John Sinclair Großband 39 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Großband 39 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

10 gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis in einem Band!

Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.
Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern aus den Jahren 1978 - 1989 und ziehe mit ihm in den Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit. Erlebe mit, wie John Sinclair zum Schrecken der Finsternis wurde und die Serie Kultstatus erreichte.

Tausende Fans können nicht irren - über 640 Seiten Horrorspaß garantiert!
Dieser Sammelband enthält die Folgen 381 - 390.

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Seitenzahl: 1382

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Jason Dark
John Sinclair Großband 39

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2015 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Vicente B. Ballestar

ISBN: 978-3-7517-4715-8

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

John Sinclair Großband 39

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

John Sinclair 381

John Sinclair – Die Serie

Die schwebenden Leichen von Prag (1.Teil)

John Sinclair 382

John Sinclair – Die Serie

Höllen-Friedhof (2. Teil)

John Sinclair 383

John Sinclair – Die Serie

Londons Gruselkammer Nr. 1

John Sinclair 384

John Sinclair – Die Serie

Skylla, die Menschenschlange

John Sinclair 385

John Sinclair – Die Serie

Horrornacht im Himmelbett

John Sinclair 386

John Sinclair – Die Serie

Götzentanz im Märchenpark

John Sinclair 387

John Sinclair – Die Serie

Satans Killerhai

John Sinclair 388

John Sinclair – Die Serie

Der Dämonensarg

John Sinclair 389

John Sinclair – Die Serie

Der Ghoul und seine Geishas

John Sinclair 390

John Sinclair – Die Serie

Ich folgte der Teufelsspur (1.Teil)

Guide

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Contents

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Die schwebenden Leichen von Prag (1.Teil)

Sir James Powell zielte mit der Bleistiftspitze auf mich. »Durch drei Dinge will ich Ihnen den Job in Prag schmackhaft machen. Erstens gibt es dort ein herrliches Bier, zweitens erleben Sie die Historie auf Schritt und Tritt  …«

»Und drittens?«, fragte ich.

»Gibt es da noch die schwebenden Leichen!«

Ich grinste meinem Chef zu. »Okay, Sir, wann kann ich fliegen?«

Es war eine Nacht, wie man sie nur selten erlebt. So lau, frühlingshaft, einfach wunderbar. Noch war die Wärme des vergangenen Tages überall zu spüren. Jedes Blatt, jede Blüte oder Blume schien sie aufgesaugt zu haben, um sie für eine Weile speichern zu können, damit sie anschließend wieder abgegeben werden konnte und somit einsame Spaziergänger oder romantisch veranlagte Pärchen erfreute.

Endlich hatte der Sommer Einzug gehalten. Nach dem langen, schneereichen Winter war es Zeit geworden. Die Menschen in der Stadt atmeten wieder auf. Man holte die Sommerkleider hervor und nahm auch die persönlichen Einschränkungen, die ein kommunistisches System zwangsläufig mit sich bringt, nicht mehr als so tragisch, sondern viel gelassener hin. Selbst die Moldau, dieser vielbesungene und beschriebene Fluss stank nicht so wie an anderen Tagen.

Frühling lag über der Stadt, und auch der dunkelblaue Nachthimmel schien dies zu spüren, denn er sah aus wie fein gerippter Samt, auf dem zahlreiche kleine Steine lagen, die wie Diamanten blitzend und doch nur zu den weit entfernten Sternen zählten.

Kaum einer wäre auf die Idee gekommen, dass diese Nacht auch etwas anderes als den Frühling und die laue Nachtluft bereithielt. Wer dachte da schon an den Tod, an Leichen oder wilde, vermoderte Friedhöfe?

Doch nur Verrückte oder Menschen, die einen Sinn fürs Makabre hatten. Wie der junge Mann, der völlig normal aussah und über eine schmale Straße am Stadtrand von Prag schritt. Er zog einen beladenen Handwagen hinter sich her. Leider war die Ladung von einer Plane verdeckt.

Der junge Mann nannte sich Student, studierte aber nur selten. Normalerweise wartete er auf Jobs, es war ihm auch egal, welcher Art diese Arbeit war. Er nahm alles an. Sogar Kurierdienste über die »grüne« Grenze nach Deutschland hatte er schon geleistet. Das war ihm dann doch zu heiß gewesen, auch wenn es viel Geld eingebracht hatte.

Geld brauchte er immer.

Nur durch ausländische Devisen konnte man sich in seinem Land etwas leisten, deshalb hatte er auch nicht gezögert, als er eines Nachts in einem Prager Bierkeller von einem Unbekannten angesprochen und mit einem 100-Mark-Schein geködert wurde.

Das war viel Geld in der Tschechei.

Der Vorschlag des ihm fremden Mannes allerdings hatte ihn zunächst einmal vorsichtig werden lassen. Denn es wurde einiges von ihm verlangt, wenn es auch nicht schwierig war, aber er musste zunächst einmal eine gewisse innere Hemmschwelle überwinden.

Er sollte etwas stehlen.

Weder ein Auto, Geld noch Schmuck – ganz etwas anderes, was eigentlich schon tot war und womit sich wohl kaum jemand – außer seinem Auftraggeber abgab.

Leichen sollte er stehlen!

Drei Tote aus dem Leichenhaus klauen. Das war ihm bisher auch noch nicht passiert.

Nach zwei weiteren Schnäpsen hatte er zugestimmt, sich den alten Handwagen besorgt und war eine Nacht später zu einem genau angegebenen Leichenhaus gefahren.

Alles hatte geklappt. Der Wächter der Leichenhalle hockte in seiner Kabine und war eingeschlafen.

Sechsmal war er an dem Mann vorbeigegangen. Dreimal hin, dreimal wieder zurück. Und er hatte es geschafft, die drei Leichen unbeobachtet aus der kühlen Totenkammer zu holen. Sie trugen noch ihre weißen, schmucklosen Totenhemden.

Es waren drei Männer.

Zwei ältere mit weißen Haaren und einer mittleren Alters der eine spiegelblanke Glatze hatte. Sie lagen jetzt auf dem Wagen und waren gut von der Plane verborgen worden.

Den Namen seines Auftraggebers wusste der Student noch immer nicht. Dafür knisterte als Anzahlung die Hälfte seines Honorars in der rechten Hosentasche. Die zweite Hälfte würde er bekommen, wenn er die Leichen sicher ablieferte.

Ein Treffpunkt war ebenfalls ausgemacht worden. Er lag sehr einsam am Stadtrand von Prag, wo keine Häuser standen, sich dafür ausgedehnte Waldflächen hinzogen und nur hin und wieder ein Förster patroullierte. Sicherlich nicht während der Nachtstunden.

Der Weg wurde noch enger. Bald verschwand auch die Asphaltschicht, sodass er mehr einer staubigen Schotterstraße glich, die mit zahlreichen Schlaglöchern und Querririnen überdeckt war. Deshalb rumpelte der Wagen auch so, und manchmal sprang er regelrecht hoch, wenn er besonders heftig gezogen wurde.

Das störte höchstens den Studenten, die Toten nicht mehr. Sie brauchte nichts mehr zu kümmern.

Er hatte mit seinem Auftraggeber ein Zeichen abgemacht. Dreimal sollte eine Taschenlampe aufblitzen, dann konnte der Student sicher sein, dass der andere auf ihn wartete.

Noch war es nicht soweit. Noch musste er die drei Toten hinter sich herziehen, und das bei einem Weg, der nicht nur uneben war, sondern auch noch leicht anstieg!

Er dachte an das Geld und daran, was er sich alles von diesem Schein leisten konnte. Und so sah die Sache wieder rosiger für ihn aus.

Auch die längste Steigung hat mal ein Ende. So war es hier ebenfalls. Als der junge Mann die höchste Stelle erreicht hatte, blieb er für einen Moment stehen. Er holte tief Luft, wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und schaute nach vorn, wo sich in einer kaum erkennbaren Hügellandschaft Wald und Wiesenflächen abwechselten, wobei ihm die unregelmäßig gewachsenen Waldflächen stets wie dunkle Inseln in einem etwas heller wirkenden Ozean vorkamen.

Prag lag hinter ihm. Und damit auch der Widerschein der Großstadtlichter, die hin und wieder als hellerer Schein über den Nachthimmel geisterten. Dafür hätte der Student auch keinen Blick gehabt. Er wollte endlich die Leichen los werden, denn bis zu seinem verabredeten Treffpunkt mit dem Auftraggeber konnte es nicht mehr weit sein.

Er schaute den Weg hinab. Menschen entdeckte er keine. Nur ein Nachtvogel schwebte mit weit ausgebreiteten Schwingen über seinen Kopf hinweg, bevor er von der Finsternis verschluckt wurde.

»Hättest mir auch entgegengehen können!«, murmelte er und setzte sich wieder in Bewegung.

Der Abstieg gestaltete sich nicht leichter als der Aufstieg. Der junge Mann musste sich dem Gewicht entgegenstemmen, um nicht von dem eigenen Leichenwagen überholt oder in den Rücken gestoßen zu werden.

Krampfhaft hielt er die Zugstange fest und glich durch heftiges Bewegen der Deichsel die Ausbruchsversuche des Karrens aus.

Endlich blitzte eine Lampe auf. Dreimal.

