John Sinclair Sonder-Edition 112 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 112 E-Book

Jason Dark

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das 5-Minuten-Grauen
von Jason Dark

Die Anruferin, die sich nur Dora nannte, hatte mich warnen wollen, doch bevor es zu einem Treffen kam, starb sie ganz plötzlich. Aber sie hatte mir eine Nachricht hinterlassen, und die führte mich nach Frankreich, in die Bretagne, an meiner Seite eine ebenso geheimnisvolle wie begehrenswerte Frau.
Sie und ich nahmen Unterkunft in einer Pension, die von vier merkwürdigen alten Damen geleitet wurde. Und dort erwartete uns das 5-Minuten-Grauen ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 166

Veröffentlichungsjahr: 2019

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Das 5-Minuten-Grauen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Jim Warren/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8481-9

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.

Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung.

Das 5-Minuten-Grauen

von Jason Dark

Die Anruferin, die sich nur Dora nannte, hatte mich warnen wollen, doch bevor es zu einem Treffen kam, starb sie ganz plötzlich. Aber sie hatte mir eine Nachricht hinterlassen, und die führte mich nach Frankreich, in die Bretagne, an meiner Seite eine ebenso geheimnisvolle wie begehrenswerte Frau.

Sie und ich nahmen Unterkunft in einer Pension, die von vier merkwürdigen alten Damen geleitet wurde. Und dort erwartete uns das 5-Minuten-Grauen …

Schwarz galt als die Farbe der Trauer, und Schwarz war die Farbe, die Elena Parker abgrundtief hasste.

Als Sechzehnjährige hatte ihr jemand prophezeit, dass ihr die Farbe Schwarz den Tod bringen würde. Zunächst hatte sie die alte Wahrsagerin ausgelacht, so etwas passte nicht zum Feuer der Jugend. Einige Jahre später dachte sie anders darüber, als die junge Frau die schwarzen Türen sah.

Vier waren es an der Zahl!

Zwischen ihnen schimmerte weiß und bleich das glatte Mauerwerk. Auch dieser Anblick ließ einen Schauer über Elenas Körper rieseln.

Bleich wie alte Knochen und schwarz wie der Tod …

Elena stand da und wartete. Sie wusste selbst nicht, worauf, aber sie spürte sehr deutlich die Bedrückung, die wie ein unsichtbarer Alb auf ihrer Seele lastete. Sie atmete schnell und heftig, als hätte sie Furcht davor, im nächsten Moment keine Luft mehr zu bekommen.

Ihre Augen brannten. Der Herzschlag raste und pumpte das Blut durch ihre Adern.

Sie sah nichts bis auf die vier schwarzen Türen und die weißen Wände. Es gab keine sichtbare Bedrohung, trotzdem konnte sie ihre Angst nicht unterdrücken.

Elena war auch klar, dass es ihr nicht gelingen würde, von hier zu fliehen. Egal, welche Tür sie auch nahm, jede von ihnen führte ins Verderben.

Dann war da noch der Boden. Er war hell und gleichzeitig durchsichtig. In der Tat bestand er aus Glas, und er hielt ihr Gewicht aus.

Seltsamerweise bereitete ihr das Glas nicht weniger Bedrücken als die Türen oder die hellen, weißen Wandabschnitte. Hier passte einfach nichts zusammen.

Eigentlich hätte sie es wissen müssen, aber im Nachhinein ist man immer schlauer.

Die Vierundzwanzigjährige wusste nicht einmal genau, wie lang sie bereits auf der Stelle stand. Zeit spielte für sie keine Rolle mehr, da konnten aus Sekunden Minuten werden, nur war ihr klar, dass sie ein großes Geheimnis entdeckt hatte.

Wenn sie jetzt noch wegkäme, dann …

Ihre Gedanken wurden unterbrochen, denn unter ihren Füßen tat sich etwas.

Ein kurzer Stoß, ein Rütteln, dann war Schluss. Vielleicht die erste Warnung?

Obwohl sie nur einen nur dünnen rot-weiß gestreiften Pullover trug, schwitzte sie stark unter den Achseln. Die Frisur hielt auch nicht mehr; die dunklen Haarsträhnen hingen wirr um ihren Kopf.

Die Stille regte sie plötzlich auf. Auch unter ihren Füßen tat sich nichts mehr.

