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Jericho
Jericho hieß die Stadt in der Gila-Wüste in Arizona. Und Jericho hieß auch der Mann, der sie beherrschte. Er behauptete, ein Prophet zu sein, doch wer nicht für ihn war oder sich ihm gar widersetzte, musste sterben. Als uns unser Freund, der FBI-Agent Abe Douglas, um Hilfe bei seinen Ermittlungen bat, bekamen Suko und ich schnell heraus, dass Jericho kein Mensch war, sondern ein grausamer Dämon, der die Albträume seiner "Jünger" zur Realität werden ließ.
Und in einen dieser Albträume verschlug es meinen Partner und mich ...
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Seitenzahl: 163
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Jericho
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Jim Warren/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8859-6
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.
Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung.
Jericho
von Jason Dark
Jericho hieß die Stadt in der Gila-Wüste in Arizona. Und Jericho hieß auch der Mann, der sie beherrschte. Er behauptete, ein Prophet zu sein, doch wer nicht für ihn war oder sich ihm gar widersetzte, musste sterben. Als uns unser Freund, der FBI-Agent Abe Douglas, um Hilfe bei seinen Ermittlungen bat, bekamen Suko und ich schnell heraus, dass Jericho kein Mensch war, sondern ein grausamer Dämon, der die Albträume seiner »Jünger« zur Realität werden ließ.
Und in einen dieser Albträume verschlug es meinen Partner und mich …
Das Foto im genau richtigen Augenblick zu schießen, war für D. D. Eißler mit einem unglaublichen Glücksgefühl verbunden.
Eißler kannte das. Oft genug hatte er es erlebt.
Er ging dorthin, wo etwas los war. Er kannte alle Tricks, er bestach, er war freundlich, er tobte, und seine Bilder wurden hoch gehandelt, die großen Magazine rissen sich um sie. Er bekam die höchsten Honorare plus Gefahrenzulage, denn wo er im Einsatz war, herrschte Lebensgefahr. Dennoch war es ihm bisher unmöglich gewesen, einige bestimmte Personen auf ein Bild zu bannen.
Seit mehr als drei Jahren lief D. D. Eißler einem Traum hinterher. Er wollte die großen Vier der USA zusammen auf ein Foto bekommen. Vier Männer, vier Wirtschaftsfürsten. Manche behaupteten, es seien Verbrecher. Mächtig waren sie ja, und Geld hatten sie auch. Es ging das Gerücht um, dass sie sich einmal im Jahr trafen, stets an einem geheim gehaltenen Ort. Dort besprachen sie das Vorgehen für die folgenden zwölf Monate. Diese Männer mit Geld, Macht und Einfluss arbeiteten im geheimen. Da konnten sie lenken und steuern. Auf manchen Insider wirkte der Klang ihrer Namen wie Hammerschläge, und nicht wenigen trieb er den Schweiß auf die Stirnen.
Sie stammten aus verschiedenen Branchen, doch Geldes und Macht führten sie immer wieder zusammen. Die Treffen liefen geheim ab. Nur wenige wussten, wo sie stattfanden, und Fotos hatte es von diesen Treffen noch nie gegeben.
In diesem Jahr aber bestand die Chance, dass D. D. Eißler dies änderte, und die wollte er beim Schopf packen.
Den Tipp hatte er von einem Bekannten bekommen, einem Mann, der beim FBI tätig war. Der hatte ihm geraten, nach Maine zu fahren und sich dort im Park einer bestimmten Villa auf die Lauer zu legen.
Das hatte Eißler getan. Aber nicht hinter einem Gebüsch, nein, er hatte sich eingegraben, eine kleine Höhle geschaffen, sich Lebensmittel besorgt und dann abgewartet.
So geheim die Treffen auch waren, so schnell wurden sie vorbereitet. Keine großen Aktionen. Man mietete über einen Strohmann eine Villa, und in diesem Jahr war es eine in Maine. Man kam, redete und ging nach einigen Stunden wieder auseinander.
Natürlich gab es Leibwächter, diese wiederum blieben im Park und drehten ihre Runden.
Der Fotograf wusste, dass die Leibwächter auf Hunde verzichteten, und so wuchsen seine Chancen, nicht entdeckt zu werden.
