John Sinclair Sonder-Edition 105 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 105 E-Book

Jason Dark

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Zaduks Schädel

Für die Babylonier war er ein mächtiger Götze, den sie verehrten, die Kreuzfahrer verfluchten ihn als Dämon. Keiner von ihnen ahnte, dass Zaduk von dem versunkenen Kontinent Atlantis stammte und einst ein Feind des Schwarzen Tods war.
Jetzt kehrte er zurück, um erneut Grauen und Schrecken zu verbreiten. Gemeinsam mit meinen Freunden Suko, Myxin, dem Eisernen Engel und Kara, der Schönen aus dem Totenreich, nahm ich den Kampf gegen ihn auf ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 169

Veröffentlichungsjahr: 2019

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Zaduks Schädel

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Vicente Ballestar/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8171-9

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.

Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung.

Zaduks Schädel

von Jason Dark

Für die Babylonier war er ein mächtiger Götze, den sie verehrten, die Kreuzfahrer verfluchten ihn als Dämon. Keiner von ihnen ahnte, dass Zaduk von dem versunkenen Kontinent Atlantis stammte und einst ein Feind des Schwarzen Tods war.

Jetzt kehrte er zurück, um erneut Grauen und Schrecken zu verbreiten. Gemeinsam mit meinen Freunden Suko, Myxin, dem Eisernen Engel und Kara, der Schönen aus dem Totenreich, nahm ich den Kampf gegen ihn auf …

Nur Auserwählte durften den riesigen Tempel auf der Kuppe des Hügels betreten, und Asianis zählte zu dieser Kaste.

Er war ein Priester, ein Geweihter, den Göttern und Dämonen hörig, besonders dem großen Baal.

Menschen zollten ihm Respekt, suchten seinen Rat, seine Hilfe und brachten ihm Geschenke, um die Götter und den Himmel gnädig zu stimmen.

Geschenke allein reichten jedoch nicht aus. Auch er musste etwas tun, um mit den Dämonen Kontakt aufzunehmen. Er brachte ihnen ebenfalls etwas, und zwar ein Opfer.

In dieser dunklen, schwülheißen Sommernacht hatte sich Asianis schon sehr früh auf den Weg gemacht. Von der Wüste wehte feiner Sand herüber. Irgendwo dort war es zu einem gewaltigen Sandsturm gekommen.

Asianis gelangte in das Gebiet der Felsen, wo die Steine die Hitze des Tages gespeichert hatten und sie wieder abgaben. Er schwitzte. Der Inhalt seines über den Rücken gelegten Jutesacks drückte stark. Das Volk der Babylonier mochte dieses Wetter nicht, man legte sich an derartigen Abenden und Nächten früh zur Ruhe, und den Weg zum Tempel schlug man sowieso nicht ohne Grund ein.

Des Öfteren blieb der Babylonier stehen, um sich über seine Stirn zu wischen. Es war zu warm, und hinzu kamen der laue Wind, Hitze, der Schweiß, der Staub.

Vergebens suchte er den Mond und die Sterne. Sie waren hinter dunklen Wolkenbändern verschwunden, als würden sie sich schämten, hervorzukriechen.

Er wischte noch einmal über sein Geiergesicht und blickte den Weg hoch, der dort endete, wo die Kuppe sich rundete und der Tempel auf den breiten Säulen stand.

Ein Bauwerk, an dem sehr lange gearbeitet worden war. Viele Sklaven hatten es in mühevoller Arbeit errichtet und letztendlich zu dem gemacht, was es nun war.

Bet- und Opferstätte, wo man noch die alten Blutrituale abhielt.

Auch Asianis kannte sie. Einige von ihnen hatte er vom Text her erweitert und neue Beschwörungsformeln gefunden. Dabei galt es, nur einen Götzen zufriedenzustellen. Einen, der noch älter war als das alte Babylon, der die große Katastrophe überlebt hatte und auf den Namen Zaduk hörte.

Dieser Name wurde nur flüsternd ausgesprochen, und dennoch bekamen die Menschen dann eine Gänsehaut. Zaduk war etwas Besonderes. Zaduk verhieß Tod, Grauen und furchtbare Qualen, falls er nicht durch Opfer besänftigt wurde.

