John Sinclair Sonder-Edition 113 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 113 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Geboren in Atlantis

Im Londoner East End machte sich das Grauen breit! Eine Sekte, die sich "Die Verdammten der Großstadt" nannte, verbreitete ihren Terror und schreckte auch vor Mord nicht zurück! Das Opfer war von einer Art Lichtschwert durchbohrt worden, und die Beschreibung des Täters wies auf einen der Schwarzen Priester aus Atlantis hin!
Damit war es ein Job für Suko und mich! Während mein Partner den Kampf in London aufnahm, machte ich mich mit Kara, der Schönen aus dem Totenreich, auf zum Atlantis der Vergangenheit, zu einer Zeit, als dort noch der Schwarze Tod regierte!

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Seitenzahl: 167

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Geboren in Atlantis

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Boada/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8708-7

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.

Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung.

Geboren in Atlantis

von Jason Dark

Im Londoner East End machte sich das Grauen breit! Eine Sekte, die sich »Die Verdammten der Großstadt« nannte, verbreitete ihren Terror und schreckte auch vor Mord nicht zurück! Das Opfer war von einer Art Lichtschwert durchbohrt worden, und die Beschreibung des Täters wies auf einen der Schwarzen Priester aus Atlantis hin!

Damit war es ein Job für Suko und mich! Während mein Partner den Kampf in London aufnahm, machte ich mich mit Kara, der Schönen aus dem Totenreich, auf zum Atlantis der Vergangenheit, zu einer Zeit, als dort noch der Schwarze Tod regierte!

Baby-Jim stand immer dort, wo andere nicht hingingen. Im Londoner East End, inmitten der Lagerhallen, der abbruchreifen Häuser, der dreckigen Kaschemmen, überquellenden Mülltonnen und aufgerissenem Pflaster.

Es war kein guter Platz für eine Hure, auch nicht für eine männliche wie Baby-Jim. Er war Transvestit mit schlanker Figur, dicker Schminke im Gesicht und lockenden roten Lippen.

Wie gesagt, es war kein guter Platz für eine Hure. Nur lachte er über diese und ähnliche Bemerkungen, denn Baby-Jim wusste genau, weshalb er sich an diesem Ort aufhielt.

Grundlos bewegte sich niemand durch das East End. Wer hier erschien, ob am Tag oder in der Dunkelheit, hatte seine Gründe. Unter anderem Menschen, die Baby-Jim in ihren Wagen mitnahmen, um irgendwo Sex mit ihm zu haben. Das konnte ebenso in einer eleganten Villa sein wie auch in einem schäbigen Hotelzimmer. Wichtig war nur, dass nichts an die Außenwelt drang.

Zu Baby-Jim kamen großzügige Kunden. Männer, die Geld hatten, mit Berufen im Rampenlicht. Künstler, Industriekapitäne, Wirtschaftsbosse, Menschen mit seltsamen Neigungen, aber dem entsprechenden Kapital im Rücken, um sich Typen wie Baby-Jim leisten zu können.

Der Treffpunkt war deshalb ideal.

Auch an diesem Abend wartete Baby-Jim auf einen Kunden. Es war ein bekannter Mann in London, man sah ihn oft, wenn ausländische Staatsgäste empfangen wurden, doch bei diesem Kunden wusste Baby-Jim nie genau, ob er pünktlich war.

Verspätete er sich oder kam er überhaupt nicht, schlug sich das auf den Preis nieder. Dann bekam Baby-Jim stets eine kleine Entschädigung zugesteckt, was ihm natürlich nicht unlieb war.

Er sah seinen »Job« völlig emotionslos und dachte auch nicht darüber nach, weshalb er so geworden war. Er hatte bereits in der Kindheit einen gewissen Drang verspürt, der sich im Laufe der Zeit, besonders in der Pubertät, noch verstärkt hatte.

Baby-Jim war ein bunter Vogel, der aber in der Londoner Szene kaum auffiel, weil es dort viele »Baby-Jims« gab.

Er fror. Zwar war der Frühling laut Kalender längst eingetroffen, aber die Temperaturen hielten sich dennoch zurück. Besonders in der Nacht konnte es noch unangenehm kühl werden, da näherten sich die Temperaturen dem Nullpunkt, und der Wind war entsprechend kalt und hier, in der Nähe des Flusses, sogar nasskalt.

