John Sinclair Großband 8 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Großband 8 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

10 gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis in einem Band!


Mit über 250 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.

Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern und ziehe mit ihm in den Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit. Erlebe mit, wie John Sinclair zum Schrecken der Finsternis wurde und die Serie Kultstatus erreichte.


Tausende Fans können nicht irren - über 640 Seiten Horrorspaß garantiert!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 71 - 80.

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Seitenzahl: 1380

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Coverillustrationen: Vincente Ballestar ISBN 978-3-7325-7307-3

Jason Dark

John Sinclair Großband 8 - Horror-Serie

Inhalt

Jason DarkJohn Sinclair - Folge 0071Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1978 - 1979! Die Knochensaat. Der alte Totengräber sah es zuerst. Die Skelette standen auf. Spatzek fiel es wie Schuppen von den Augen. Er erinnerte sich an die alte Überlieferung, die seit vielen Generationen weitererzählt wurde. Und er wusste, dass die Knochensaat, vor Jahrhunderten gelegt, zu einer Ernte des Grauens geworden war. John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair - Folge 0072Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1978 - 1979! Das Höllentor. Eisiger Wind heulte über die Insel. Geysire zischten in den Nachthimmel. Nordlichter zuckten durch die Dunkelheit. Beißende Kälte fraß sich durch meine Kleider. Aber ich gab nicht auf. Ich musste das Höllentor finden! Island durfte nicht länger von den Sendboten der Schwarzen Mächte tyrannisiert werden ... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair - Folge 0073Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1978 - 1979! Der Satansfjord. In endlosen Winternächten saßen die Lappen in ihren sturmumtosten Zelten. Sie erzählten die alten Sagen von längst vergessenen Gottheiten und furchterregenden Dämonen. Immer wieder tauchte die Geschichte des Satansfjords auf. Viele Schiffe waren hineingefahren, aber keines mehr herausgekommen. Das Böse sollte in dem Fjord wohnen, erzählte man. Die Natur war dem Satan untertan. Die Elemente gehorchten ihm. Jedem Fischer, der sich zu nahe an den Satansfjord heranwagte, drohte ein grausames Ende. So klangen die alten Sagen. Grässlich und unfassbar, denn der Satansfjord forderte neue Opfer ... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair - Folge 0074Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1978 - 1979! Die Geister-Braut. Damals war mir Mr. Grimes, der Ghoul aus der Horror-Disco entkommen. Ich hatte ihm eine so empfindliche Niederlage beigebracht, dass er Monate brauchte, um sich davon zu erholen. Aber er kam zurück. Nach London! Ohne es zu ahnen, ging ich ihm in die Falle. Im Spukhaus an der Themse traf ich auf die Geister-Braut ... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair - Folge 0075Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1978 - 1979! Die Horror-Cops. Untote dienen in New Yorks Polizeitruppe. Als Horror-Cops werden sie von Eingeweihten genannt, aber die Führungsspitze der New Yorker Polizei bezweifelt die Existenz dieser Männer. Erst als im Revier dieser untoten Cops von einem Tag auf den anderen keine Verbrechen mehr geschehen, gehen die Polizeioffiziere den Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Ohne Erfolg. Da bitten sie New Scotland Yard um Hilfe. John Sinclair greift in den Fall ein. John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair - Folge 0076Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1978 - 1979! Bills Hinrichtung. Bill wusste nicht, wo er war. Er wusste nicht, wie er hierhergekommen war. Er wusste nicht, was sie mit ihm vorhatten. Er wusste nur, dass er keine Chance mehr hatte. Nicht in diesem Land, nicht in dieser Umgebung, nicht bei diesen Bewachern. Bill Conolly war am Ende! John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair - Folge 0077Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1978 - 1979! Die teuflischen Puppen. Sinistro war entkommen! Er, der Magier ohne Kopf, den wir in New York aufs Kreuz gelegt hatten, schwor uns finstere Rache. Während Suko, Bill und ich unter den Trümmern des eingestürzten unterirdischen Ganges begraben waren, setzte sich Sinistro nach London ab. Er wollte sich an unseren Freunden rächen. Hierzu entwickelte er einen satanisch genialen Plan. Er legte sich zahlreiche Helfer zu. Die teuflischen Puppen ... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair - Folge 0078Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1980 - 1989! Der Todeszug. Asmodis, der Herr der Hölle, griff nach der Erde. Überall spürten wir sein teuflisches Wirken. Eines seiner Werkzeuge war die Höllenhand. Mit dieser packte er den Todeszug! Würde es uns gelingen, das Leben der zahlreichen Reisenden zu retten? Unsere Chance war minimal, aber wir mussten alles riskieren, um die Katastrophe zu verhindern. John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair - Folge 0079Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1980 - 1989! Der Tyrann von Venedig. Der Schwarze Tod überwachte persönlich den Einzug seines Sendboten in Venedig. Düster drohend hob sich sein Totenschädel mit den hellen Augen vom Nachthimmel über der Lagunenstadt ab. Ein eisiger Sturm türmte das Wasser zu mächtigen Brechern auf, die den Markusplatz und den Dom von San Marco überfluteten. Im Schutz der Dunkelheit tauchte die Gondel des Grauens auf. Ruhig glitt sie durch die tobende Lagune auf die gefährdete Stadt zu. Vorne stand der Schwarze Doge, der Tyrann von Venedig ... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen
John Sinclair - Folge 0080Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1980 - 1989! Augen des Grauens. Wir wussten längst, dass wir auf der Abschussliste der Dämonen ganz oben standen. Dafür hatten wir ihnen zu viele Niederlagen beigebracht. Fortwährend suchten sie nach neuen Tricks, um uns zu erledigen. Und sie fanden wieder eine Schwachstelle. Sheila Conolly. Auf raffinierte Weise wurde sie entführt. Aber ihr Mann Bill gab nicht auf. Er suchte und fand sie. Doch Sheila waren die Augen des Grauens zum Verhängnis geworden. Sie war erblindet ... John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!Jetzt lesen

Inhalt

CoverJohn Sinclair – Die SerieÜber dieses BuchÜber den AutorImpressumKnochensaatVorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über dieses Buch

Die Knochensaat

Der alte Totengräber sah es zuerst. Die Skelette standen auf. Spatzek fiel es wie Schuppen von den Augen. Er erinnerte sich an die alte Überlieferung, die seit vielen Generationen weitererzählt wurde.Und er wusste, dass die Knochensaat, vor Jahrhunderten gelegt, zu einer Ernte des Grauens geworden war.

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve

ISBN 978-3-8387-2825-4

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de

Knochensaat

Der alte Totengräber sah es zuerst. Die Skelette standen auf.

Kommissar Mallmann freute sich auf seinen Urlaub und wurde urplötzlich in ein mörderisches Abenteuer gerissen. Für die Menschen in dem kleinen Ferienort im Bayerischen Wald kam das Unheil wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Sie wurden von einer Sekunde zur anderen ausgeschaltet.

Nur einer blieb verschont. Ich, John Sinclair.

Aber ich stand auf verlorenem Posten, denn die Knochensaat, vor Jahrhunderten gelegt, wurde zu einer Ernte des Grauens …

Eigentlich führte Fred Spatzek trotz seiner zwei Berufe ein ziemlich ruhiges Leben. Ein Leben, wie man es vom Dorf her kennt. Man fühlt sich eingeschlossen in den Kreislauf der Natur, beobachtet die Jahreszeiten, diskutiert über das Wetter, redet über die Nachbarn und kommt hin und wieder auf die Arbeit zu sprechen.

Spatzek war Küster. Zum einem.

Als zweiten Beruf hatte er den des Totengräbers gewählt. Ein nicht gerade attraktiver Job, aber die Gemeinde suchte einen Totengräber, und da hatte er sich gemeldet.

Kirche und Friedhof hingen zusammen, sie bildeten gewissermaßen eine Symbiose – eine Lebens- beziehungsweise Totengemeinschaft. Aber davon später.

Wenden wir uns zuvor Fred Spatzek zu. Als Junggeselle lebte er oben im Pfarrhaus, bewohnte dort zwei kleine Zimmer, die man schon mit dem Begriff Kammern umschreiben musste, so klein waren sie. Wenn er durch die schmalen Fenster schaute – sie lagen nach Osten – sah er über die Hänge des Bayerischen Waldes bis weit in die Tschechoslowakei.

Ihn überlief jedes Mal ein Schauer, wenn er an die Wachtürme und Schießanlagen dachte, die die Grenze absicherten. Doch hin und wieder kam ein Flüchtling durch, nicht zuletzt auch durch Fluchthilfe aus dem Westen, und so erlebte die kleine Gemeinde Waldeck hin und wieder etwas Besonderes.