Am Abend vor dem Treffen hatte er noch seinen Kontaktmann angerufen und von ihm erfahren, dass es klappen würde. Es gab keinerlei Probleme, was das Treffen anbetraf.
Die letzten Stunden in seinem Erdloch auszuhalten, war ihm schwergefallen. Eißler kam sein autogenes Training zugute. So konnte er die Zeit einigermaßen gut überstehen. Zudem überprüfte er regelmäßig seine Ausrüstung und dachte dabei immer an den Erfolg, der ihm bevorstand.
Irgendwann am späten Vormittag tauchten sie auf. Die Leibwächter zuerst. Wie Eißler es sich gedacht hatte, durchsuchten die Männer den Park. Sie verteilten sich. Eißler hörte sie rufen, während er sich tief in sein Loch geduckt hatte.
Wenn er die Klappe mit dem Rasenstück darauf, unter der er sich verbarg, hochdrückte, hatte er einen wunderbaren Blick auf die große Freitreppe, auf der die vier Mächtigen erscheinen würden. Dann wollte er zuschlagen, also Fotos schießen. Seine Kamera gehörte zu den besten der Welt. Ein Präzisionsinstrument, das allerhöchsten Ansprüchen genügte.
Manchmal kamen die Männer so dicht an seinem Versteck vorbei, dass er den dumpfen Klang ihrer Schritte vernahm. Nie aber betraten sie die mit Gras abgedeckte Platte, die sich zudem hinter einem Busch befand. Die Bodyguards drehten mehrere Runden, waren zufrieden und gaben per Sprechfunk die Nachrichten weiter.
Trotzdem dauerte es noch eine Stunde, bis die großen Vier eintrafen. In der Zwischenzeit schwitzte Eißler in seinem Loch. Wie Bachwasser rann der Schweiß über sein Gesicht. Die Kleidung klebte auf seiner Haut. Das Gesicht war verschmiert, die Luft verdammt mies, aber er hielt durch. D. D. dachte wieder an den phänomenalen Erfolg, der ihm bei einer Veröffentlichung der Fotos zuteilwerden würde.
Vier Mächtige, viermal die Mafia oder Mitglieder anderer Syndikate. So genau wusste das niemand. Jedenfalls steckten diese Typen ihre Finger in alle möglichen Geschäfte. Offiziell legal, inoffiziell nicht. Man hatte ihnen bisher jedoch keine Verbindungen zueinander nachweisen können. Wenn sie zusammen auf einem Foto zu sehen waren, konnte man dies als einen ersten Schritt ansehen.
Die Zeit verstrich. Längst hockten die Typen in der Villa zusammen. Durch einen schmalen Kanal strömte Luft in das Versteck des Fotografen. Zu wenig, um richtig durchatmen zu können. Die Hitze in dem engen Raum war fast unmenschlich zu nennen. Wenn Eißler Atem holte, hatte er das Gefühl, seinen Mund mit einem klebrigen Schleim zu füllen.
Nach weiteren zwei Stunden riskierte D. D. es und hob das Grasrechteck um eine Idee an.
Wenn einer der Leibwächter direkt in seiner Nähe stand, würden sie ihn erschießen und gleich in dem Loch liegen lassen. Aber es war keiner da. Am Haus sah er zwei von ihnen stehen. Sie unterhielten sich und gaben sich sehr lässig, wobei nicht einmal Schusswaffen offen an ihnen zu sehen waren.
Der Winkel war günstig. Am Nachmittag fluteten die Strahlen der Sonne auf die große Freitreppe und ließen sie aussehen wie in Gold gebadet. D. D. Eißler schaute durch den Sucher der Kamera. Er nickte zufrieden. Einen besseren Winkel hätte er sich nicht wünschen können. Jetzt brauchten die Kerle nur zu kommen.
Er tauchte wieder weg, wartete und spitzte natürlich die Ohren. Sobald im Garten Unruhe entstand, wollte er die Klappe wieder öffnen. Er empfand wieder die Spannung. Es konnte sich höchstens noch um eine halbe Stunde handeln, dann war es soweit.
