So ist es.«

»Meinen Sie, dass die Dschinns darauf reinfallen werden?«

»Das hoffe ich sehr, Mr. Sinclair. Wir müssen Ihnen die Falle stellen und sie locken. Auch mir ist es nicht leichtgefallen, den Sarg nach London zu schaffen. Aber hier haben wir ihn besser unter Kontrolle. Die Grabstätten in meinem Heimatland werden leider immer häufiger von Plünderern heimgesucht. Sie wissen, dass wir Kopten in Ägypten eine Minderheit bilden, zwar geschäftlich erfolgreich sind, aber über keine Lobby verfügen. Deshalb achtet man auch nicht so streng darauf, wenn unsere alten Kulturstätten >besucht< werden.«

Ich enthielt mich einer Antwort. Al-Acham wusste über die Verhältnisse in seinem Heimatland besser Bescheid. Er stand vor mir und strich mit zwei Fingern über seinen Oberlippenbart. »Werden Sie uns trotz allem helfen, Mr. Sinclair?«

»Das steht fest. Sie haben mein Interesse geweckt. Mich interessiert alles, was mit meinem Kreuz und dessen Herkunft in Verbindung steht.«

»Dann darf ich Ihnen schon jetzt herzlich danken.«

Ich winkte ab. »Danken Sie nicht jetzt schon. Noch haben wir nichts erreicht. Mir sind die Dschinns nicht einmal zu Gesicht gekommen, und ich frage mich, wo ich sie finden kann. Nur hier?«

»Das wäre schön«, erwiderte der Mann.

»Wie meinen Sie das?«

»Dann wären sie auf einen Punkt konzentriert. Ich bin davon überzeugt, dass sie keine Rücksicht nehmen und versuchen werden, London zu überfallen.«

»Ohne Grund?«

»Die Dschinns mit den goldenen Krummschwertern haben den Auftrag bekommen, ihre verderbliche Religion auf der ganzen Welt zu verbreiten, um allein dem Scheitan dienlich zu sein.«

Scheitan war der Ausdruck für Teufel. Sieh mal an. Der Kreis schloss sich wieder.

»Aber ich habe das Kreuz.«

»Das stimmt. Vielleicht werden Sie auch ihr Zielpunkt sein. Nur müssen Sie vorerst einen anderen töten. Chamal Gossarah darf nicht als Mumie weiterleben.«

»Gibt es unter den Dschinns einen Anführer?«

Al-Achanf nickte. »Ja, der existiert. Er hört auf den Namen Abu Ben Kolc.«

»Den Namen werde ich mir merken. Vielleicht begegnet er mir mal.« Ich hob mein Kreuz. »Okay, bisher haben wir nur theoretisiert. Gibt es eine konkrete Spur zu dieser geheimnisvollen Karawane. Ich möchte nicht gern warten, bis irgendwelche Opfer gefunden werden.«

»Leider gibt es diese Spur nicht. Nur einige geheimnisvolle Hinweise. Vielleicht kann ich Ihnen einen Tip oder Rat geben. Halten Sie hier am Sarg Wache, bis sich etwas ereignet.«

»Wie lange kann das dauern?«

»Da bin ich überfragt.«

»Was meinen Sie, was mein Chef dazu sagt!«

»Das kann ich mir vorstellen, aber Sie können ihn gern von hier aus anrufen, damit …«

»Pst!«, zischte ich, denn mir war etwas aufgefallen. Jemand musste in der Nähe sein. Noch war er unsichtbar, aber es gab ihn, denn die Kerzenflammen spürten den fremden Einfluss ebenfalls.

Obwohl wir selbst keinen Luftzug an unseren Gesichtern spürten, begannen die Flammen zu flackern.

»Sehen Sie!«, hauchte ich.

Der Ägypter schaute hin. Er ging einen Schritt zurück. Bleich war er plötzlich geworden. Er duckte sich ein wenig und schaute sich vorsichtig um. »Ich glaube, dass wir nicht mehr lange zu warten brauchen!«, raunte er. »Sie sind da.«

Mein Kreuz spürte es auch.

Zum ersten Mal »meldete« es sich. In der Mitte des Kreuzes hatten sich die beiden ineinandergeschobenen Dreiecke mit dem Kreis darum befunden. Ich erinnerte mich auch an die geheimnisvollen Zeichen, die an den Rändern der Dreiecke gestanden hatten. Was sie bedeuteten, hatte ich nie herausfinden können, weil es Lilith, der Großen Mutter, gelungen war, alle Zeichen und auch die Dreiecke sowie den Kreis zu löschen. Aber unter den jetzt verschwundenen Zeichen war noch ein weiterer Kreis eingraviert.