In diesem Jahr jedoch hatte sich nichts getan. Das kam vielleicht daher, dass die Tschechen ihre Grenzkontrollen verstärkt hatten und auch sofort schlossen, wenn sich etwas bewegte.

So war es also ruhig geblieben.

Touristen kamen kaum in den Ort. Und wenn, dann suchten die Urlauber Ruhe und Erholung. Denn in Waldeck gab es keinen Rummel, keine Discos, nur Gasthöfe, wo man sich einen Rausch antrinken konnte und hinterher vom Wirt auf die Straße gesetzt wurde.

Aber am gestrigen Tag hatte die Totenglocke geläutet. An diese Arbeit konnte sich der Küster und Totengräber nie gewöhnen. Immer wieder klang ihm das dünne Bimmeln noch lange in den Ohren nach. Er mochte die Totenglocke nicht.

Der Umgang mit Leichen machte ihm nichts aus. Leichen redeten nicht, Leichen taten ihm nichts. Und vor allen Dingen gaben sie keine Widerworte, wie Marie, die alte Haushälterin des Pfarrers und gleichzeitig Drachen vom Dienst.

Aber gestorben war lange keiner mehr aus dem Dorf. Den Alten bekam die frische Luft des bayerischen Waldes, einer im Dorf ging sogar auf die Hundert zu.

Das würde ein Fest werden.

Fred Spatzek freute sich jetzt schon darauf.

An diesem Abend – es war ein Montag, und er hatte die Abendglocke schon geläutet – machte sich Fred Spatzek für seinen kleinen Spaziergang bereit. Er endete regelmäßig im Gasthaus. Der Rückweg ging dann nicht so schnell. Vor allen Dingen die letzte Steigung bis zur Kirche hin bereitete ihm bei fünf Halben im Bauch immer große Mühe. Und wenn Marie ihn dann noch sah, gab es sowieso immer ein Donnerwetter.

Fred Spatzek zog sich in seiner Schlafkammer um. Den Rock des Küsters legte er auf das Bett, zog ein anderes Hemd an, eine Hose aus grobem Cord und streifte die Jacke über.

Er besah sich im Spiegel.

Eine Schönheit war Fred Spatzek nicht.

Einundfünfzig Jahre zählte er bereits, die Haare auf seinem Kopf konnte er bald einzeln legen, und aus seinem schmalen Gesicht stach die Nase spitz hervor. Das Kinn fiel zum Hals hin ab, und um seine Augen hatten sich unzählige Fältchen gruppiert.

Er pfiff vor sich hin, denn er hatte großen Durst. Den zu löschen, war für ihn immer ein Vergnügen.

Spatzek verließ seine Kammer, schloss die Tür ab und ließ den Schlüssel in die Jackentasche an der rechten Seite gleiten. Dann schritt er die Stufen der schmalen Holzstiege hinunter. Durch das schmale Fenster am ersten Treppenabsatz fiel das Abendlicht. Bald würde die Dämmerung einsetzen und wie mit langen, dunklen Fingern in die Täler kriechen.

Waldeck lag etwas höher, auf dem Kamm eines Hügels. Zum Westen hin erstreckte sich dichter Wald, während in der anderen Richtung, auf die Grenze zu, die Bäume abgeholzt worden waren.

Spatzek erreichte das Erdgeschoss. Links lag die Wohnung des Pfarrers. Essenduft drang an Spatzeks Nase, und der Küster schnüffelte.

Er schlich zur Haustür.

Marie brauchte nicht unbedingt zu sehen, dass er wieder einmal verschwand.

Doch die hatte Argusaugen.

Plötzlich trat sie aus einer Nische und verbaute dem armen Spatzek den Weg.

»Na«, sagte sie mit ihrer Reibeisenstimme, und der Totengräber zuckte regelrecht zusammen. »Willst du wieder saufen?«

Spatzek grinste. »Nur ein Bierchen, Marie!«

Die Frau nickte. »Das kenne ich, du Säufer. Hinterher kommst du wieder stockbetrunken angetorkelt. Mich wundert es, dass der Pfarrer dich noch nicht entlassen hat.«

Spatzek hob die Schultern und schaute Marie an. Sie brachte mindestens zwei Zentner auf die Waage. Das Gesicht ähnelte dem eines Posaunenengels mit rosigen Wangen, und das immer noch schwarze Haar hatte sie zu einem Knoten hochgesteckt. Marie trug ein blaues Kleid und eine blütenweiße Schürze, die noch nach Stärke roch.

Spatzek hob die Hand. »Ich schwöre dir, dass …«

»Schwöre nichts, was du nicht halten kannst, du versoffener Strick.«

Spatzeks Arm fiel nach unten.

Bevor Marie jedoch zu einer weiteren Moralpredigt ansetzen konnte, klingelte es.

Marie drehte sich um.

Die Haustür besaß einen Glaseinsatz. Dahinter sah sie die Umrisse einer männlichen Person. Marie ging hin und öffnete.

Otto Hirmer, ein Bauer, stand vor der Tür und knetete seine großen Hände. Er hatte verweinte Augen, und Marie wusste sofort, dass etwas passiert war.

»Ist Mutter …?«

Hirmer nickte. »Ja, sie ist gestorben.«

»Und der Pfarrer? Er war doch gar nicht bei ihr.«

Hirmer hob die Schultern. »Es – es ging sehr schnell«, berichtete er stokkend. »Mutter fiel plötzlich um und war tot. Herzschlag, glaube ich. Sie war immerhin über fünfundachtzig.«

Marie nickte. »Ja, ja, das kommt schnell.« Dann griff sie nach der Hand des Mannes. »Auf jeden Fall mein herzliches Beileid, Otto. Es tut mir leid.«

»Danke!«

Der Pfarrer hatte gehört, dass gesprochen wurde. Er kam aus seinen Privaträumen. Marie sah ihn zuerst und erzählte mit wenigen Worten, was geschehen war.

»Friede sei mit ihr«, sagte der Geistliche salbungsvoll und reichte Hirmer ebenfalls die Hand, um zu kondolieren.

Der Pfarrer war ein Mann, der die Sechzig bereits überschritten hatte. Sein weißes Haar wuchs nur noch an den Seiten des Kopfes. Er hatte ein gesundes rosiges Gesicht, immer ein freundliches, gütiges Lächeln auf den Lippen und sah eigentlich aus wie ein Bilderbuchpastor.

Und er war schrecklich konservativ. Er hielt nichts von dem modernen Kram und hatte sich sogar geweigert, ein Paar zu trauen, von dem er wusste, dass die Frau keine Jungfrau mehr war.

In Waldeck hielt man eben noch auf Konventionen.

»Wie ist es denn passiert?«, erkundigte er sich leise.

Otto Hirmer erzählte seine Geschichte zum zweiten Mal, und der Pfarrer nickte.

»Ja, ja«, sagte er dann. »Man weiß nie, wann der Sensenmann zuschlägt. Irgendwann trifft es uns auch.«

Fred Spatzek jedoch war sauer. Seinen Bierabend konnte er vergessen, denn nun begann sein Job als Totengräber.

Fred Spatzek musste das Grab für die Tote ausheben. Für ihn ein Routinejob. Allerdings ahnte er nicht, dass er dabei das nackte Grauen kennenlernen sollte …

*

Irgendwie passte der Felsen nicht in die Umgebung. Schon von der Form her nicht und auch nicht vom Material.

Er sah aus wie ein riesiger Finger, der sich mahnend in den Himmel streckte. Dunkel glänzte das Gestein. Ja, es war ein regelrechter Glanz, den er ausstrahlte, denn der Felsen bestand aus einer Metallverbindung und sah aus wie Eisenpulver. Immer wieder blitzten silbern kleinere Körnchen auf, und wenn einmal die Sonne darauf schien, begann der Felsen zu strahlen.

Seltsam war nur, dass im Umkreis von fünf Metern kein einziger Baum, kein Strauch und auch kein Gras wuchs. Der Boden war trocken und steinig, er hatte Ähnlichkeit mit der Vulkanerde in Italien am Vesuv.

Jahrhunderte stand der Felsen dort und trotzte der Natur. Er hatte die Stürme der Zeit überstanden, und um seine Herkunft rankten sich Sagen und Legenden.

Böse Legenden …

Die einen besagten, dass der Teufel selbst in einem Anfall von Wut, weil ihm eine Jungfrau nicht zu Willen gewesen war, diesen Stein aus der Hölle geholt und dort in den Boden gerammt hatte. Danach war er Treffpunkt für die Hexen geworden. Im Mittelalter feierten sie dort ihre grässlichen Feste. Doch der Hexenwahn ging vorbei. Geblieben aber war die Angst der Menschen vor diesem Felsen. Und immer warnten Eltern ihre Kinder davor, in die Nähe des Steins zu gehen, und die Kinder gehorchten.

