John Sinclair Sonder-Edition 115 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 115 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Die Maske

Er kam wie ein Gespenst, begleitet von teuflischen Füchsen, und wo er auftauchte, hinterließ er Tote. Niemand wusste, wer der unheimliche Killer war, denn sein Gesicht verbarg er unter einer abscheulichen Maske. Die Nonnen eines Klosters, in dem es das erste Opfer gegeben hatte, riefen mich, den Geisterjäger John Sinclair, zur Hilfe. Zwischen alten Mauern und Kreuzgängen und schließlich in einem unterirdischen Labyrinth aus halb verfallenen Stollen und düsteren Geheimgängen jagte ich den grausamen Killer, der mit dem Satan im Bunde stand und den man nur "Die Maske" nannte ...

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Seitenzahl: 172

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Maske

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Prieto/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8858-9

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.

Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung.

Die Maske

von Jason Dark

Er kam wie ein Gespenst, begleitet von teuflischen Füchsen, und wo er auftauchte, hinterließ er Tote. Niemand wusste, wer der unheimliche Killer war, denn sein Gesicht verbarg er unter einer abscheulichen Maske.

Die Nonnen eines Klosters, in dem es das erste Opfer gegeben hatte, riefen mich, den Geisterjäger John Sinclair, zur Hilfe. Zwischen alten Mauern und Kreuzgängen und schließlich in einem unterirdischen Labyrinth aus halb verfallenen Stollen und düsteren Geheimgängen jagte ich den grausamen Killer, der mit dem Satan im Bunde stand und den man nur »Die Maske« nannte …

Nur das Keuchen war zu hören!

Nicht das Rascheln der Blätter oder das Schleifen hastiger Schritte durch hohes Gras, dieses Keuchen durchdrang als einziges Geräusch die Stille der Nacht.

Es drängte voran und erreichte schließlich den Opferplatz!

Er lag mitten im Wald, wo das Gelände leicht abfiel und in muldenartige Vertiefungen mündete, die als Verstecke prima geeignet waren. Da hatte es vor Urzeiten ein Wunder gegeben, von dem nur wenige wussten.

Keine Erscheinung einer Heiligen, nein, genau das Gegenteil war der Fall gewesen.

Der allmächtige Fürst der Finsternis und Herrscher der Dunkelheit war über dieses Land gefahren und hatte eine bestimmte Stelle in seinen Besitz genommen.

Noch heute waren Spuren vorhanden …

Das Keuchen wehte über die sommerliche Vegetation hinweg. Es klang nun lauter, noch hektischer. Fast schien es, als wollten sich die Sommerblumen ducken, weil sie vor diesem schrecklichen Laut Furcht bekamen.

Es hörte sich an, als wäre ein Mensch in höchster Not. Oder als wäre einer dabei, bis weit über seine Kräfte hinweg zu arbeiten und sich anzustrengen.

Das alles kam zusammen. Aber wäre ein Zeuge in der Nähe gewesen, er wäre kaum auf den Gedanken gekommen, die Person zu suchen, die das Keuchen abgab. Denn dieses Geräusch weckte kein Mitleid.

Es rief Furcht hervor, es war mit einer finsteren Botschaft zu vergleichen. Der Teufel holte scharf Luft und »spie« sie wieder aus. Sein Atem roch nach Pest, Schwefeldampf und Verbranntem.

Noch war nichts zu sehen. Nur der dunkle Himmel über dem Land. Tiefblau, mit einem Stich ins Graue. Sterne funkelten und hatten winzige Löcher in den Himmel gerissen.

Auch der Mond war zu sehen, wenn nicht gerade feine Wolkenschleier über ihn trieben und ihn verdeckten.

Die kleine Lichtung strömte noch den Geruch des frühsommerlichen Tages aus. Eine Duftmischung aus Gräsern, Sommerblumen und jetzt – weil es kühler geworden war – würziger Luft.

In sie hinein drang das Keuchen. Am nahen Waldrand verharrte es, hörte auf.

Stille senkte sich über die Lichtung!

Sekunden später war das Konzert der Grillen zu hören. Dieses Summen und Zirpen, ausgebreitet wie ein akustischer Teppich, der sich über das Areal gelegt hatte.

