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Teufels-Friedhof
Dieser Fall führte Suko und mich einmal mehr nach Deutschland, genauer nach Dortmund, einer Stadt, die ich zu lieben gelernt hatte. Hier hatte sich ein Satansdiener, der sich selbst der Rote Teufel nannte, in die Gothic-Szene eingeschlichen, scharte die als "Gruftis" verschrienen Jugendlichen um sich und führte sie, um ein grauenhaftes Ritual zu vollziehen, auf den Teufels-Friedhof ...
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Seitenzahl: 174
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Teufels-Friedhof
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Vicente Ballestar/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8396-6
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.
Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung.
Teufels-Friedhof
von Jason Dark
Dieser Fall führte Suko und mich einmal mehr nach Deutschland, genauer nach Dortmund, einer Stadt, die ich zu lieben gelernt hatte. Hier hatte sich ein Satansdiener, der sich selbst der Rote Teufel nannte, in die Gothic-Szene eingeschlichen, scharte die als »Gruftis« verschrienen Jugendlichen um sich und führte sie, um ein grauenhaftes Ritual zu vollziehen, auf den Teufels-Friedhof!
»Jambo verkauft Blut, Jambo handelt mit Blut …«
So sprach man zuerst flüsternd, dann lauter. Der Kreis derjenigen Personen, die sich zu den Eingeweihten zählen durften, nahm an Größe zu, und es war nur eine Frage der Zeit, wann es auch der Polizei und damit uns zu Ohren kam.
Wir hatten uns darum nicht gekümmert, bis Sir James Powell, unser Chef, den offiziellen Auftrag gab.
Ich sah sein unwillig verzogenes Gesicht, als er Suko und mich bat, der Sache nachzugehen. »Versuchen Sie herauszufinden, was da dran ist.«
»Wird gemacht, Sir.«
Wir beschäftigten uns also mit Jambo. Obwohl wir ihn nicht kannten, sahen wir in ihm einen kleinen Fisch, aber Job ist nun mal Job!
So gut es ging, kreisten wir die Person zunächst einmal ein, beschäftigten uns mit ihm und den Hintergründen, wollten herausfinden, wer er überhaupt war.
Jambo war ein Farbiger. Er lebte in London, in einem der alten Reihenhäuser, die vor mehr als fünfzig Jahren einmal hübsch ausgesehen hatten. Eine Nobelgegend war diese Straße gerade nicht, es gab aber schlimmere.
Jambo wohnte im Norden Londons, in der Nähe des Zoos.
Wir waren eigentlich früh genug losgefahren, um ihn noch bei Tageslicht zu erreichen, aber ein Wasserrohrbruch hatte zwei Straßen überschwemmt, und es waren lange Umleitungen eingerichtet worden. Dadurch kam es zu Staus, und in einem von ihnen hingen wir bis zur Dämmerung fest. Als wir uns schließlich an das Ziel herantasteten, war es bereits dunkel.
Im Freien hielten sich nur wenige Menschen auf. Bei derartigen Besuchen tauchten wir gern unangemeldet auf, aber hier klappte es leider nicht, wir mussten nachfragen, denn die Hausnummern fehlten.
Ich stoppte den Rover neben einer Laterne, an deren Pfahl ein Mann lehnte, der wegen der Kälte eine dicke Strickmütze trug. In seinem stoppelbärtigen Gesicht schauten die Augen sehr misstrauisch durch die heruntergefahrene Scheibe in den Wagen, wo Suko auf dem Beifahrersitz saß und den Mann anlächelte.
»Hi, Bruder«, sagte er.
»Was wollt ihr?«
»Nichts von dir. Wir wollen zu Jambo.«
Der Stoppelbärtige trat einen Schritt zurück. Er war plötzlich nervös und schaute sich sorgfältig um. »Sagt das nicht so laut«, zischelte er.
»Weißt du, wo wir ihn finden?«
Das Misstrauen war etwas verschwunden, der Mann beugte sich vor. »Ihr wollt kaufen, wie?«
»Was denn kaufen?« Suko tat harmlos.
»Den Saft.«
»Vielleicht.«
»Ja, es spricht sich wohl herum. Es ist nur guter Saft, den Jambo verkauft.«
»Okay, Bruder, das wissen wir. Sag uns nur, wo wir den Meister des Blutes finden können.«
»Ist es euch etwas wert?«
Geschäftstüchtig war der Knabe also auch, was wir ihm nicht übel nahmen. Suko zog einen Geldschein aus der Tasche und wedelte damit.