Die Tradition saß eben noch sehr tief.

Selbst aufgeklärte junge Leute – oder die, die sich für aufgeklärt hielten –, vermieden es, sich diesem Platz zu nähern, denn er war verflucht.

Das hatte der Pfarrer von der Kanzel gepredigt. Und der musste es schließlich wissen.

Und so rangten sich weiter die Sagen und Legenden, wurde der Felsen zu einem Horrorort, den jeder vermied, über den jedoch oft gesprochen wurde. Vor allen Dingen an den langen Abenden wussten Einheimische den Touristen die größten Schauergeschichten zu berichten, sodass eine Gänsehaut garantiert war.

Was nun wirklich mit diesem Felsen los war, das wusste niemand. Doch die Menschen hatten recht. Es gab ein Geheimnis um den Stein. Das jedoch war schlimmer, als die Geschichten, die sich die Dorfbewohner ausgedacht hatten.

Denn der Felsen war ein Stützpunkt des Teufels!

*

Mit einem entschuldigendem Lächeln wandte sich Otto Hirmer an den Totengräber. »Darf ich Sie dann bitten, für meine Mutter ein Grab auszuheben?«

Der Pfarrer antwortete. »Natürlich macht er das. Und zwar heute Abend noch. Nicht wahr?«

Spatzek nickte.

Der Pfarrer lächelte gütig und wandte sich wieder an den Bauern Hirmer, wobei sein Gesicht sofort wieder ernst wurde. »Darf ich Sie begleiten?« , fragte er. »Ich möchte der Toten noch den Segen mit auf die lange Reise geben.«

»Natürlich, Herr Pfarrer. Bitte kommen Sie.«

Die beiden verließen das Pfarrhaus.

Marie aber schüttelte den Kopf. »Die arme alte Frau Hirmer. Sie war doch immer so lebenslustig. Gott sei ihrer armen Seele gnädig.«

Fred Spatzek hob nur die Schultern, was Marie, die Haushälterin ärgerte. »Von dir kann man auch kein Mitgefühl verlangen«, schimpfte sie. »Du bist schließlich ein Säufer.«

»Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun. Außerdem hatte die Frau ihr Alter.«

Empört holte die Haushälterin Luft. »Wie kann man nur so gottlos reden. Und so etwas wie du läutet in unserem Dorf die Glocken. Du müsstest dich schämen.«

»Meinetwegen kannst du dich an den Strang hängen und bimmeln«, erwiderte Spatzek patzig.

»Jetzt aber raus, du Subjekt!«, keifte die Haushälterin. »Ich werde dem Pfarrer alles erzählen …«

Fred winkte ab. »Ja, ja, quatsch du nur. Du hast sowieso nichts anderes zu tun.« Dann lief er aber schnell zur Tür, denn Marie war in ihrem Zorn unberechenbar. Einmal hatte sie den leichtgewichtigen Küster schon verdroschen. Daran dachte Spatzek nicht gern mehr zurück.

Hart fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

Fred Spatzek stand vor dem Pfarrhaus. Es lag von der Kirche aus gesehen etwas versetzt. Ein plattierter Weg führte auf den Kirchhof und auch um das Gotteshaus herum, um vor einem kunstvoll geschmiedeten Gittertor zu enden, das den Eingang des Friedhofs markierte.

Man konnte die Grabstätte auch von der Kirche aus direkt durch eine schmale Tür erreichen, aber da Spatzek schon einmal draußen war, nahm er doch den normalen Weg.

Das Tor war nicht verschlossen. Es quietschte in den Angeln, als es aufgedrückt wurde.

Fred Spatzek betrat den Friedhof. Er ließ seinen Blick über das Gräberfeld wandern und suchte sich das älteste Grab aus.

Der Friedhof war rechteckig angelegt. Genau in der Mitte wurde er von einem kiesbestreuten Weg geteilt. Rechts und links des Weges befanden sich die beiden Grabreihen.

Zehn Gräber auf jeder Seite.

Also zwanzig insgesamt.

Ziemlich klein war dieser Friedhof, aber man konnte ihn wegen Platzmangels nicht ausweiten.

Wenn jemand starb, so wie an diesem Tag, dann hatte der Totengräber die Aufgabe, das älteste Grab zu öffnen, die Knochen des Verstorbenen dort herauszuholen und sie mittels einer Rutsche in den Keller der Kirche zu schaffen. Dort war im Laufe der Zeit ein regelrechtes Beinhaus entstanden. Die Knochen der Verstorbenen häuften sich in den kalten Gewölben unterhalb der Kirche zu regelrechten Bergen aus bleichen Gebeinen.

Ein schauriger Anblick …

Selbst der Totengräber betrat dieses Beinhaus nicht gern, obwohl er im Laufe der Jahre durch seinen Beruf doch ziemlich abgebrüht geworden war. Aber das Beinhaus in den Gewölben der alten Kirche bereitete ihm Unbehagen.

Als Routinejob empfand er das Öffnen eines Grabes. Doch dass er an diesem Abend noch arbeiten sollte, schmeckte ihm überhaupt nicht. Es sei denn, er beeilte sich mit seiner Arbeit und konnte danach noch ein Glas trinken gehen.

Ja, dieser Gedanke gefiel ihm.

Fred Spatzek schritt an den Gräbern vorbei. Sie waren äußerst gespflegt, und auch mit Schmuck versehen. Auf einigen Gräbern brannten kleine Öllampen, die einen traurigen Schein verbreiteten, aber immer daran erinnerten, dass dort, wo Licht ist, es auch Schatten gibt. Und gleichzeitig waren diese Lampen Hoffnungsfunken für die Toten auf dem Weg ins Jenseits und Mahnung für die Lebenden auf der Erde.

Manche Grabsteine hatten ein kleines Vermögen gekostet. Sie waren Meisterwerke handwerklicher Steinmetzkunst, doch in ihren Motiven oft überaus kitschig, wenn man sie mit den Augen eines Kunstkritikers betrachtete.

Links wurde der Friedhof von der Kirchenwand begrenzt, auf der rechten Seite verschloss ihn eine zwei Meter hohe Mauer vor neugierigen Blicken. Doch am Ende der Mauer befand sich ein kleines Tor. Dahinter lag ein etwas verwilderter Garten, und dort stand auch der kleine Bretterschuppen, in dem Fred Spatzek die Geräte aufbewahrte, die er für seine Arbeit benötigte.

Auf die Spitzhacke konnte er verzichten. Die nahm er nur, wenn der Boden gefroren war. Aber Spaten und Schaufel waren wichtig. Er lud beides auf seine rechte Schulter, hielt mit der linken Hand die Werkzeuge in der Waage und betrat wieder den kleinen Friedhof.

Das Grab direkt an der Mauer war das älteste.

Fred Spatzek legte die Schaufel zur Seite und begann damit, den Lehm aufzustechen. Zum Glück besaß das Grab nur ein einfaches Steinkreuz und kein riesiges Mal, sodass sich das Kreuz relativ leicht entfernen ließ.

Fred Spatzek arbeitete schnell und geschickt.

Spatzek hatte im Laufe der Jahre eine gewisse Technik beim Ausheben des Grabes entwickelt. Sie ermöglichte es ihm, ohne großen Kraftaufwand viel zu schaffen. Er stach den Spaten mit einer routinierten Gleichmäßigkeit in das kalte Erdreich, und trotz dieser harten Arbeit, ging sein Atem kaum schneller.

Neben und hinter ihm wurde der Erdhügel immer größer. Spatzek würde ihn noch brauchen, um das Grab am übernächsten Tag nach der Beerdigung wieder zuzuschaufeln.

Zuschauer hatte er keine. Niemand wollte ihn freiwillig bei seiner makabren Arbeit beobachten.

Natürlich hätte das Dorf längst einen neuen Friedhof woanders anlegen können, doch seit Jahrhunderten verfuhr man so wie der Totengräber Spatzek. Man öffnete alte Gräber, um für die neue Leiche Platz zu schaffen.

Die Dämmerung holte den Totengräber ein, und auch die Dunkelheit kam. Am samtblauen Himmel blitzten die ersten Sterne. Sie kamen Spatzek vor wie unendlich weit entfernte Diamantsplitter, die eine gewaltige Hand gegen den Himmel geschleudert hatte.

Dann musste er in die Grube hineinklettern, um weiter schaufeln zu können.

Nur der Oberkörper schaute noch aus dem Grab hervor. Mit einer fast maschinellen Gleichmäßigkeit flogen die Erdbrocken aus der Grube und erhöhten den Lehmhügel.