Ein uraltes ägyptisches Henkelkreuz. Es besaß nur drei normale Ecken. Das Oberteil bildete eine ovale Schlinge, und genau das Kreuz leuchtete plötzlich auf.

Noch nie hatte ich dies erlebt und war dementsprechend überrascht. Es war ein intensives, dennoch unnatürliches türkisfarbenes Leuchten, das uns entgegenstrahlte.

Eine Mischung aus grün und blau.

Erwärmt hatte sich mein Talisman dabei nicht. Ich fühlte extra nach, es war die normale Kühle des Silbers, die ich unter meiner Fingerspitze spürte.

Al-Acham war außer sich. »Sie  … sie sind da!«, keuchte er. »Das ist das Zeichen.«

»Und wo?« Die Frage hatte ich automatisch gestellt. Von dem Ägypter bekam ich keine Antwort, aber mein Kreuz reagierte.

Das Zeichen, das Henkelkreuz, strahlte plötzlich ab. Es war ein türkisfarbener Lichtbogen, der von ihm ausging und schräg auf die Decke der Gruft zufuhr.

Denn dort war sein Ziel.

Aus dem Nichts holte er es. Es ging blitzschnell. Wir beide hörten das Fauchen, als hätte jemand einen mit Benzin getränkten Lappen angezündet. Im nächsten Moment waberte und puffte schon die dunkelrote Feuerwolke an der Decke auf und riss aus dem Unsichtbaren eine Gestalt hervor, auf die ich gewartet hatte.

»Das ist der Dschinn!«, schrie Al-Acham.

*

Ja, er musste es sein, und er wirkte im ersten Augenblick sogar lächerlich auf mich. Ich erinnerte mich an die orientalischen Märchen, die ich gelesen hatte. Da saßen oft Geister auf irgendwelchen Sitzkissen oder fliegenden Teppichen.

Und dieser Geist hockte tatsächlich auf einem solchen Gegenstand. Ob es ein Sitzkissen oder ein fliegender Teppich war, konnte ich nicht genau erkennen, mich interessiert mehr die Gestalt, die nicht größer als ein Zwerg war, einen im Verhältnis zum Körper zu großen Kopf besaß und bis auf einen Lendenschurz von undefinierbarer Farbe fast nackt war, sodass ich die türkisfarbene Haut deutlich sah.

Besonders interessierte mich der Kopf. Seine ungewöhnliche Größe war mir schon beim ersten Hinsehen aufgefallen. Dennoch wirkte er irgendwie gedrungen, denn in seiner oberen Hälfte war er dicker als in der unteren. Die Gesichtsform war rund wie ein Apfel. Seine Züge besaßen einen alten, gleichzeitig bösen und auch verkniffenen Ausdruck. Die hohe Stirn zeigte ein Muster von Falten, so stellte ich mir eigentlich einen Giftzwerg vor.

Zum Lachen war diese in der Luft und direkt unter der Decke schwebende Gestalt trotzdem nicht, denn die rechte Hand umklammerte ein Krummschwert, dessen Klinge matt golden schimmerte. Das war eine gefährlich aussehende Waffe; die schon die Breite einer Machete aufwies. Wer von ihr erwischt wurde, konnte mit dem Leben abschließen.

»Er sitzt auf seinem Sattel«, flüsterte Al-Acham.

»Welcher Sattel?«

»Er gehört einem Kamel  …«

Das Tier selbst war allerdings nicht zu sehen. Darauf war ich auch nicht scharf, ich dachte darüber laut nach, wie es möglich gewesen war, dass er so plötzlich erschien.

»Ihr Kreuz, Mr. Sinclair. Es hat ihn gelockt.«

So ähnlich hatte ich auch schon gedacht. Nur hockte der Dschinn weiterhin an der Decke, beobachtete uns mit bösen Blicken und tat ansonsten überhaupt nichts.

Ich hielt meine strahlende Waffe fest und ließ den kleinen Teufel nicht aus den Augen. »Was will er?«, hauchte ich. »Weshalb kommt er nicht her?«

»Vielleicht hat er einen bestimmten Auftrag bekommen. Er soll nur schauen  …«

»Dann ist das nicht dieser Abu Ben Kolc?«

»Nein, der sieht anders aus.«

Noch immer hatte sich unser dämonischer Gast nicht von der Stelle bewegt. Das aber änderte sich blitzartig. Wieder puffte um ihn herum eine Wolke auf, die ihn ansaugte und verschwinden ließ.