Baby-Jim hatte seinen Stammplatz. Wann die alte Litfaßsäule aufgestellt worden war, konnte er nicht sagen. Jedenfalls wurde sie nicht mehr benutzt. Als graue Säule gammelte sie vor sich hin und diente dem Transvestiten oft genug als Stütze.

Um Baby-Jim als Mann erkennen zu können, musste man schon sehr genau hinschauen. Bei warmem Wetter trug er einen kniefreien Rock, doch bei diesem Wetter lieber Hosen und seinen alten Pelz, den er in einem Pfandhaus erworben hatte und der so bleich schimmerte wie die Haut einer Leiche.

So stand er da, mit stark geschminktem Gesicht, in hautengen Hosen, einem roten Leibchen und mit einem Gürtel mit imitierten Gold-Applikationen und Schuhen mit höheren Absätzen.

Er war fünfundzwanzig, wollte den Job noch einige Jahre machen, hatte aber eine schreckliche Angst vor dem Alter. Älter zu werden, war für ihn schlimm, aber er konnte dem nicht entgehen.

So ging er durch die Tage, Wochen, Monate und Jahre. Manchmal angetörnt durch Alkohol, hin und wieder aufgeputscht durch die Einnahme bestimmter Tabletten.

Baby-Jim wartete bereits über eine Stunde, und der Kunde kam noch immer nicht. Leer und verlassen lag die Straße vor ihm. Es leuchtete auch keine Laterne in der Nähe. Früher war das mal der Fall gewesen, dann hatten Steine die Glaskuppeln zerstört.

Die Straße war wie ein toter Arm, der das Gebiet durchschnitt. Baby-Jim stand gegenüber einer Brandmauer. Dahinter lagen alte Hallen, und wieder ein Stück weiter schob sich die graue Themse durch das Flussbett in Richtung Osten.

Er wusste den Grund nicht, aber an diesem Abend fühlte sich Baby-Jim einfach nicht gut. Da war eine Nervosität, die sich einfach nicht wegleugnen ließ. Er hatte das Gefühl, sich andauernd kratzen zu müssen, obgleich kein Grund dazu bestand.

Etwas war anders.

Im Laufe der Zeit hatte Baby-Jim auch ein Gefühl für Gefahren entwickelt. Er merkte immer, wenn sich etwas zusammenbraute, dann verdichtete sich dieses Gefühl, glich beinahe schon einem Druck, den er als sehr störend empfand.

Um die Nervosität zu bekämpfen, zündete er sich eine Zigarette an, ein langes, dünnes Stäbchen, eigentlich für Frauen und mit einem weißen Filterstück versehen. Den Rauch ließ er durch die Nase strömen, die schon eine Korrektur hinter sich hatte. Früher war sie ihm zu männlich gewesen, heute nicht mehr. Er konnte mit seinem Aussehen zufrieden sein.

Allmählich wurde ihm trotz der warmen Kleidung kalt. Er hasste die Feuchtigkeit, den widerlich kühlen Wind, der vom Fluss her wehte und sich dabei um kein Hindernis kümmerte, denn er fand seinen Weg überall.

Dann sah er das Licht. Rechts von ihm, ziemlich weit entfernt, wo die Straße endete und man nach rechts abbiegen musste, um weiterzukommen und nicht in einen Maschendrahtzaun zu fahren. Der Lichtteppich glitt über das alte Kopfsteinpflaster, dann erst sah Baby-Jim die beiden Glotzaugen der Scheinwerfer.

Der Kunde kam – endlich. Ein Lächeln huschte über die Lippen von Baby-Jimmy.

Er schaute dem Fahrzeug entgegen – und wunderte sich!

Nein, das war er nicht. Der Kunde fuhr einen anderen Wagen.

Wer kam da?

Unbehagen beschlich ihn und verstärkte sich noch, als das Licht ihn erfasste und das Fahrzeug gleichzeitig sein Tempo verringerte.

Da wollte jemand etwas von ihm!