Dann stieß Spatzek auf den Sarg, oder vielmehr dessen Überreste. Das Holz war völlig verfault und kaum noch als solches zu erkennen. Er zerbröselte zwischen den Fingern, wenn man es anfasste.

Fred Spatzek grub jetzt vorsichtiger, denn er wollte die Knochen des Leichnams nicht zerstören. In diesem Grab lag ein Mann. Er war Anfang der dreißiger Jahre gestorben, noch vor dem Zweiten Weltkrieg.

Der Totengräber vertauschte den Spaten mit der Schaufel. Er grub auch nicht mehr direkt weiter, sondern trug die Erde vorsichtig ab. Dabei stellte er sich an das Ende des Grabes.

Hoch über dem Himmel wanderte der Mond. Er sah aus wie eine durchgeschnittene Zitrone und nahm an Stärke zu. Sein silbrig fahles Licht beleuchtete nicht nur die Berge des Bayerischen Waldes, sondern fiel ebenso auf den kleinen Friedhof dicht an der alten Kirchenmauer. Wie ein Gespinst breitete sich der kalte Schein aus, und unwillkürlich drehte der Totengräber den Kopf und schaute hinauf zum Himmel.

Er sah nur den Mond und die weiter entfernten Sterne.

Eigentlich nichts Besonderes, und doch war dieser Abend eben anders als die Übrigen.

Fred spürte es genau. Ein unruhiges Gefühl machte sich in seinem Innern breit, und auch seine Arbeit kam ihm plötzlich komisch vor. Nicht dass der große Angst gehabt hätte, aber er beeilte sich doch, fertig zu werden.

Die Atmosphäre des Friedhofs gefiel ihm nicht. Sie hatte sich verändert, verdichtet, so – als würde etwas unbeschreiblich Grauenvolles irgendwo auf ihn lauern.

»Ich spinne«, murmelte Spatzek. »Langsam werde ich doch alt. Am besten hänge ich den Totengräber an den Nagel, aber sie finden ja keinen, der mich ablösen würde.«

Mit Selbstgesprächen vertrieb er sich die Furcht und die nächsten drei Minuten.

Dann stieß er auf die ersten Knochen.

Er legte den Schädel frei.

Das Mondlicht fiel jetzt voll in das Grab und leuchtete auf den grinsenden Totenkopf.

Fred Spatzek erschrak.

Er hatte plötzlich das Gefühl, als würde dieser Schädel leben. Unwillkürlich unterbrach der Totengräber seine Arbeit, dann lachte er auf und schalt sich einen Narren.

Wenn er sich jetzt noch verrückt machen ließ, konnte er einpacken. Das Skelett konnte nicht mehr leben.

Vorsichtig befreite er die übrigen Teile des Skeletts von Schmutz und Lehm.

Dann lag das Gerippe vor ihm.

Spatzek schluckte.

Plötzlich bekam er Angst, denn das, was er sah, war ihm noch nie vorgekommen.

Der Tote – das Skelett – hatte die Beine angewinkelt und die knochigen Hände zu Fäusten geballt. Aber so etwas war nur möglich, wenn der Tote noch gelebt hatte, als man ihn begrub …

*

Hastig schlug Fred Spatzek ein Kreuzzeichen. »Herrgott, Maria und Jesus!«, flüsterte er rau, »das darf doch nicht wahr sein. Die »die konnten doch keinen Lebenden begraben.«

Und doch gab es so etwas.

Spatzek fielen die Geschichten von Scheintoten ein. Man erzählte sich, dass ein Scheintoter, wenn er im Grab erwachte und erfasste, wo er sich befand, in seiner Verzweiflung das Hemd anfraß, sich dabei wild bewegte, bis er qualvoll erstickte.

Dem Totengräber lief eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken.

Wenn er näher darüber nachdachte, dann war das, was er hier zu sehen bekam, der reinste Horror.

Grauenvoll …

Schnell schaute er sich um.

Der Friedhof war leer. Er befand sich als einzig Lebender darauf. Aus seiner Perspektive sahen selbst die Grabsteine und Kreuze bedrohlich aus. Und das flackernde Licht der kleinen Lämpchen trug ebenfalls dazu bei, dass die Atmosphäre noch gespenstischer wirkte.

Fred Spatzek, der Totengräber, bekam regelrecht Angst. Er wollte seine Arbeit so rasch wie möglich beenden, und dann nur weg von diesem unheimlichen Ort. Er beschloss außerdem, mit keinem Menschen über seine Entdekkung zu reden.

Fred bückte sich und nahm zuerst den Totenschädel in beide Hände. Den Spaten hatte er an die Innenwand des Grabes gelehnt.

Überrascht runzelte der Totengräber die Stirn. Mit dem Kopf stimmte etwas nicht. Normalerweise fühlte er sich kalt an, aber in diesem Fall war er warm, als würden die bleichen Knochen von einem unnatürlichen Leben erfüllt sein.

Dieser Schädel – er lebte!

»Aahhh …!« Der Totengräber schrie auf und ließ den Kopf fallen. Er klatschte auf den feuchten Lehm und blieb dort liegen.

Bewegungslos!

Tief saugte Fred Spatzek die Luft in seine Lungen. Er wollte aus dem Grab flüchten, doch jetzt blieb er plötzlich. Ruhig lag der Totenschädel vor ihm.

Spatzek lächelte plötzlich, doch das Lächeln zerfaserte zu einer Grimasse. Eine Täuschung. Ja, er war einer miesen Täuschung zum Opfer gefallen. Er war einfach überreizt, die Nerven hatten ihm einen bösen Streich gespielt.

Ein lebender Schädel! Wo gab es denn so etwas. Spatzek beschloss, doch einmal einen Arzt aufzusuchen. In zahlreichen Illustrierten hatte er über den Begriff Stress gelesen. Vielleicht litt er daran.

Er machte sich wieder an die Arbeit. Als er den Schädel zum zweiten Mal in die Hand nahm, hatten sich seine Nerven bereits wieder entspannt. Ihm kam die seltsame Wärme auch nicht mehr komisch vor. Dieser Schädel war eben anders als normal.

Aus der Jackentasche holte er einen dieser modernen Müllbeutel, die ein sehr großes Fassungsvermögen besaßen, aber auch leicht zusammenzufalten waren. Er öffnete den Müllbeutel und ließ den Schädel hineinrollen. Vorsichtig, damit er nicht zerstört wurde. Spatzek wollte die Gebeine möglichst unbeschädigt an die Knochenrutsche bringen.

Nach dem Schädel nahm er die Armknochen in die Hand. Auch sie fühlten sich nicht so kalt an wie sonst üblich, aber nicht so warm wie der Schädel des Gerippes.

Vorsichtig legte der Totengräber die Gebeine in den Plastiksack. Er brauchte genau zwei Minuten, dann hielt er den letzten Fuß in der Hand.

Schließlich lagen alle Gebeine im Sack.

Er kletterte aus der Grube, nachdem er den Sack so hingestellt hatte, dass er ihn bequem außerhalb des Grabes zu fassen bekam. Fred Spatzek ging in die Knie und hob den Sack hoch. Die darin befindlichen Knochen klirrten gegeneinander, als er den Plastiksack bewegte. Es war eine schaurige Musik, die bei Spatzek wieder eine Gänsehaut verursachte. Noch immer schien der Mond. Er war jetzt weitergewandert und warf sein kaltes Licht direkt auf den Friedhof.

Spatzek wusste auch nicht, warum er ausgerechnet jetzt daran denken musste, aber in alten Geschichten stand zu lesen, dass der Mond die Kraftquelle des Bösen war und den Mächten der Finsternis Macht und Stärke gab.

Eine beklemmende Vorstellung.

Da liebte der Totengräber trotz seines Berufes doch das Licht der Sonne und deren Wärme.

Den Plastiksack nahm er in die rechte Hand und marschierte damit auf die Kirchenmauer zu.

Etwa in der Mitte befand sich die Rutsche.

Der Eingang sah aus wie ein halbrundes Kellerfenster. Eine wohl eingearbeitete Holztür mit einem Vorhängeschloss versehen schützte vor Unbefugten. Die Schlüssel zum Schloss besaßen nur Spatzek und der Pfarrer.

Spatzek stellte den Sack ab, holte den Schlüssel hervor und bückte sich, um das Schloss zu öffnen.

Er hatte den Schlüssel noch nicht eingeführt, als er das Gefühl hatte, eine eiskalte Hand würde über seinen Rücken streichen.

Die Knochen hatten sich innerhalb des Sackes bewegt. Sie klapperten gegeneinander.