Dann änderte sich das Geräusch. Es war nicht mehr Keuchen oder heftiges Atmen, es war ein Knurren, das über die Lichtung wehte, und eine gefährliche Warnung zugleich.

Da kam etwas …

Die Halme bewegten sich, als sich das Etwas vorschob.

Sie zitterten leicht, der Blütenduft nahm an Intensität zu. Er wehte wie ein starker Schleier.

Auf einmal kam er!

Eine Gestalt schob sich in die Höhe. Hochaufgerichtet schnellte sie auf die Lichtung zu. Ihre Sprünge wirkten grotesk. Sie wischte durch das hohe Gras, trampelte Sommerblumen nieder, duckte sich noch tief, sodass kaum herauszufinden war, ob es sich bei ihr um einen Menschen oder um ein Tier handelte.

Sie konnte beides sein …

Die langen Sprünge brachten sie bis auf die Mitte der Lichtung, wo ihr Ziel lag.

Dort duckte sie sich, tauchte ein in das Gras und war erst einzige Zeit später wieder zu sehen, als sie sich hektisch bewegte und dumpfe Schläge ertönten.

Erde flog in die Höhe, das Metallblatt eines kleinen Klappspatens blitzte auf. Große Erdbrocken, vermischt mit Gras, flogen zur Seite weg.

Die Gestalt grub. Sie schuftete, sie arbeitete, denn vor dem Erfolg hatten die Götter den Schweiß gesetzt, und das traf hier wahrlich zu.

Das Loch nahm an Größe und Tiefe zu, und das innerhalb kurzer Zeit, denn die Gestalt arbeitete mit einer kaum zu überbietenden Hektik und Kraft. Keiner hätte es schneller geschafft, innerhalb so kurzer Zeit ein derart tiefes und breites Loch zu graben. Wer so hektisch arbeitete, der wusste von einem bestimmten Ziel, das versteckt im Boden lag.

Es dauerte eine knappe Viertelstunde, da hatte er es geschafft. Das Spatenblatt stieß auf einen weichen Widerstand, der zusammenzuckte. Lebte der Widerstand, den die starke Erde bedeckt hatte, möglicherweise?

Davon ging auch die einsame Gestalt aus, obwohl diese Vorstellung schrecklich war. Das Spatenblatt wurde jetzt vorsichtiger geführt. Es stach nicht mehr so direkt in den Boden. Der angesetzte Winkel war flacher, die Lehmklumpen schabten über die glatte Fläche, viel weniger Erde türmte sich zu beiden Seiten der Mulde auf.

Schließlich legte die Gestalt den Spaten zur Seite und tauchte selbst in die Grube. Ihre Hände wühlten weiter, sie räumten die Hindernisse zur Seite, die den vergrabenen Gegenstand noch einsperrten. Wenig später lag er frei.

Diesmal keuchte die Gestalt nicht, sie atmete tief und fest ein. In ihre Augen trat ein ungewöhnlicher Glanz, als würde sich darin das Licht des Mondes widerspiegeln.

Noch tiefer drückte sie den Oberkörper in die Grube. Mit gespreizten Händen griff sie zu. Zunächst fuhren sie über das feuchte glatte Fell des vergrabenen Gegenstandes, danach glitten sie an den Körperseiten hinab und schoben sich unter den Bauch, und zwar so weit, dass dieses Tier auf den Unterarmen liegen konnte.

Aus dem Mund der Gestalt drang ein Keuchen. Es floss in das Loch hinein, als wollte es dem dort Vergrabenen den nötigen Odem einhauchen.

Ein Ruck lief durch den Körper. Die Gestalt hob den Gegenstand aus der Mulde hervor.

Ein tiefes Seufzen durchwehte die Stille. Er klang zufrieden, denn nach einer langen Jagd hatte es der Unbekannte endlich geschafft.

Sehr vorsichtig, als könnte der Gegenstand zerbrechen, wurde er aus dem Loch gehoben und rechts zur Seite gelegt, neben dem kleinen Erdhügel. Die Gestalt drehte sich noch in der Hocke, schaute für einen kurzen Moment ihre Beute an und nickte.

Sie hatte die richtige Stelle gefunden, und vor ihr lag der Fuchs!

Ein relativ schmaler Körper, lang gestreckt, versehen mit einem buschigen Schwanz.