Für einen flüchtigen Moment zuckte ein Lächeln der Erleichterung über seine Lippen. Die große Anstrengung hatte zum Glück ein Ende gefunden, denn sein Auftraggeber hatte Wort gehalten.

Der Mann trat auf die Straße.

Er war wie ein Schatten, der sich aus den Büschen an der rechten Seite löste, stehen blieb und einen Arm hob, als wäre er ein kontrollierender Polizist oder Grenzbeamter. Doch bei ihm fehlte die Maschinenpistole. Er trug auch keine Uniform, dafür einen langen glockenförmigen Mantel, der längst aus der Mode war. Er glich mehr einem Umhang, der unter dem Kinn durch eine Spange zusammengehalten wurde. Bei ihm störte auch der Schlapphut nicht. Er passte einfach zu dieser düsteren Gestalt, die zudem die Hutkrempe noch so tief in die Stirn gezogen hatte, dass sein Gesicht nicht zu sehen war. Dies sollte wohl auch Sinn der Sache sein. Selbst im Bierkeller hatte der Mann den Hut nicht abgenommen. Hätte der Student ihn beschreiben müssen, wäre ihm kaum etwas dazu eingefallen.

Dicht vor den Fußspitzen seines Auftraggebers stoppte er. Das Knirschen der mit Eisenreifen beschlagenen Räder verstummte. Stille trat ein. Der junge Mann warf einen Blick nach rechts, weil ihm dort etwas aufgefallen war. Er sah die Lichtung direkt am Wegrand und auch den hohen Kastenwagen, der dort parkte und Ähnlichkeit mit einem Gefangenen-Transporter aufwies.

»Du hast die Leichen?« Wie immer redete der andere flüsternd und mit einer rau klingenden Stimme, die dem Studenten überhaupt nicht gefiel. Auch jetzt bekam er eine Gänsehaut.

»Ja, die habe ich.«

»Lass sie sehen!«

»Nein, erst das Geld.«

Der andere zögerte für einen Moment. Dann lachte er, ohne den Mund zu öffnen und griff unter seinen Mantel. Er holte den Schein hervor und steckte ihn sofort wieder weg, als der Student nach ihm greifen wollte. »Erst will ich die Leichen sehen.«

»Bitte.«

Die hochgewachsene Gestalt in dem langen Mantel drückte sich an dem Studenten vorbei, und der hatte das Gefühl, als würde ihn ein Hauch von Moder streifen. Er schauderte noch mehr und bereute diesen Job bereits. Dabei dachte er daran, dass er nicht einmal den Namen des anderen wusste.

»Wie heißen Sie eigentlich?«, fragte er.

Der Mann blieb stehen. Er hatte den Karren jetzt erreicht. Gemächlich drehte er den Kopf. »Weshalb willst du das wissen?«

»Nur so.«

»Ich bin Petar Kopanek.«

Der Student nickte. »Gut, danke. Ich heiße übrigens Thomas Le  …«

»Behalte ihn für dich«, sagte Kopanek. »Es spielt keine Rolle, wie jemand heißt. Auf die Taten kommt es an. Hast du verstanden? Nur auf die Taten, mein Freund.«

»Vielleicht.« Thomas sah ein, dass der andere keine Unterhaltung wollte.

Niemand störte die beiden. Es war eine ruhige, verlassene, beinahe unheimliche Gegend. Am Tage hielten sich hier Spaziergänger auf. Die Wälder um Prag waren ein Paradies für Erholungssuchende. In der Nacht aber schlief alles.

Hin und wieder fuhr ein Windstoß von den Hügeln herab, fanden seinen Weg durch den Wald und ließ die Blätter der zahlreichen Zweige und Äste gegeneinander rascheln.

Es kam dem Studenten so vor, als würden ihm geheimnisvolle Stimmen etwas zuraunen. Eine Warnung vielleicht. Die Geister der Natur standen auf seiner Seite und nicht auf der des düsteren Mannes neben dem Karren, der gerade die Plane von dem Wagen entfernte.

Das Knattern des harten Stoffs durchbrach die Stille, als der Mann die Plane fortzurrte, um sie anschließend zusammenzufalten.

Dann erst schaute er nach.

Der Student stand mit zu Fäusten geballten Händen da und schaute dem anderen zu. Dessen zeitlupenhafte Bewegungen reizten ihn, zudem sagte dieser Petar nichts, er schaute nur und nickte zufrieden, bis er damit begann, die erste Leiche abzuladen.

Er reagierte wie ein Prüfer, der sich genau über die Beschaffenheit eines Gegenstandes erkundigen will.

Es war der Tote mit der Glatze, unter dessen Achselhöhlen Kopanek seine Hände gelegt hatte. Der Tote hing wie eine Puppe in seinem Griff. Die Arme schaukelten, der Kopf fiel zur Seite. Der Wind spielte mit dem weiten Stoff des Totenhemdes wie mit einer Fahne.

Thomas ging einen Schritt näher. »Sind Sie zufrieden mit meiner Arbeit?«

»Bis jetzt ja.«

»Und sonst?«

Warte es ab.«

Dieser Kopanek hat eine unangenehme Stimme, dachte Thomas. Schon beim ersten Kontakt war ihm dies aufgefallen, doch bisher hatte es ihn nicht gestört. Die Stimme klang so unehrlich rau.

Der Student suchte nach seinen Zigaretten. Es war eine ausländische Marke. Zwei Stäbchen befanden sich noch in der Packung. Die Finger zitterten, als er das Erste hervorholte und es sich zwischen die Lippen steckte. Er wollte zum Feuerzeug greifen, als Kopanek, ohne sich umzudrehen, durch die Zähne einen Befehl zischte.

»Lass es sein!«

Thomas erschrak. Damit hatte er nicht gerechnet. Dieser Kerl schien am Rücken Augen zu haben. Widerstand keimte in ihm hoch. »Weshalb willst du mir das Rauchen verbieten?«

»Man raucht nicht im Wald!«

Der Student wollte lachen, das allerdings gefror ihm auf den Lippen. Es gab auch keinen Grund zur Heiterkeit. Dieser Wald war ihm durch das Herankarren der Leichen unheimlich geworden. Jeden Baum empfand er als eine Bedrohung gegen sich selbst. Zwischen den Stämmen lagen die Schatten dicht wie eine dicke Wand, aus der jeden Augenblick das Unheil hervorstoßen und zuschlagen konnte.

Petar Kopanek legte den Toten wieder zurück, um sich der nächsten Leiche zuzuwenden. Auch sie wurde von ihm genau geprüft, und er nickte wiederum zufrieden, weil alles nach seinen Vorstellungen gelaufen war.

Auch mit der dritten Leiche gab es keine Schwierigkeiten. Thomas wäre längst davongelaufen, hätte er nicht noch die zweite Hälfte des Salärs zu bekommen. So saß er da und wartete ab, wie sich die Dinge weiter entwickeln würden.

»Es ist in Ordnung«, sagte der Mann im langen Mantel.

»Kann ich jetzt mein Geld haben?«

Kopanek lachte leise, was dem ewigen Studenten überhaupt nicht gefiel. Thomas hatte plötzlich das Gefühl, genarrt zu werden. Das Blut schoss ihm in den Kopf, als er einen Schritt auf seinen Jobgeber zuging und diesen hart anfuhr. »Hören Sie zu! Ich habe meinen Auftrag erfüllt. Und nicht nur das, Meister. Ich bin volles Risiko eingegangen, ich will deshalb mein Geld haben.«

»Du sollst deine Belohnung bekommen!«

»Das will ich auch meinen.« Thomas streckte die Rechte aus. Er traute sich durchaus zu, den anderen niederzuschlagen und zu verschwinden. Dann sollte der doch sehen  …

Noch immer hatte er kaum etwas von Kopaneks Gesicht gesehen. Es blieb weiterhin im Schatten der Hutkrempe, und als er sich bückte, sah es so aus, als wollte er vor dem Studenten knien.

Dabei griff er nur in die Tasche seines langen Umhangs, in dem auch das Geld steckte.

»Hier ist es!«

Kopanek kam hoch. Er hielt etwas in der Hand. Thomas hatte sich darauf konzentriert, den Geldschein zu sehen, er sah auch etwas blitzen, aber das war kein Papier, sondern Stahl.

Eine Messerklinge!

Ihm wurde es klar. Die Zeitspanne dauerte vielleicht zwei, drei Sekunden, und das war einfach zu lange. Kopanek nutzte sie eiskalt aus. Mit einer schlangengleich anmutenden Bewegung drückte er seinen Arm nach vorn, und die Klinge durchbohrte den Körper des Studenten oberhalb des Gürtelschlosses.

Alles war plötzlich so unwirklich geworden, so fremdartig, so anders. Wie in einem fürchterlichen Traum, der nicht enden wollte. Thomas’Gesicht zeigte einen erstaunten Ausdruck. Seine Augen hatte er weit aufgerissen. Er wollte kaum glauben, was er sah. Die Perspektive hatte sich verändert. Dieser Mann im Mantel wurde plötzlich so groß. Gleichzeitig schien er auf einem Halbkreis zu stehen, der von einer Seite zu anderen schwankte, und die Bäume des Waldes bewegten sich ebenfalls aufeinander zu, als wollte sie mit ihren Kronen zusammenwachsen.

Erst dann kam der Schmerz.

Radikal, grausam und gemein.

Thomas hatte das Gefühl von innen zu verbrennen. Er wollte etwas sagen, aber es war nur ein Röcheln, das über seine Lippen drang.