Baby-Jim hatte keine Lust, mit einer fremden Person zu reden. Er gratulierte sich dazu, den Platz an der Plakatsäule ausgesucht zu haben, denn sie bot ihm auch Deckung, und er drückte sich dahinter.

Fuhr der Wagen vorbei?

Nein, der Fahrer ging noch mehr vom Gas, dann stoppte das Fahrzeug, ein alter, zweisitziger BMW, direkt am Straßenrand. Seine rot-weiße Lackierung war Baby-Jim gut bekannt, er wusste, wem das Fahrzeug gehörte und wer es lenkte.

Sie nannte sich Lulu, war eine Kollegin von ihm, also eine echte Bordsteinschwalbe. Baby-Jims Verhältnis zu ihr konnte man nicht eben als freundschaftlich ansehen, die beiden akzeptierten sich, gaben sich Tipps, tranken auch manchmal einen Schluck zusammen, aber an diesem Abend war Baby-Jim über das Erscheinen dieser Person nicht eben erfreut. Sein Kunde war sehr scheu. Wenn er einen weiteren Menschen in der Nähe des »Liebhabers« entdeckte, würde er verschwinden.

»Hau ab!«, flüsterte Baby-Jim. »Mach ’ne Fliege.« Er drückte sich mit dem Rücken gegen die Litfaßsäule und verdrehte voller Ärger und Wut die Augen.

Lulu machte keine Fliege. Sie blieb im Wagen und hatte die Seitenscheibe nach unten gedreht. Qualm und der aufdringliche Duft ihres Parfüms drangen ins Freie.

»He, Baby-Jim, ich weiß, dass du da bist. Warum hast du dich versteckt, zum Teufel?«

»Was willst du?«

»Mit dir sprechen.«

»Hau ab, du verdirbst mir den Job!«

»Ich muss mit dir reden! Sei nicht so blöde. Los, komm hinter der Säule hervor!«

»Was ist denn so wichtig?« Baby-Jim verließ seinen Platz.

Lulu hatte den Kopf aus dem Fenster gesteckt. Sie war noch jung. Die dunklen Haare waren zu zahlreichen Locken gedreht. Ihr Puppengesicht wirkte wie das eines Schulmädchens, dazu kam der herzförmige Mund.

Ihr Oberteil war hauteng, tief ausgeschnitten und strassglitzernd. Baby-Jim konnte in den Ausschnitt schauen, als er dicht vor dem Wagen stehen blieb.

»Was also ist?«

Der Herzchenmund verzog sich in die Breite. »Spürst du es nicht auch?«

»Was soll ich denn spüren? Mir ist kalt. Da friert dir alles ab. Ich warte auf einen Kunden.«

»Vergiss ihn!«

»Das würde mich einige Scheine kosten.«

Lulu lachte leise. »Willst du lieber dein Leben verlieren, Baby-Jim? Willst du sterben, einfach verschwinden? Plötzlich weg sein, als hätte es dich nie gegeben?«

»Red keinen Unsinn.«

Lulu streckte ihre Hand aus dem Fenster. Sie hatte pummlige Finger mit grün lackierten Nägeln. Zwei unechte Ringe blitzten golden. Die Finger griffen in das weiße Fell des Mantels. »Sei kein Idiot, Baby-Jim! Spürst du es denn nicht?«

»Was, du Hure? Lass mich endlich los!«

»Es ist das Böse, das schattenhafte Böse, das hier lauert. Man merkt es genau. Die Schatten machen ernst, sie sind verdammt gefährlich. Kaum jemand wagt es, über sie zu reden, aber ich will dich warnen. Verlass diesen Ort, such dir einen anderen. Scheiß was auf deinen Kunden, wenn dir dein Leben lieb ist, Baby-Jim!«

»Du redest irre.«

»Nein.«

»Bockmist.«

Sie ließ ihn los, schüttelte den Kopf und schlug mit der Faust auf das Lenkrad. »Dir ist wirklich nicht zu helfen. Du bist …« Sie winkte ab.

»Fahr weiter und mach irgendwo anders die Beine breit.«

Sie grinste ihn an. »Ich werde auf deiner Beerdigung nicht erscheinen. Ich werde nicht einmal um dich weinen, denn um Idioten weint man nicht, Süßer. Man spuckt höchstens auf ihren Sarg.«

»Ja, ja, ich weiß Bescheid.« Heftig drehte er sich um und wandte ihr den Rücken zu. Er schaute auch nicht hin, als sie startete und die Reifen über das feuchte Kopfsteinpflaster hinwegrutschten.