Der Stoppelbärtige war zufrieden. »Gut, fahrt noch ein paar Meter. Am Ende der Straße ist es das Haus auf der linken Seite. Aber klopft nicht an, geht sofort in den Garten.«
»Oh, den hat er auch?«
»Ja, dort arbeitet er. Stellt den Wagen nicht direkt vor dem Haus ab. Jambo hat es nicht gern, wenn jemand sieht, dass Besuch da ist.«
»Werden wir machen.« Suko reichte ihm den Schein, den der Mann zusammenknüllte und mit einer blitzartigen Geschwindigkeit verschwinden ließ. Ebenso rasch war auch er selbst weg.
Ich fuhr und hörte Sukos Kommentar. »Ich werde dir das Geld von deinem Weihnachtsgeschenk abziehen, John.«
»So viel wolltest du anlegen? Ich hab immer gedacht, ein Pfund sei dein Limit.«
»Was tut man nicht alles für seine Freunde!«
Wir rollten durch eine sehr ruhige Straße. Zwar war kaum jemand zu sehen, ich glaubte allerdings fest daran, dass man uns längst beobachtete.
Die Häuser lagen hinter kleinen, oft verwilderten Vorgärten. Aus den Schornsteinen quoll Rauch.
Das letzte Haus auf der linken Seite war unser Ziel. Wir fuhren daran vorbei. Es folgte ein mit Unkraut übersätes leeres Grundstück, auf dem allerdings schon eine große Tafel verkündete, dass man hier bald zu bauen angefangen wollte.
Neben der hohen Tafel stellten wir den Rover ab und gingen den Weg zurück.
Ein trauriges Wetter war es, milchiger Dunst mit Wind und Sprühregen.
Da Jambo in einem Eckhaus wohnte und zur rechten Seite hin mit seinem Grundstück an das Feld grenzte, konnte er sich entsprechend ausbreiten und seinen Garten vergrößern.
Wir hielten uns an den Rat und waren sehr bald zwischen dem hochwachsenden Gestrüpp verschwunden.
Jambo hatte tatsächlich angebaut. Als wir uns durch das Gestrüpp vorarbeiteten, entdeckten wir das schräge Glasdach, wie wir es von einem Treibhaus her kannten. Es brannte Licht, für uns ein Zeichen, dass Jambo sich dort aufhalten musste.
Noch trauten wir uns nicht näher heran, blieben in sicherer Entfernung und kamen zu dem Entschluss, dass wir ihn überraschen wollten.
»Fragt sich nur, wer den offiziellen Eingang nimmt«, meinte Suko.
»Und wo bleibst du?«
»Wieso ich? Wir losen.«
Ich war einverstanden. Die Münze flog hoch. Suko hatte sich für Zahl entschieden und verlor.
»Mist, immer ich.«
»Dafür hast du Glück in der Liebe.«
Er grinste schief. »Okay, John, lass dir etwas Zeit, bitte. Und wundere dich nicht, wenn ich durch das Fenster steige.«
»Keine Sorge.«
Plötzlich war er weg. Ich folgte seinem Ratschlag, wartete gut eine Minute und machte mich dann auf den Weg. Bisher war ich über feuchten Boden geschritten, was sich allerdings bald änderte, denn Jambo hatte alte Bohlen ausgelegt, die parallel zu seinem Treibhaus führten und in Höhe des Eingangs endeten.
Auch vor der Fassade wuchsen Sträucher, so hoch, dass ich mich beim Gehen nicht einmal zu ducken brauchte.
Durch den nassen Lehm waren die Bohlen glatt geworden. Ich musste achtgeben, nicht auszurutschen, und blieb dann vor einer dicken Glastür stehen.
Zunächst versuchte ich, einen Blick ins Innere zu erhaschen. Das klappte nicht, die Scheiben waren einfach zu schmutzig. Nur das Licht breitete sich hinter ihnen aus.
Geräusche hörte ich nicht. Es war nur zu hoffen, dass man Jambo nicht Bescheid gegeben hatte. Diesen Blutverkäufer wollte ich gern persönlich überraschen. Ich hatte auch darüber nachgedacht, an wen er das Blut wohl verkaufen konnte und natürlich darüber, was es für Blut war. Vielleicht Menschenblut?
Der Gedanke daran ließ einen Schauer auf meinem Rücken entstehen. So etwas wäre furchtbar gewesen.