Aber er hinterließ einen Gruß.

Das war seine Klinge.

Wuchtig schleuderte er sie nach unten, und das mörderische Krummschwert zielte dabei auf meinen Körper …

*

Vergangenheit

Die Ebene war weit, fast unendlich, der Wind fuhr in heißen Wellen über sie hinweg und brachte die mörderische Hitze der Wüste mit. Auch jetzt, wo sich der Tag allmählich neigte, hatte die Kraft der Sonne kaum nachgelassen. Als gewaltiger glühender Ball stand sie über den Kuppen der Wanderdünen und schickte die sengende Glut auf das so verlassen wirkende Land, das sie immer mehr ausglühte.

An dieser Stelle der Erde schien die Ewigkeit zu einer Wahrheit werden zu wollen.

Menschen sah man nicht. Wenn welche das Land durchzogen, waren es die Karawanen der Beduinen und Wanderer, die ihre abgesteckten Wege von Wasserloch zu Wasserloch ritten.

Doch so tot, wie das Land aussah, war es nicht. Es existierte Leben in ihm. Die weißen, von der Sonne völlig ausgedörrten Lehmmauern des Klosters lagen im Schutz eines hohen Hügels, der zur Nordseite hin sogar einen Schatten warf. Und auch der Innenhof des Klosters war an manchen Stunden schattig. Hinzu kam ein frisches Grün von Palmen und Dattelbäumen, das überhaupt nicht in die Einöde hineinpassen wollte. Doch die Mönche, die das Kloster bewohnten, hatten mit einem sicheren Blick erkannt, dass es an dieser Stelle Wasser unter dem Wüstenboden gab. So hatten sie gegraben und tatsächlich einen Brunnen entdeckt, der sie mit der so wertvollen Flüssigkeit versorgte. Er war stets abgedeckt, sodass auch ein Sandsturm ihn nicht zuschütten konnte.

Die Mönche lebten bereits lange Jahre hinter den Klostermauern, beteten, arbeiteten und forschten. Sie hatten den kleinen Garten angelegt, in dem das wuchs, was für ihre Ernährung wichtig war und für das körperliche Wohl sorgte.

Es war auch die Zeit, als Muselmanen das Land durchstreiften. Sie hatten den Auftrag bekommen, mit Feuer und Schwert diejenigen zu ihrem Glauben zu bekehren, die sie antrafen.

Viele Menschen waren unter den Schwertern der Krieger gefallen. Es waren auch koptische Mönche dabei gewesen, aber das einsame Wüstenkloster hatten die Horden bisher noch nicht entdeckt.

Dennoch lebten die Mönche nicht in Ruhe und Zufriedenheit. Ihr Anführer, Chamal Gossarah, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die bösen Geister zu beschwören. Er wusste, dass es viele Dinge gab, die er seinen Brüdern nicht mitteilen konnte, und deshalb war er im Kloster zu einem Einsiedler geworden. Nach seiner langen Wanderung hatte er viel über das Kreuz erfahren. Er wusste jetzt ganz genau, dass es existierte. Doch es war nicht für ihn bestimmt. Jemand hatte von einem Sohn des Lichts berichtet, der in ferner Zeit erschienen war und das Kreuz an sich nehmen wollte.

Damit musste sich der Mönch zufrieden geben, so schwer es ihm auch fiel. Doch er wollte ein ähnliches Kreuz besitzen und hatte in der Schmiede des Klosters damit begonnen, es herzustellen. Es sollte ihn und die anderen vor den Mächten des Scheitans beschützen und auch vor den gefährlichen Geistern, den Dschinns, die ihm dienten.

Diese Dschinns kannten keine Gnade. Sie waren unterwegs, denn sie hatten die Zeichen der Zeit genau erkannt. Manche von ihnen verbündeten sich mit den Muselmanen und ließen sich von ihnen anbeten. Kriege tobten, Menschen starben, ihr Blut versickerte im Wüstensand. Es waren Zeichen des großen Chaos, auf das alle hofften.

Und der Sand schwieg.

Aber Chamal Gossarah wusste genau Bescheid. Er hatte während seiner langen, intensiven und geistesabwesenden Sitzungen Einblicke in eine Welt bekommen, die ihn das Fürchten lehrte. So wusste er auch, dass andere Kräfte davon erfahren hatten, welche Aufgabe sein weiteres Leben bestimmen sollte.