Der Fuchs lag auf der rechten Seite, die Pfoten von sich gestreckt. Er sah aus wie tot, aber das war er nicht. Die Gestalt nickte zugleich, während sie auch den Kopf schüttelte.

Nein, nicht tot …

Mit beiden Handflächen strich sie über das Fell. Sie reinigte es von den letzten Erdkrumen und Lehmbröseln, bevor sie den Fuchs herumdrehte und auf der anderen Seite das gleiche tat.

Erst jetzt war sie zufrieden.

Dann hob sie den Kopf des Tieres an. Die Schnauze war leicht geöffnet, zwischen den beiden Hälften schimmerten die Zähne perlmuttartig. Er hockte jetzt vor dem Tier und schaute gegen seine Augen.

Waren sie tot? Lebten sie?

Jedenfalls sahen sie dunkel aus wie zwei Tümpel und hatten einen schwachen Glanz, ganz so, als wäre der Fuchs noch am Leben, obwohl er tief begraben worden war.

Die Gestalt merkte genau, dass es kein normales Tier war, auf das ihr Blick fiel. Es hatte eine gewisse Kraft, trotz seiner Starre. Diese Kraft steckte tief in ihm, und sie war auch nicht von dieser Welt. Das stimmte.

Der rechte Arm bewegte sich, eine Hand verschwand unter der Kleidung. Sehr schnell wurde sie wieder hervorgezogen, und die Finger umklammerten ein Messer.

Es war eine Klinge, wie es sie nicht oft gab. Jäger oder Wildhüter wurden mit ihr ausgerüstet, aber auch Fallschirmjäger, denn dieses Messer hatte zwei Schneiden, sah etwas plump aus, war nicht so elegant wie ein Stilett, aber für die Aufgabe genau das richtige Werkzeug.

Dann setzte die Gestalt die Klinge an. Sie begann mit ihrer Arbeit in Höhe des Halses und fing an, den Fuchs zu häuten. Sehr schnell und zielsicher setzte sie die Klinge an, der das Fell kaum Widerstand entgegensetzte.

Die Gestalt arbeitete geschickt, als hätte sie nie etwas anderes getan als zu häuten.

Eigentlich hätte der Boden mit dem Blut des Fuchses getränkt werden müssen, was aber kaum der Fall war. Zwar fielen ein paar Tropfen ins Gras, mehr aber geschah nicht. Der Fuchs sah so aus, als wäre er innerlich ausgeblutet, vielleicht sogar verbrannt, durch Kräfte, die anderen Angst einjagten.

Die Gestalt ließ sich nicht beirren. Innerhalb kurzer Zeit hatte sie das Fell vom Körper des Fuchses abgezogen, sodass vor ihr das rohe Fleisch lag.

Doch auch nicht so, wie es hätte sein müssen. Kein dampfendes Blut, kein Geruch, abgesehen von einem leichten Gestank nach Schwefelgasen, was wiederum auf etwas anderes hindeutete.

Nur der Kopf war nicht enthäutet worden. Dort spannten sich Haut und Fell noch über Schnauze und Knochen, und das beließ der Unbekannte auch so.

Er kümmerte sich um den Rest des Fells. Mit der Außenseite nach unten lag das Fell im Gras.

Mit dem Messer maß der Mann die bestimmten Stellen ab. Er markierte sie, maß noch einmal nach, nickte und lächelte ein böses, kaltes Lächeln. Die Größe stimmte.

Dann setzte er das Messer an. Obwohl er seine Finger sehr hart um den Griff geschlossen hatte, sah es beinahe spielerisch leicht aus, wie er die Spitze durch das Fell zog und einen bestimmten Ausschnitt herausschnitt.

Es war ein Rechteck, breiter als lang, und es war für ihn wie geschaffen.

Aus seiner Kehle drang ein tiefes Knurren. Es hörte sich befriedigend an. Lange hatte er gekämpft und gesucht, endlich hatte er es gefunden. Seine weitere Existenz würde durch diesen Fuchs bestimmt werden. Einem Tier, das nur äußerlich so normal aussah, in seinem Inneren jedoch etwas hatte, das mit dem Begriff Seele nicht umschrieben werden konnte, sondern mit dem Begriff Teufelsatem.

Er legte das Messer zur Seite und hob das ausgeschnittene Stück Fell vorsichtig an. Er ließ es auf seinen ausgestreckten Unterarmen liegen, beugte sich vor und drückte seine Arme gleichzeitig in die Höhe, womit er das Fell sehr dicht ans Gesicht brachte.