Die Tür hatte eine kantige Metallklinke und ließ sich schwer bewegen. Ich musste sie regelrecht aufzerren, was nicht geräuschlos vonstattenging. Darüber ärgerte ich mich, ging zunächst nicht weiter und blieb auf der Schwelle stehen.
Ein erster Blick in das umfunktionierte Treibhaus sagte mir genug. Ich hatte das Gefühl, vom Himmel in die Hölle zu kommen. Es war einfach furchtbar.
Auf einer Leine – mit den Köpfen nach unten – hingen ungefähr ein Dutzend Hühner, die sich nicht mehr bewegten. Unter ihnen standen jeweils graue Plastikeimer, dafür vorgesehen, das Blut aufzufangen.
Das Bild hatte mich zwar nicht gerade geschockt, aber doch aus der Fassung gebracht, denn mit diesen toten Hühnern auf der Leine hatte ich nicht gerechnet.
Zudem störte mich der Geruch. Man kann Blut riechen. Das ist in einem Schlachthaus ebenso wie in einer Wursterei. Hier verhielt es sich nicht anders. Unter den Glasdächern des umfunktionierten Treibhauses hing der widerlich-süßliche Geruch schwer wie Blei und schlug mir auf die Atemwege.
Nein, das hier war nichts für empfindliche Gemüter.
Die toten Hühner hingen rechts von mir. Wenn ich den Kopf zur anderen Seite drehte, fiel mir der lange Holztisch auf. Sorgfältig dekoriert, als hätte sich hier ein besonders penibler Beamter ausgetobt, lagen auf der Platte die verschiedensten Messer.
Ob groß, klein, machetenartig oder spitz, eines hatten sie gemeinsam. Sie waren sehr gut gepflegt und blitzblank.
Die Mordinstrumente interessierten mich. Ich wollte nicht glauben, dass sie nur zur Dekoration herumlagen, die wurden sicherlich für diejenigen benötigt, die ich an der Leine hatte hängen sehen.
Ich ging hin, warf noch einen Blick in die andere Richtung, wo alles ruhig blieb. Neben dem langen Tisch blieb ich stehen und wollte eines dieser Schlachtmesser anheben, als ich die leise Stimme hörte, die sich anhörte wie das Zischen einer Schlange.
»Finger weg, wenn dir dein Leben lieb ist!«
☆
Mein Leben war mir lieb. Aus diesem Grund rührte ich keines der Messer an und zog die Hand wieder zurück. Ich zögerte einige Sekunden, bevor ich mich umdrehte, und legte mir in dieser Zeit einen Plan zurecht. Jedenfalls wollte ich mich nicht sofort als Polizist zu erkennen geben.
Vor mir stand Jambo. Ich hatte ihn nie zuvor gesehen, aber das musste er einfach sein.
Durch den Schmutz auf den Deckenlampen hatte das Licht viel von seiner Intensität verloren. Es strahlte höchstens mit einem Drittel der Kraft, aber es reichte aus, um den Mann einigermaßen erkennen zu können.
Wie alt war dieser Jambo? Dreißig oder vierzig Jahre? Schlecht zu schätzen, jedenfalls hatte er einen zotteligen Haarschnitt, der in den Siebzigern mal modern gewesen war.
Er trug eine dreiviertellange, dunkle Strickjacke und ein altes Hemd. Die Augen hatte er zu Schlitzen verengt, sein Misstrauen war spürbar. Die Hose umspannte seine Beine wie zwei Röhren, überhaupt war seine Gestalt ziemlich knochig, wobei die Schultern vorstanden wie zwei Ecken.
Gefährlich sah die breite Machete aus, die er in der rechten Hand hielt. An zweien seiner vier Finger glänzten goldene Ringe, die eigentlich zu breit waren. Am linken Handgelenk baumelte eine Kette aus dicken Stahlschlaufen.
»Jambo?«, fragte ich.
»Wer sonst?«
Ich lächelte. »Stimmt, wer sonst?« Ich gab mich gelassen, während ich mich umschaute. »Sie wissen, weshalb ich zu Ihnen gekommen bin?«
»Nein.«
»Tun Sie nicht so. Ich brauche Blut.«
Er hob die freie Hand an und knetete sich das knochige Kinn. »Ach ja? Blut brauchst du. Wofür?«
»Muss ich das sagen?«
»Und ob.« Er kam einen kleinen Schritt näher und hob auch die Machete an. Sie wies auf meinen Bauch, was mir nicht gefiel, aber ich tat nichts und blieb stehen.