Petar Kopanek stand vor ihm. Eine verzerrte Gestalt. Ein Monstrum, ein grausames Wesen, so irreal, aber gnadenlos.

Und der Schmerz wühlte sich weiter. Zur gleichen Zeit drang er in die Höhe und den Beinen entgegen. Er füllte sogar die Füße aus, alles wurde schwer und dennoch leicht. Thomas hatte das Gefühl, als könnte er schweben oder fliegen, wie er es sich als kleiner Junge immer gewünscht hatte. Die Baumkronen drehten sich, er sah sie über sich und hatte plötzlich den Eindruck, zwischen ihnen zu sein.

Dass er längst gefallen war und auf dem Rücken lag, merkte er nicht. Auch nicht den Druck der fremden Hände, die ihn gepackt hielten und an den Wegrand schleiften, wo sie ihn niederlegten.

Für den jungen Studenten gab es keine Rettung mehr. Nach jedem pumpenden Herzschlag sickerte mehr Leben aus der Messerwunde, sodass auf dem Boden eine rote Spur zurückblieb …

*

Thomas erlebte das Schweben zwischen Leben und Tod!

Noch hatte ihn der Sensenmann nicht in sein Reich geholt, er zögerte noch, weil das Leben einfach stärker war, aber es verlor immer mehr an Kraft, und so glich es nur einem letzten Aufbäumen, als es der junge Mann schaffte, die Augen zu öffnen.

Der Blick zeigte bereits an, wie es um ihn stand, aber er nahm noch auf, was in seiner unmittelbaren Umgebung geschah.

Jemand hatte ihn an den Wegrand geschleift. Ihm fiel der Name des anderen nicht ein, Thomas merkte nur, dass er an einer anderen Stelle lag und den Kopf so erhoben hatte, dass er über den schmalen Weg hinwegschauen konnte.

War es ein Weg oder ein welliger Fluss?

Jedenfalls schwankte er auf ihn nieder. Es gab graue Wellenberge sowie Täler, und darauf oder darin stand dieser Karren mit den Leichen. Nein, die Leichen sah er nicht mehr.

Als hätte man einen Vorhang vorgezogen, so kam er sich plötzlich vor. Noch einmal sah er seine Umgebung mit einer nahezu überdeutlichen Schärfe.

Da kristallisierte sich alles so deutlich hervor, und er sah auch das bläulich schimmernde Licht über den Bäumen, das ihm so ungemein fremd vorkam, weil es seiner Ansicht nach keine natürliche Quelle besaß. Es schwebte über und zwischen den Bäumen und hatte sich pilzartig ausgebreitet.

Ein leerer Karren, die Leichen waren ebenso verschwunden wie sein Auftraggeber.

Und er lag sterbend am Wegrand.

Das allerdings war ihm egal. Er wusste zwar, dass ihn der Tod ereilen würde, aber er dachte nicht mehr darüber nach, denn er sah allein das blaue Licht über den Bäumen.

War es bereits der erste Gruß aus dem Jenseits? Wollte man ihn damit möglicherweise locken?

Thomas wusste es nicht. Zudem konnte er keinen klaren Gedanken fassen, denn hinter seiner Schädelplatte vernahm er das Rauschen seines eigenen Blutes. Es war wie ein Wasserfall, der durch seinen Körper strömte und dafür sorgte, dass dieser gefüllt wurde.

Furchtbar  …

Und die Schmerzen waren da.

Urplötzlich kamen sie zurück. Sie kündigten das Ende des Lebens an. Das wusste Thomas. Er war 22 Jahre geworden. In der Blüte seiner Jugend hatte ihn das Schicksal ereilt.

Seinen eigenen Atem vernahm er, und dieser kam ihm so unheimlich und fremd vor. Dann war da das Hämmern in seinem Kopf, und die Schmerzen noch einmal schlimmer geworden, als wollten sie ihn in den Wahnsinn treiben. Plötzlich wünschte er sich, endlich von diesem Leben Abschied zu nehmen, das doch für ihn keinen Sinn mehr hatte. Aber der Tod wartete noch. Er schien dem anderen etwas zeigen zu wollen, denn das Licht wurde noch intensiver, wobei in seinem Innern ein strahlender weißer Kern hervorschälte. Ein Zentrum entstand.

Darin sah er sie mit aller Deutlichkeit. Ein letztesmal riss der Vorhang vor seinen allmählich brechenden Augen.

Er sah.

Und Thomas erkannte die drei Leichen!

Von ihm waren sie aus dem Leichenhaus geholt, auf den Karren geladen und an diesen Ort geschafft worden.

Jetzt schwebten sie!

Flach wie Bretter lagen sie in der Luft. Unsichtbare Hände schienen sie zu halten und zu führen, während sie durch das Licht glitten und allmählich deren äußeren Rand erreichten.

Das bekam Thomas nicht mehr mit.

Plötzlich kam der große Schatten über ihn. Verschwunden waren die Schmerzen. Ein ungemein starkes Glücksgefühl durchströmte ihn.

Der Tod hatte ihn erreicht  …«

*

Dreimal schon hatte mir der Wind die Flamme des Feuerzeugs ausgeblasen, bevor eine zweite abdeckende Hand erschien, sodass ich beim vierten Versuch die Zigarette endlich anzünden konnte.

»Danke«, sagte ich nickend.

»Keine Ursache«, klang es in einem hart gesprochenen Englisch.

Der Mann, der diese Worte gesagt hatte, hörte auf den namen Josef Dinek. Er war derjenige, der mich in einer Nacht- und Nebelaktion über die »grüne« Grenze von Deutschland aus in die Tschechei geschafft hatte.

Dies allein ließ darauf schließen, dass man mich von London aus mit einem Geheimauftrag losgeschickt hatte. Hinter den Eisernen Vorhang führte mich dieser Job, den man als offiziell inoffiziell bezeichnen konnte. Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Hohe Beamte in beiden Ländern waren über meinen Einsatz informiert und sie hatten unbürokratisch gehandelt.

Fast ein kleines Wunder.

Aber die Tschechen hatten Probleme, wie ich wusste, denn die schwebenden Leichen bereiteten ihnen Kummer.

Bisher hatten sie noch keinen Plan, wie sie diesem nicht erklärbaren Phänomen auf den Leib rücken konnten. Wie immer bei solchen Dingen, wurde der Geheimdienst eingeschaltet, und auch das über allem wachende Auge des KGB hatte davon erfahren.

Dort war man ebenfalls über den eigenen Schatten gesprungen und hatte sich des Mannes erinnert, der mal die Zombies auf dem Roten Platz gejagt hatte. 1

Ein gewisser John Sinclair, auch Geisterjäger genannt. So war mir also die Aufgabe zugefallen, mich um die schwebenden Leichen von Prag zu kümmern, und ich hatte natürlich nicht abgelehnt. Mein Partner Suko war in London geblieben, denn die Behörden zeigten sich nicht bereit, einen zweiten Mann einreisen zu lassen, was meinem Chef, Sir James, lieb gewesen war, da er einen von uns stets gern in seiner Nähe wusste.

Trotzdem stand ich nicht allein, da ich auch in der Tschechei jemand neben mir wusste, der Land und Leute ausgezeichnet kannte.

Es war Josef Dinek. Ich hatte ihn kurz Jo genannt, und er hatte es mit einem breiten Grinsen quittiert.

Wer dieser Mann genau war, wusste ich nicht. Ob hoher Politoffizier oder Geheimdienstmann, das spielte auch keine Rolle. Jedenfalls schien er durchzublicken und auch über gewisse Vollmachten zu verfügen.

Er würde mich auch zu den Plätzen bringen, die wichtig waren, er konnte mir alles zeigen, er hatte Ahnung, denn er kannte seine Landsleute genau, und er würde mir Steine aus dem Weg räumen, falls es Schwierigkeiten geben sollte.

In Prag hatten wir uns noch nicht blicken lassen. So war ich auch nicht dazu gekommen, das leckere Pils dort zu trinken. Das wollte ich auf jeden Fall nachholen, vorausgesetzt, ich überlebte den Fall.

Noch stand ich an die Dienstlimousine des Tschechen gelehnt und blies den Rauch in die Luft.

Der Tag lag hinter uns, die Nacht war gekommen, und bis zur Tageswende lag noch eine Stunde vor uns. Dinek telefonierte im Wagen. Ich hörte seine Stimme durch das offene Fenster, verstand jedoch nicht, was er sagte, denn die tschechische Sprache war für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Wenn wir beide uns unterhielten, dann in Englisch das Dinek einigermaßen beherrschte.

Er stieg wieder aus.

Ich schaute ihn mir an. Jo war kleiner als ich, dafür breiter in den Schultern. Er trug eine weiche Lederjacke und eine dunkle Hose. Seine Füße steckten in den grünen Sportschuhen einer deutschen Firma. Die drei Streifen, das Markenzeichen der Firma, waren auch im Ostblock bekannt.

Irgendwie wies Jos Gesicht Ähnlichkeit mit dem des Schlagerstars Karel Gott auf. Beide hatten hochstehende Wangenknochen und einen weichen Mund. Jos Haar besaß dagegen eine andere Farbe. Es war grau und straff nach hinten gekämmt.

Vor mir blieb er stehen. »Und?«, fragte ich.