»Wahnsinn!«, ächzte der Totengräber. Er versteifte sich und schielte aus den Augenwinkeln zum Sack hin. Gleichzeitig fuhr ein kühler Windstoß über den kleinen Friedhof, bewegte raschelnd die Blätter der Büsche und glitt auch über den Plastiksack.

Fred Spatzek lachte auf.

Das war die Erklärung für das Klappern. Der Wind hatte die Knochen und den Sack bewegt.

Und er dachte schon …

Hastig öffnete er das Schloss. Jetzt aber nichts wie weg mit den Gebeinen. Länger wollte er die Dinger nicht mit sich herumschleppen. Er schüttelte sich, als er den Sack wieder aufzog.

Die Knochen lagen wirr durcheinander.

Spatzek rollte die Seiten des Sacks nach unten, damit er sich nicht zu tief zu bücken brauchte.

Einzeln holte er die oft sperrigen Gebeine hervor.

Die Tür hatte er inzwischen aufgezogen. Dahinter begann die eine Rutsche. Sie war aus Stein gebaut, aber mit einer sehr glatten Oberfläche versehen, sodass keine Hindernisse die Knochen auf ihrer kurzen Reise aufhalten konnten.

Die ersten Knochen rutschten in das Beinhaus.

Dann folgten Arme und Hände.

Danach Rippenbögen.

Und so ging es weiter.

Spatzek arbeitete rasch. Er wollte es endlich hinter sich bringen. Und das Bier würde ihm trotz der späten Stunde doppelt so gut schmecken.

Zuletzt hielt er noch den Schädel in der Hand.

Wie unter einem inneren Zwang schaute er sich den Totenkopf an.

Er blickte in die leeren Augenhöhlen, in das grinsende Gebiss und in die beiden Löcher, wo einst die Nase gesessen hatte.

Und dann hatte er wieder das Gefühl, als würde sich der Unterkiefer des Schädels bewegen.

Weg damit!

Hastig warf der Totengräber den Schädel zu den anderen Knochen hin.

Spatzek schaute ihm nach.

Plötzlich wurden seine Augen groß. Er schnappte nach Luft, stieß einen krächzenden Laut aus, denn das, was er sah, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln …

*

Die letzten Gebeine waren nicht auf dem alten Knochenberg gelandet, sondern – schwebten darüber.

Ja, sie schwebten!

Obwohl es in den unterirdischen Gewölben der Kirche stockfinster war, sah der Totengräber doch jede Einzelheit, denn die Gebeine strahlten ein silbrig schimmerndes Licht aus.

Jeder einzelne Knochen war von einer flimmernden Aura umgeben, und jeder Einzelne tanzte und bewegte sich hin und her.

Es war ein makabres, aber auch faszinierendes Schauspiel. Die Knochen führten einen regelrechten Tanz über den länger daliegenden Gerippen auf, sie bewegten sich aufeinander zu, um dann wieder auseinanderzufächern. Sie überschlugen sich oder klapperten gegeneinander, so als würde ein unsichtbarer Dirigent den Taktstock schwingen.

Die Szene war unbeschreiblich.

Und unglaublich …

Der Totengräber konnte es einfach nicht fassen. Für ihn war es unmöglich, was er dort zu sehen bekam.

Knochentanz.

Fred Spatzek wusste nicht, ob er Sekunden oder Minuten gestarrt hatte, denn plötzlich gerieten die silbrig schimmernden Knochen in noch stärkeren Bewegungen und schwebten einem Ziel entgegen.

Dem Schädel!

Wie der König auf seinem Thron saß, so hing er mitten in der Luft, über dem Gebirge von Gebeinen.

Und er war der Sammelpunkt!

Die einzelnen Körperteile flogen auf ihn zu, wuchsen wieder zusammen, und so entstand ein Hals, die Schultern, die Arme, die Beine und Füße.

Auf einmal schwebte ein Gerippe über dem Berg.

Ein lebendes Skelett!

Das sich bewegte.

Der Totengräber glaubte, den Verstand zu verlieren. Das Bild war so irrational, dass er es einfach nicht fassen konnte. Wenn er das jemandem erzählte, würde man ihm kein Wort glauben.

Das Gerippe schleuderte sein rechtes Bein vor. Es war schon ein Schleudern, denn von einem normalen Gehen konnte man wirklich nicht sprechen.

Der Fuß berührte den unteren Rand der Rutsche, der nächste folgte.

Und dann schritt das Gerippe entgegen allen physikalischen Gesetzen die Rampe nach oben.

Auf Fred Spatzek zu.

Der Totengräber stöhnte auf. Er öffnete den Mund, wollte schreien, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Keinen einzigen Laut brachte er hervor.

Schritt für Schritt näherte sich ihm das grinsende Skelett.

Immer höher – immer weiter …

Jetzt bückte es sich, denn sonst wäre es mit dem kahlen Schädel gegen die Decke gestoßen. Das Skelett nahm nun die Hände zu Hilfe, um die Rutsche weiter hochzuklettern. Noch gut einen Meter war es von dem Küster entfernt.

Ein Schritt noch …

Da endlich erwachte Fred Spatzek aus seiner Erstarrung. Plötzlich konnte er sich wieder bewegen, seine Lähmung war gewichen. Er warf sich zur Seite, rollte einmal um die eigene Achse und sprang auf die Füße.

Und dann rannte er.

Er rannte, wie er noch nie in seinem Leben gelaufen war. Er nahm keine Rücksicht auf die Grabstätten, sondern hetzte quer darüber. Er warf Blumenkübel um und stolperte über die kleinen Steine der Randbefestigungen an den Gräbern. Doch das war ihm egal. Er wollte nur weg. Flucht! Dieser Ausdruck beherrschte seine Gedanken.

Das Skelett aber verließ das Gewölbe durch die Kelleröffnung. Es sah sich kurz um, schaute hoch zum Mond und schritt dann ohne Eile quer über den Friedhof. Es verschwand durch das kleine Tor in der Friedhofsmauer und lief rasch seinem neuen Ziel entgegen.

Es war der geheimnisvolle Stein!

*

Vor dem Gasthaus >Zur Eiche< parkte ein metallicfarbener Manta GT/E. Ein Geschoss auf vier Rädern mit über hundert PS, aber einem günstigen Spritverbrauch.

Dieser Wagen gehörte Kommissar Mallmann. Der deutsche Kriminalbeamte, der auch für Interpol arbeitete, hatte es geschafft und eine Woche Urlaub herausgeholt.

Sieben Tage im Bayerischen Wald.

Eine Woche Ruhe.

Keine Verbrecher, keine Gangster oder Falschmünzer. Nur normale Menschen. Und auch keine Dämonen, das hoffte der Kommissar sehr, denn er hatte in der Vergangenheit doch manch üble Erfahrungen mit den Dienern der Finsternis gemacht. Sein letztes Abenteuer mit dem geheimnisvollen Geisterfahrer hatte ihm noch lange schwer im Magen gelegen.1 Jetzt aber freute sich der gute Will auf wohlverdiente sieben Tage Ruhe.

Aber so ruhig wie er es sich vorgestellt hatte, waren die ersten beiden Tage doch nicht geworden. Schuld daran trugen nicht etwa Geister oder Dämonen, nein, sondern jemand ganz anderes.

Eine Frau.

Jawohl, Sie haben richtig gelesen. Der alte Junggeselle Will Mallmann hatte eine Frau kennengelernt, die ihn vom ersten Augenblick an faszinierte.

Sie hieß Karin Becker.

Auch ihr war der Kommissar mit dem leicht gelichtetem dunklen Haar nicht gleichgültig gewesen. Schon am ersten Abend hatten sie gemeinsam an einem Tisch gesessen und eine Flasche Wein geleert. Karin Becker, Junggesellin, Lehrerin und stressgeplagt, war aus dem gleichen Grunde in Urlaub gefahren wie der Kommissar.

Sie wollte einfach nur ausspannen.

Das allerdings über zwei Ferienwochen.

Sie stammte aus Köln und unterrichtete dort in einer Grundschule. Nicht nur, dass die beiden gemeinsame Interessen hatten, nein, Karin Becker war auch noch eine außerordentlich hübsche Frau.

Ihre zweiunddreißig Jahre sah man ihr wirklich nicht an.

Zu zahlreichen Locken gedreht, fiel das lange, braunschwarze Haar bis auf die Schultern. Ihre dunklen Augen kamen dem Kommissar vor wie zwei vollreife Kirschen, und die Lippen besaßen genau den Schwung, der auf eine gehörige Portion Sinnlichkeit hindeutete.

Die Seite allerdings hatte der Kommissar bei Karin Becker noch nicht kennengelernt.

Sie gab sich zwar freundlich, war aber in gewissen Dingen noch sehr reserviert, was wiederum dem Kommissar gefiel.