»Hast du nicht gehört, dass ich nicht irgendein Blut verkaufe? Es ist etwas Besonderes.«
»Das ist es sowieso. Schon Goethe hat es in seinem Faust gesagt. Wie ist das also? Bekomme ich es?«
»Woher weißt du von mir?« Er ging nicht auf meine Frage ein.
Ich lachte leise. »Wenn man die richtigen Beziehungen hat, mein Lieber, spricht sich so etwas schnell herum. London ist groß, manchmal aber sehr klein.«
»Du bist weiß.«
»Na und?«
»Ich traue dir nicht. Weshalb wollen Weiße Blut bei mir kaufen? Wie heißt du eigentlich?«
»John.«
»Noch was?«
»Du heißt doch auch nur Jambo«, konterte ich.
Da kicherte er. »Irgendwie gefällst du mir. Es könnte sein, dass ich dir Blut verkaufe. Nur musst du mir versprechen, es vorsichtig zu behandeln, weil es kostbar ist.«
»Dann sind das wohl keine normalen Hühner da auf der Leine, wie?«
»Das sind sie nicht. Ich habe sie geweiht, als sie noch gelebt haben. Sie gehören dem Teufel, verstehst du? Ich habe diese Tiere der Hölle geweiht, das ist es.«
»Dann ist ihr Blut also teuflisch?«
»Ja, hast du das nicht gewusst?«
»Na ja, nicht genau. Mein Informant hat nur Andeutungen gemacht. Aber für eine Schwarze Messe ist es gut, oder?«
»Nicht nur gut, es ist ideal, ausgezeichnet, es ist super und echt stark. Das kann ich dir versprechen. Und deshalb ist es auch sehr teuer. Wie viel Blut möchtest du haben?«
Ich stellte eine Gegenfrage. »Wie viel können Sie geben?«
Er rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander. »Es kommt darauf an, was du zahlen willst.«
»Wie viel verlangst du?«
»Zehn Pfund.«
»Für wie viel Liter?«
Jambo kicherte hohl. »Für ein Huhn, Mann.«
»Das ist …«
»Hör auf zu reden! Verschwinde, wenn du nicht zahlen willst.« Er bewegte die Machete hektisch, was mir nicht gefiel. »Hau ab hier, Mann!«
»Augenblick mal. Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht zahlen will. Ich war nur erstaunt, das darf man doch wohl sein – oder?«
Er bekam Glotzaugen. »Aber ja doch. Nur vergiss nie, dass es sich nicht um Suppenhühner handelt. Diese hier sind anders, höllisch.«
»Schön, ich werde sehen, ob ich mit einem Eimer Hühnerblut auskomme.«
»Das Geld.«
Ich griff in die Innentasche und sah, wie er mich beobachtete. Diesmal wieder tückisch. Ich wusste nicht, ob er ein Scharlatan war, das war mir auch egal. Mein Misstrauen war jedenfalls erwacht.
Ich gab ihm das Geld.
»Willst du zusehen?«, fragte er mich.
»Weshalb nicht?«
»Ich meine nur. Manche können kein Blut sehen.« Er lachte über seinen eigenen Witz. Dann drehte er sich um und tänzelte zur Seite. Aus der Bewegung heraus schleuderte er seinen Körper vor. Er war geschickt, sogar artistisch gewandt, dann schlug er zu.
Sein Arm schien sich auf das Doppelte zu verlängern. Die Machete vollführte einen blitzenden Kreis – und hackte mit einem zielgenauen Treffer den Kopf des ersten Huhns ab.
Der Kopf klatschte in den Eimer, und ihm folgte ein Schwall der dicken, roten Flüssigkeit, die ebenfalls mit harten und klatschenden Geräuschen den Eimer füllte.
Kaum ein Tropfen spritzte daneben. Dieser Jambo hatte Routine, was die Schlachterei anging.
Er schaute zu, wie sich der Eimer füllte. Bis zum Rand würde er nicht voll werden, die Hälfte reichte.
Mich widerte der Vorgang an. Ich mochte so etwas nicht, auch wenn die Hühner schon tot waren. Vielleicht war es wirklich besser, wenn wir diesem Kerl das Handwerk legten, auch wenn er sich eines direkten Verbrechens oder einer Straftat nicht schuldig gemacht hatte.