Mit einem Ruck presste er es dann ganz gegen sein Gesicht.

Er hatte dabei die Augen geschlossen, wollte sich einzig und allein auf das Fell konzentrieren und spürte auch etwas von der Strömung, die es ausatmete.

Es war eine ganz besondere Art. Nur sehr schwer in Worte zu fassen. Ein Duft von Tod und Grauen, der Atem einer fremden, sehr grausamen und bösen Welt.

Ein Hauch von Hölle …

Da waren Gerüche und auch Gedanken innerhalb des Fells, die ihm bisher fremd gewesen waren. Er hatte von ihnen gehört, er hatte über sie gelesen, sich bisher aber nicht vorstellen können, dass dies alles einmal zur Wahrheit werden würde.

Es stimmte, er hatte es hinter sich, er hatte es geschafft. Jetzt gab es keinen Weg mehr zurück.

Kniend, den Oberkörper zurückgedrückt, presste er sich das Fell gegen das Gesicht. Dann rutschten seine Hände daran entlang nach hinten und drückten es im Nacken zusammen.

So etwas Ähnliches wie eine Maske entstand …

Die MASKE!

Er hätte jubeln können, aber er beherrschte sich und konzentrierte sich auf die völlig neuen Kraftströme, die durch seinen Körper tosten, das Blut in Wallung brachten und dafür sorgten, dass er sich immens stark und kräftig fühlte.

Das war noch nicht das Ende. Er stand erst am Beginn, denn es musste noch viel getan werden. Nicht nur die andere Seite brachte etwas ein, er musste ihr ebenfalls einiges von sich geben, und er wusste auch schon, was er der anderen Seite schuldig war.

Er ließ das Fell wieder sinken. Er musste es noch behandeln, durch gewisse Lösungen ziehen, es musste gegerbt werden, damit es die richtige Geschmeidigkeit bekam, und er würde diese Arbeit auch nicht scheuen.

Er strich das Fuchsfell so glatt wie möglich. Dann griff er noch einmal zum Messer. Er tat es mit einer sehr langsamen Bewegung, als müsste er erst noch darüber nachdenken, ob es auch richtig war, was er machte.

Ja, es war richtig. Es gab keinen anderen Weg als diesen. Was hatte er schon zu verlieren? Nichts, er konnte nur gewinnen, wenn er sich auf die Seite des Teufels stellte.

Der Mann beugte sich vor. Gleichzeitig hob er das Messer an, damit sich die Klinge seinem Gesicht nähern konnte. Er legte sie mit der Breitseite gegen die rechte Wange, dann gegen die linke, als wollte er die Kühle des Metalls spüren.

Alles stimmte …

Plötzlich drehte er die Klinge herum. Nicht mehr die breite, jetzt berührte die schmale, scharfe Seite des Messers seine Wangenhaut und bekam den nötigen Druck.

Eine Wunde entstand, und Blut quoll hervor. Der Mann sah, wie es auf das Fell fiel, wo sich die einzelnen Tropfen ausbreiteten und zu Flecken wurden, die er zudem noch mit den Fingerkuppen verrieb, damit eine möglichst große Fläche des Fells von seinem Lebenssaft getränkt wurde.

Sein Blut und die unheimliche, uralte Kraft des Fuchses …

Es war für ihn wunderbar. Er lächelte, obwohl sein Gesicht brannte, als würden Flammen über die Haut streichen. Er hatte sich mehr als eine Wunde zugefügt. Auf den Wangen, an der Stirn, am Kinn, nur die Lippen hatte er verschont beim Aufschneiden seines Gesichts. Das Blut konnte ins Freie rinnen.

Es war fast der letzte Schritt vor seiner Verwandlung. Wenn er das Fell entsprechend behandelt hatte, würde er zu dem werden, was er sein wollte.

Die MASKE!

Gibt es Engel? Oder anders gefragt: Engel, gibt es die tatsächlich? Natürlich gab es eine Definition des Begriffs, denn er stammte aus dem Griechischen von angelos – Bote. Im christlichen Glauben sind die Engel Mittlerwesen zwischen Gott und den Mensch. Als Boten Gottes werden sie zu den Menschen geschickt, um entweder etwas anzukündigen oder sie zu warnen.

