John Sinclair Sonder-Edition 102 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 102 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Urlaub - die schönsten Wochen des Jahres.
Für zahlreiche Menschen wurden sie zu den schrecklichsten. Der Camping-Platz am Meer verwandelte sich in eine Hölle. Niemand war mehr sicher, und niemand konnte fliehen. Sobald die Sonne sank, begann der Schrecken.
Jeder konnte als Nächster auf der Liste des Mörders stehen, auch ich ...

Killer-Camping

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Seitenzahl: 183

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Killer-Camping

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Vicente Ballestar/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7965-5

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.

Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung.

Killer-Camping

von Jason Dark

Urlaub – die schönsten Wochen des Jahres.

Für zahlreiche Menschen wurden sie zu den schrecklichsten. Der Camping-Platz am Meer verwandelte sich in eine Hölle. Niemand war mehr sicher, und niemand konnte fliehen. Sobald die Sonne sank, begann der Schrecken.

Jeder konnte als Nächster auf der Liste des Mörders stehen, auch ich …

Der Druide musste sterben!

Ihn am Leben zu lassen, hätte für die anderen Menschen Grauen und Unglück bedeutet. Der Druide hatte die Gottheiten verraten und sich mit den Mächten der Finsternis verbündet. So etwas durfte nicht ungesühnt bleiben. Da gab es nur den Tod.

Es war Nacht. Tiefschwarze Dunkelheit deckte die zahlreichen Wälder auf den sanftrunden Hügelkuppen mit dem Schleier des Vergessens zu.

Aber dort, wo der Druide sein Leben aushauchen sollte, flackerte das Feuer. Aus der Ferne sah es aus wie ein unruhiges Auge, das geheimnisvoll rot in der Schwärze leuchtete, um den Menschen den Weg zum Platz des Todes zu weisen.

Sie waren gekommen, aber sie hielten sich zurück. Nur die Weisen, die den Tod des Druiden beschlossen hatten und ihn als Verräter aus ihren eigenen Reihen stoßen wollten, umsaßen das Feuer wie gespenstische Statuen, denn sie rührten sich nicht.

Tief versunken in ihrer Meditation beschäftigten sie sich mit den Gedanken des Todes, in den sie einen der ihren schicken wollten. Nicht weit entfernt und soeben noch vom Widerschein der Flammen angeleuchtet, befand sich die Grube. Sie hatten sie am vergangenen Tag ausgehoben und mit einer Masse gefüllt, die dunkel aussah und auf der Oberfläche einen glänzenden Schimmer aufwies.

Hin und wieder stiegen aus der zähen Masse Blasen auf. Sie beulten die Oberfläche aus, bevor sie zerplatzten und Gase entließen, die sich auf dem Viereck verteilten.

Einer stand plötzlich auf. Ein alter, gebeugt gehender Mann. Er trug einen dunklen Umhang. Dicht neben dem Feuer blieb er stehen, griff in eine der beiden Taschen und schaufelte ein Mehl heraus, das er ins Feuer streute und dabei leise Worte murmelte.

Das Rot der Flammen verschwand und schuf einem giftigen Grün Platz. Auf einmal nahm das Licht einen gespenstisch-fahlen Glanz an, der sich ebenfalls verteilte und sogar hinauf bis zu den Baumwipfeln reichte, wo sich ein länglicher, kompakter Schatten abhob, der menschliche Umrisse besaß.

Dort hing der Verräter!

Gefesselt, zur Bewegungslosigkeit verdammt und mit dem schweren Trank des Schlafes versehen, der später übergehen sollte in den endlosen Tod. Als der Weise wieder in den Kreis zurückgekehrt war und dort seinen Platz eingenommen hatte, erhob sich ein anderer, der einen länglichen Gegenstand in der Hand hielt, den er nun in Richtung Mund führte.

Es war eine Holzflöte. Der jüngere Mann hatte sie selbst geschnitzt. Unter den Druiden galt er als Künstler, er war sehr geschickt und spielte auf seinem Instrument des Öfteren zum Tanz auf.