Asianis ging den schweren Weg. Hin und wieder hob er den Kopf, um zum Tempel zu schauen. Trotz der Dunkelheit malte sich das wuchtige Gebäude scharf konturiert vor dem tiefblau wirkenden Nachthimmel ab. Unhörbare Gesänge schienen um seine Mauern zu wehen. Manchmal zeigte sich die Luft wie aufgeladen. Da tanzten Funken über das geschwungene Dach des Tempels, und aus dem dunklen Himmel schossen schmale Blitze wie lange Pfeile.

Es war ein ungewöhnliches Wetterleuchten bei dieser Trockenheit, aber die Wüste brachte oft Dinge mit, die kaum erklärbar waren. Dieses Land steckte voller Geheimnisse, von denen nur die wenigsten Menschen wussten. Ein schmaler Pfad schlängelte sich in die Höhe. Er endete erst dort, wo sich das Portal des Tempels öffnete wie ein großes Maul.

Es dauerte sehr lange, fast bis zur Tageswende, dann hatte es Asianis geschafft.

Obwohl er von manchen Menschen als Wissender, fast als Gott verehrt wurde, zeigte auch er körperliche Erschöpfung. Er schwankte von einer Seite zur anderen und sah aus, als würde ihn der nächste Windstoß einfach von den Beinen werfen. Der Staub durchtanzte auch hier die Luft, prallte gegen sein Gesicht, drang überall ein. Er schmeckte ihn auf der Zunge und im Rachen, hatte ihn sogar in der Nase.

Der Sack auf seinem Rücken schien noch schwerer geworden zu sein, als hätte man ihn mit den Steinen gefüllt, die zu beiden Seiten des Pfads lagen.

Die Nacht war still und trotzdem voller Geräusche, die der Wind von irgendwoher brachte.

Asianis stand da, atmete keuchend und starrte auf den Eingang des Tempels, wo die beiden breiten Türhälften ein finsteres Gesicht zeigten, das den Götzen Baal darstellen sollte.

Ein widerliches Gesicht, eine Fratze mit hoher Stirn und Hörnern! Das war Baal, ihm gehörte der Tempel, und er gewährte Zaduk nur Gastrecht.

Der Priester ließ den Sack von der Schulter gleiten und stellte ihn auf den Boden. Er wartete noch einige Minuten, bis er auf das Portal zuging und den Sack hinter sich herschleifte, hinweg über Steine und Kanten, durch Rinnen, die mit Staub gefüllt waren, der nun aufwirbelte.

Außer ihm befand sich niemand in der Nähe dieses mächtigen Bauwerks, an dem Asianis seine Blicke hochgleiten ließ. Der Tempel war etwas Wunderbares, ein regelrechtes Kunstwerk. Die Menschen, die ihn geschaffen hatten, konnten stolz auf ihn sein.

Dennoch strahlten seine Mauern etwas Unheimliches und Gefährliches ab. So, als würde sein Innenleben auch nach außen dringen, um einen Schirm des Grauens um das Gebäude zu legen.

Der Babylonier öffnete die Tür. Asianis wusste, wo er seine Hand hinzulegen hatte, um das gewaltige Tor zu bewegen. Er brauchte nicht einmal stark zu drücken, die Berührung allein reichte fast aus, damit die rechte Hälfte nach innen schwang und die eingravierte Fratze Baals in der Mitte teilte.

Außer einem leisen Kratzen gab die Tür keinen Laut von sich, als sie in die Finsternis schwang.

Nein, es war nicht nur dunkel zwischen den mächtigen Innenmauern, etwas Helligkeit gab es schon.

Kein normales Licht, sondern ein unheimliches, eigentlich glanzloses Leuchten in der Mitte der weiten Tempelhalle. Auf den kalt wirkenden blauen Fliesen befand sich der eigentliche Mittelpunkt, der Schädel.

Er war gewaltig!

Um ihn rankten sich Sagen und Legenden, und es war nur wenigen vergönnt, den Schädel zu sehen.

Die einen behaupteten steif und fest, dass Zaduk ein turmhohes Gebilde wäre. Die anderen wiederum sprachen von einem Götzen, der nicht größer als ein Mensch war.

Keine der Gruppen hatte recht. Man hätte sich etwa in der Mitte einigen können.