Schräg neben ihm blieb ich stehen, schaute auf das Blut und hörte Jambo lachen. Bei mir brannte zwar keine Sicherung durch, ich war trotzdem sauer.
»Übrigens, Mister Jambo, ich habe noch vergessen, Ihnen etwas mitzuteilen.«
»Ach ja, was denn?« Er fragte es, ohne sich umzudrehen.
»Ich bin Polizist!«
Jetzt drehte er sich um. Auf der Stelle schleuderte er seinen Körper herum!
Leider nicht nur ihn, auch die Machete machte die blitzschnelle Bewegung mit und raste auf meinen Hals zu …
☆
Ob sie mich erwischt hätte, weiß ich nicht. Jedenfalls war ich noch schneller, weil ich mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet hatte.
Ich flog zurück. Einige Blutstropfen lösten sich vom Stahl der Waffe und besprenkelten mein Gesicht mit einem makabren Muster.
Damit war die Gefahr nicht vorbei. Jambo musste ausgeflippt sein, er hatte vielleicht einen Hirnriss bekommen, anders konnte ich mir seine Reaktion nicht erklären.
Er war wie ein wildes Tier, schrie und schlug um sich, wobei die Machete zu einer tödlichen Waffe wurde.
Den ersten Hieben war ich entgangen. Er war so schnell, dass ich nicht dazu kam, meine Dienstpistole zu ziehen. Immer wieder gelang es mir durch rasches Wegtauchen oder Wegdrehen, der Klinge zu entgehen, die bei gewaltigen Schlägen sogar über den Boden kratzte.
Einmal drehte er sich vor mir und schleuderte seinen Arm von unten her hoch.
Die Klinge hätte mich aufgeschlitzt. Ich machte mich flach und hörte noch, wie sie an mir vorbei in die Höhe wischte.
Diesmal aber konterte ich.
Der Tritt erwischte Jambo dicht über der Gürtelschnalle. Einstecken konnte der magere Knabe nicht, nur austeilen. Er bekam eine grüne Gesichtsfarbe und schwankte.
Ich riss einen Eimer hoch, der mir im Weg stand. Ihn schleuderte ich auf Jambo zu.
Das Gefäß traf den Kopf des Mannes. Der dabei entstehende Gongschlag hätte als Untermalung in einen Filmstreifen gepasst. Jedenfalls war Jambo abgelenkt.
Bevor er sich wieder fangen und zuschlagen konnte, war ich bei ihm. Der Treffer mit der Rechten schleuderte ihn weit zurück, sodass er gegen die aufgehängten Hühner fiel, die anfingen zu pendeln. Er stieß den Eimer mit dem Blut um. Das dunkelrote Zeug verteilte sich zu einer langen Lache, in der er ausrutschte.
Auf dem Rücken blieb Jambo liegen, noch immer die Machete festhaltend, aber nicht mehr fähig, sie einzusetzen, dafür sorgte auch der Druck meines rechten Fußes auf sein Handgelenk.
»Öffne die Faust!«
Er knirschte mit den Zähnen, als er zu mir hochschaute.
»Los!«
Jambo gehorchte. Es fiel ihm sehr schwer, aber er musste einsehen, dass er verloren hatte.
Mit einem Fußtritt schleuderte ich die Machete weg. Sie drehte sich einige Male um ihre eigene Achse, bevor sie liegen blieb. Ich stand über Jambo, beide atmeten wir heftig.
»Komm hoch!« Ich trat nach diesem Befehl einen Schritt zurück.
Mühsam wälzte er sich auf den Bauch. Seine Kleidung war blutverschmiert. Die noch warme Flüssigkeit dampfte und gab einen Geruch ab, der mich anwiderte.
Taumelnd wuchtete er sich auf die Beine. Sein Gesicht hatte eine aschgraue Farbe angenommen. Mit dem Handrücken wischte er über seine Lippen, die daraufhin auch rote Streifen bekamen.
Ich zeigte ihm meine Waffe, steckte sie aber wieder weg. »Die ziehe ich schneller, als du deine Machete handhaben kannst.«
»Du bist ein Bulle!«, schnauzte Jambo.
»Das habe ich gesagt, aber das ist kein Grund, hier um sich zu schlagen.«
»Ich musste mich wehren!«
»Du scheinst ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich frage mich nach dem Grund.«
»Ich lass mir mein Geschäft von euch nicht kaputt machen!«, keuchte er und schüttelte den Kopf. »Nein, das nehme ich nicht hin.«
»Keiner will dir dein Geschäft zerstören, wenn es legal ist, aber das scheint es wohl nicht zu sein, sonst wärst du bestimmt nicht durchgedreht.«
»Ich kann so viele Hühner killen, wie ich will!«, fuhr er mich an.