Sie fürchteten das Kreuz!

Das echte noch mehr, als das, das er nachbilden sollte, und Chamal wusste auch, dass die Dschinns nicht zögern würden, dem Kloster einen blutigen Besuch abzustatten.

Gerechte sollten sterben, um den Ungerechten den Weg zu ebnen. Sie waren innerhalb des Weißen Klosters nicht mehr sicher, und das hatte Chamal seinen Brüdern gesagt.

Er bat sie auch, aufzubrechen und die Mauern zu verlassen, weil sie keinen Schutz mehr gaben.

»Das werden wir nicht.« So hatten sie widersprochen und ihm noch einmal ihre Treue geschworen.

Chamal konnte ihnen keinen Vorwurf machen, er hätte wahrscheinlich nicht anders gehandelt, und so war ihm nichts anderes übrig geblieben, als seinen letzten Wunsch auszusprechen.

»Begrabt mich bei lebendigem Leib …«

Niemand widersprach, keiner zeigte seine Gefühle, im Gegenteil, man machte sich an die Arbeit und fertigte damals schon eine letzte Ruhestätte an, die starke Ähnlichkeit mit den Särgen späterer Zeiten aufwies. In ihn wurde Chamal Gossarah hineingelegt. Sie sprachen letzte Gebete und schauten dabei auf sein Kreuz, das nicht fertig geworden war, und das er zwischen den Händen hielt.

»Es wird mich vor dem Bösen schützen«, hatte er immer wieder gesagt. »Niemand kann es überwinden. So wie die Propheten sagten, wird es eintreffen. Schon bald werde ich mit ihnen zusammen sein und auf euch hinabschauen. Deshalb möchte ich noch einmal darum bitten, dass ihr das Kloster verlasst.«

Sie gingen nicht. Statt dessen nahmen sie den Sargdeckel hoch und stellten ihn auf das Unterteil, sodass beide Hälften fugendicht schlossen.

Dann gingen sie.

Nach drei Tagen erst kamen sie zurück.

Wieder öffneten sie den Sarg.

Vor ihnen lag ein Toter. Sein Gesicht war verzerrt, bläulich angelaufen, das Kreuz aber lag wie festgeschmiedet in seinen starren Händen. Er musste einen schrecklichen Todeskampf hinter sich gehabt haben, aber er sollte für die Nachwelt erhalten bleiben, deshalb salbte man den toten Körper, entnahm ihm die Eingeweide, wickelte ihn in Tücher und wendete die überlieferten Techniken der Mumifizierung an.

Schließlich waren sie fertig und legten den Körper wieder zurück in den Sarg.

Dann vergaßen sie ihn. Aber nicht die Worte des Toten, denn er hatte sie vor den Dschinns gewarnt.

Die Mönche schickten Späher aus, die bewegungslos in der prallen Sonne auf den Hügeln hockten und in das hitzeflirrende Land hineinschauten. Zeit war für sie relativ geworden. Sie wussten, dass sich auch bei ihnen die Uhr des Schicksals nicht zurückdrehen ließ.

Und sie warteten nicht vergebens.

Das Böse kam.

Die auf den Hügeln sitzenden Späher entdeckten es zuerst. Es war die Stunde, wo der heiße Glutball der Sonne allmählich seine Farbe wechselte. Hatte er zuvor in einem Weißgelb gestrahlt, so wurde er allmählich dunkler.

Die Sonne sank tiefer und färbte den Himmel rot. Er sah aus, als würde er brennen.

Gleichzeitig fielen die Strahlen auch auf das noch von der Hitze erfüllte Land, tauchten es in den dunkelroten Schein, sodass die Wüste wie von einer dünnen Blutspur überzogen aussah.

Die Karawane schien geradewegs aus der Sonne hervorzureiten. Nur wer sehr gute Augen besaß, konnte sie sehen, und die Späher besaßen scharfe Augen.

Sie sahen die Gestalten zwischen den Hügeln und den von den Hufen der Kamele aufgewirbelten Sand.

Da wussten sie Bescheid.

So rasch wie möglich liefen die Späher zurück und erstatteten Bericht. Die übrigen Mönche nahmen die Worte ihrer Brüder mit unbewegten Gesichtern entgegen.

Sie sagten nicht einmal etwas, nickten nur, und hinter den Klostermauern machte man sich bereit zum Sterben.