Eißler irrte sich. Die großen Vier hatten ihre Besprechung früher beendet. Die Reaktionen der Bodyguards verrieten ihm dies. Er hörte die Männer reden und laufen. Jetzt musste er es wieder riskieren, hob die Klappe an. Die Szene hatte sich verändert. Zwar standen die vier Mächtigen noch nicht auf der Treppe, aber ihre Leibwächter hatten sich bereits dicht davor aufgebaut und schauten die Stufen hoch zu diesem prächtigen Eingang hin mit der geschnitzten Holztür.
Eißler hatte seine Kamera längst schussbereit und die Klappe mit dem Rasenstück festgestellt.
Einer der Männer sprach in ein Walkie-Talkie, bevor er den anderen zunickte.
Die schauten hoch zur Tür. Ein fünfter Mann ließ den Blick durch den Garten streifen, der menschenleer vor ihm lag. Nur die Vögel zwitscherten ihre fröhlichen Lieder.
Wieder vergingen Sekunden.
Eißler kümmerte sich nicht mehr um den Schweiß auf seinem Gesicht. Er lag so ruhig wie ein Toter, war angespannt und cool zugleich, denn der große Augenblick stand dicht bevor.
Einer der dunkel gekleideten Bodyguards lief hoch und öffnete die Tür von außen.
Eißler atmete tief durch. Er hatte den Eindruck, von seinem Versteck aus in eine andere Welt zu schauen, in der sich jetzt etwas bewegte.
Vier Männer schritten zum Ausgang. Schon jetzt drückte Eißler auf den Auslöser.
Die Kamera arbeitete automatisch. Ein Motor transportierte den Film rasch weiter.
Sie erschienen zusammen, als wären sie die besten Freunde. Da stand ganz rechts der Mann aus Costa Rica. Klein, dunkelhäutig, oft unterschätzt und brandgefährlich. Angeblich wusste er, wo die besten Killer zu kaufen waren.
Neben ihm stand der Ire. Offiziell Gewerkschafter, ein Star in Chicago, aber in der letzten Zeit immer mehr ins Zwielicht geraten. Dem Aussehen nach hatte er etwas von dem jungen Burt Lancaster.
Tino Baggio war auch da. Sein Name stand für italienische Teigwaren. Andere hielten ihn für einen der größten Waffenhändler des Kontinents.
Blieb der Vierte.
Um ihn rankten sich Legenden. Niemand wusste genau, wie er hieß. Fachleuten war er unter dem Namen Jericho bekannt.
Er musste eine Vorliebe für schwarze Kleidung haben, denn die trug er selbst bei dieser Hitze. Das Gesicht lag im Schatten eines ungewöhnlich anmutenden Huts, der nach oben hin spitz zulief.
Eißler fotografierte mit dem Teleobjektiv, holte die vier Gestalten sehr nahe heran und merkte plötzlich, dass sich Jericho anders benahm. Er ging vor, als wollte er in den Garten hineinschnuppern.
Hatte er etwas bemerkt? War er misstrauisch geworden? Eißler wusste es nicht, er wollte aber auf Nummer sicher gehen und zog sich deshalb vorsichtig zurück. Bis dahin hatte die Kamera mehr als dreißig Aufnahmen geschossen, das musste reichen.
In der Höhle war es stickig. D. D. hörte sein Herz schlagen. Jetzt kam es darauf an, ob dieser Jericho wirklich nichts gesehen hatte. Wenn ja, dann war Eißler verloren.
Die folgenden Sekunden dehnten sich. Länger und länger wurden sie. Das Trommeln in seiner Brust wollte nicht aufhören. Er fühlte sich wie aufgeputscht. Sein Hals war trocken.
Dann hörte er die Schritte.
Gefährlich nahe passierten sie sein Versteck. Auf dem Rücken lag eine dicke Gänsehaut. Er war nahe daran zu beten, was er seit Jahren nicht mehr gemacht hatte.
Gingen sie alle vorbei?
Ja, es passierte nichts.
Als er das Geräusch eines anspringenden Motors vernahm, hätte er vor Freude jubeln können. Doch er riss sich zusammen und dachte daran, dass er noch einige Stunden abwarten musste, um richtig feiern zu können.