»Es geht mir um das Blut der Tiere, um mehr nicht. Das ist eigentlich alles.«
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Ich will erfahren, was mit dem Blut geschieht. Wohin du es schickst.«
»Das bekommen meine Kunden.«
»Jambo, ich will von dir wissen, was mit dem Blut geschehen ist.«
»Ich verkaufe es.«
»Überteuert, das weiß ich.«
»Nein, diese Hühner sind etwas Besonderes. Ich habe sie der Hölle geweiht, verstehst du? Der Teufel, der Meister, der Dämon, sie alle haben mir …«
In diesem Augenblick zerplatzte die Scheibe. Ich fuhr herum, hörte Jambo lachen, und dann sah ich ihn.
Ein Mastino, ein Kampfhund, war durch die Scheibe gesprungen und jagte auf mich zu …
☆
»Los, Bastard, pack ihn! Zerreiß ihn!«
Mastinos sind widerliche Tiere. Die haben für meinen Geschmack mit Hunden nicht viel zu tun. Sie sind vierbeinige Waffen und gehorchen allein ihrem Herrn.
Zuhälter halten sich solche Hunde, aber auch exzentrische Millionäre oder Spinner.
Der Hund war so schnell, dass ich nicht dazu kam, meine Beretta zu ziehen. Das brauchte ich auch nicht.
Urplötzlich zerrissen Schüsse das Geräusch der aufklatschenden Pfoten. Der Mastino war herangejagt, doch er war nicht schneller als die beiden Geschosse, die in seinen massigen Körper hämmerten und seinen bulligen Kopf und seine Flanke trafen, wo sie große Wunden rissen.
Vor dem alles entscheidenden Sprung wurde der Mastino gestoppt. Er hatte den mächtigen Körper noch hochwuchten können, sein Maul klaffte auseinander, als wollte er mich verschlingen, dann klatschte er zu Boden, rutschte – mit den Pfoten um sich schlagend – noch in meine Richtung und blieb liegen.
Es war das Aus für ihn.
Suko, der durch die zerstörte Scheibe in das umfunktionierte Treibhaus stieg, nickte mir zu. Er hielt seine Beretta hoch. »Sorry, John, aber es gab keinen zweiten Eingang.«
»Hättest du dir die Bestie nicht draußen vornehmen können?«
»Ich hab sie zu spät gesehen.«
»Egal, die Sache ist erledigt.« Ich wandte mich an Jambo, der zitternd, bleich und schluchzend auf seinen toten Kampfhund starrte. »Hast du noch was in der Hinterhand? Vielleicht einen Löwen oder einen Tiger?«
»Nein.«
»Nur Hühner«, erklärte Suko. »Ich hab sie draußen im Stall gesehen.« Er deutete auf die toten Tiere an der Leine. »Die anderen warten wohl darauf.«
Mein Freund kam näher. Er schüttelte den Kopf, als er die Lache und den umgekippten Eimer sah. »Ist der Knabe noch ganz bei Trost?«, fragte er leise.
»Weiß nicht. Er jedenfalls nimmt für das Blut die Summe von zehn Pfund. Die habe ich bezahlen müssen.«
»Du kannst das Geld wiederhaben, Bulle.«
»Das will ich auch hoffen.«
Jambo griff hastig in die Tasche und gab mir den zusammengeknüllten Schein zurück.
Ich steckte ihn ein und wanderte durch das Treibhaus. Im Hintergrund entdeckte ich eine schmale Tür, die zu einem Anbau führen musste. Leider war sie verschlossen.
»Hast du hier deinen Hühnerstall?«
»Ja.«
»Dann lass uns mal reingehen.«
Jambo wollte nicht. Suko packte ihn an der Schulter und drehte ihn herum. So schob er den Mann vor, der mit unsicheren Schritten weiterging und sich dabei duckte, als würde er Schläge bekommen.
Er holte den Schlüssel aus der Jacke seiner mit Hühnerblut beschmierten Jacke, steckte ihn ins Schloss und drehte ihn zweimal. Die Tür schabte in den Angeln. Wir ließen ihm den Vortritt und betraten keinen normalen Hühnerstall.