Nicht in dieser Nacht. Da würde er seiner Flöte eine andere Melodie entlocken.

Das Totenlied …

Die letzte schwermütige Melodie für einen aus ihren Reihen. Es waren die Töne, die den Druiden vom Leben in den Tod begleiten sollten. Er berührte sie nur mit den Lippen – ein kurzes Antippen, mehr nicht. Dann holte er tief Luft.

Wenig später durchbrach das Totenlied die Stille. Klagende Töne schwangen, wie auf Wellen getragen, durch die Finsternis. Schwermütig berichteten sie von einer großen Trauer und Angst, aber auch von Vergeltung und Rache.

Der Künstler spielte und weinte selbst dabei. Über sein hageres Gesicht rannen die Tränen in schmalen Bächen. Er hatte Mühe, den Ton zu halten. Immer wieder wollte ihn das Schluchzen unterbrechen, doch er schaffte es, das Lied zu beenden.

Die anderen hörten ihm zu. In ihren Gesichtern regte sich nichts. Sie blieben starr wie Stein, bis die Melodie des Totenliedes mit einem schrillen und gleichzeitig harten Ton verklang. Er sollte das gesprochene Urteil musikalisch darstellen.

Der Mann senkte die Arme. Er ließ die Flöte wieder verschwinden, nahm Platz und wartete darauf, dass ein weiterer aus dem Kreis der Druiden seine neue Aufgabe anging.

Als Vollstrecker war er von allen anderen ausgesucht worden. Auch er erhob sich mit langsamen Bewegungen, das Gesicht unbewegt. Unter dem gelbblonden Haar sah es grau wie Stein aus.

Man brauchte ihm nicht zu sagen, was er zu tun hatte.

Er kannte die alten Regeln genau.

Einmal schritt er um die Grube herum, trat nicht mehr zurück in den Kreis, sondern blieb unter dem Baum stehen, wo der Verräter seinen Platz im Geäst gefunden hatte und auf seine endgültige Bestrafung wartete.

Der gelbhaarige Mann streckte einen Arm aus und bewegte die Finger. Er tastete nach einer geflochtenen Schnur, die wie ein lianenartiges Gewächs aus der Baumkrone herabhing. Sie war am Baumstamm befestigt und hielt den Verräter im Geäst.

Der Mann kappte die Schnur, packte sofort nach und stemmte sich gegen das nach unten drückende Gewicht des Körpers.

Der geriet in leichte Schwingungen und rutschte nach unten. Da glitt der Körper aus dem Geäst weg und sank langsam in die Tiefe. Zuerst auf einem ziemlich geraden Weg, kurze Zeit später geriet er in Schwingungen, als wollte er sich von seinem Flechtseil lösen.

Auch die anderen Druiden erhoben sich. Der Musiker griff wieder zur Flöte und intonierte eine neue Melodie. Sehr leise diesmal, dem Tod entsprechend. Sie begleitete den Verräter auf seinem Weg nach unten, der ihn direkt in die Grube führen würde, über der weiterhin Dämpfe schwangen.

Starre Gesichter verfolgten den Weg des Schlafenden. Niemand sprach ein Wort. Lippen waren so fest zusammengedrückt, dass sie Striche bildeten. Nur die Augen leuchteten, und in den Pupillen schimmerte das Licht des grünlichen Feuers, wo Reflexe tanzten wie Irrlichter. Der schwere Körper geriet stärker ins Pendeln. Es sah für einen Moment aus, als wollte er sein Ziel verfehlen, aber die Grube war groß genug, um ihn aufnehmen zu können.

Dann verstummte die Melodie. In der Stille war nur das Schleifen des Seils über den starken Ast zu hören. Der Erdboden und damit das ungewöhnliche Grab rückten immer näher. Er würde genau in der Mitte eintauchen, und zwar mit dem Kopf zuerst.