Eine Stunde ließ D. D. Eißler sich Zeit. Erst dann drückte er die Klappe nach oben und kletterte aus dem Versteck. Seine Beine waren steif geworden. In den Schultergelenken verspürte er das Ziehen, auf seinem Gesicht lag eine Mischung aus Schweiß und Dreck, und er fühlte sich wie ein Soldat, der einige Tage in einem Schützengraben verbracht hatte.
Aber er hatte es geschafft! Ihm war es gelungen, was keiner vor ihm gebracht hatte.
Die mächtigen Vier auf einem Foto!
In seinem Kopf hörte er bereits das Rascheln der Scheine. Dieses Foto würde ihm ein kleines Vermögen bringen. Damit konnte er sich zunächst einmal für zwei Jahre aus dem Geschäft zurückziehen, bis Gras über die Veröffentlichungen gewachsen war. Denn da gab es noch Zweit- und Drittrechte zu verkaufen, was auch wieder Geld einbrachte. Und sein Bekannter vom FBI würde ebenfalls jubeln und nicht vergessen, wer ihm den Gefallen getan hatte.
Alles war optimal verlaufen. Oder fast optimal, denn er hatte den Blick dieses Mannes namens Jericho nicht vergessen. Der musste einfach etwas bemerkt haben, und D. D. fragte sich, weshalb er nichts unternommen hatte. Oder würde er noch zuschlagen?
Er kletterte über die hohe Mauer, sprang auf der anderen Seite wieder zu Boden, überquerte die einsame Straße und lief hinein in den Wald, wo er seinen Wagen abgestellt hatte. Es war ein sportlicher Mazda, feuerrot, mit breiten Reifen. Ein Wagen, der auffiel.
Er war erschöpft, müde, aber er fuhr trotzdem bis in die nächstgrößere Stadt, wo er sich in einem Motel einquartierte, erst einmal duschte und dann in New York anrief.
Dort meldete sich ein gewisser Abe Douglas.
D. D. Eißler lachte. »Ich hab sie!«
»Die Fotos?«
»Klar, Abe.«
»Sind sie etwas geworden?«
»Nicht so eilig, Abe. Ich muss sie erst noch entwickeln.«
»Okay, soll ich kommen?«
»Nicht nötig. Ich werde schlafen und am nächsten Tag weiter nach New York fahren. Dort entwickle ich die Fotos dann in meinem Labor. Anschließend sage ich Ihnen Bescheid.«
Douglas überlegte. »Meinen Sie, dass das gut ist?«
»Weshalb nicht?«
»Nun ja, ich finde, dass Sie so schnell wie möglich kommen sollten. Die Aufnahmen sind brisant und …«
»Hören Sie, Abe, ich bin kein heuriger Hase. Man hat mich nicht gesehen.« Er lachte. »Ich war perfekt wie immer, Abe.«
»Wie Sie meinen.«
»Ich melde mich aus New York.«
»Viel Glück.«
»Danke, Abe. Und stellen Sie den Champagner schon mal kalt!«
»Mache ich gern.«
Eißler legte auf. Nur mit seiner Unterhose bekleidet nahm er auf der Bettkante Platz und rauchte eine Zigarette. Er war ein schmaler, schlanker Typ mit grauen Haaren, die er immer lang wachsen ließ, sodass sie die Ohren wärmen konnten. Andere sahen mit fünfunddreißig vielleicht jünger aus, Eißler nicht. Das harte Leben, der Stress, die Aufregungen hatten Spuren hinterlassen. Manchmal kam er sich vor wie jemand, der immer auf der Flucht war.
Er drückte die Zigarette aus. Vom Fenster aus konnte er auf den Highway schauen. Allmählich setzte die Dämmerung ein. Die Autos fuhren bereits mit Licht.
Bäume schirmten die Motelanlage ab. Deshalb war der Straßenlärm nur schwach zu hören.
Aus dem Kühlschrank holte er sich eine Dose Bier. Mit einem Zug trank er sie leer. Danach spürte er die Müdigkeit wie flüssiges Blei durch seine Knochen rinnen.