Inzwischen näherte sich die unheilvolle Karawane ihrem Ziel. Hatten die zahlreichen Gestalten beim ersten Sichtkontakt noch wie ein zusammenhängender Pulk gewirkt, hätte ein Beobachter nun Genaueres sehen können.

Auseinandergezogen war die Reiterschar, und sie zählte sieben Kamele mit sieben wüsten Gestalten auf ihren Rücken.

Es waren die Bösen, die aus dem heißen Höllenfeuer entlassenen, die der Scheitan persönlich ausgeschickt hatte, um Unruhe zu stiften. Er hatte die Dschinns erschaffen und jeden einzelnen mit einer übermenschlichen Stärke ausgerüstet. In den Geschichten, die abends an den Lagerfeuern erzählt wurden, kannte man die Dschinns bereits. Man fürchtete sie und ihre Wanderungen durch die Zeiten, aber noch war es ihnen nicht gelungen, den Schnittpunkt zu überwinden und auf die Erde zu kommen.

Bis jemand das Kreuz nachbilden wollte. Und vor dem Kreuz fürchteten sie sich, denn es sollte, so sprach man flüsternd, ein Kreuz geben, das stärker war als alles andere.

Die Dschinns hatten es nicht gefunden, aber die Spur hatte sie zu dem Mann geführt, der mehr wusste.

Er lebte hinter den schützenden Mauern eines der Weißen Klöster, wie sie genannt wurden.

Endlich hatten sie eine Spur. Lange genug waren sie auf der Suche gewesen, und so konnte sie auch nichts und niemand davon abhalten, dem Kloster einen blutigen Besuch abzustatten.

Und blutig würde er werden, das stand für sie fest. Niemand sollte überleben und von ihren Taten berichten können. Sie kannten die Mönche, sie wussten davon, dass sie lieber starben, als sich und ihren Glauben zu verraten.

Und so hatten sie auch ihre gefährlichen Waffen mitgebracht. Die Krummschwerter, die schon so verheerende Blutbäder angerichtet hatten und magischen Gesetzen gehorchten.

An der Spitze der Karawane ritt Abu Ben Kolc. Er war vom Fürsten der Finsternis als Anführer auserwählt worden, und so gab er sich auch. Aufrecht hockte er im steifen Sattel seines Reittieres. Während die anderen Gestalten, die eine Reihe hinter ihm gebildet hatten mit den nackten türkisfarbenen Oberkörpern ritten, hatte er sich eine lange schwarzgraue Kutte umgehängt, die Kapuze über den Kopf gestülpt, sodass nur mehr sein Gesicht zu erkennen war. Dies wiederum zeigte sich im Gegensatz zu den runden Köpfen seiner gefährlichen Dschinns lang, hager, verkniffen und bösartig. Die Haut wirkte dabei wie brüchiges Leinen, in den heller schimmernden Augen gloste ein Hauch, der Angst verbreiten konnte, wenn der Anführer jemanden anschaute.

Sie ritten zwischen den Sandhügeln. Jetzt, wo der erste Abendwind aufgekommen war, waren lange Sandschleier in die Höhe geworfen worden und fielen manchmal wie aus Körnern bestehende, dünne Decken über die Reiter.

Das alles hielt sie nicht ab, sich ihrem Ziel in einem gleichbleibenden Ritt zu nähern.

Sie erreichten die letzten Hügel.

Die Dschinns rechneten damit, entdeckt worden zu sein. Das hielt sie nicht davon ab, auf die Klostermauern zuzureiten, und schon sehr bald sahen sie die Festung vor sich.

Das Weiße Kloster lag in der letzten Glut einer allmählich versinkenden Wüstensonne. Rote Schatten hatten sich schleierartig über die Mauern gelegt und gaben ihnen ein völlig anderes Aussehen. Die Stille war bedrückend. Noch hatte das kleine Tal die Hitze des Tages gespeichert. Erst bei Dunkelheit würde sie die Wärme wieder abgeben, um der Kälte Platz zu schaffen.

Die Dschinns näherten sich dem Eingang. Er bestand aus einem breiten Tor, das durch einen Balken von innen verriegelt werden konnte. Es war auch verschlossen, aber die Dschinns nutzten die Kraft der Schattenwelt aus und schleuderten ihre Schwerter gegen das Holz.

Goldene Klingen wirbelten durch die Luft und trafen todsicher.

Das Holz zersplitterte, breite Risse entstanden. Kleine Feuer loderten plötzlich auf, und wenig später kippte das Tor dem Innenhof des Klosters entgegen.

Die Reiter hatten freie Bahn.