Es gibt unter den Engeln regelrechte Hierarchien, und die Frage, die ich mir stellte, war für mich relativ leicht zu beantworten, denn ich wusste, dass es Engel gab.

Schließlich waren an den Rändern meines Kreuzes die Anfangsbuchstaben der vier Erzengel eingraviert, und diese Wesen waren auch mir schon mehr als einmal zu Hilfe gekommen.

Ich bin nicht der Einzige, der sich schon die anfangs erwähnte Frage gestellt hat. Ein jeder von Ihnen wird sich mit ihr beschäftigt und wohl seine eigene Definition für den Begriff Engel gefunden haben.

Feinstofflich, nicht körperlich, wundersame und wunderbare Wesen, Mittler zwischen Himmel und Erde.

So ähnlich sah ich es auch, nur musste ich mich jetzt selbst korrigieren, denn ich hatte einen nicht feinstofflichen Engel gefunden.

Es war kein typischer »Hollywood-Engel«, er war auch nicht langbeinig, nein, dieser Engel lebte in einem Kloster und war eine Nonne, die auf den Namen Innocencia hörte und die aus dem Halbdämmer des langen Gangs außerhalb der Mauern erschien wie ein Geist.

Ich stand da, ohne mich zu rühren. Aus dem Klostergarten wehte mir der Geruch von Kräutern und Blumen entgegen. Irgendwo plätscherte das Wasser eines kleinen Brunnens. Andere Nonnen durchschritten den Garten über schmale Wege, ohne dass ich etwas davon mitbekam, denn sie gingen lautlos.

Wie die Nonne, die mich herbestellt und um ein Gespräch gebeten hatte.

Die weiße Haube und die etwas dunklere Kleidung ließ sie sehr streng erscheinen, was sich allerdings nicht auf das Gesicht übertrug, das mir so engelhaft rein erschien. So fein geschnitten, beinahe schon fragil aussehend, bei einem Mann Beschützerinstinkte weckend, wobei ich keine Ausnahme machte und sie am liebsten in die Arme geschlossen hätte, um die Widrigkeiten dieser Welt von ihr fernzuhalten.

Wie kleine, klare Seen wirkten die blauen Augen in ihrem Gesicht. Darüber hatten die Brauen einen schon fast kühnen Schwung. Sie waren nicht nachgezeichnet, so wie auch die Lippen ein natürliches Rot zeigten.

Diese junge Nonne strahlte eine derartige Ruhe und innere Heiterkeit aus, dass ich sie nur bewundern konnte. Die nahm das Leben bestimmt nicht so schwer wie ich, und ich vergaß auch alle Geschichten von erdrückenden Klostermauern, unter denen die Nonnen, hauptsächlich die jüngeren, zu leiden hätten. Ich brauchte diese junge Frau nur anzusehen, um all das Lügen zu strafen.

Innocencia blieb vor mir stehen und lächelte. Vielleicht auch spöttisch, wer konnte das sagen. Möglicherweise hatte sie mein zu langes Starren bemerkt, aber ich hatte nicht anders gekonnt.

»Mister Sinclair?«

Ich räusperte mich, schluckte, nickte und brachte endlich ein »Ja, das bin ich« hervor.

»Ich freue mich.«

Sie streckte mir ihre Hand entgegen. Sehr feingliedrig. Ich umfasste sie vorsichtig. Im nächsten Augenblick wunderte ich mich über ihren festen Druck.

Meine Mundwinkel zuckten, und ich muss noch immer dämlich aus der Wäsche geschaut haben, denn Innocencia schüttelte den Kopf. »Was haben Sie denn, Mister Sinclair?«

»Das ist schwer zu sagen.«

Sie löste ihre Hand aus der meinen. »Ich glaube, dass es an mir liegt, nicht wahr?«

Sie hatte mich durchschaut, daher hatte es keinen Zweck, es nicht zuzugeben. Ich nickte. »Ja, es liegt an Ihnen. Es ist tatsächlich so gewesen.«

Die Nonne schüttelte leicht den Kopf. »Aber warum?«, fragte sie. »Habe ich etwas an mir?«

»Nein«, antwortete ich schnell, »das auf keinen Fall. Ich denke da eher an das Gegenteil.«