Er wollte nur seine Ruhe haben und ärgerte sich, weil die Worte der kleinen Hure bei ihm Bedenken ausgelöst und seine Nervosität noch gesteigert hatten.

Auch er hatte schon von den Schatten gehört, die im East End hausten, das Viertel beherrschten, aber selten zu sehen waren.

Man bekam nur ihre Opfer zu Gesicht. Meist tot oder, wenn sie Glück hatten, nur verletzt. Die Schatten hatten diese Taten auf dem Gewissen.

Er zündete sich noch eine Zigarette an und schaute hinter der anderen Seite der Plakatsäule vor, um zu sehen, ob Lulu tatsächlich weggefahren war. Ihren Wagen sah er nicht mehr, und sein Kunde war ebenfalls nicht erschienen, was ihn ärgerte.

Sollte ihn der Kerl wieder einmal draufsetzen?

Unruhig und auch um seine kalten Füße etwas zu wärmen, ging er auf und ab. Er blieb in der Nähe der Säule, dämpfte seine Schritte so gut wie möglich – und blieb plötzlich stehen!

Etwas war anders geworden, er spürte es genau. In seiner unmittelbaren Nähe musste sich einiges verändert haben.

Über seinen Rücken rann eine Gänsehaut. Schnaufend holte er durch die Nase Luft, starrte nach vorn, wo er nichts sah, doch er spürte, dass sich in seinem Rücken etwas tat, was ihm überhaupt nicht passte.

Schlich jemand an ihn heran?

Baby-Jim wirbelte herum und starrte schräg in die Höhe, gegen die Plakatsäule und über den oberen Rand hinweg.

Auf der runden Fläche stand eine düstere, unheimliche Horror-Gestalt!

Schwarz. Alles an ihr war schwarz, düster und furchtbar. Wie die Gestalt auf die Säule gekommen war, konnte Baby-Jim nicht sagen, jedenfalls stand sie dort.

Sie hatte kein Gesicht – oder doch? Es war wegen der über den Kopf gestreiften Kapuze nur undeutlich zu erkennen. Es gab keine Augen, keine Nase, keinen Mund, auch keine Ohren.

Eine glatte, grauschwarze, leicht zitternde Fläche, die sich in den allgemeinen Eindruck gut hineinfügte.

Ob sich dort jemand verkleidet hatte? Automatisch stellte sich Baby-Jim die Frage und gab sich selbst die Antwort. Nein, das war nicht der Fall. Der Unheimliche war echt, er bedurfte keiner Verkleidung. So etwas spürte Baby-Jim.

Er dachte auch an Lulus Warnung. Sie hatte von den Schatten gesprochen, die im East End herrschten, die nie zu sehen waren, die es aber trotzdem gab, wie man wusste.

Jetzt sah er ihn!

Regungslos stand er auf der Säule. Nachtschwarz vom Kopf bis zu den Füßen, ein Zerrbild, eine Silhouette, ein furchterregendes Etwas, eine Gestalt, von der ein schlimmes Versprechen ausging, ohne dass sie auch nur ein Wort sagte.

Baby-Jim wich zurück. Seine Schritte waren unsicher. Er sah aus, als würde er jeden Moment in den Knien einknicken und hinfallen. Über die violett geschminkten Lippen drang der Atem als pfeifendes Geräusch und vermischte sich mit dem Geräusch seiner hackenden Tritte.

Plötzlich war die Gestalt weg!

So schnell verschwunden, wie sie gekommen war. Nichts war mehr von ihr zu sehen. Es gab sie einfach nicht mehr. Die Plakatsäule war leer.

Baby-Jim blieb stehen. Er schüttelte den Kopf, zwinkerte, öffnete den Mund, fing an zu lachen. Erst leise, dann kichernd, anschließend lauter, sodass die Echos von der gegenüberliegenden Wand schallten.

Das war Wahnsinn, das musste eine optische Täuschung gewesen sein!

Oder …?