Und er sah die Welt durch eine rosarote Brille. Noch nie in seinem Leben hatte er solch eine gute Laune gehabt. Wie im Flug waren die beiden ersten Tage vergangen, und auch der Montag war schon zu dreiviertel vorbei.

Sie waren an diesem Tag mit Mallmanns Wagen zum Arber, dem höchsten Berg des Bayerischen Waldes gefahren, und hatten dort die fantastische Aussicht genossen.

In einem kleinen Restaurant aßen sie zu Mittag, und auf das nachmittägliche Kaffeetrinken hatten beide verzichtet. Der Kalorien wegen.

Dabei brauchte sich Karin Becker eigentlich keine Sorgen um ihre Figur zu machen. Sie war zwar nicht gerade dürr wie ein Mannequin, aber bei ihr saßen die Pfunde an den richtigen Stellen verteilt, wie der Kommissar wohlgefällig bemerkt hatte.

Er und auch Karin Becker hatten Halbpension bestellt. Das heißt, sie bekamen außer dem Frühstück noch ein Abendessen.

Das wurde um achtzehn Uhr serviert. Etwas früher als sonst, da die beiden noch einen Spaziergang machen wollten.

Natürlich war ihre gegenseitige Sympathie nicht unbemerkt geblieben. Die Wirtsleute und Pensionsinhaber freuten sich ebenso wie die anderen Gäste.

Aber das machte dem Kommissar plötzlich nichts mehr aus. Will Mallmann war ein anderer geworden.

Eine halbe Stunde vor Beginn des Essens befand er sich auf seinem Zimmer und zog sich um.

Geduscht hatte er und schlüpfte nun in seine Wanderkleidung. Trittfeste Lederschuhe, ein Hemd aus Baumwolle, eine strapazierfähige Cordhose und eine Windjacke. Fehlt nur noch der Wanderstab, dann ist Rübezahls Enkel perfekt, dachte der Kommissar.

Vor dem Spiegel kämmte er sich sein Haar. Will war plötzlich eitel geworden und überlegte, ob er die Haare teilen und dann nach links und rechts legen sollte oder ob er sie wie früher nach hinten kämmte und seine beginnende Glatze damit kaschierte.

Er probierte hin und her und entschied sich dann für die erste Möglichkeit. Die andere bekam Karin noch früh genug zu sehen.

Will Mallmann hatte sich sogar zum zweiten Mal rasiert. Er betupfte sein Gesicht noch mit einem Duftwässerchen, drehte sich einmal vor dem Spiegel, zog dabei den Bauch ein und nahm sich vor, weniger zu essen. Aber die Verpflegung war hier leider so gut, dass er einfach nicht widerstehen konnte.

Will verließ sein Zimmer und schritt nach unten. Die Treppe glänzte frisch gebohnert. Ein dunkelroter Teppich bedeckte sie in der Mitte und ließ nur die Seiten der Stufen frei.

Überhaupt war die Pension sehr sauber.

Aus der Küche wehten dem guten Will Essendünste um die Nase, und er verspürte plötzlich einen Bärenhunger.

Karin Becker war noch nicht da, als er die Gaststube betrat.

»Guten Abend!«, grüßte er mit sonorer Stimme die wenigen Gäste und nahm an seinem und Karins Stammtisch Platz.

Sein Gruß wurde freundlich erwidert. Die Bedienung, ein achtzehnjähriges, rothaariges Mädchen, mit Namen Anna, fragte nach seinen Wünschen.

Will bestellte ein Bier.

Kleine Gläser gab es nicht, der Kommissar bekam einen halben Liter. Anna stellte den Krug vor ihm auf den Tisch. »Bitte schön, der Herr.«

»Danke.«

Will Mallmann hob den Krug an die Lippen und trank in langen, durstigen Zügen. Das bayerische Bier schmeckte ihm gut, und nach der Tageswanderung hatte er sich einen anständigen Schluck verdient, fand Will.

Er und Karin Becker hatten ihren Platz direkt am Fenster. Durch die sauberen Scheiben konnte Will auf den kleinen Parkplatz vor dem Haus schauen.

Dort stand die Eiche.

Sie war Jahrhunderte alt und hatte Wind und Wetter getrotzt. Knorrig breiteten sich armdicke Äste aus und griffen dann dem Himmel entgegen. Der Baum war noch voll belaubt und bildete ein schützendes Dach, unter dem einige helle Tische und Stühle standen, denn im Sommer wurde auch draußen serviert.

Will Mallmann hatte seinen Manta links der Eiche auf einem kleinen Parkplatz abgestellt. Dort standen auch noch die Autos der anderen Gäste.

Der Wirt kam an Wills Tisch. Er brachte zwei Obstler mit und schob dem Kommissar ein Gläschen rüber.

»Zum Wohl, Herr Mallmann!«

Will ließ sich nicht lange bitten.

Sie tranken den Obstler. Wie Feuer rann er durch die Kehle und in den Magen hinein.

Will verzog das Gesicht.

Der Wirt lachte. Er war dünn wie ein Besenstiel, aber ungeheuer zäh. Und er setzte sich gegen seine gewichtige Frau durch, die mehr als doppelt soviel wog wie er.

»Wo bleibt Ihre Bekannte?«, fragte der Wirt und drehte seinen Oberlippenbart.

Will schaute auf die Uhr. »Sie müsste gleich kommen. Wir haben uns zum Abendessen verabredet.«

Der Wirt lächelte. »Ich weiß. In der Küche ist schon alles bereit.«

»Das nenne ich Service.«

»Dafür sind wir bekannt.«

Der Wirt hieß Mayr, und er beschäftigte ausschließlich Fachkräfte in seinem Haus. Was auf den Tisch gebracht wurde, schmeckte. Prächtige Hausmannskost, davon konnte man wirklich satt werden.

»Fräulein Becker erzählte, dass Sie hinterher noch spazieren gehen wollen«, sagte Josef Mayr.

Will nickte.

»Haben Sie schon ein Ziel?«

»Ja, ich habe von diesem Felsen gehört, der zwar dunkel ist und trotzdem glänzen soll. Da wollen wir mal hin, Herr Mayr.«

Das Gesicht des Wirts versteinerte. Der Mann senkte den Kopf, schaute auf die weißblau gemusterte Tischdekke und drehte sein Schnapsglas zwischen Zeige- und Mittelfinger.

Will Mallmann bemerkte wohl die Veränderung des Mannes. »Haben Sie was?«, fragte er.

Mayr hob den Kopf. »Hat man Ihnen denn nicht gesagt, was es mit dem Stein auf sich hat?«

»Ich hörte etwas. Die Leute erzählen von einer seltsamen Gegend.«

Sepp Mayr lachte. »Seltsam ist nicht der richtige Ausdruck, Herr Mallmann. Die Gegend ist verflucht. Ja, verflucht. Glauben Sie mir!«

Will lächelte und trank einen Schluck. Er hatte zwar schon mit Geistern und Dämonen zu tun gehabt, hatte gegen sie gekämpft, aber im Urlaub sollte man ihm mit den Geschichten vom Halse bleiben. Da wollte er seine Ruhe haben. Will kannte sich in den deutschen Landen aus. Da hatte jedes Dorf seine eigene Spukgeschichte. Irgendetwas gab es in jedem Ort. Ein altes Haus oder einen Stollen – warum sollte es hier nicht ein Stein sein?

Das war ganz natürlich.

»Na, ich weiß nicht so recht, Herr Mayr. So ernst kann man die Geschichten doch nicht nehmen.«

»Haben Sie eine Ahnung«, antwortete der Wirt. Es klang so, als wüsste er viel mehr. »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf. Gehen Sie überallhin, nur nicht zu diesem Felsen.«

»Was ist denn so Schlimmes dabei?«, wollte der Kommissar wissen.

Der Wirt kam nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben, denn Karin Becker betrat den Gastraum.

Pünktlich auf die Minute. Als hätte die Schulglocke gerade geläutet. Herr Mayr stand auf. »Dann will ich nicht länger stören«, sagte er. »Guten Appetit noch.«

»Danke.« Will erhob sich ebenfalls und rückte der Lehrerin einen Stuhl zurecht.

»Danke sehr.« Karin lächelte und nahm Platz.

Wills Herz klopfte plötzlich schneller. Er fühlte sich wie ein Primaner vor dem ersten Rendezvous. Und wieder einmal stellte der gute Kommissar fest, dass die Bekanntschaft mit Karin Bekker mehr war als nur ein Urlaubsflirt.

Nein, das ging tiefer.