Elena schluckte. Mit den gespreizten Fingern der rechten Hand fuhr sie sich durchs Haar. Die Angst wollte nicht weichen, sie drückte ihr auf die Seele, sie war wie eine Klammer, die alles zusammenpresste.

Die Frau schloss die Augen. Sie stellte sich vor, weit weg zu sein, auf einer einsamen Berghütte, nur umgeben von der Ruhe der gewaltigen Landschaft.

Ein Trugschluss, denn das erneute Stoßen riss sie abrupt zurück in die Realität.

Wieder war es ein Schütteln, das sich durch ihren Körper fortpflanzte und erst unter dem Haaransatz auslief. Es breitete sich wellenförmig aus, und Elena Parker öffnete schließlich die Augen.

Sie musste hinsehen – und hatte den Eindruck, einen Albtraum zu erleben.

Der gläserne Boden, auf dem sie fest mit beiden Beinen stand, bewegte sich.

Und er war heller geworden. Aus einer Tiefe ohne Ende strahlte etwas hervor, das Ähnlichkeit mit einem hellen Licht hatte. Nicht punktuell auf ein bestimmtes Ziel gerichtet, sondern fächerförmig, sodass es alles umfassen konnte, was umfasst werden sollte und auch Elena die Chance gab, das Gebiet unter ihren Füßen genauer erkennen zu können.

Der Blick in die gläserne Tiefe war für sie ein anderer geworden. Mehr eingeengt, denn der Boden hatte sich auf eine besondere Art und Weise verändert.

Er war an einer bestimmten Stelle schmaler geworden und hatte sich zusammengezogen, dadurch sah er aus wie ein großes Glas, auf dem sie nach wie vor stand.

Wo normalerweise bei einem Glas der Griff begann, zeigte dieses Glas eine Verengung, um sich dahinter wieder zu wölben, um ein zweites Glas zu formen, diesmal allerdings mit der Öffnung nach unten.

Das war eine bestimmte Form, wie Elena trotz ihrer Angst erkannte.

So sah eine Eieruhr oder ein Stundenglas aus …

Sie zwinkerte, denn ihre Augen brannten noch immer. Vielleicht hatte sie sich auch getäuscht, denn eine Erklärung für das, was sie sah, fand sie nicht. Wie konnte aus einem normalen Boden so etwas werden?

Das wollte ihr nicht in den Kopf!

Wieder durchlief ein Schütteln den Boden. Erst nur ein kurzer Stoß, dann ein heftiger, und plötzlich veränderte sich auch die Oberfläche, denn sie verlor an Härte. Elena wollte es kaum glauben, aber der Boden zog sie in sich hinein wie Sumpf oder Moor.

Sie stand da, schaute auf ihre Schuhe, die durch die Lichtbrechung eine ungewöhnliche Form bekommen hatten, und sie bekam mit, wie eine unheimliche und nicht erklärbare Kraft an ihrem Körper zerrte und sie noch stärker in diesen gläsernen Gegenstand hineinriss.

Was war mit ihren Füßen los?

Sie sah sie, aber sie sah sie trotzdem nicht, denn dort befand sich ein Gegenstand, der wie eine lange, schwarze Zunge dem schmalen Durchlass entgegenkam.

Schwarz wie Teer …

Wieder dachte sie an die verfluchte Farbe Schwarz. Man hatte sie damals gewarnt. Jetzt war sie zu ihrem Schicksal geworden.

Elena wollte es noch immer nicht glauben. Es war einfach zu fantastisch, und erst jetzt versuchte sie, ihre Beine freizubekommen, allerdings ohne Erfolg. Der Sog war zu stark, und er zerrte sie immer tiefer, denn ihre Waden steckten bereits zu fest.

Dann sah sie es rinnen.

Dunkel, ölig, so wie dünnflüssiger Teer tropfte das, was von ihren Füßen und Beinen zurückgeblieben war, in die Tiefe und klatschte auf den Boden des Stundenglases, wo es sich zu einer breiten Lache ausbreitete.

Das genaue Erkennen, das exakte Wissen um ihr Schicksal schwemmte die Panik in ihr hoch.

Elena Parker schrie!

Sie schrie wie noch nie in ihrem Leben, während sie ständig tiefer in das Stundenglas hineingezogen wurde. Die Arme hatte sie in die Höhe gerissen, von ihrem Unterkörper spürte sie überhaupt nichts mehr. Nicht einmal ein Brennen, kein Gefühl.