Er hob die Schultern. »Nichts, John. Ich habe mit der Zentrale zwar Verbindung bekommen, aber sie haben nichts herausgefunden.«

»Keine Spuren?«

»Nein!«

Bei der Spurensuche ging es um drei Leichen, die vor gut einer Woche gestohlen worden waren, und die zweimal, über der Stadt schwebend von verschiedenen Zeugen gesehen worden waren. Bevor irgendjemand etwas unternehmen konnte, waren die Leichen verschwunden.

Jo Dinek holte ein Zigarillo hervor und zündete es an. Er schaute dabei in den Himmel. Dunkelblau lag er über uns. Eine herrliche Unendlichkeit, die mit einem Heer von Sternen übersät war. Die Nacht war fantastisch. Endlich hatte der Sommer Einzug gehalten, und auch die Nächte wurden wieder wärmer.

»Sind sie denn jede Nacht erschienen?« , fragte ich noch einmal nach.

»Bisher ja.«

»Dann werden wir sie ja vielleicht sehen.«

»Möglich.« Dinek zeigte sich nicht sehr optimistisch. Er war etwas nervös, zudem stand er unter Erfolgsdruck, was auch nicht immer gut ist.

Aber der Mann hatte Fantasie, das musste man ihm lassen, und dies machte ihn mir auch so sympathisch. Wir hatten uns einen wirklich tollen Plan ausgedacht.

Nicht weit entfernt wartete ein Mann auf uns, der einmal die tschechische Meisterschaft im Fesselballonfliegen gewonnen hatte. Mit diesem Ballon wollten wir aufsteigen und – falls es möglich war –, den Leichen entgegenfliegen. Startzeit sollte eine halbe Stunde vor Mitternacht sein.

Noch warteten wir auf der Hügelkuppe, die nach Westen hin mit dichten Nadelbäumen bewachsen war, zur Gegenseite allerdings freilag, sodass unser Blick in den freien Osten gleiten konnte.

Irgendwo lag Prag, aber von dieser Stadt sahen wir nicht einmal den Widerschein des Lichts über den Himmel streifen.

Dinek rauchte schweigend. Er war nicht mehr gesprächig. Die Nervosität machte sich auch bei ihm bemerkbar. Dauernd schaute er auf seine Uhr.

»Was haben Sie?«, fragte ich ihn.

Er winkte ab. »Eigentlich nichts. Ich denke nur darüber nach, ob mein Plan wirklich so gut war.«

»Bestimmt.«

Er lachte leise. »Sie sind Optimist.«

»Das muss ich sein.«

»Und ich habe diese schwebenden Leichen nicht einmal gesehen. Wenn ich nur wüsste, was dahintersteckt!«

Ich hob die Schultern. »Denken Sie mal an Ihre Hauptstadt. Prag hatte Geschichte gemacht. Schließlich stand hier die erste Universität der Welt. Sie war ein Zentrum von Lehre und Forschung, und auch, das gebe ich ehrlich zu, der Magie.«

»Wieso?«

»Erinnern sie sich an den Rabbi Loew, der den Golem erfunden haben soll. Auch Goethe hat seinen Faust darauf aufgebaut.«

»Klar, da haben Sie recht. Aber ich kann es nicht glauben. Auch die schwebenden Leichen sind mir suspekt. Das ist für mich einfach zu ungewöhnlich. Ich bin Realist  …«

»Das bin ich auch.«

»Manchmal habe ich das Gefühl, als wären wir beide Spinner oder Phantasten. Ich habe schon viele Aufträge bekommen, aber dieser hier  …« Er schüttelte den Kopf. »Der geht mir über die Hutschnur.«

Ich wollte etwas antworten, als ein Piepton aus dem Funkgerät im Wagen drang.

»Moment, sagte Dinek und tauchte wieder in seine Dienstlimousine. Es war ein russisches Fabrikat.

Er telefonierte nicht sehr lange, sagte auch nur wenig und nickte mehr. Als das Gespräch beendet war, blieb er auch im Wagen sitzen. Er winkte mir nur zu.

Ich setzte mich neben ihn. »Was ist?«

»Dvorak wartet.«

»Ist das der Ballonfahrer?«

»Ja.« Dineck startete den Wagen Der Motor stotterte kurz nach dem Start. Die Ostblockfahrzeuge besaßen eben nicht die Klasse der westlichen Limousinen.

»Wo starten wir?« Bisher war ich nicht mit vielen Informationen versorgt worden, deshalb musste ich so oft fragen.

»Wir bleiben in einer Höhe.«

»Und dann?«

»Werden Sie schon sehen. Es gibt da einen Landeplatz, den ich mir ausgesucht habe. Sehr günstig gelegen. Wir haben alles hinschaffen lassen. Das war kein Problem.«

Dies konnte ich mir vorstellen, denn organisieren konnten die Ostblockleute!

Da es keinen Weg oder Pfad gab, mussten wir quer durch das Gelände schaukeln. Die lang gezogenen Bodenwellen verlangten dem Wagen einiges ab, auch dem Fahrer, der das Lenkrad mit beiden Händen fest umklammert hielt.

Zudem begleitete uns die »Musik«, der arg strapazierten Stoßdämpfer, und wenn wir durch Querrinnen schaukelten, machte ich unangenehme Bekanntschaft mit dem Wagendach, falls ich den Kopf nicht vorher einzog.

Ich versuchte, den Ballon zu erkennen, doch das Gelände nahm mir noch die Sicht.

Schließlich sah ich ihn.

Er war bereits gefüllt und schwebte wie ein überdimensionaler, sich nach unten verjüngender Ball in der Luft, der im Nachtwind träge schaukelte.

»Sie sind da!«, sagte Jo.

»Haben Sie mit dem Gegenteil gerechnet?«

»Hier weiß man nie.« Er erhöhte das Tempo, die Stöße wurden härter, und wir gelangten auf den Hügel, wo der Ballon angebracht worden war, und um den herum einige Männer standen. Ich sah auch zwei Wagen. Einen Lkw und eine dunkle Limousine.

Man sah uns und den schwankenden Scheinwerferstrahlen entgegen. Einer der Leute trat vor und winkte uns dorthin, wo Dinek den Wagen abstellen sollte.

Wenig später war ich ausgestiegen.

Wind fuhr in meine Haare. Ich wurde scharf gemustert, man nickte mir zu, und der Pilot sprach mit Jo Dinek. Er war ein kerniger Mann, schon älter, mit einem furchigen Gesicht, einer Schiebermütze auf dem Kopf und einem Händedruck, der sich gewaschen hatte.

Ich wurde vorgestellt und freute mich, dass der Pilot auch meine Sprache beherrschte. Bekleidet war er mit einem dicken Blouson und einer gefütterten Hose.

»Ist alles bereit?«, fragte ich ihn.

»Wir können starten.

Ich trat an den Korb heran. Er war ziemlich groß. Da hätte noch jemand bequem Platz gehabt.

Einen Funker entdeckte ich in dem Korb, auch wetterfeste Regenmäntel, die in Deutschland Ostfriesen-Nerze genannt werden.

Dinek sprach noch mit den Männern des Begleitpersonals und gab letzte Anweisungen, während ich, mit dem Rücken gegen den Korb gelehnt, den gewaltigen Ball inspizierte. Die Hülle zeigte eine dunkle Farbe. Wir würden in der ebenfalls dunklen Nacht nicht so leicht auffallen.

Ein wenig Magendrücken spürte ich schon, wenn ich daran dachte, dass ich mich diesem Ballon und dem Korb anvertrauen sollte. Aber der Ballonfahrer verstand sein Handwerk, wie man mir versichert hatte.

Dvorak kam zu mir. »Angst?«, fragte er und grinste.

»Ein wenig.«

Er winkte ab. »Das gibt sich. Zuerst wird es Ihnen komisch vorkommen, später, wenn sie sich daran gewöhnt haben, ist es herrlich. Für mich gibt es nichts Schöneres, als mit einem Ballon zu fahren. Das ist das Gefühl der Freiheit und der Genuss der absoluten Stille. Jemand hatte mal gesagt, dass man als Ballonfahrer Gott erleben kann. Ich glaube fast, dass dieser Mann nicht gelogen hat.«

»Das will ich hoffen.«

Auch Jo Dinek trat zu uns. »Können wir starten?«, fragte er.

Weder der Ballonfahrer noch ich hatten etwas dagegen. Dvorak kletterte als Erster in den Korb. Ich schaute zu, wie er sich über den Rand hinwegschwang und machte es ihm nach.

Dabei dachte ich an die schwebenden Leichen. Sie glitten lautlos durch die Luft, und ebenso lautlos wollten wir uns ihnen nähern.

Dinek deutete auf das Funkgerät. »Damit werden wir Kontakt halten.«

»Mit wem?«, fragte ich.

»Es gibt eine Dienststelle in Prag, die Bescheid wissen will.« Mehr Informationen gab er mir nicht. Er gab dem Bodenpersonal die Anweisung, die Leinen zu lösen.

Ich schaute den Männern dabei zu.

Der Korb schwankte bereits. Ich hatte für einen Augenblick das Gefühl, als würde der Korb unter meinen Füßen hinweggleiten, und dies verstärkte sich, nachdem die letzte Leine gelöst worden war.

Wir schwebten.

Der Ballon trieb hoch, während Dvorak sich um die anderen Leinen kümmerte. Er konnte damit steuern, und er überpürfte auch besonders sorgfältig die Ventilleine.