Zuerst ritt Abu Ben Kolc an. Seine Gestalt schaukelte im Takt der Kamelbewegungen. Er sah so aus, als würde er jeden Augenblick aus dem Sattel fallen. Dies täuschte sehr. Abu Ben Kolc, eine Ausgeburt der Finsternis, war ein hervorragender Reiter.

Er war der Erste, und er war es auch, der die Stimmen hörte. Das mussten die Mönche sein, aber sie sprachen nicht miteinander, sie sangen zusammen ihr abendliches Gebet.

Der Gesang war dort aufgeklungen, wo sich die größte der Unterkünfte befand.

Die Kirche!

Mit dem sicheren Instinkt eines in der Hölle Geschaffenen, bemerkte Abu Ben Kolc die gefährliche Strömung. Die Mönche wussten, dass es auch für Dschinns nicht gerade gut war, wenn sie die heiligen Räume der Kopten betraten. Sie starben zwar nicht, aber sie fühlten sich nicht wohl. Deshalb wollten sie es anders versuchen, denn aufgegeben hatte noch keiner von ihnen.

Abu Ben Kolc hob seinen mageren Arm und versammelte seine sieben Reiter um sich.

Auch er trug ein Schwert. Es war besonders lang, die Klinge glänzte auch heller und schimmerte nun im Licht der immer weiter sinkenden Sonne, die ihre Strahlen fast waagerecht über das Land schickte.

Er deutete auf das Haus.

Die Dschinns verstanden den Befehl.

Und sie ritten an!

Plötzlich hatten sie es eilig. Die Hufe ihrer Kamele erzeugten auf dem Boden ein trommelndes Geräusch. Staub und Sand wallten zu einem Vorhang hoch, der die Angreifer begleitete.

Eine mörderische, dem Reich der Finsternis entwichene Horde jagte auf die Mauern der Kirche zu. Kein Schrei wurde ausgestoßen, nur das dumpfe Trommeln der Hufe war zu hören.

Die goldenen Klingen blitzten wie Spiegel, wenn sie geschwungen wurden und aus den. wallenden Wolken erschienen.

Dann schlugen sie zu.

Und waren die Mauern auch noch so stark, der geballten Kraft dieser acht Schwerter konnten sie nichts entgegensetzen. Die mit magischer Kraft aufgeladenen Klingen hieben die harten Mauern entzwei, als bestünden sie aus Nilschilf.

Dann brach die Decke.

Ein gewaltiges Krachen rollte über den Innenhof des Klosters. Donnernd wetterte das Echo zwischen den Wänden, und es verschluckte die Todesschreie der unter der zusammenbrechenden Steinlast sterbenden Menschen.

Nicht alle wurden unter den Trümmern begraben. Einigen Mönchen gelang es, den Massen zu entkommen.

Darauf hatten die grausamen Dschinns gewartet.

Sie sahen die fliehenden Gestalten aus dem Staubschleier hervortauchen. Einige umklammerten ihre Kreuze wie letzte Rettungsanker, warfen sich auf die Knie und wurden dennoch erwischt.

Wieder fegten die Krummschwerter durch die Luft. Schreie erklangen abermals und erstickten, wenn Menschen, tödlich getroffen, zusammenbrachen. Ihr Blut versickerte im Sand des Klosterhofes, und es gab keinen, der entkam.

Einer wollte es versuchen. Ein junger koptischer Mönch erreichte soeben die Mauer, wo er ausgerechnet den Anführer der Horde vor sich auftauchen sah.

Abu Ben Kolc schlug gnadenlos zu. Er köpfte den Ärmsten, riss dessen Reittier hart herum und hob das Schwert in die Höhe, zum Zeichen des Sieges.

Es lebte keiner mehr. Die teuflische Horde hatte ihre schreckliche Bluttat geleistet und ihr Ziel erreicht.

Langsam ritt Abu Ben Kolc durch die Trümmer. Jeden Toten schaute er sich an, und er stieß einen wütenden Schrei aus, als er erkannte, dass der Mönch, den er gesucht hatte, sich nicht unter den Getöteten befand.

Sie durchsuchten das Kloster.

Jeden Raum nahmen sie sich vor, aber sie entdeckten den Eingang zur Gruft nicht.

So blieb ihnen ausgerechnet der verborgen, dem ihr eigentlicher Besuch gegolten hatte. Und auch das Kreuz hatten sie weder gefunden noch vernichten können.

Tote ließen sie zurück, als sie von den Trümmern des Klosters wegritten und wieder in die Wüste eintauchten.