Er bestand aus einem mächtigen Umfang. Bleiches Gebein mit gewaltigen Löchern, die einmal Augen gewesen waren. Auch der Mund bildete nur mehr ein riesiges Loch, aber aus ihm wuchsen noch zwei lange, spitze, degenartige Zähne hervor, die sich sehr deutlich von den anderen abhoben.

Zaduk mochte einmal ein Vampir gewesen sein …

In der großen Tempelhalle selbst war es finster. Woher das Licht kam, wusste selbst der einsame Besucher nicht zu sagen. Jedenfalls stand der Schädel nicht in völliger Finsternis, sein bleiches Gebein leuchtete, als würde sich in seinem Innern eine Lichtquelle befinden. So weit wie möglich stand das Maul offen, das Kinn schloss dabei mit dem blauen Steinboden ab.

In dieser Halle regierte das Grauen. Unsichtbar lag es zwischen den Wänden. Es war nicht zu erklären, nicht zu fassen, es war einfach vorhanden.

Wie ein kalter Hauch strahlte es ab, hätte Schauder verursacht, aber Asianis empfand keine Furcht. Höchstens ein geringes Zittern und so etwas wie Unterwürfigkeit.

Er wusste genau, wie Zaduk gnädig zu stimmen war. Nicht grundlos hatte er den weiten Weg auf sich genommen.

Als er näher kam und die Konturen des mächtigen Totenkopfs noch deutlicher für ihn erkennbar wurden, entdeckte er auch den rötlichen Schimmer, der sich wie ein dünner Film nicht nur auf der Stirn verteilte, sondern auch die knöchernen Wangen mit einschloss, wo sich regelrechte Mulden gebildet hatten.

Und auch innerhalb des Mauls war der rötliche Schimmer auszumachen.

Asianis behielt eine demütige Haltung bei, als er sich dem Totenkopf näherte. Den Jutesack, er war gut verschnürt worden, schleifte er immer noch hinter sich her und blieb erst stehen, als ihn und der Schädel etwa zwei Körperlängen trennten.

Das war genau die Entfernung, die der benötigte.

Er beugte sich nieder. Dreimal erwies er Zaduk seine Referenz. Dabei glaubte er fest daran, dass der unheimliche Geist des Schädels dies genau bemerkte und ihm wohlgesonnen war.

Nach diesem Ritual richtete er sich wieder auf, breitete die Arme aus und begann zu singen.

Es waren kaum Worte zu verstehen. Nur ein hohler Singsang, mal hoch, mal tief, sickerte zwischen die nackten Mauern und Säulen, wurde gebrochen und kehrte als schauriges Echo wieder an die Ohren des Singenden zurück.

Es gehörte dazu. Die alte Melodie sollte den Schädel auf das einstimmen, was bald folgen würde.

Mit einem letzten, lang gezogenen Klagelaut verstummte der Gesang des Priesters. Er selbst beugte wieder den Oberkörper vor und sah aus, als wollte er in die gewaltige Maulöffnung kriechen, um sie zu erforschen.

Nach einer Weile richtete er sich auf, jetzt sicher, dass Zaduk sein Opfer nicht abweisen würde.

Er drehte sich um und öffnete die Hanfverschnürung des Jutesacks, der die Opfergabe bisher verborgen gehalten hatte. Er zerrte die Ränder dem Boden entgegen, und schon bald war die dunkle Haarflut der Frau zu sehen.

Sie war Zaduks Opfer – noch jung, noch Jungfrau. Sie sah aus wie tot, das jedoch war sie nicht, denn aus ihrem Mund strömte noch leichter Atem. Nur war sie an den Händen gefesselt, nicht an den Füßen, aber die konnte sie auch nicht bewegen, denn das Gift, das ihr eingeflößt worden war, hatte sie für eine lange Zeit bewusstlos werden lassen. Asianis stülpte den Sack an den beiden Seiten so weit nach unten, dass er den Körper der Frau ohne Schwierigkeiten von den letzten Hindernissen befreien konnte.