Wir stiegen auf.

Unter mir sah ich die Männer und die beiden Wagen kleiner werden. Ein Mann winkte uns noch zum Abschied zu. Es war die letzte Bewegung, die ich klar erkannte. Anschließend verschwanden Wagen und Männer im Grau der Dämmerung.

Durch die Nase holte ich Luft. Ich musste mich erst daran gewöhnen, unter mir nur den Boden des Korbs zu wissen und über mir den Himmel und die Ballonhülle.

Der Druck im Magen, den ich während des Starts verspürt hatte, verschwand allmählich. Der Pilot hatte recht gehabt. Es war ein erhabenes Gefühl, mit einem Ballon zu fahren und die Welt des Schweigens zu erleben. Auch in der Nacht, denn wir hatten ein wunderbares Wetter, kein Wölkchen am Himmel.

Unter uns konnte ich schon keine Konturen erkennen. Die Wald- und Wiesenflächen verschwammen ineinander. Ebenso die Hügel. Es war nicht mehr genau zu sehen, welche Form das Gelände besaß.

»Hier, nehmen Sie das.« Dinek war gekommen und reichte mir ein Fernglas, das ich mir umhängte.

»Ist es ein Nachtglas?«

»Ja.«

Ich schaute hindurch und war angenehm überrascht.

»Zufrieden?«

»Mehr als das.«

»Und wie fühlen Sie sich?«

»Jetzt wunderbar.«

Der Tscheche lachte. »Beim Start nicht?«

»Nein, es war schon komisch, aber wenn ich den Himmel sehe, seine Weite erkenne, die Ruhe erlebe, dann ist das schon etwas Einmaliges, und ich kann die Ballonfahrer verstehen, die sehr von ihrem Sport oder Hobby schwärmen.«

»Danke«, meldete sich der Pilot und kam ebenfalls zu uns. »So etwas hört man gern.«

»Es ist auch ehrlich gemeint.«

Er lachte und deutete in die Runde. »Gibt es eine größere Freiheit als hier?«, fragte er.

»Wohl kaum. Leider ist sie begrenzt. Stellen Sie sich vor, Sie werden zur Landesgrenze abgetrieben.« Diese Bemerkung konnte ich mir einfach nicht verkneifen.

»Dann sieht es in der Tat böse aus«, erwiderte Dvorak.

Dinek griff ein. »Übertreiben Sie mal nicht!«

Klar, dass er seine Regierung und dessen System verteidigen musste. Ich heizte die Diskussion auch nicht weiter an, schwieg und schaute in den Himmel.

Nach Osten blickte ich dabei, dort lag Prag, und dort waren auch die schwebenden Leichen erschienen. Ein Zeuge hatte behauptet, dass sie ungewöhnlich blauweiß leuchten würden, als wären sie von einer strahlenden Aura umgeben.

Was an diesen Aussagen stimmte, wollten wir herausfinden.

Und so glitten wir weiter. Hinein in die Weite dieses Landes, über dem wir schwebten. Wir stiegen auch nicht mehr. Dinek ging seiner Arbeit nach. Er hatte sich auf den Boden gehockt und das Funkgerät eingestellt. Mit Prag wollte er Verbindung aufnehmen. Er hatte sich einen Kopfhörer übergestreift, sprach ein Codewort und bekam schließlich Antwort. Dies erkannte ich an seinem heftigen Nicken.

Der Pilot sprach mich an. »Josef ist kein schlechter Mensch. Er steht nur auf der falschen Seite.«

»Wieso?«

»Die Partei, wissen Sie. Er kommt einfach nicht davon los. Das gefällt mir nicht.«

»Und Sie?«

»Ich bin parteilos.«

Er hörte auf zu sprechen, weil sich Dinek erhoben hatte und die Kopfhörer abstreifte. »Ich hatte mit Prag Verbindung«, erklärte er. »Aber sie haben leider nichts feststellen können.«

»Also keine schwebenden Leichen?«, fragte ich.

»So ist es.«

»Und wenn wir sie in dieser Nacht nicht entdecken?«

Josef hob die Schultern. »Werden wir noch einmal aufsteigen.«

Ich zeigte auf die Sterne. »Wobei ich hoffe, dass sich das Wetter weiterhin hält.«

»Die Berichte hörten sich jedenfalls gut an.«

»Gehen Sie danach?«

»Eigentlich nicht«, gab er zu. »Aber was wollen Sie machen?«

Ich schaute in die Tiefe. Dass wir eine Straße überflogen, war nur an dem wandernden Scheinwerferpaar eines fahrenden Autos zu erkennen. Von der Fahrbahn selbst sahen wir nichts. Auch die Scheinwerfer wirkten, von hier oben aus gesehen, nur wie zwei blasse Punkte.

Obwohl wir nach Osten flogen und uns der Hauptstadt näherten, sahen wir von ihr nichts. In London ist das anders. Da lag auch nachts ein nie abreißender Widerschein am Himmel, es sei denn, der Strom fiel in der gesamten Stadt aus.

Ich drehte mich um und ließ mir den Nachtwind ins Gesicht wehen. Es war gut, eine Lederjacke zu tragen, sie hielt den kalten Fahrtwind prima ab.

Eigentlich hätte ich die Reise im Ballon genießen können, wäre da nicht dieser Druck im Unterbewusstsein gewesen, der mich immer wieder an die schwebenden Leichen erinnerte.

Ich war fest davon überzeugt, dass wir keiner Halluzination des Zeugen erlegen waren. So etwas dachte man sich nicht aus, obwohl es so unwirklich war. Das musste man einfach erlebt haben.

Der Korb war nicht sehr groß. Ich nahm trotzdem meine Wanderung auf. Wer sagte mir überhaupt, dass die Leichen aus östlicher Richtung herangeweht würden?

Ich schaute in die anderen drei Himmelsrichtungen, hatte aber Pech. Keine Toten zu sehen.

Dafür entdeckte die Dvorak.

Er stand in meinem Rücken. Ich hörte seinen überraschten Ausruf, und auch Dinek drehte sich um.

»Was ist denn?«

»Da!«

Mehr brauchte der Pilot auch nicht zu sagen. Er deutete nach Osten. Noch sehr weit entfernt, dennoch zu erkennen, schwebte etwas zwischen Himmel und Erde.

Es waren die drei Leichen!

*

Während der Pilot und ich staunten, meldete sich das Funkgerät mit einem hohen Piepton.

Jo Dinek war sauer. »Ausgerechnet jetzt!«, beschwerte er sich, ging aber in die Hocke und nahm Kontakt auf.

Dvorak und ich schauten in die Richtung, aus der die Leichen herangeschwebt waren. Wo man sie hatte starten lassen, war für uns nicht zu erkennen gewesen. Jedenfalls befanden sie sich in der Luft, auch ein Beweis, dass sich die Zeugen nicht getäuscht und wir Glück gehabt hatten, sie bereits bei der ersten Reise zu entdecken.

Sie flogen sehr ruhig und in einer keilförmigen Formation. Ein unheimliches und auch ungewöhnliches Schauspiel, wenn ich daran dachte, dass es längst Verstorbene waren, die so lautlos durch die Luft glitten, als würden sie von Flügeln getragen. Die Gänsehaut auf meinem Rücken blieb. Daran konnte ich nichts ändern.

Selbst der hartgesottene Dvorak neben mir war nicht unbeeindruckt geblieben. Er schlug zwei hastige Kreuzzeichen und murmelte etwas in seiner Landessprache. Erst dann stellte er sich wieder den Problemen. »Was sollen wir machen?«

Ich hob die Schultern. »Man sollte versuchen, in der Luft zu treffen.«

Die Augen des Mannes weiteten sich. »Sie wollen nahe heran?«

»Deshalb bin ich hier.«

Der Fahrer holte tief Luft. »Na ja, das ist ja eigentlich völlig normal. Gut, ich werde versuchen, dass wir kollidieren.«

Er sagte auch Dinek Bescheid, der nur nickte, ansonsten den Kontakt mit Prag hielt.

Ich beobachtete die schwebenden Toten. Der Wind stand für uns ebenso günstig wie für sie. Flach wie Bretter lagen sie in der Luft. Dabei pendelten nicht einmal ihre Arme durch. Sie blieben an die Körper gepresst, praktisch an den Seiten der Leichenhemden.

Dvorak hatte zu tun. Er setzte all seine Erfahrungen ein, um mithilfe der Steuertechnik dem Ballon eine andere Flugrichtung zu geben. Dabei geriet der Korb ein wenig ins Schwanken. Ich hielt mich unwillkürlich an dessen Rand fest.

Schaffte er es?

Ja, der Mann war gut. Er bekam den Kurs tatsächlich in den Griff, und so schwebten wir den drei Leichen in einem fast rechten Winkel entgegen.

Auch Dinek schaute zu. Er stand neben mir und schüttelte mehrere Male den Kopf.

»Was haben Sie?«, fragte ich.