Der unheimliche Vorgang ließ sich nicht bremsen, sosehr Elena auch mit den Armen um sich schlug, die Hände bewegte und vergeblich nach einer Rettung tastete.

Es gab kein Pardon!

Bis zur Brust war sie in dieses teuflische Glas eingesunken und spürte sie den gewaltigen Druck, der ihr den Atem nahm. Sie sah gleichzeitig, wie sich ihr Körper allmählich auflöste und auch den oberen Teil erfasste.

Nach unten tropfte eine schwarze, teerartige Masse. Elena hatte den Mund weit aufgerissen, sie konnte rufen, schreien. Doch irgendwann verschluckte sie sich am eigenen Speichel, aus dem verzweifelten Brüllen nach Hilfe wurde ein Röcheln.

Da öffneten sich die vier Türen.

Zugleich wurden sie nach innen gezogen, ohne dass Elena erkannt hätte, wer dies tat.

Sie blieben nur spaltbreit offen. Dahinter aber lauerte etwas, denn Elena nahm ein leises, widerlich klingendes und auch gespensterhaftes Lachen wahr.

Dann hatte das Stundenglas sie verschluckt und sein grausames Werk beendet.

Fünf Minuten!

Exakt fünf Minuten hatte ihr Tod gedauert!

Elena waren sie wie eine Ewigkeit vorgekommen …

Als ich aus dem Wagen stieg, erwischte mich die Bö, als wollte sie mich von den Beinen reißen. Ohne dass ich es wollte, wurde ich gedreht und landete mit dem Rücken an der Fondseite des Rovers. Der Wind durchfuhr meine Jacke und ließ den Stoff knattern. Nur mit Mühe bekam ich die Tür zu und tat das, was wohl alle Engländer in diesen Tagen machten.

Ich fluchte über den Orkan!

Es war der vierte in diesem Jahr. Mit verheerender Wucht war er über die Insel hergefallen. Seine Zerstörungen gingen in die Milliarden, ganz abgesehen von den zahlreichen Menschenleben, die die Orkane bereits gekostet hatten.

Mir kam es vor, als wollte die Natur den Menschen einen Denkzettel verpassen.

Ich wunderte mich nur, dass auf diesem kleinen Platz, wo der Wanderzirkus sein Winterquartier gefunden hatte, noch alles stand. Das Zelt war nicht aufgebaut worden. Die Menschen lebten in ihren Wagen, die sie, wie damals die alten Pioniere im Wilden Westen, zu einem Kreis zusammengefahren hatten. So bekamen sie einigermaßen Schutz.

Zudem standen sie im Schatten einer hohen Betonmauer, die das Gelände zum eigentlichen Industriegebiet hin abtrennte.

Von den Zirkusleuten sah ich keinen. Wer bei diesem Wetter den schützenden Wagen freiwillig verließ, war selbst schuld. Ich aber hatte einen Job zu erledigen und wollte eine Frau besuchen, die mir nur vom Namen her bekannt war.

Sie nannte sich Dora, einfach nur Dora, und sie hatte mir am Telefon mit einer Flüsterstimme erklärt, dass sie mich unbedingt sprechen musste.

Also war ich trotz des Sturms losgefahren, begleitet von den guten Wünschen meines Freundes und Kollegen Suko. Die waren nicht übertrieben, wie ich beim Aussteigen gemerkt hatte.

Am Himmel tobten die Wolken. Innerhalb weniger Sekunden entstanden wechselnde Bilder. Hinter der Schutzmauer orgelte und heulte der Sturm ebenfalls.

Dazwischen hörte ich eine Musik, die einem Klappern mit verschiedenen Instrumenten gleichkam. Dort fand der Wind seine Ziele.

Doch die Wohnwagen oder auch Wohnmobile standen fest mit ihren Rädern auf dem Boden. Einige von ihnen waren sogar verkeilt, damit der Orkan nichts wegschleudern konnte.

Wo die Frau namens Dora wohnte, wusste ich nicht.

In Anbetracht der schlimmen Witterungslage orientierte ich mich an dem ersten, in meiner Nähe stehenden Wohnwagen.