Will hatte auf seinem Zimmer schon darüber nachgedacht. Er, der Junggeselle, war es plötzlich leid, allein zu leben. Er wollte heiraten. Und zwar Karin Becker. Er konnte sich vorstellen, dass ein Leben an ihrer Seite Spaß machen würde.

Aber dachte sie ebenso?

Will Mallmann entschloss sich, noch während des Urlaubs Karin diese Frage zu stellen.

Jetzt aber wollten sie essen.

Es wurde serviert. Anna schleppte ein großes Holztablett heran. Es gab eine Leberknödelsuppe und anschließend echt bayerischen Wurstsalat, den Will so gern aß. Die frischen Bratkartoffeln dampften noch in der Pfanne, und schon allein ihr Geruch ließ bei dem Kommissar das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Karin lächelte ihn an. »Guten Appetit wünche ich Ihnen, Will.«

»Danke sehr, gleichfalls!«

Es schmeckte beiden ausgezeichnet. Zwischendurch musste Will Mallmann die Lehrerin immer wieder anschauen.

Karin trug ebenfalls Wanderkleidung. Sie hatte die Haare hinten im Nacken zusammengebunden. Einen großen Teil des Kopfes bedeckte ein gehäkeltes Stoffkäppi, wie es jetzt modern war. Sie hatte sich dezent geschminkt, und Will fand, dass es ihr wirklich ausgezeichnet stand.

Die beiden aßen, bis sie satt waren. Aufatmend lehnte sich Karin Becker zurück und klopfte auf ihren Bauch. »Puh«, stöhnte sie, »das war wirklich zu viel des Guten. Ich komme mir vor, wie eine Kalorienbombe.«

»Fragen Sie mich mal.« Will lächelte.

Karin Becker holte aus ihrer braunen Umhängetasche eine Schachtel Zigaretten hervor. Nach jedem Essen rauchte sie eine Verdauungszigarette.

Will Mallmann war Nichtraucher. Trotzdem trug er ein Feuerzeug immer bei sich.

Er ließ es aufschnappen.

»Danke.« Karin blies den Rauch gegen die Decke. »Bleibt es bei unserem Gang?«

»Natürlich.«

Sie lächelte und schaute nach draußen. »Ich gehe gern in der Dämmerung.«

»Wieder etwas, das wir gemeinsam haben.«

Karin wurde plötzlich rot und senkte dann den Blick. Sie stäubte die Asche ab.

Für wenige Augenblicke schwiegen die beiden Menschen.

Die Gaststätte füllte sich langsam. Pensionsgäste kamen zurück, auch mit Kindern. Sie ließen sich nieder zum Abendessen, und plötzlich war der gemütlich eingerichtete Gastraum mit Stimmengewirr erfüllt.

Karin Becker rauchte langsam zu Ende und drückte dann die Zigarette aus.

»Gehen wir?«, fragte Will.

Karin nickte und stand auf. Als sie den Stuhl zurückschob, fragte sie: »Haben Sie schon ein Ziel, Will?«

Der Kommissar nickte. »Ja, ich wollte mir eigentlich mal den Felsen ansehen.«

»Welchen Felsen?« Karin runzelte die Stirn.

»Lassen Sie sich überraschen«, erwiderte Will und reichte ihr seinen Arm.

Den warnenden Blick des Wirts sahen sie nicht, als sie das Lokal verließen.

*

Karin Becker und Will Mallmann verließen das Gasthaus und wandten sich nach rechts. Die Stühle waren hochgestellt worden. Man hatte sie aber nicht weggeräumt. Laut Wetterbericht sollte der morgige Tag sonnig werden.

Will hatte nichts dagegen und Karin auch nicht.

Wie selbstverständlich fanden sich ihre Hände, und Will spürte den warmen Strom, der ihn plötzlich durchfloss.

Sie schritten unter der Eiche her, passierten den Parkplatz und erreichten den schmalen Weg, der hinter dem Gasthaus begann und direkt in den Wald führte, sodass sie nicht erst den Ort durchqueren mussten.

Die Dämmerung hatte schon eingesetzt. Im Westen glühte der Himmel noch unter den letzten Sonnenstrahlen, während aus der entgegengesetzten Richtung sich das graue Band der Dunkelheit immer weiter schob und die Nacht den Tag ablöste.

Noch lärmten die Vögel in den Bäumen, doch bald würden auch sie verstummen und sich zur Ruhe begeben.

Der Weg führte schon nach wenigen Metern bergauf. Zwar nicht sehr steil, aber unaufhörlich.

Schon bald umgab dichter Wald die beiden Menschen. Hier war die Welt noch in Ordnung. Mischbäume bestimmten die Vegetation, nicht nur Tannen und Fichtenschonungen. Hier brauchte man nicht aufzuforsten, weil niemand etwas zerstört hatte.

Der Bayerische Wald besaß hier noch die Urwüchsigkeit der Jahrhunderte.

Will Mallmann und Karin Becker sprachen nicht viel miteinander. Jeder genoss die Ruhe der sie umgebenden Natur. Humus dämpfte ihre Schritte fast bis zur Geräuschlosigkeit, niemand kam ihnen entgegen, und auch der Kommissar spürte die Ruhe, die sich plötzlich in seinem Innern ausbreitete.

Der Weg machte eine Biegung und führte immer tiefer in den Wald hinein. Auch nahm die Dämmerung zu, sodass die einzelnen freien Flächen zwischen den Bäumen manchmal zu einem dichten Grau verwischten.

Karin Becker blieb plötzlich stehen. Eine Haarlocke war ihr in die Stirn gefallen. Sie schob sie zurück und fragte: »Wie lange dauert es eigentlich noch, bis wir diesen komischen Felsen erreicht haben?«

Will Mallmann hob die Schultern. »Das kann ich dir auch nicht sagen. Die Leute haben …« Er verstummte plötzlich, weil ihm eingefallen war, dass er Karin Becker soeben geduzt hatte. »Entschuldigen Sie, Karin, ich meine natürlich …«

»Warum lassen wir es nicht beim Du?«, fragte sie und ihre Stimme zitterte ein wenig.

Will schluckte. »Sie meinen – du meinst …?«

Karin nickte.

Tief holte der Kommissar Atem. Er, der sich schon mit hartgesottenen Gangstern und Verbrechern herumgeschlagen hatte, war plötzlich nervös wie ein Schuljunge kurz vor den Zeugnissen. Er wusste nicht, was er sagen sollte.

Da reagierte Karin Becker schon energischer. Sie trat auf Will Mallmann zu und umfasste beide Hände.

»Okay – Will?«

Mallmann nickte.

Sie wussten beide, was jetzt kam. Und beide hatten lange darauf gewartet, doch niemand hatte laut davon gesprochen. Als Will Mallmann seine Lippen auf Karin Beckers Mund presste, vermeinte er, die Welt um ihn herum würde versinken.

Wie lange er Karin küsste, wusste er selbst nicht zu sagen. Schließlich drückte die Lehrerin den Kommissar von sich weg. »Himmel«, sagte sie, »jetzt muss ich erst einmal Luft holen.«

»Entschuldigung, aber …«

Karin lachte. »Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen. Schließlich hast du ebenso darauf gewartet wie ich.«

Will nickte heftig. »Dann«, er holte tief Luft, »dann bin ich dir also auch nicht gleichgültig?«

»Nein.« In Karins Augen erkannte Will, wie ehrlich die Antwort gemeint war.

Sie gingen weiter. Diesmal hatte Will Mallmann einen Arm um die Schultern der Lehrerin gelegt. Sie sprachen auch von der Zukunft und der Vergangenheit.

Und Will erzählte ihr von seinem Beruf. Bis jetzt hatte Karin nicht gewusst, womit er sein Geld verdiente.

»Du bist Kommissar?«, fragte sie.

»Ja.«

»Mein Gott, Will, ist das nicht gefährlich?«

Mallmann lächelte. »Man gewöhnt sich daran.«

»Würde mir nie gelingen.«

Jetzt ging Mallmann aufs Ganze. »Und wenn du meine Frau bist?«

Karin blieb stehen. Sie drehte den Kopf und schaute Will Mallmann ins Gesicht. »Meinst du das im Ernst?«

»Ja.«

Sie senkte den Blick und schaute auf ihre Fußspitzen. – Zwischen den beiden entstand eine Schweigepause. Nur das Rascheln des Abendwindes war zu hören, als er durch die Bäume strich.