»Es ist unbegreiflich. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, aber ich sehe es nun mit eigenen Augen, und ich finde trotzdem keine Erklärung dafür.«

»Mir geht es ebenso.«

»Dabei sind Sie doch Spezialist.«

»Das sagt sich immer so leicht«, erwiderte ich schief lächelnd. »Auch für mich ist das neu.« Ich strich meine Haare nach hinten. »Was hat denn Prag gesagt?«

»Nicht viel. Dort hat man die Leichen noch nicht entdeckt. Zudem treiben sie nicht gerade auf die Innenstadt zu. Sie müssten meiner Ansicht nach am westlichen Rand zu sehen sein.«

»Sind sie denn auf den Radarschirmen Ihrer Abwehr zu sehen?«

»Nein, das ist es ja. Ein verdammt großes Problem, wie ich zugeben muss. Keine Chance für uns. Die Schirme bleiben dunkel, als wären die Toten mit einem strahlenabwehrenden Material bestrichen. Ich kann das nicht fassen. Sie?«

»Wir haben es hier mit Magie zu tun«, erwiderte ich. »Und die reagiert nun mal anders als die Technik.«

»Wie denn?«

»Das kann ich Ihnen nicht genau erklären. Nehmen Sie es einfach hin, Josef.«

»Das erklären Sie mal meinem Vorgesetzten.«

»Vielleicht komme ich dazu.« Erst jetzt erinnerte ich mich an mein Nachtglas, setzte es vor die Augen, stellte die Schärfe ein und hatte die Toten schließlich im Blick.

Ziemlich deutlich konnte ich sie erkennen.

Zwei von ihnen besaßen Haare, die ebenso weiß waren wie die Totenhemden. Die dritte Leiche war weder mit einer natürlichen noch einer unnatürlichen Kopfbedeckung versehen. Ihr Schädel glänzte kalt. Sie besaß eine Glatze.

Die Gesichter konnte ich nicht so genau erkennen, dazu war die Entfernung noch zu groß, aber ich entdeckte die helle Aura, die die Körper umgab.

Ein unnatürliches weißblaues Licht, das von einer normalen Quelle stammen konnte. Als ich das Glas sinken ließ, hob Dinek die Schultern. Mit dieser Geste zeigte er an, wie ratlos er war. Trotz der hier oben herrschenden kühlen Witterung hatte sich auf seinem Gesicht eine Schweißschicht abgesetzt, die er wegputzte.

»Was haben Sie?«

Er winkte ab. »Fragen Sie mich etwas Leichteres! Für mich ist das alles unbegreiflich. Ich drehe zwar nicht gerade durch, aber lieber würde ich irgendwo in einem Bunker sitzen.«

»Das hat auch keinen Sinn. Man muss sich den Problemen eben stellen.«

»Und dann?« Er hob seine Arme. »Was haben Sie mit den Leichen vor, Sinclair?«

»Ich bin bewaffnet.«

»Das bin ich auch.«

»Schießen Sie Silberkugeln ab?«

Er blickte mich erstaunt an und schüttelte den Kopf. »Was sagen Sie da? Silberkugeln?«

»Ja.«

»Aber das ist ein Märchen?«

»Nein.« Ich holte als Antwort meine Beretta hervor, richtete den Lauf über den Korbrand hinweg und erklärte dem Tschechen, dass in dem Magazin geweihte Silberkugeln steckten.

»Und damit haben Sie Erfolg?«, fragte er ungläubig wirkend.

»Ich hoffe es.«

»Genau wissen Sie es nicht?«

Da musste ich lachen. »Was, mein Lieber, meinen Sie, wie viele Gegner ich durch einen gezielten Schuss mit einer Silberkugel schon erledigt habe? Diese Geschosse sind ideal für Vampire, Werwölfe und lebende Leichen.«

Jo Dinek kam aus dem Staunen nicht heraus. »Und die gibt es?«

»Sicher doch. Sogar in der Sowjetunion. Ich habe dort Zombies gejagt. Vom Roten Platz bis nach Sibirien, das können Sie mir glauben.«

Er nickte. »Schon, Sinclair, schon. Ich glaube Ihnen alles. Man hat mir davon berichtet, aber es war trotzdem nicht einfach für mich, dies den Leuten abzunehmen. Jetzt, wo Sie direkt neben mir stehen, sehe ich das anders.«

Erklärungen hatte ich ihm genug gegeben. Die Beretta steckte ich nicht mehr weg und deutete mit der Mündung auf die schwebenden Toten. »Die Entfernung schmilzt zusammen. Nicht mehr lange, dann sind sie auf Schlussweite heran.«

»Und dann putzen Sie die Toten vom Himmel.«

»So ähnlich.«

»Sind es Zombies?« Nicht Dinek hatte gefragt, sondern der Pilot. Ihm war es gelungen, einen Großteil unseres Gesprächs zu belauschen.

Ich drehte mich ihm zu. Auch sein Gesicht hatte eine blasse Farbe angenommen. Das Lächeln auf seinen Lippen wirkte unecht und verzerrt.

»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte ich ehrlich. »Zombies sind lebende Tote, das da vorn sind schwebende …«

»Wobei das eine das andere nicht ausschließt«, meinte Dvorak.

»Da gebe ich Ihnen recht.«

»Ich verstehe nur eines nicht«, sagte wieder Dinek. »Wie können die Leichen schweben? Von allein?«

»Das glaube ich nicht.«

»Wie dann?«

»Es muss eine Kraft dahinterstecken. Eine Magie, die allerdings von irgend jemandem geleitet und konzentriert wird. Verstehen Sie?«

»So halb.« Dinek war ehrlich, während Dvorak nur mehr die Schultern hob. Für ihn war das alles zu hoch und unwahrscheinlich. Einen Vorwurf konnte man ihm nicht machen. Auch ich, der ich einiges gewohnt war, hatte mich erst an die Tatsache der schwebenden Leichen gewöhnen müssen. Jetzt allerdings nahm ich sie als gegeben hin.

»Sie haben Erfahrung«, wandte ich mich an Dvorak. »Was meinen Sie. Wie weit sind sie noch von uns entfernt?«

»Wie nahe wollen Sie heran?«

»Auf Schussweite.«

Er wiegte den Kopf. »Da werden Sie noch etwas fahren müssen. Das ist bisher noch zu weit.«

Ich hob den rechten Arm und zielte mit dem Berettalauf über den Korbrand hinweg. Trotz der Dunkelheit waren die Toten schon mit bloßem Auge gut zu erkennen, die sie umgebende Aura sorgte dafür. Ich maß wieder die Distanz und schaute auch in die Tiefe. Mein Blick war dabei schräg nach Osten gewandert. Erst jetzt sah ich, dass wir uns in der Nähe von Prag befanden. Es brannten doch zahlreiche Lichter in dieser fantastischen Stadt. Deren Widerschein reichte auch in die Höhe und spiegelte sich am dunkelblauen Firmament wider.

Auch der Verkehr hatte zugenommen. Unter uns tat sich etwas auf den Straßen. Es herrschte mehr Verkehr. Wie würden die Fahrer wohl reagieren, wenn sie am Himmel die drei schwebenden Leichen sahen? Bestimmt würden sie an eine Halluzination oder einen Spuk glauben.

Für uns ging die Reise weiter. Wir näherten uns immer mehr den weißgewandeten Toten.

Sogar die Aura war für uns deutlicher zu erkennen. Sie hüllte die Leichen ein wie ein Mantel.

»Jetzt könnten Sie es versuchen«, sagte Jo Dinek und hob einen Daumen als Zeichen des Sieges.

Ich maß die Entfernung.

Schräg näherten wir uns den drei Toten. Sie flogen noch immer in dieser pfeilförmigen Formation. Dabei spielte der Wind mit ihren Haaren. Da er nicht unbedingt streng aus der gleichen Richtung wehte, wirbelte er sie manchmal in die Höhe, um sie später wieder gegen die Köpfe zu pressen.

»Was zögern Sie?«, rief Dinek. Seine Stimme klang gepresst.

»Moment noch.«

Ich zielte genau. Es war nicht so einfach, denn erst jetzt wurde mir richtig bewusst, dass der Korb, in dem wir standen, auch schwankte. Ich stellte mich breitbeinig hin, um die Schwankungen ausgleichen und das Ziel anvisieren zu können.

Leider konnte ich mit einem Schuss nicht alle drei erledigen. Eigentlich hätte ich sie der Reihe nach vom Himmel holen müssen, falls es überhaupt klappte.

Ich kam mir vor wie auf einer Insel zwischen Himmel und Erde. So ähnlich war es auch. Mein Zeigefinger berührte den Abzug.

Ich dachte daran, dass ich die Hand ruhig halten musste, nur nicht zucken, wenn ich abdrückte.

Dann schoss ich.

Ich sah noch für einen winzigen Moment die Flamme des Mündungsfeuers zucken, und ich war auch sicher, dass die geweihte Kugel getroffen hatte, aber sie holte den Toten nicht vom Himmel.

Statt dessen geschah etwas anderes. Als die Kugel in die Aura eintrat, sah ich das Aufsprühen, als wäre dort etwas explodiert. In der Tat konnte man die Vernichtung des Silbergeschosses als kleine Explosion bezeichnen, denn es löste sich auf, und nur geweihter Staub blieb von ihm zurück.

Das war alles.

Mein rechter Arm sank nach unten. Wie die beiden anderen, so schaute auch ich auf die drei Leichen, die sich nicht hatten stoppen lassen.

»Das gibt es doch nicht«, hauchte Dvorak.