Ich klopfte zweimal gegen eine Seitentür, die schon bald darauf aufgezogen wurde.

»Kommen Sie rein!«, hörte ich eine Frauenstimme. »Schnell bitte. Ich habe Sie schon gesehen.«

Obwohl es nicht nötig war, zog ich den Kopf ein, als ich den Wagen betrat.

Er zeigte eine moderne Inneneinrichtung, überhaupt nicht plüschig, nur eben die Enge gefiel mir nicht.

Die Frau dafür umso besser. Sie war sehr groß, dabei schlank und gleichzeitig etwas muskulös, was auf ihren Beruf als Artistin schließen ließ. Das Haar kam mir vor wie eine Flammenwand, so rot schimmerte es und umwaberte ein etwas bleiches Gesicht mit zahlreichen Sommersprossen. Demnach war die Mähne echt.

Die Frau – ich schätzte sie auf knapp dreißig – trug eine helle Jogginghose und T-Shirt. Ihr breiter Mund verzog sich zu einem Lächeln.

»John Sinclair?«

»Ja. Dann müssen Sie Dora sein.«

»Nein, ich bin Rita.«

Ich stutzte. »Aber Sie haben mit Dora zu tun?«

Sie nickte. »Setzen Sie sich bitte, Mister Sinclair.« Sie deutete auf eine schmale Bank, auf deren Sitzfläche das Kunststoffpolster in einem hellen Rot schimmerte.

Ich nahm Platz und bekam ein ungutes Gefühl. Draußen heulte der Sturm. Für mich hörte es sich an, als würde ein Tier wimmern.

»Möchten Sie etwas trinken?«

»Ein Wasser vielleicht.«

»Gern.« Rita ging dorthin, wo ein Kühlschrank stand, nicht größer als eine Minibar in den Hotels. Die Frau selbst trank nichts. Sie goss das Glas bis über die Hälfte voll und stellte es zusammen mit der Flasche auf den schmalen Tisch mit der Resopalplatte.

Ich nahm einen Schluck und spürte die kleinen Bläschen im Mund. »Dora ist verhindert?«, fragte ich, nachdem ich das Glas abgestellt hatte

»Leider.«

»Warum hat Sie mich dann …«

Rita hob die Hand, unterbrach mich. »Mister Sinclair. Bevor Sie weiterfragen, muss ich Ihnen sagen, dass Dora leider für alle Zeiten verhindert ist.«

Ich verstand, trotzdem fragte ich nach. »Dann ist sie tot?«

Rita nickte. »Ja, sie starb, aber zuvor hat sie mich eingeweiht. Der Anruf bei Ihnen liegt eine Woche zurück, nicht wahr?«

»Stimmt.«

Rita atmete durch die Nase. »Noch am gleichen Tag erlag sie einem Herzschlag. Es war nichts mehr zu machen. Wir haben sie bereits zu Grabe getragen.«

»War sie alt?«

»Über siebzig.« Rita wischte sich über die Augen.

»Ich … ich habe sie sehr gemocht, Mister Sinclair. Sie war für mich wie eine Mutter, wenn Sie verstehen. Aus diesem Grund hat mich ihr Tod auch so hart getroffen.«

»Das kann ich verstehen, Rita. War sie denn schwächlich? Hatte sie Beschwerden mit dem Herzen?«

»Darüber sprach sie nie. Auch Ihre Herkunft war uns allen nicht ganz klar.«

»Was tat sie bei Ihnen?«

»Wahrsagerei. Sie trat in unserem Zirkus auf und erzählte den Leuten, was sie in den Taschen hatten. Ich war ihre Assistentin, wir bildeten ein gut eingespieltes Team. In einem kleinen Zirkus hat jeder mehrere Jobs. Ich bin auch noch Hochseilartistin. Es macht mir Freude oder hat mir Freude gemacht, bis zum plötzlichen Tod meiner Freundin.«

»Weshalb wollte sie mich sprechen?«, fragte ich. »Sie hat nicht allzu dringend geklungen, und ich musste einige Tage mit dem Besuch warten, da mir etwas in die Quere gekommen war, das sich nicht aufschieben ließ.