Dann holte Karin tief Luft und fragte: »Du möchtest eine Antwort haben?«

»Wenn es geht.«

»Okay, Will, du bekommst sie. Aber nicht jetzt. Gib mir etwas Zeit zum Überlegen. Das alles kam für mich ein wenig plötzlich. Als ich dich zum ersten Mal sah, erging es mir ebenso wie dir. Ich habe bisher über den Begriff Liebe auf den ersten Blick gelacht, aber dann traf es mich. Nun muss ich mich erst damit abfinden und meine Gedanken in die richtige Reihenfolge bringen. Ich hoffe, du verstehst das, Will.«

»Aber natürlich.«

»Danke.« Karin lächelte. »Und ich will dir noch etwas sagen. Einen Menschen wie dich findet man selten in unserer Zeit.«

Will Mallmann wurde über dieses Lob fast rot. Er hob die Schultern, sagte: »Tja«, und meinte dann: »Sollen wir nicht weitergehen, sonst ist es zu dunkel, bevor wir unser Ziel erreicht haben.«

»Natürlich.«

Sie schritten zügig weiter. Will hielt Karin Becker nach wie vor so fest, als wollte er sie nie wieder loslassen.

Der Weg wurde enger. Die Äste und Zweige der Bäume wuchsen über dem Pfad zusammen, wo sie ein regelrechtes Dach bildeten, das sogar vor Regen schützte.

Wieder kam eine Kurve.

Und dann sahen sie den Felsen.

Plötzlich trat der Wald zurück, und auf einer freien Fläche stand der seltsame Felsen, der sich wie ein mahnender dunkler Finger in den Himmel reckte.

Und noch etwas war seltsam.

Im Umkreis von sicherlich fünf Metern wuchs nicht ein Grashalm. Der Boden war steinig und verkarstet. Kein grüner Grashalm durchbrach das Braun der Erde. Nackt und kahl präsentierte sich der Boden, ebenso nackt wie der Hügel.

Komisch …

Will Mallmann runzelte die Stirn. Das tat er immer, wenn er nachdachte. Es war für ihn zu einem Art Markenzeichen geworden, und ihm fiel die Warnung des Wirts ein, nicht in die Nähe dieses Felsens zu gehen.

Sollte da tatsächlich etwas Wahres dran sein?

Auch Karin Becker spürte, dass hier etwas nicht stimmte. Sie drängte sich unwillkürlich an Will Mallmann heran, und was der Kommissar sonst ausgekostet hätte, ließ ihn jetzt kalt.

Er drängte Karin zur Seite.

»Warte hier auf mich«, sagte er mit leiser Stimme. »Ich sehe mir den Felsen einmal näher an.«

»Aber sei vorsichtig«, flüsterte Karin.

»Wieso?«

»Keine Ahnung, aber irgendwie ist mir dieser Flecken nicht ganz geheuer.«

Mallmann winkte ab. »Keine Sorge, wir werden es schon schaffen, und bei Geistern …« Er verstummte aus Angst, schon zu viel gesagt zu haben.

»Was soll das denn heißen?«, fragte die Lehrerin, die die Worte wohl verstanden hatte.

»Nichts. Es war nur so dahingesagt.« Will griff zu dieser kleinen Notlüge, weil er Karin nicht beunruhigen wollte. Er selbst war inzwischen davon überzeugt, dass mit diesem Felsen wirklich etwas nicht stimmte. Ob man von übersinnlichen Dingen reden konnte, wollte er erst einmal dahingestellt sein lassen, doch solch ein Gestein hatte er noch nie auf der Erde gesehen.

Als würde es von einer anderen Welt stammen …

Natürlich schlugen immer wieder aus dem All Meteoriten auf die Erdoberfläche, und vielleicht war dieser Felsen so ein Meteorit.

Kommissar Mallmann schritt langsam auf ihn zu. Eine unerklärliche Spannung hatte ihn erfasst. Das Blut schien schneller durch seine Adern zu pulsieren, und je näher er dem Felsen kam, umso unwohler wurde ihm.

Am Himmel war der Mond aufgegangen und streute sein fahles Licht der Erde entgegen.

Da der Felsen auf einer Lichtung stand und damit ziemlich frei lag, wurde auch er vom Mondlicht voll getroffen.

Das im Gestein sitzende Metall leuchtete unter den Strahlen des Mondes auf und verbreitete einen silbernen Schimmer.

Einen halben Schritt vor dem Felsen blieb Kommissar Mallmann stehen. Er streckte den rechten Arm aus und berührte mit den Fingerspitzen das Gestein.

Normalerweise fühlten sich Steine kalt und tot an, aber dieser Felsen hier nicht.

Der Stein besaß ein regelrechtes Leben, das fühlte der Kommissar unter seinen tastenden Fingerspitzen.

Er stand nicht still, sondern vibrierte und schien sich zu bewegen.

Komisch …

Mallmann beugte sich noch weiter vor und legte sein Ohr gegen den Stein.

Da erlebte er eine Überraschung.

Der Stein sang!

Es war kein Lied, aber ein Summen, das aus dem Innern ertönte und ruhig mit Bezeichnung Singen beschrieben werden konnte.

Sagenhaft …

Will Mallmann konnte es kaum glauben. Welches Geheimnis hatte er hier entdeckt? Welch einer Sache war er hier auf die Spur gekommen? Einem Wunder vielleicht?

Möglich, aber kaum zu glauben.

Dieses Singen und das Vibrieren mussten eine andere Ursache haben.

Woher stammte dieses eigentümliche Geräusch? War das Geräusch ein Rätsel, das der Stein von einer anderen Welt oder aus dem Universum mitgebracht hatte?

Will Mallmann dachte daran, denn er hatte in den letzten drei Jahren gelernt, dass es auf unserer Welt verdammt viele Rätsel gab, die mit dem normalen Verstand nicht zu begreifen, geschweige denn zu lösen waren.

Der Stein barg ein Geheimnis. Daran gab es auch für Kommissar Mallmann nichts zu rütteln.

Baute sich dieses Rätsel auf eine physikalische Basis auf oder auf eine dämonische?

Ds war die Frage, die Will Mallmann beschäftigte. Er überlegte auch, welch eine Bedeutung diesem Felsen zugemessen wurde. Er stand sicherlich nicht ohne Grund in dieser abgelegenen Gegend des Bayerischen Waldes.

Will warf einen Blick über die Schulter zurück.

Karin Becker stand noch auf dem gleichen Fleck. Es war inzwischen so dunkel geworden, dass Will nur mehr die Umrisse der Frau sah. Ihr Gesicht jedoch leuchtete wie ein heller Fleck.

Abermals wandte sich der Kommissar dem Stein zu. Er wollte ihn einmal umrunden, sich die Rückseite anschauen, doch dazu kam es nicht mehr.

Karin Beckers panischer Ruf riss ihn herum.

»Will! Da!«, schrie sie.

*

Kommissar Mallmann traute seinen Augen nicht.

Rechts neben Karin Becker war eine Gestalt aus dem Wald getreten.

Ein Mensch? Nein, ein Skelett!

Ein Gerippe, bestehend aus bleichen Knochen, die von silbrig schimmernden Augen umgeben waren.

Karin Becker stand steif vor Entsetzen. Weit hatte sie die Augen aufgerissen und starrte die makabre Erscheinung an.

Doch das Skelett kümmerte sich nicht um die beiden Menschen. Es verließ den Wald und schritt schnurstracks auf den Felsen zu. Dabei schaute es nicht nach rechts und links, einzig der Felsen interessierte das Gerippe.

Kommissar Mallmann löste sich als Erster aus der Erstarrung. Er trat hastig zwei Schritte zur Seite, damit er mit dem unheimlichen Knochenmann nicht zusammenstieß. Dann beobachtete er weiter und wartete ab, was geschah.

Das Skelett blieb vor dem Felsen stehen. Es hatte eine fast militärische Haltung eingenommen, streckte jetzt den Arm aus und legte seine gespreizten Knochenfinger gegen den Felsen.

Die linke Hand folgte.

Der knochige Oberkörper fiel etwas nach vorn, und in seiner gebückten Haltung blieb das Gerippe stehen.

»Will!«, vernahm Mallmann den schluchzenden Ruf der Frau, doch der Kommissar reagierte nicht.

Der Knöcherne hatte ihn fasziniert.

Einige Sekunden verstrichen. Dann begann eine etwa türgroße Fläche inmitten des Steins hell aufzuleuchten, und noch ehe der Kommissar sich versah, verschwand das Skelett in dieser Fläche. Es wurde regelrecht von ihr aufgesaugt.

Einen Augenblick später erlosch das Leuchten, und der Stein sah wieder aus wie zuvor.

Nichts, aber auch gar nichts erinnerte daran, dass er eine Horrorgestalt verschluckt hatte.

Kommissar Mallmann stöhnte auf. Er wischte sich über die Augen und glaubte, einen schlimmen Traum erlebt zu haben. Aber er wusste gleichzeitig, dass es kein Traum gewesen war, sondern Realität.