Sie war auf den Rücken gefallen. Ihr Haar breitete sich fächerartig um den Kopf aus. Schwarz wie das Gefieder eines Raben war es. Auch ihre Haut zeigte einen dunklen Ton. Sie stammte aus dem Süden, wo viele Sklaven herkamen. Sie alle waren hochgewachsen und sehr kräftig, jedenfalls die Männer, die zu den niedrigsten Arbeiten herangezogen wurden.

Die Frauen halfen im Haus, sie waren auch bekannt für ihre Liebesdienste, denn sie gehörten zu den sehr hübschen Mädchen, an denen kein »Herr« vorbeigehen konnte.

Asianis wusste nicht einmal, wie das Opfer hieß. Er hatte es einem Herrn abgekauft, mehr war für ihn nicht wichtig.

Er bückte sich, um die noch junge Frau anzuheben, die genau in diesem Augenblick, als sie die Berührung spürte, die Augen aufschlug.

Beide starrten sich an.

Im Gesicht des Babyloniers zeigte sich keine Regung. Finster starrte er in die schreckgeweiteten Augen und hörte das Flüstern, bevor er das Opfer endgültig in die Höhe riss und es so drehte, dass es den mächtigen Schädel anschauen konnte. Asianis stand hinter der Frau und hielt sie fest.

Zunächst sagte sie nichts. Sie reagierte überhaupt nicht, sah nur den mächtigen Schädel, das Leuchten auf der knochenbleichen Fratze und den roten Schimmer auf der Stirn, als wäre dort eine dünne Blutschicht verteilt.

Sie wusste genau, was ihr bevorstand. Allmählich kam das Begreifen. Hatte sie sich zunächst auf den Beinen gehalten und so gut wie keine Furcht gezeigt, änderte sich dies schlagartig. Durch ihren Körper rann ein Zittern. Sie gab Laute von sich, die an ein ersticktes Stöhnen erinnerten, und schüttelte einige Male den Kopf, als könnte sie das Furchtbare einfach nicht begreifen.

Asianis wiederum reagierte nicht. Er blieb gelassen. Er wollte sie diese Angst auskosten lassen und hielt sie nur fest, mehr tat er nicht. Sie zitterte, sie bebte, er hörte sie schluchzen und wusste, dass Tränen an ihren Wangen herabliefen.

Die Angst vor dem nahen Ende schüttelte sie durch, dann hörte sie die flüsternde Stimme des mächtigen Priesters dicht an ihrem rechten Ohr. »Zaduk liebt Frauen wie dich. Er mag sie, wenn sie noch Jungfrauen sind. Es sollte dir eine Ehre sein, dass du es bist, für die er sich entscheiden wird. Hast du gehört?«

Die Sklavin stammelte etwas, das er nicht verstand. Es waren irgendwie sinnlose Worte, unterbrochen von keuchenden Geräuschen und langem Atemholen, das sich anhörte, als wollte sie noch einmal alle ihre Not ausschluchzen.

Ihre Beine gaben nach, sie warf den Kopf zurück, ein langer Wehlaut der Klage drang aus ihrem Mund.

»Stell dich nicht so an, Sklavin. Sei dankbar, dass du Zaduk geopfert wirst!«

Er schob sie vor.

Sein harter Griff lockerte sich nicht. Und als er einen Schritt auf den Schädel zugegangen war, wusste er plötzlich, dass Zaduk das Opfer annehmen würde.

Hinter dem offenen Maul bewegte sich etwas. Wie eine Qualle schien es aus der Tiefe des Gaumens steigen zu wollen, verließ die rote Masse und peitschte vor.

Es war eine Zunge!

Keine normale, obwohl sie einen dichten, dunkelroten Farbton zeigte. Sie roch nach Moder und Blut, war im hinteren Teil breiter als vorn, wo sie zu einer Spitze zusammenlief. In ihrer Mitte befand sich eine rinnenähnliche Vertiefung. Sie sah aus wie eine Trennlinie für die beiden Zungenhälften.

Asianis gab einen zufriedenen Laut von sich, während die Sklavin vor Angst fast verging und mit gestammelten Worten alle Schutzgeister anrief, die sie kannte.

Der Priester beobachtete die Zunge. Sie schien sich auf die neue Nahrung zu freuen, denn sie bewegte sich von einer Seite zur anderen und schlug dabei aus wie ein Pendel. Manchmal schnellte sie auch vor und huschte über die untere Zahnreihe hinweg. Dann glitt sie zurück, um im nächsten Moment wieder hervorzuschießen.