»Was Sie von Ihnen wollte, kann ich Ihnen nicht sagen.«

Ich trank noch einen Schluck. »Obwohl Sie eine Vertraute waren?«

»Ja.« Rita nickte. »Ich weiß nur, dass Sie Ihnen etwas geben wollte. Ich weiß nicht, was es ist, denn es ist von ihr eingepackt worden, und ich habe das Päckchen nicht geöffnet.« Rita erhob sich. Aus einem Einbauschrank holte sie den Gegenstand hervor, der mit braunem Packpapier umwickelt war. Sie stellte ihn zwischen uns auf den Tisch. Von zwei Seiten schauten wir ihn an.

Ich hob die Augenbrauen. »Den Inhalt kennen Sie also nicht.«

»Nein.« Abermals lächelte Rita. »Sie hat mir aber gesagt, dass es für Sie ist, dass Sie es mitnehmen und den Inhalt des Päckchens analysieren lassen sollen.«

Ich runzelte die Stirn. »In einem Labor?«

»Das denke ich schon.«

»Hat sie Ihnen noch mehr gesagt?«

»Das war alles.«

Ich hob das Päckchen an. Es war nicht schwer, lag leicht auf meiner Handfläche. An eine Bombe dachte ich nicht. Was konnte das sein? »Darf ich es öffnen?«, fragte ich.

Rita hob die Schultern. »Natürlich. Ich bin auch gespannt, wenn ich ehrlich sein soll.«

Das Päckchen war nicht verschnürt. Durchsichtiger Klebstoff hielt die Ecken zusammen. Ich zog sie vorsichtig auseinander und faltete das Papier knisternd auf.

Ein kleiner Karton mit Deckel stand vor mir. Vorsichtig hob ich den Deckel ab. Zwischen Rita und mir entstand knisternde Spannung. Es war beinahe wie Weihnachten. Jeder wollte sehen, was Dora für mich hinterlassen hatte.

Es war ein schlichtes Glas mit einem Metallverschluss. Man nahm derartige Gefäße auch als Gläser für Konfitüren und Marmeladen, nur sah mir der Inhalt danach nicht aus.

Etwa fingerhoch wurde der Boden von einer teerartigen Masse bedeckt.

Beide staunten wir, nur fand ich meine Sprache schneller wieder. »Das ist alles?«

Rita nickte.

»Komisch.«

Sie hob die Schultern. »Finde ich auch, wenn Sie mich fragen. Sie können damit anfangen, was Sie wollen.«

»Analysieren lassen …«

»Das war ihr Wunsch.«

Ich räusperte mich. Das Glas hielt ich noch in der Hand und drehte es. Die Masse bewegte sich dabei kaum. Sie war sehr zähflüssig und war pechschwarz.

»Können Sie sich denn denken, Rita, was es sein könnte?«

Sie lehnte sich zurück und fuhr wieder durch ihre rote Mähne. »Wahrscheinlich denken Sie das Gleiche wie ich.«

»Teer?«

»Genau.«

Ich lächelte kantig. »Wobei ich mich natürlich frage, weshalb ich Teer untersuchen lassen soll.«

»Das hat nur sie gewusst. Es muss ja nicht unbedingt Teer sein, Mister Sinclair.«

Ich drehte den Deckel ab und hielt mir die Öffnung unter die Nase. Dabei roch ich.

»Und?«, fragte Rita.

»Tja, eigentlich geruchlos. Vielleicht riecht es etwas faulig.« Ich reichte ihr das Glas. »Hier, schnuppern Sie auch mal.«

Auch Rita schnüffelte wie ich. »Da haben Sie recht, Mister Sinclair, es riecht irgendwie alt.«

Ich nahm den Deckel und schraubte das Glas wieder zu. »Jedenfalls werde ich Sie verständigen, wenn das Ergebnis unserer Analyse vorliegt. Alles klar?«

»Ich warte darauf.«

Beide standen wir zugleich auf. Rita reichte mir die Hand. »Wie lange könnte es dauern, bis Sie das Ergebnis auf dem Schreibtisch haben?«

»Das hängt von unseren Experten ab. Doch keine Sorge, sie sind sehr gut und arbeiten schnell. Wie kann ich Sie erreichen?«

»Hier im Wagen habe ich leider kein Telefon. Ich werde Sie gegen Abend anrufen, wenn das okay ist.«

»Einverstanden.«

»Ihre Nummer habe ich.«

»Umso besser.«

Als ich die Tür aufgedrückt hatte, musste Rita sie festhalten, sonst hätte sie mir der böige Sturm aus der Hand gerissen. Schnell lief ich zu meinem Wagen und fragte mich, was mir die unbekannte Tote wohl da hinterlassen hatte …

»Ich gehe jetzt«, sagte Glenda Perkins, gähnte und band den Gürtel des gefütterten Trenchs fester.