Jetzt lachte sie. »Ja, ich kenne das. Sie werden sich nun fragen, was eine junge Person wie ich hinter Klostermauern zu suchen hat, nicht wahr?«

»Ja, so ist es.«

»Wissen Sie, Mister Sinclair. Jeder Mensch verspürt in seinem Leben eine gewisse Berufung. Ihre ist es, das Böse auszuschalten. Ich beschäftige mich beinahe mit den gleichen Problemen, wenn ich es auch etwas anders angehe. Ich bete, dass das Böse nicht überhandnimmt, und handle auch manchmal entsprechend. So wie bei Ihnen, Mister Sinclair.«

»Ach ja?«

»Sicher, Mister Sinclair. Oder hätte ich mich sonst mit Ihnen in Verbindung gesetzt?«

»Das stimmt.«

»Sehen Sie.«

»Sie haben mich also zu Ihnen bestellt, weil es um das Böse geht. Liege ich da richtig?«

»Ja.«

»Und worum geht es genau?«

Die Nonne drehte sich zur Seite und schaute in den blühenden und gepflegten Garten, in dem auch einige Bänke standen, auf denen man wunderbar sitzen, reden oder sich ausruhen konnte. »Lassen Sie uns in den Garten gehen, bitte.«

»Gern.«

»Wissen Sie, ich habe eine Lieblingsbank. Die möchte ich Ihnen zeigen.«

»Dort sind wir ungestört?«

»Selbstverständlich.«

Es war ein wunderschöner Abend, besonders hier auf dem Lande, denn das Kloster lag abseits von der Hektik der großen Städte. Ich war mit einer gewissen Skepsis im Herzen hergefahren, die allerdings war nun gewichen.

Es mochte zum Großteil auch an der jungen Nonne liegen, die ich vom Alter her auf ungefähr fünfundzwanzig schätzte und die mich in ihrer hellen Kleidung tatsächlich an einen Engel mit wallendem Gewand erinnerte.

Wir gingen sehr langsam nebeneinander her. Innocencia erklärte mir den Garten. Sie konnte jede Blume benennen, sie wusste ebenso über die Kräuter Bescheid, und sie erzählte mir, dass zum Kloster noch ein Nutzgarten gehörte, wo Kartoffeln und Gemüse angebaut wurden, auf rein biologischer Basis, denn man ernährte sich hier autark.

»Unsere Obstbäume sind übrigens eine wahre Pracht«, erklärte sie mir. »So etwas von Kirschen werden Sie in Ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen haben.«

»Das glaube ich Ihnen. Aber freuen sich über diese Beute nicht auch die Vögel?«

»Leider.«

»Was machen Sie dagegen?«

Die Nonne lachte hell auf und legte mir eine Hand auf den Unterarm. »Nicht das, was Sie denken, Mister Sinclair. Hier wird kein Tier getötet. Alle sind Geschöpfe Gottes.«

»Wie sieht es denn mit Stechmücken aus?«, fragte ich ein wenig hinterlistig.

»Auch bei uns gibt es Ausnahmen, Mister Sinclair.«

Na, dachte ich, da sind die frommen Frauen wohl doch nicht so vom Weltlichen ab.

Über die sehr gepflegten, mit kleinen Kieseln bedeckten Wege schritten wir tiefer in den Garten. Im Schutz einer dunkelgrünen Hecke stand eine weiße Bank, die zwei Personen Platz bot. Die Nonne steuerte darauf zu und ließ sich als Erste nieder.

»Bitte, Mister Sinclair.«

Ich setzte mich neben sie, streckte die Beine aus und schaute in den Garten. Dabei sah ich auch die wuchtigen Mauern des Klosters und den nach vier Seiten hin offenen Glockenturm der kleinen Kapelle, die alle Gebäude überragten.

Schwester Innocencia hatte die Hände übereinander auf die Oberschenkel gelegt. »Es ist wunderschön hier, nicht wahr?«

Das war schon mehr eine Feststellung, der ich nur zustimmen konnte.

»Aber kein Licht ohne Schatten«, sagte sie, »kein Tag ohne Nacht, kein Sommer ohne Winter …«

»Keine Freude ohne Trauer, nichts Gutes ohne das Böse«, ergänzte ich und sah ihr Nicken.

»Ja, Sie haben recht.«

»Geht es um das Böse?«, fragte ich.