Die Zunge war da, sie suchte, tastete, und Asianis schob das Mädchen vor.

»Dort hinein!«, flüsterte er. »Dort wirst du hineingestoßen, um ihn, den großen Zaduk, gnädig zu stimmen. In Baals Namen, du musst sterben, Sklavin!«

Er stieß sie vor. Sie konnte sich nicht wehren, die Hände waren gebunden, aber auch die Zunge schnellte plötzlich aus dem Maul, als hätte sie die Länge einer Riesenschlange.

Sie peitschte über den Kopf des Mädchens hinweg auf den wesentlich größeren Priester zu.

Der wusste plötzlich, dass er sich diesmal in Zaduk geirrt hatte, dass dieser Dämon unberechenbar war.

Das Wissen kam zu spät.

Zuerst spürte er den harten Schlag an der Kehle, dann wand sich die lange Zunge um seinen dünnen Hals und zog sich zusammen. Er bekam keine Luft mehr, seine Hände rutschten vom Körper der Sklavin ab, die Augen traten ihm aus den Höhlen, und er spürte gleichzeitig den Ruck, als die Zunge ihre Kraft bewies und dafür sorgte, dass er den Boden unter den Füßen verlor.

Die verfluchte Zunge zerrte ihn einfach weiter.

Er röchelte, er gurgelte, er konnte trotzdem überhaupt nichts mehr tun. Sein Kampf war schon verloren, bevor er überhaupt begonnen hatte. Die Sklavin sah, wie die Zunge den Priester an ihr vorbeizerrte und ihn noch einmal drehte, damit sie das Opfer in ihr offenes Maul ziehen konnte.

Sie ließ sich Zeit.

Das Mädchen konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und sank zusammen. Aus ihrer knienden Haltung beobachtete sie den fürchterlichen Vorgang.

Asianis versuchte sich zu wehren, doch seine Schläge waren zu matt, um etwas erreichen zu können. An einem der spitzen Zähne riss er sich die Haut am Handrücken auf, wo das Blut hervorquoll und vor dem offenen Maul zu Boden tropfte.

Noch ein Ruck, und der Priester befand sich inmitten des Mauls. Der Schlund schluckte ihn wie ein Tunnel. Zaduks Killerzunge hatte sich aufgerollt, und dann klappte der Oberkiefer langsam zu.

Schreien konnte Asianis nicht, weil die Zunge ihm die Luft abschnürte. Was später zwischen den malmenden Geräuschen zu hören war, glich einem Todesröcheln.

Dann wurde es still – totenstill …

Die Sklavin kniete noch immer in sich zusammengesunken vor dem mächtigen Totenschädel. Ihr Denken war ausgeschaltet. Irgendwann jedoch begriff sie, was geschehen war, dass Zaduk sie verschont hatte. Zuerst wollte sie es nicht glauben, doch als sie den Kopf hob, sah sie das geschlossene, lippenlose Maul. Aus einer kleinen Lücke zwischen den Knochen rannen dünne, rote Streifen hervor.

Das Blut des Priesters …

Dieser Anblick versetzte ihr einen Schock. Sie warf sich zurück, fiel auf den Rücken, rollte sich zur Seite und schaffte es schließlich mit einem gewaltigen Satz, auf die Füße zu gelangen.

Ein panischer Ausdruck entstellte ihr Gesicht, als sie anfing zu rennen.

Das mächtige Portal hatte sich nicht geschlossen. So konnte die Sklavin ins Freie rennen.

Sie würde nicht zurück in die Stadt laufen. Sie wollte weg, nur weg von diesem Ort des Schreckens. Noch einmal schrak sie zusammen, als sich das Tor des Tempels schloss. Dann lief sie, was ihre Beine hergaben.

Zaduk aber hatte wieder einmal bewiesen, wie unberechenbar er war. Denn er gehörte zu den eigentlich Mächtigen, die es schafften, alle anderen zu überleben.

Zeit spielte für ihn keine Rolle …

Es war die Zeit, als der König David das Reich der Israeliten zur großen Blüte gebracht hatte und die Berichte über gewonnene Schlachten von einem Lagerfeuer zum anderen getragen wurden.