»Tu das. Ich kann dich nicht aufhalten.«

Glenda schaute mich von der Seite her an. »Und du glaubst noch immer, dass bei der Analyse etwas herauskommt?«

»Klar!«

»Dir ist nicht zu helfen.« Dann lächelte sie. »Andererseits ist es besser, hier im Büro zu hocken, als draußen durch den Sturm zu laufen.«

»Dann bleib auch hier.«

Sie strich durch ihr dunkles Haar. »Das geht nicht. Ich muss noch etwas einkaufen.«

»Vielleicht könnten wir essen gehen.«

»Ja, ja, vielleicht. Wenn du das schon sagst, klappt es sowieso nicht. Das kenne ich zur Genüge.«

»Wie du meinst.«

Suko betrat das Büro. Auch er war abmarschbereit. Mit dem Wagen war er nicht gekommen, die U-Bahn rollte unter den Straßen, und dort stürmte es nicht.

Er war natürlich von mir eingeweiht worden und erkundigte sich danach, ob ich ihm Bescheid geben würde, was die Analyse gebracht hatte.

»Klar, ich gebe dir Bescheid.«

»Dann wünsche ich dir viel Spaß.«

»Ich auch«, sagte Glenda.

Beide verschwanden, Glenda winkte noch. Allein blieb ich zurück und legte die Füße auf den Schreibtisch.

Am Morgen war ich bei Rita gewesen, danach ins Büro gefahren und hatte die seltsame Masse unseren Wissenschaftlern überlassen, die sich augenblicklich an die Analyse hatten machen wollen. Bisher lag kein Ergebnis vor. Mich jedenfalls hatte man noch nicht angerufen.

Ich wartete und döste sogar ein wenig weg. Hin und wieder drang ein scharfes Brausen und Pfeifen an meine Ohren, wenn wieder eine Bö durch die Straßenschluchten der Millionenstadt tobte.

Auch Sir James, unseren Chef, hatte ich eingeweiht. Der konnte sich ebenfalls kein Bild machen und hatte nur die Schultern gehoben. »Warten wir die Analyse ab, John.«

Das tat ich nun seit einigen Stunden. Ich wollte auch nicht unbedingt anrufen, die Kollegen im Labor sollten genügend Zeit bekommen, um gründlich arbeiten zu können.

Zehn Minuten ungefähr waren Suko und Glenda weg, da meldete sich das Telefon. Ich rechnete mit unseren Labormitarbeitern, doch Rita war am Apparat. Sie meldete sich mit vollem Namen, der Rita Wilson lautete. »Haben Sie schon etwas erreicht, Mister Sinclair?«

»Leider nicht.«

Die Enttäuschung war ihr anzuhören. »Allmählich werde ich nervös, wenn Sie verstehen. Ich habe nachgedacht, aber ich bin zu keinem Ergebnis gekommen.«

»Ich will nicht unhöflich sein, Rita, aber Sie blockieren im Moment die Leitung.«

»Sorry, ich rufe später an.«

»Versuchen Sie es in einer Stunde noch mal, Rita.«

»Gut, mach ich, Mister Sinclair.«

Nachdenklich legte ich auf.

Was ich von dieser rothaarigen Frau zu halten hatte, wusste ich nicht. Hatte sie zu der toten Dora wirklich ein so gutes Verhältnis gehabt, wie sie mir gesagt hatte? Vorerst musste ich es glauben.

Ein Klopfen an der Tür unterbrach meine Gedanken. Auf mein »Come in« betrat Dr. Dr. Winston Slide das Büro, ein Mann, der auf den Gebieten Chemie, Biologie und der physikalischen Chemie als Spitzenkraft angesehen werden musste.

Er sah nicht aus wie ein trockener Wissenschaftler, der nur seine Formeln kannte. Der Kurzhaarschnitt war modisch und ließ ihn wirken wie einen Sonnyboy. Zudem trieb er viel Sport, was man ihm auch ansah.

»Darf ich mich setzen?«

»Sicher.«