Mittlerweile geriet das Gesicht in den Schein des Feuers. Die Züge zeigten eine ungewöhnliche Starre, als wäre die Person nicht mehr am Leben.

Ein Irrtum, wie sich sehr bald zeigte. Als hätte er einen Befehl bekommen, so öffnete der Regungslose plötzlich die Augen. Über die schmalen Lippen drang ein zischendes Geräusch.

Jeder hörte es, auch der Druide, der ihn in die Masse hinablassen wollte. Er stockte und schaute hinüber zu den anderen Männern, die regungslos auf der Stelle standen.

Dann redete der Druide. Die krächzend gesprochenen Worte schienen in den dünnen Rauch hineinzufließen, der über dem ungewöhnlichen Grab waberte.

Es waren schlimme Sätze. Die Worte vereinigten sich zu einem Fluch, der alle Männer treffen sollte.

Die Weisen schraken zusammen. Der Älteste unter ihnen streckte seinen Arm vor. »Nein!«, rief er laut. »Nein, du wirst keinen Schaden mehr anrichten können, auch wenn du versuchst, uns zu verfluchen. Wir sind stärker als du. Wir werden von der Strafe keinen Abstand nehmen. Du sollst verderben, sterben …«

Der Verräter lachte.

Es war ein schlimmes Lachen und schien von einem Monstrum zu stammen. Es hatte kaum etwas Menschliches mehr an sich. Der älteste Druide senkte seinen noch immer ausgestreckten Arm. Das Zeichen für den Vollstrecker.

Blitzschnell ließ dieser das Seil los.

Mit dem Kopf zuerst tauchte der Verurteilte in den wabernden Schlamm. Ein klatschendes Geräusch erklang, das in einem widerlich anzuhörenden Schmatzen endete.

Dann fasste der Schlamm zu. Er verschlang den Körper des Verräters wie ein gefräßiger Sumpf. Die entstandenen Wellen verliefen sich, schwappten gegen den Rand, ohne jedoch darüber hinwegzulaufen.

»Nie!«, rief der Älteste aus dem Kreis. »Nie mehr soll er dem Bösen dienen. Nie mehr soll er zurückkehren, nie. Schließt die Grube, lasst ihn verderben und vermodern, auf dass sein Körper eins wird mit der Natur.«

Viele Jahre vergingen, und die Welt begann sich zu verändern.

Das Reich der Kelten blieb Erinnerung, die allerdings auch böse Überraschungen produzieren konnte …

Der junge Mann atmete so heftig, dass ich um seine Gesundheit fürchtete.

Dabei streiften die Handflächen über die Wangen, als er sich den Schweiß abwischte.

»Was haben Sie?«, fragte ich ihn. »Ist Ihnen nicht gut? Wollen Sie wieder fahren?«

Er starrte mich an und lachte. Es hörte sich krächzend an. »Mann, Sie haben Nerven. Spüren Sie denn nichts?«

Ich hob die Augenbrauen. »Was, bitte schön, sollte ich denn spüren?«

»Die Atmosphäre, Sinclair. Das Unheimliche. Ich sage Ihnen, hier lauert etwas.«

»Möglich.«

Er umfasste mit hartem Griff meinen Arm in Ellbogenhöhe. »Nicht nur möglich, Sinclair, da ist was. Ich bin sensibel, verstehen Sie. Ich habe einen Freund verloren. Er ist getötet worden. Bäume haben ihn umgebracht, Bäume und Büsche und die Erde hier. Alles ist verflucht, alles.« Er bewegte sich im Kreis und ruderte mit den Armen, als wollte er die gesamte Umgebung erfassen.

Ich runzelte die Stirn. Was mir Ed Williams gesagt hatte, konnte ich nicht unterstreichen. Okay, wir befanden uns in einer ziemlich einsamen Gegend, mit viel Wald, Hügeln, Wiesenflächen und der Küste in der Nähe, aber das Flair des Unheimlichen merkte ich leider nicht. In einem jedoch hatte er recht. Sein Freund war tatsächlich unter ungewöhnlichen Umständen ums Leben gekommen.