Dinek lachte. »Hatten Sie nicht von geweihten Silberkugeln gesprochen, Sinclair?«

»In der Tat.«

»Und?«

Ich holte tief Luft. Die Antwort fiel mir nicht leicht, da ich vorhin noch so überzeugend von meiner Waffe gesprochen hatte. »Es tut mir leid. Ich hatte Ihnen vergessen zu sagen, dass die Silberkugeln bei starken magischen Gegnern nichts erreichen.«

»Die haben wir also hier vor uns?«

»So sieht es aus.«

Der Tscheche rieb über sein Kinn. Er knetete es mit zwei Fingern. »Und was machen wir jetzt?«, fragte er.

Auf diese Frage wusste auch ich keine Antwort und beschloss, zunächst einmal abzuwarten.

Dvorak war der große Realist in dieser Sekunde. Er sagte: »Wir schweben genau auf sie zu  …«

*

Was sollte ich darauf antworten? Mir fiel nichts ein, auch Dinek sagte nichts. Beide mussten wir es als Tatsache akzeptieren.

»Können Sie nicht ausweichen?«, fragte ich.

»Schon. Ich müsste mich nur beeilen. Aber was bringt uns das? Wollten Sie nicht an die Leichen heran?«

Da hatte der Pilot auch wieder recht. Verdammt, ich befand mich in einer Zwickmühle. Die schwebenden Toten waren durch geweihte Silberkugeln nicht zu vernichten. Sie besaßen eine gewisse Stärke, waren durch schwarze Magie aufgeladen und würden sich unter Umständen auch gegen uns wehren können. Ich konnte mich verteidigen, schließlich war ich gut bewaffnet, denn ich trug außer der Beretta noch mein Kreuz und den Bumerang bei mir. Aber wie sah es mit meinen beiden Begleitern aus?

»Jetzt müssten Sie sich schon entscheiden«, verlangte Dvorak.

Ich wollte antworten, als mir Jo Dinek zuvorkam. »Nein«, sagte er. »Wir werden es nicht riskieren!«

»Das heißt, abdrehen?«

»Ja, Dvorak!« Nach dieser Erwiderung warf mir der Mann einen scharfen und gleichzeitig fragenden Blick zu. Er wartete auf meine Einwände. Ich hatte keine, obwohl ich anders gehandelt hätte. Leider reichten meine Kompetenzen in diesem Land nicht so weit.

»Sie sind doch einverstanden, Sinclair – oder?«

»Im Prinzip ja.«

Dinek verzog die Mundwinkel. »Sie hätten es auf eine Kollision ankommen lassen?«

»Wahrscheinlich.«

»Verdammt, Ihre komischen Kugeln haben nichts erreicht. Sind Sie sich des Risikos bewusst? Irgendwann werden die Leichen mal landen. Dann schlagen wir zu.«

Ich schüttelte den Kopf. »Sie brauchen sich nicht zu verteidigen, Josef. Ich habe akzeptiert.«

»Dann übernehme ich auch die weitere Verantwortung.«

»Wie Sie wollen.«

Inzwischen hatte Dvorak das Ausweichmanöver eingeleitet. Durch das Ziehen an der Ventilleine hatte er etwas Gas abgelassen, sodass wir sanken. Wollten wir wieder steigen, mussten wir Ballast abwerfen.

Ich kam mir vor wie in einem sehr langsam fahrenden Lift. Über uns schwebten die Toten.

Und dann bewegten sich die Leichen!

Zuerst war es nur ein Zucken, und ich dachte mir auch nichts dabei, bis ich feststellte, dass sie zu einem zeitlupenartigen Sturzflug angesetzt hatten. Ihr Ziel war unser Ballon.

Das gefiel mir gar nicht. Ich sah sogar die Gesichter der Leichen, erkannte die totenstarren Züge und die glanzlosen Augen. Ihre Münder standen offen, die Haare flatterten, der Stoff der Totenhemden zitterte im Wind.

Von Sekunde zu Sekunde wuchs die Gefahr!

Und das merkten auch die beiden anderen. »Wir müssen noch tiefer«, rief Dvorak.

»Dann tun Sie es.«

Ich hatte es ihm zugerufen, während Jo am Boden des Korbs kniete und dabei versuchte, Kontakt mit Prag aufzunehmen, um von der neuen Lage zu berichten.

»Was haben Sie denn vor?«, fragte ich ihn.

Er schaute mich schräg von unten her an, während wir tiefer sanken. »Ich muss mit Prag reden! Die sollen einen Hubschrauber losschicken! Wir knallen die Leichen mit Maschinenpistolen ab!«

»Das nutzt nichts.«

»Mehr als ihr komisches Silber, Sinclair!«

Plötzlich wurde es hektisch. Dvorak trug viel dazu bei, als er rief: »Zu spät, Freunde. Zu spät. Sie sind schon da!«

Ich schaute hoch.

Mein Herzschlag beschleunigte sich. Breitbeinig stand ich im Korb hörte das Zischen des Luftventils und sah in dem Leinenwirrwarr zwischen Ballon und Korb eine der schwebenden Leichen.

Es war der Glatzkopf. Er war so nahe herangekommen, dass er sich in den Leinen verfangen hatte.

»Dir werde ich es zeigen!«, schrie Dinek und schnellte hoch.

»Nicht, nicht!«, brüllte ich, da ich erkannt hatte, was er vorhatte und es für einen gefährlichen Fehler hielt.

Er kümmerte sich darum nicht. Die Arme hatte er ausgestreckt, die Hände zu Klauen geformt, und bevor ich ihn noch stoppen konnte, umfasste er die Hüfte des schwebenden Toten.

Da passierte es!

*

Auf einmal brüllte er auf!

Er hielt die Leiche noch umfasst, aber er schrie wie am Spieß, und ich sah, dass sich die hellblaue Aura ausbreitete und auch vom Körper des Tschechen Besitz ergriff. Der Mann begann zu zittern, als hätte er Stromstöße erhalten. Er schrie unaufhörlich. Wie nebenbei bemerkte ich, dass sich uns auch die anderen beiden Leichen genähert hatten, aber die waren nicht wichtig.

Dvorak hockte auf dem Boden und hielt die Ventilleine fest. Mehr Gas strömte aus dem Ballon. Dementsprechend schneller sanken wir dem Boden entgegen.

Dies alles war für mich zweitrangig geworden, da ich Dinek helfen musste. Er brüllte verzweifelt.

»Ich verbrenne! Ich verbrenne  …!«

Wenn ich ihn anfasste, würde es mir wahrscheinlich ebenso ergehen. Deshalb griff ich zu einem anderen Mittel.

Dem Kreuz!

Blitzschnell hatte ich es über meinen Kopf gestreift. Noch in der gleichen Sekunde presste ich meinen geweihten, silbernen Talisman gegen den Körper des Tschechen, um die magische Aufladung bei ihm zu kompensieren.

Schaffte ich es?

Es war ein Risiko, da ich die Kraft dieser für mich fremden Magie noch nicht kannte. Zum Glück ließ mich das Kreuz nicht im Stich. Es half mir so, wie es mir schon oft genug geholfen hatte.

Durch seine weißmagische Kraft zerstörte es die anders gelagerte Aura um den Körper des Tschechen.

Er sackte zusammen, fiel in die Knie, kippte nach hinten und damit gegen mich.

Ich fing ihn zwar noch ab, doch sein Gewicht reichte aus, um auch mich zu Boden zu drücken.

Wir lagen beide, ich hörte ihn stöhnen und wälzte ihn von mir. Erst dann konnte ich mich um die Toten kümmern.

Viel Platz hatten wir nicht mehr, denn die drei Leichen befanden sich in unmittelbarer Nähe, das heißt, ihre Körper hatten sich innerhalb des Leinenwirrwarrs verfangen. Dort hingen die steifen Körper fest. Der Glatzkopf lag schräg, die anderen beiden hatten ihre rückwärtige Lage beibehalten, und sie trieben mit uns schräg dem Boden entgegen.

Wenn ich realistisch darüber nachdachte, konnte ich es sogar als einen Vorteil ansehen. Wir hatten die drei Leichen auf gewisse Art und Weise gefangen, und sie würden mit uns zusammen aufsetzen. Das war nicht einmal schlecht.

Aber es kam alles anders.

Bevor ich mir noch etwas hatte einfallen lassen, veränderte sich die Umgebung. Ein starker bläulicher Lichtschein, der vom Erdboden hochstach und sich, je höher er drang, pyramidenförmig verbreitete, hüllte uns ein wie ein Mantel.

Wir konnten nichts dagegen tun.

Dann vernahmen wir ein unerklärliches Knistern und Knattern, das sich in das Zischen der aus dem Ventil strömenden Luft vermischte. Leider konnte auch ich mich darum nicht kümmern. Ich merkte nur den plötzlichen Ruck, der mich zur Seite trieb. Auch die anderen beiden wurden davon nicht verschont, denn sie purzelten praktisch gegen mich.

Ich hörte Josef Dinek fluchen.

Die Regie hatte ein anderer übernommen. Bis zu dem Moment, als das blaue Licht verschwand.

Schlagartig geschah dies. So schnell, wie es auch über uns gekommen war. Die Umgebung zeigte sich wieder normal. Wir näherten uns dem Erdboden, von den drei Toten war nichts mehr zu sehen, als wir in die Höhe schauten. Wir sahen dafür etwas anderes, das ebenso gefährlich war wie der zurückliegende Angriff.