Er drehte sich um.

Dabei war er einem Gefühl gefolgt.

Der Schatten stand vor ihm!

Grausam, groß, viel größer als er. Eine finstere Drohung, und er hatte sich verändert.

Er hatte die Arme angewinkelt und hielt die Hände zusammen, und dort stach etwas in die Höhe.

Grün, dünn, lang, spitz an seinem Ende und dabei leicht fluoreszierend. Eine Lanze, ein Schwert aus Licht. Ein Gegenstand, den man, wenn überhaupt, eigentlich nur aus Filmen wie Star Wars kannte.

Ein Lichtschwert?

Er staunte und fürchtete sich zugleich. Sein Mund blieb offen. Er wollte reden und dachte gleichzeitig, dass es wohl keinen Sinn hatte, wenn er Fragen stellte.

Er fühlte sich aufgewühlt, seine Augen fingen fast an zu tränen, denn er spürte, dass er dem Tod noch nie so nahe gestanden hatte wie in diesem Augenblick.

Der Unheimliche bewegte sich. Er ging vor, nein, er schwebte!

Wie auf einer Wolke, nur saßen da bekanntlich Engel. Für Baby-Jim war dieser Mann allerdings ein Teufel.

Dann hob er das Lichtschwert. Es geschah mit einer ruckartigen Bewegung, als wollte ein Samurai zum Hieb ansetzen.

Baby-Jim schrie nicht einmal. Die Angst hatte ihm die Kehle regelrecht zugeschnürt.

Das Schwert raste nach unten.

Jetzt würde es ihn in der Mitte teilen, er musste in zwei Hälften auseinanderfallen, und Blut würde das Pflaster bedecken wie ein großer See. Das alles kam Baby-Jim in den Sinn, wobei er sich darüber wunderte, was ihm alles in dieser kurzen Zeitspanne durch den Kopf schoss.

Plötzlich sah er das Feuer, das auf dem Wasser brannte. Er sah ein mächtiges Monstrum mit mehreren Armen, einem glühenden Auge, das in Sekundenschnelle an Größe zunahm und auf ihn wie ein gewaltiger Trichter wirkte, der alles verschlang, auch ihn.

Er fiel zu Boden, er zerstrahlte, er verbrannte, er wurde zu Staub, der aus der Kleidung glitt.

Der Schatten aber drehte ab und ging davon. Eine schwarze Gestalt, begleitet von einem zuckenden, sich hin und her bewegenden Lichtschwert, das sehr bald nicht mehr zu sehen war, weil beide von der Finsternis aufgesaugt wurden.

Er war gekommen, er hatte getötet, und er würde bleiben. Ein schwarzer Priester aus Atlantis …

Lulu mochte Baby-Jim, auch wenn er sie so direkt angefahren und verlangt hatte, dass sie verschwinden sollte. Sie konnte ihn auch irgendwie verstehen, sie hätte bestimmt nicht anders gehandelt, wäre sie an Jims Stelle gewesen.

In dieser Underdog-Szene kämpfte jeder für sich selbst, weil man zusehen musste, wie man zurechtkam. Aber es gab auch Gemeinsamkeiten, die immer dann zutage traten, wenn von außen etwas an die Szene herangetragen wurde, das irgendwie nicht passte, das stank.

Es stank schon seit einiger Zeit an der East Side. Da ging etwas umher, das nicht zu greifen war. Wie ein böser Fluch hatte es sich über ein bestimmtes Gebiet verteilt. Viele wussten davon, kaum einer sprach darüber, und wenn, dann nicht mit Fremden. Nichts davon drang nach außen.

Die Gefahr war nicht zu greifen. Sie lag zwischen den alten Häusern, auf den Dächern, hockte dort wie ein gewaltiger Krake, der die Arme ausbreitete und sie in alle Lücken und Öffnungen schob, wobei Lulu auch die Seelen der Menschen nicht ausschloss.

Die Menschen hatten sich verändert. Äußerlich nicht, aber innen, da war diese starke Veränderung vonstattengegangen. Mädchen wie Lulu merkten dies. Obgleich sie so jung aussah, ging sie dem Job schon einige Jahre nach. Sie kannte sich aus, alle Tricks und Schlechtigkeiten. Was hier geschah, hatte nichts mit den Methoden der Zuhälter zu tun oder mit irgendwelchen Bandenkriegen. Das war eine sich anschleichende, hinterlistige Gewalt.