Etwas hatte ihn ermordet!

Ich sage bewusst etwas, weil niemand wusste, wer oder was dieses Etwas war. Möglicherweise ein Monster, vielleicht ein Mensch, oder eben die Umgebung.

Man hatte den Toten unter einem Baumstamm gefunden. In gewisser Hinsicht völlig natürlich, nur war der Baum bei Windstille umgefallen. Er hatte den Körper nicht nur zerquetscht, seinen Zweigen war es zusätzlich gelungen, sich um den Hals des Toten zu drehen. Der junge Mann war also auch erwürgt worden.

Die Polizei hatte vor einem Rätsel gestanden. Der Vater des Toten gehörte zu den führenden Mitgliedern der Londoner Metropolitan Police und hatte seine Beziehungen spielen lassen und mit meinem Chef, Sir James Powell, gesprochen.

Sir James und ich waren beide skeptisch gewesen. Er hatte mich dann dazu überredet, einmal an die Südostküste zu fahren, um mich dort umzusehen.

Ed Williams begleitete mich. Er war der beste Freund des Toten Jack Sheen gewesen und hatte mir auf der Fahrt von vielen unheimlichen Dingen berichtet.

Im Mittelpunkt stand immer der Campingplatz. Auf ihn und auf die unmittelbare Umgebung sollte sich das Grauen konzentrieren. Da schlich es wie Gift umher und war dabei, die Menschen zu verändern. Gleichzeitig überkam die Camper das Gefühl der Angst. Es schien aus dem Boden zu steigen, als wäre dort etwas Schlimmes vorhanden.

Mich berührte es schon, dass ich davon nichts spürte, denn das Kreuz erwärmte sich nicht. So blieb ich gelassen und schaute mir, während sich Ed Williams drehte, die Umgebung an, soweit es in der Dunkelheit möglich war.

Der Mond musste noch zunehmen, er brachte kaum Licht. Sterne schimmerten irgendwo in der Unendlichkeit des Himmels.

Ein schwacher Wind wehte über das Land und ließ das Blattwerk der Bäume zittern.

»Merken Sie denn nichts?«, fragte Ed Williams verzweifelt. »Ich habe mir sagen lassen, dass Sie auf dem Gebiet ein Spezialist sind, was das Unheimliche und Ungewöhnliche angeht.«

»Wunder können Sie nicht erwarten. Ich bin ein Mensch wie jeder andere!« Ich deutete auf den Waldrand, der fast in Reichweite lag. Dort war Jack Sheen ums Leben gekommen. Der Campingplatz lag vor uns, in einer weiten Mulde, die zum Strand hin auslief. Es war ein gepflegtes Areal mit guten, sauberen Toilettenanlagen, zwei Restaurants, wobei dem einen noch ein Lebensmittelladen angegliedert war. Dort konnten die Camper sich selbst versorgen.

Alles normal, wenn nicht dieser Mord passiert wäre, für den es kein Motiv gab.

»Sie stehen hier und schauen ins Leere, Sinclair!«, blaffte mich Williams an.

»Moment mal.« Allmählich wurde ich sauer. »Erstens heißt es Mr. Sinclair, so viel Zeit muss sein, und zweitens starre ich nicht ins Leere, ich denke nach.«

»Ach ja?«

Allmählich ging mir dieses blasierte und arrogante Getue auf den Wecker. Ich wollte den Streit nicht forcieren und winkte ab.