Dvorak sprach es aus. »Verdammt, die Leinen sind los!«, schrie er. »Wir hängen nur noch an einer  …«

*

Er hatte recht!

Wir hingen tatsächlich nur noch an einer Leine. Die anderen vier flatterten uns um die Ohren. Der Korb hatte sich so stark nach links geneigt, dass wir plötzlich aufeinanderlagen. Wir wunderten uns, dass wir nicht herausgefallen waren.

Auch Dvorak hatte die Lage erfasst. »Nicht rühren!«, schrie er. »Nur nicht bewegen! Bleibt so liegen!« Er fingerte nach der herunterhängenden Ventilleine.

Vergeblich.

Ich kam mir vor wie auf einer lebensgefährlichen Schaukel, die uns jeden Augenblick »abladen« konnte.

Vielleicht hätte ich es nicht einmal als so schlimm empfunden, wenn dieser verdammte Korb nicht so geschwankt hätte. Unternehmen konnten wir gegen die Pendelbewegungen nichts. Wir lagen kreuz und quer übereinander in dem Korb und warteten nur darauf, endlich Bodenkontakt zu bekommen. Wir wollten die Landung heil und sicher überstehen!

Noch war es nicht soweit!

Ich sah die verzerrten Gesichter meiner Begleiter. Auch ihnen war verdammt unwohl. Selbst Dvorak schien so etwas noch nicht erlebt zu haben. Er lag gekrümmt da, seine Lippen bewegten sich. Ich verstand kein Wort, weil er erstens nur flüsterte und ihm zweitens Flugwind die Laute von den Lippen riss.

Auf mir lag Josef Dinek. Er keuchte. Der warme Atem streifte mein Gesicht. Ich nahm den Geruch von Kümmel wahr. Seine Augen hatte er verdreht. Er starrte den flatternden Leinen entgegen, die über uns vom Wind gepeitscht wurden.

Ich hätte gern über den Korbrand hinweggeschaut, um zu erfahren, wie weit wir uns noch vom Erdboden entfernt befanden. Das gelang mir nicht. Zudem durfte ich mich nicht bewegen, das hätte für uns eine Katastrophe bedeuten können.

Die schwebenden Leichen interessierten mich nicht mehr. Jetzt ging es allein um unser Leben und ob wir es schafften, den Aufschlag zu überstehen. Es war auch gut möglich, dass wir in irgendwelchen Baumkronen landeten und dort hängenblieben. Jedenfalls waren wir nicht mehr in der Lage, eine normale Landung einzuleiten.

Schatten erschienen plötzlich. Baumkronen! Ein Ruck stoppte meine Gedanken.

Plötzlich wurden wir durcheinandergewirbelt, rutschten, fielen und kippten. Wir hörten das Krachen und Brechen. Ein Ast peitschte in unseren Korb und schrammte über meine Wange.

Dass ich blutete, nahm ich nur am Rande wahr, denn um uns herum befand sich das reine Chaos. Ich wusste nicht mehr, wo oben oder unten war. Die Welt stürzte förmlich zusammen. Es war ein mörderischer Trubel, das Krachen und Brechen der Äste wollte überhaupt kein Ende mehr nehmen. Wir bekamen die gnadenlosen und harten Schläge der Äste mit. Blätter streiften durch mein Gesicht, etwas rammte in meinen Magen, ich musste würgen und merkte, dass mich eine nicht unter Kontrolle zu bekommende Kraft aus dem Korb kippte.

Ich fiel in das Geäst. Zum Glück nicht aus einer großen Höhe. Zwar brachen einige Zweige ab, andere bogen sich durch, aber ich bekam dennoch einen starken Ast zu fasen, an dem ich mich festklammern konnte. Zudem fanden meine trampelnden Füße auch den nötigen Halt, sodass ich zwar unbequem, aber stand.

So blieb ich auch. Die Augen hielt ich geschlossen, um der Verletzungsgefahr vorzubeugen.

Über mir sah ich die Krone. Sie hatte ein gewaltiges Loch bekommen, verursacht durch unser Gewicht.

Immer mehr Gas wich aus dem Ballon. Er schrumpfte.

Jo Dinek und ich hatten es überstanden.

Der Tscheche hing – ebenso wie ich – innerhalb der mächtigen Krone, aber ein Stück höher als ich. Zudem hielt er sich noch an einer Leine fest. Sein Gesicht sah ich durch den Blättervorhang als einen hellen Fleck schimmern.

Ich grinste ihm zu.

Ob er es gesehen hatte, wusste ich nicht. Jedenfalls sagte er: »Wir leben, Sinclair.«

»Das merke ich. Und wo steckt Dvorak?«

»Keine Ahnung.«

Ich machte mir Sorgen um den sympathischen Ballonfahrer. Zunächst jedoch musste ich mich aus meiner misslichen Lage befreien. Es klappte. Einige Äste und Zweige musste ich knicken, andere dienten mir als »Treppe«, und ich kam einigermaßen sicher am Boden an.

Dort blieb ich stehen.

Meine Knie zitterten. Es war der Schock, der mich voll getroffen hatte. So blieb ich stehen und schaute zu, wie Dinek herunterkletterte.

Mit einem letzten Sprung kam er neben mir auf. Er setzte sich sofort, denn auch ihn hatte der Schock erwischt.

Er schwieg, als ich ihn ansprach. Meine Gedanken galten dem dritten Mann. Ihn musste ich unbedingt finden, wobei ich Dvorak die Daumen drückte, dass er es ebenso überstanden hatte wie Dinek und ich.

Einen Weg sah ich nicht. Wir waren inmitten eines stockfinsteren Waldgebietes gelandet. Viele Tiere hatten wir aufgeschreckt. Ich hörte das Kreischen und Piepen der Vögel. Sie wollten sich überhaupt nicht mehr beruhigen.

Ich rief nach Dvorak.

Keine Antwort. Dann überprüfte ich meine Taschen. Zum Glück hatte ich nichts verloren. Auch meine Waffen trug ich noch am Körper. Meine kleine Bleistiftleuchte steckte wie immer in der Jackentasche. Ich holte sie hervor, und ließ ihren Strahl durch die Finsternis wandern. Der huschende Finger geisterte durch das Unterholz, traf Zweige, Äste und Baumstämme, aber leider nicht das Ziel, das ich mir gewünscht hätte.

Auch Jo war aufgestanden. Er wühlte sich durch den Wald und rief nach Dvorak.

Mir fiel schließlich auf, dass etwa fünf Schritte von mir entfernt Zweige abgerissen waren. Bestimmt nicht durch den Wind.

Ich leuchtete die Stelle an, ließ den Strahl nach unten wandern – und sah den gekrümmt daliegenden Körper.

Es war Dvorak!

Plötzlich zitterte meine Hand, und das übertrug sich auch auf das Lampenlicht. Sollte es diesen sympathischen Mann tatsächlich erwischt haben?

Vor Dinek war ich bei Dvorak und kniete mich neben ihm nieder. Auf den Rücken drehte ich den Verletzten und hörte sein gequältes Stöhnen, das dennoch bei mir ein Gefühl der Erleichterung hinterließ.

Er war nicht tot.

Ich leuchtete in sein Gesicht, hörte den Hustenanfall und dann seine Frage, die zeigte, dass er seinen Humor noch nicht verloren hatte. »Blenden mich die Engel im Himmel?«

»Nein, noch ist es eine Lampe.«

»Und ich hatte mich schon gefreut.«

Mein Lachen klang leise. »Wie geht es Ihnen?«

»Bescheiden. Irgendwas ist mit meinem rechten Fuß und auch dem rechten Arm. Ich bin vor euch rausgekippt, dann bekam ich den Schlag.«

»Wir helfen Ihnen gleich.«

Zunächst einmal stellten Dinek und ich fest, dass wir keinerlei Verletzungen oder Verstauchungen davongetragen hatten.

»Das ist ja schon ein kleines Wunder«, meinte der Tscheche.

»So ungefähr.«

»Wir sind auf uns allein angewiesen. Das Funkgerät ist zerstört worden. Jetzt müssen wir zu Fuß weiter.«

»Bis Prag schaffen wir es.«

»Fragt sich nur, was mit Dvorak passiert ist.«

Als wir versuchten, ihm aufzuhelfen, er stand für einen Augenblick, kippte er sofort wieder um. Der folgende Fluch passte auch zur Situation.

»Schaffen Sie es?«, fragte ich.

»Nein, ich kann das rechte Bein überhaupt nicht belasten.«

»Dann nehmen wir dich mit«, sagte ich.

»Unsinn. Lasst mich hier liegen. Schickt dann ein paar Leute. Ich bin nur Ballast für euch.«

»Wenn du das gewesen wärst, hätten wir dich vorher abwerfen können.« Ich duldete keinen Widerspruch. Wir hakten den Verletzten unter, indem wir seine Arme um unsere Schultern legten.

Obwohl wir zu zweit waren, wurde es ein mühsamer Marsch. Zudem war der Wald, in dem wir uns befanden, ziemlich dicht. Und wir fanden auch keinen Weg.

Das war schon fast urwaldartig.

Etwa eine halbe Stunde verging, bis wir das Glück hatten und auf einen Pfad stießen. In Kurven führte er weiter, bis er in einen Weg mündete, der schon straßenähnlichen Charakter angenommen hatte.

Dort blieben wir stehen.

Setzt mich mal ab!«, forderte Dvorak.