Es war auch die Zeit, da sich der König anderen Frauen zuwandte und ziemlich unleidlich war.

Und es war die Zeit, da man ihm die Nachricht überbrachte, dass man einen gewaltigen Schädel unter dem Wüstensand vergraben gefunden hatte.

»Was für ein Schädel, Hauptmann?«

Der Offizier wusste es nicht. »Wir haben noch keine Weisen zurate gezogen, König.«

»Dann tut es.«

»Er ist sehr groß, dieser Schädel.«

»Ja?«

»Groß wie ein Haus fast.«

In den Augen des Königs blitzte Unglauben. »Nein, du erzählst mir etwas, Hauptmann.«

»Nein, König, gehe hin und schau ihn dir an. Ich und meine Soldaten möchten dich darum bitten. Sie haben Angst bekommen, denn in seiner Nähe fanden sie bleiches Gebein.«

David atmete tief durch. Er drehte sich um und schaute durch die Zeltöffnung auf die allmählich untergehende Sonne. Er dachte lange nach, schließlich nickte er und drehte sich wieder um.

»Lass mein Pferd satteln, Hauptmann, wir werden gemeinsam zu dieser Stätte reiten.«

»Danke, Herr, danke.« Der Offizier verbeugte sich und verließ das Zelt des Königs.

Es gefiel David nicht, sich mit diesen Dingen beschäftigen zu müssen. Sie befanden sich im Krieg, die Philister waren ein unangenehmer Gegner, aber er wollte die Berichte auch nicht einfach zur Seite schieben, denn er hatte schon einiges gehört.

Es gab da ein Tal, in dem vor langer Zeit die Babylonier einen Tempel gebaut hatten. Nach einer großen Katastrophe war der Tempel unter dem Wüstensand verschwunden, doch die Gerüchte über einen mächtigen Götzen, der zwischen den Mauern hauste, hielten sich. Denen wollte der König auf den Grund gehen.

Er wusste, dass solche Gerüchte Unruhe in der Truppe verbreiten konnten. Er aber brauchte Soldaten, die kämpften. Das Heer der Philister war ebenfalls gut ausgebildet, deshalb wollte er jegliche Ablenkung im Keim ersticken. Zudem bewegten sie sich in einem Gebiet, das ihnen unbekannt war und das sie noch nicht ganz erobert hatten.

Der Hauptmann kehrte zurück. »Die Pferde sind gesattelt, o König!«, meldete er.

David nickte.

Er schnallte sein Gurtgehänge um und steckte die Schwertklinke in die Scheide. »Wie viele Männer werden uns begleiten?«

»Ich habe an eine Patrouille gedacht. Außer uns werden es zwölf tapfere Soldaten sein.«

Der König nickte, bevor er das Zelt verließ. »Das wird reichen.«

Draußen war es heiß, Staub lag in der Luft. Der Boden war von zahlreichen Hufen zerwühlt.

Aus dem Süden wehte warmer Wind. Es gab kein Wasser in der Nähe. Soldaten hatten weiter entfernt ein Loch gefunden und Esel mit dem kostbaren Nass beladen. Die Tiere transportierten es ins Lager.

Der Hauptmann persönlich hielt das Pferd des Königs, als dieser sich in den Sattel schwang. David setzte sich an die Spitze der kleinen Schar, gab das Zeichen und ritt als Erster los, eingehüllt in eine Staubwolke.

Sie ritten nach Osten, hatten die Sonne im Rücken. Vor ihnen lag die weite, flache, schüsselartige Mulde, gefüllt mit Sand und Steinen. Eine wilde, verlassene, menschenfeindliche Gegend, die nach jedem Sturm ihr Gesicht änderte. Dünen wanderten oder veränderten zumindest ihr Aussehen.

Manchmal wirkten die Steine wie geschliffen. Wind und Wetter hatten dafür gesorgt.

Die Soldaten trieben ihre Pferde an. Noch vor Einbruch der Nacht wollten sie ihr Ziel erreichten. Dumpf trommelten die Hufe auf den Boden. Die Reiter hatten Tücher vor ihre Gesichter gebunden, um sich gegen den Staub zu schützen.