»Lassen wir es dabei, Ed. Sie haben mich hergeführt, ich sah es mir an, aber Sie können nicht von mir verlangen, dass ich Ihnen den oder die Mörder präsentiere.«

Er fuhr mit der Zungenspitze über die Lippen. »Dazu müssten Sie auch in den Wald gehen. Sie stehen nur hier herum und tun nichts. Gehen Sie zwischen die Bäume, wo die Dunkelheit lauert und Kräfte aus einer anderen Welt ein Versteck finden.«

»Das werde ich auch«, erwiderte ich lächelnd. »Wie ist es denn mit Ihnen? Wollen Sie mich begleiten?«

»Ich?«

»Wer sonst?«

»Und wenn mir das Gleiche passiert wie Jack? Wenn plötzlich die Bäume leben, einfach umkippen und das Geäst anfängt, mich zu erwürgen? Was ist dann?«

»Glauben Sie das?«

»Ich rechne damit.«

»Aber diesmal bin ich bei Ihnen.«

Seine Lippen bewegten sich, wobei ich nicht wusste, ob er lächelte oder nicht. »Entschuldigen Sie, Mr. Sin­clair, aber bisher haben Sie nicht viel gebracht. Ich fühle mich in Ihrer Gegenwart weder sicher noch beschützt. Sorry, dass ich das so deutlich sagen muss.«

»Wenn es Ihre Ansicht ist, bitte.«

»Ich werde trotzdem mit Ihnen gehen, damit Sie meinen guten Willen sehen.«

»Ich weiß es zu schätzen.«

Williams hörte den Spott aus meiner Stimme, enthielt sich jedoch eines Kommentars.

Den Rover hatte ich auf einem schmalen Feldweg geparkt, der das Waldstück im Osten hin abgrenzte. Wir waren den Rest zu Fuß gegangen und erlebten eine ungemein warme Mainacht. So sollte es auch die nächsten Nächte sein.

Ed Williams atmete noch immer schwer, als er neben mir herging. Körperliche Überanstrengung konnte es nicht sein, er musste einfach Angst haben. Als ich den Wald erreichte, war Ed zurückgefallen. Ich drehte mich um und sah ihn auf dem Rasen stehen.

»Was ist? Wollen Sie nicht mit?«

»Doch – schon.« Seine Stimme klang leicht weinerlich. »Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich Angst, den Ort zu besuchen, wo es Jack erwischt hat. Dieser Wald ist ebenso furchtbar wie das andere Gelände hier. Hören Sie das Rauschen der Blätter?«

»Nicht bei Windstille.«

Er hob einen Zeigefinger. »Spotten Sie nicht, Mr. Sinclair, das ist der Atem des Bösen.«

Als ich meine Lampe hervorholte, erschrak er. »Um Himmels willen, kein Licht, bitte!«

»Weshalb nicht?«

»Das kann das Böse nicht vertragen. Es wird sich schlimm an uns rächen.«

Ich winkte ab. »Ach, kommen Sie, Ed. Ich bin bei Ihnen und kann mich dagegen wehren.«

Er war nicht einsichtig. »Als normaler Mensch nicht, aber ich will Ihnen den Gefallen tun und komme mit.«

»Meinetwegen können Sie auch warten.«

»Dann wäre ich allein.«

»Stimmt auch.«

Er näherte sich mit zögernden Schritten, seine Schuhe schleiften durch das Gras. Im Dunkeln sah ich seine Augen leuchten und wusste nicht, ob es die Furcht war, die ihm diesen Blick verliehen hatte, oder Tränenwasser.

Ed Williams verspürte eine Angst, als würde er permanent körperlich bedroht.

Hohes Farnkraut trat ich aus dem Weg. Man hatte den Baum noch nicht entfernt. Wie ein gewaltiges Streichholz lag er quer in der Gegend. Beim Umkippen hatte er auch andere Bäume beschädigt und sie teilweise von ihren Ästen und Zweige befreit. Der mächtige Stamm hatte eine regelrechte Bresche geschlagen.