Wieso hatte Baby-Jim nichts davon bemerkt? Oder wollte er nichts davon merken?

Typen wie er waren Einzelgänger. Eine Laune der Natur hat mich geschaffen! Das waren einmal seine Worte gewesen, als er mit Lulu in einer Kneipe gehockt hatte. Eine Laune der Natur – irgendwie hatte er recht, der Transvestit, der nun einsam neben einer Plakatsäule stand und hinter dem alten Zweisitzer der Nutte herschaute.

Nicht, dass Lulu etwa Muttergefühle für Baby-Jim empfunden hätte, es war einfach nur die innere Stimme, die ihr zwar riet, weiterzufahren, aber Jim nicht ganz aus den Augen zu lassen.

Lulu wusste, wie man so etwas machte. Bevor die Straße abknickte, verschwand der verhältnismäßig kleine Wagen im »Haifischmaul«. Es war ein Loch in einem Haus, gierig wie ein Rachen und wurde deshalb in der Gegend Haifischmaul genannt.

Bevor sie die Lichter löschte, hatte sie noch die Gestalten gesehen, die sich in eine Nische drückten. Auch arme Säue, dachte sie. Penner, Obdachlose, die das Schicksal auf die Straße getrieben hatte und die in der Nacht, wenn es kühl war, schützende Flecken suchten, dort lagerten, sich in Decken einwickelten und so lange tranken, bis sie vor Müdigkeit umkippten und dem nächsten beschissenen Tag entgegenschliefen.

Sie schauten kaum auf, als Lulu den Wagen verließ. Das Mädchen war ihnen bekannt.

Lulu hatte sich den Mantel übergestreift, einen künstlichen Pelz. Er reichte weiter als der Rock, bis zu den Knien.

Eigentlich bist du verrückt, dachte Lulu, richtiggehend blöde, dich um andere Leute zu kümmern. Aber sie empfand an diesem Abend einfach anders.

Die Stadtstreicher schauten sie an.

Lulu war ihnen bekannt. Möglicherweise würden sie sogar mit der jungen Frau reden.

Sie stolperte fast über eine Flasche, die umkippte, sodass der billige Fusel auslief und eine widerliche Geruchswolke verströmte. Der Protest erreichte sie in geballter Form, drohend wurden Fäuste gegen sie geschüttelt. In der Nische wirkten die Bewegungen wie ein Schattenspiel.

Es gab nur eine Möglichkeit, um sie zu beruhigen. Lulu hielt den Geldschein bereits in der Hand. Einer der Männer fing das zerdrückte Etwas auf, das sie ihnen zuwarf. »Dafür könnt ihr euch drei Flaschen Fusel kaufen.«

»Aber nicht jetzt.«

»Dann eben morgen.«

Der Sprecher lachte geifernd. »Morgen, sagst du. Verdammt noch mal, glaubst du denn, dass wir den morgigen Tag noch erleben?«

Lulu hatte genau zugehört. Sie kannte den Sprecher. Von den anderen wurde er »Prediger« genannt, weil er auf der Straße ständig über Gott faselte und dass der alle Menschen lieben würde. Wer das im East End hörte, verfluchte entweder diesen angeblich so gnädigen Gott, oder er hoffte darauf, dass nach dem Tod und im ewigen Leben alles besser wurde.

Der Prediger hatte jedoch eine gute Bildung genossen, das war aus seinen Worten noch immer herauszuhören, auch wenn der Alkohol dafür sorgte, dass er seine Argumente nicht mehr immer in die richtige Reihenfolge brachte.

»Wie meinst du das?«, fragte Lulu.

»Ist doch egal.«

Lulu wollte es wissen. Sie trat noch dichter an die Gruppe heran. »Los, Prediger, rede!«

Der Mann fuhr sich mit seinen dürren Händen über die Stoppeln seines Barts. »Man kann es nicht so einfach erklären«, antwortete er ausweichen, doch Lulu ließ nicht locker.

»Du fühlst es, wie?«

»Ja.«