Ich blieb dort stehen, wo uns die Krone nicht behindern konnte. Sie lag dort wie ein hoher, halbrunder Teppich. »Hier ist es nicht gewesen«, sagte Ed. Er strich sein langes, blondes Haar zurück, in dem Schweiß klebte. Ed machte einen etwas weibischen Eindruck mit seinem zu weichen Gesicht, konnte allerdings auch sehr arrogant wirken, wie das verzogene Söhnchen der Eltern, die viel Geld hatten und bei denen andere nichts galten.

Er wollte zwar nicht, dass ich die Baumkrone anleuchtete, ich kümmerte mich nicht darum.

Zu sehen war nichts. Die Zweige hatten zwar um den Hals des Toten gelegen, aber sie bewegten sich nicht. Nur die Blätter zitterten leicht im Wind.

»Das Unheil«, flüsterte mein Begleiter. »Sie können sagen, was Sie wollen, es ist noch immer nicht fort. Ich spüre es genau, wirklich, ich merke, dass es hier lauert.«

»Unter dem Baum?«

»Nein, überall! Es hat diese Gegend unter Kontrolle und zieht sich hin bis zum Strand. Alle Camper befinden sich in großer Gefahr. Ich habe sie gewarnt, sie wollten mir nicht glauben. Ich sage Ihnen, Mr. Sinclair, es wird in der nahen Zukunft noch mehr Tote geben. Das spüre ich genau.« Er trat näher an mich heran. »Und wissen Sie, was ich auch noch höre?«

»Nein.«

Ed schob das Kinn vor. »Stimmen«, sagte er leise. »Ich höre Stimmen. Hier.« Er deutete auf seinen Kopf. »Da sind sie. Es ist einfach nicht zu fassen, ich kann sie genau verstehen.«

»Wer spricht denn?«

»Die Geister«, hauchte er. »Die Geister, die diesen Wald unter Kontrolle halten. Sie sind es, die mit mir reden, die über meinen Geist Kontakt aufnehmen und mir erklären, dass alles erst ein Anfang gewesen ist. Das große Morden fängt noch an. Dann wird das Grauen zuschlagen und sich seine Opfer holen.«

Ich schwieg, denn ich wusste nicht, wie ich den jungen Mann einschätzen sollte.

War er ein Spinner, oder steckte tatsächlich mehr hinter seinen Worten? Ich hatte selbst oft genug auf telepathischem Weg Kontakt mit Geistwesen aufgenommen. So unwahrscheinlich, dass nur er die Botschaft hörte, war es nicht.

»Da schauen Sie, wie?«

»Sicher.«

»Ich würde vorschlagen, dass wir von hier verschwinden. Sehen Sie sich den Baum an. Er liegt dort so harmlos, als könnte er keinem Menschen etwas zuleide tun. Ich aber weiß, dass er lebt, von einem unseligen Geist beeinflusst ist.«

»Hat der Geist einen Namen?«

Ed begriff nicht. »Wieso sollte er einen Namen haben?«

»Vielleicht Mandragoro?«

»Den kenne ich nicht. Gibt es den denn? Was ist er?«

»Vergessen Sie es.«

Williams nickte, wollte sich umdrehen, als er mitten in der Bewegung stockte. Plötzlich stand er stocksteif. Über sein Gesicht rieselte eine Gänsehaut. Der junge Mann atmete mit offenem Mund, die Augen waren groß geworden. »Ich glaube, es ist da. Hören Sie …?«

»Was denn?«

Ed drehte sich weiter, wobei er sich duckte und erst stehen blieb, als er auf die Krone des gestürzten Baumes schauen konnte. »Es … es kommt von dort«, wisperte er. »Das Böse ist dabei, uns einzukesseln. Ich habe es genau gemerkt …«

Wieder leuchtete ich in die Krone. Ich bewegte mich ebenfalls nicht und musste Ed recht geben.

Da raschelte tatsächlich etwas …

Dann lachte ich, was ihn verwunderte. »Wieso können Sie darüber lachen, Mr. Sinclair?«

»Keine Sorge, das wird ein Tier gewesen sein, das Sie da gehört haben.«

»Nie!«, rief er.

Da spürte ich es. Auf einmal breitete sich auf der Brust, wo das Kreuz seinen Platz gefunden hatte, ein warmer Schimmer aus. Wie ein Hauch wehte er darüber hinweg.

Eine Warnung!

Ed hatte an meinem Gesicht bemerkt, dass etwas nicht stimmte. »Na?«, fragte er. »Merken Sie es auch?«

»Ja, ich glaube.«

»Ha!«, keuchte er und sprang zurück. »Glauben, Sie glauben nur immer etwas!«

»Seien Sie ruhig!«

Er verstummte. Ich hörte das leise Geräusch, dann einen Stöhnlaut, drehte die Lampe und strahlte Ed Williams an.

Sein Gesicht hatte sich verzerrt. Kalkweiß war es geworden, der Mund stand offen. Ein dünnes Rinnsal Blut sickerte daraus hervor, ebenso wie aus seinem Hals.

Als ich auf ihn zusprang, kippte er und fiel rücklings über den Baumstamm. Reden konnte er nicht mehr, sein Blick war bereits gebrochen. Ed Williams war tot. Getötet mit einer Fahrradspeiche, die noch in seinem Hals steckte …

Da hörte ich es wieder – und tauchte weg.

Mit einem Hechtsprung warf ich mich über den Baumstamm, landete auf Zweigen und Humus und spürte, wie etwas über meinen Kopf hinwegstrich, fast durch mein Haar.

Gedankenschnell rollte ich mich herum und blieb hinter dem Baumstamm liegen, darauf hoffend, eine Deckung zu haben.

Sekunden verstrichen. Ich wartete lauernd, aber es tat sich nichts. Eine dritte Waffe wurde nicht eingesetzt. Die Beretta hielt ich in der Hand. Wer immer dieses verdammte und heimtückische Mordinstrument auch geschleudert haben mochte, er musste sich in einem guten Versteck befinden und auch nicht allzu weit entfernt sein.

Es wurde so still, dass ich nur das Klopfen meines eigenen Herzens vernahm. Auch der Wald war erstarrt. Nach dem Grauen hielt er den Atem an, noch immer sein fürchterliches Geheimnis verbergend.

Es tat sich nichts. Wenn der Killer in der Nähe lauerte, besaß er ebenso gute Nerven wie ich und hielt sich zunächst zurück. Allmählich nur gewöhnte ich mich wieder an die normalen, üblichen Geräusche, die einfach dazugehörten.

An das Rascheln der Nachttiere, das leise Huschen, das Schaben der Blätter, normale Laute, die mich wahrhaftig nicht in Lebensgefahr brachten. Und doch war da etwas anderes vorhanden. Ich spürte es anhand meines Kreuzes, das sich erwärmt hatte. Diese Wärme wollte einfach nicht weichen, sie blieb, und es kam mir vor, als wäre der gesamte Wald von einem bösen Fluch infiziert.

Von einem Fluch?

Meine Gedanken hakten. Hatte Ed Williams nicht davon erzählt, dass ein Fluch vorhanden war? Dass Böses in diesem Gebiet lauerte und alles umfangen hatte?

Jetzt glaubte ich es. Leider hatte es erst einen Toten geben müssen. Natürlich machte ich mir Vorwürfe, ich hätte dem jungen Mann glauben sollen. Eine unbändige Wut auf den heimtückischen Killer stieg in mir hoch, ließ mich aber nicht unvorsichtig werden.

In der rechten Hand hielt ich die Beretta. Ich drückte mich etwas ab, damit ich über den Baumstamm hinwegschauen konnte. Mein Blick konzentrierte sich auf die Krone, weil ich damit rechnete, dass die heimtückische Waffe von dort geworfen worden war.

Wie ein heller Arm stach das Licht der Lampe durch die Dunkelheit. Dabei peilte ich nur über den Rand hinweg, bereit, mich sofort wieder zurückzuziehen.

Ich sah nichts.