Als er sich hinlegen wollte, kam ihm etwas noch in den Sinn, als er seine Kamera liegen sah. Der Film brauchte nicht im Gehäuse zu bleiben. Er nahm ihn raus und verstaute ihn unter dem Kopfkissen.
Da die Aircondition nicht richtig funktionierte, war es ziemlich heiß. Jede Bewegung war zu viel. D. D. Eißler ließ sich rücklings auf das Bett fallen.
Die letzten Tage waren verflucht hart gewesen. Den Tribut zahlte er jetzt. Fast übergangslos schlief er ein.
☆
Eißler gehörte zu den Menschen, die auch im Schlaf unter einer gewissen Spannung standen.
Fremde Geräusche weckten ihn stets. Was ihn in dieser Nacht im Motelbett geweckt hatte, wusste er jedoch nicht. Vielleicht war es tatsächlich ein Geräusch gewesen, möglicherweise nur das Gefühl, bedroht zu werden.
Jedenfalls schreckte er hoch.
Sofort setzte er sich hin, wusste im ersten Moment nicht genau, wo er sich befand, bis die Erinnerung zurückkehrte.
Im Zimmer war es still. Seinen eigenen Atem vernahm er schon, ansonsten kein Geräusch. Eigentlich hätte er zufrieden sein können, er war es aber nicht.
Warum war er hochgeschreckt?
Der Griff zur Nachttischleuchte, der kurze Druck auf den Knopf – und das Erschrecken, weil die Lampe dunkel blieb. Der Strom musste ausgefallen sein.
Eißlers Herz schlug schneller als sonst. Er dachte an das, was hinter ihm lag. Es hatte geklappt, aber er hatte auch nicht den Blick von diesem Jericho vergessen.
D. D. stand auf. Links von ihm lag das Fensterrechteck. Im Park brannten die Lichter. Ihr Schein reichte aber nicht aus, um das Zimmer zu erhellen.
Als er auf das Fenster zuging und zwei Schritte davor stehen blieb, traf ihn der nächste Schock.
Es stand offen!
Jemand musste eingestiegen sein, während er geschlafen hatte. Seine Überraschung dauerte nur Sekunden, dann hatte er sich gefangen und entfaltete eine fieberhafte Hektik.
Er dachte sofort an seine Kamera. Im Licht einer Zündholzflamme durchsuchte er den Raum und fand die Stelle, wo er die Kamera hatte liegen lassen.
Weg, gestohlen …
Also hat man dich doch entdeckt, dachte er. Dein Gefühl hat dich nicht getrogen.
Was tun?
D. D. entschied sich sehr schnell. Einige Stunden Schlaf lagen hinter ihm. Bis der Dieb merkte, dass er eine leere Kamera gestohlen hatte, würde Zeit vergehen, die Eißler unbedingt nutzen musste. Innerhalb von sechzig Sekunden hatte er gepackt. Der wichtige Film lag nach wie vor unter dem Kopfkissen. Mit einem kalten Lächeln auf dem Gesicht nahm er ihn an sich.
Den hatten sie nicht gefunden. Nur gut, dass er so misstrauisch war. Das hatte sich mal wieder ausgezahlt.
Dennoch blieb die Angst. Da war jemand hinter ihm her. Und dieser Jemand musste Jericho sein, der geheimnisvolle Fremde, der Schwarzgekleidete, ein Mann wie ein Teufel.
Bestimmt war er nicht selbst erschienen, um den Apparat zu stehlen, da hatte er seine Leute. Wenn Eißler darüber nachdachte, wie haarscharf er dem Tod entwichen war, bekam er eine Gänsehaut. Für die andere Seite war zunächst der Film wichtig. Aber auch für ihn, deshalb wollte er so rasch wie möglich nach New York, um ihn dort zu entwickeln. Anschließend konnten ihn Douglas und seine Kollegen vom FBI beschützen.
Die Rezeption war besetzt. Aber der Mann dahinter schlief. Eißler weckte ihn und zahlte.
»Jetzt wollen Sie weg?«
»Ja.«
»Dann gute Fahrt.«
»Danke.« Eißler wollte schon gehen, drehte sich aber noch einmal um. »Pardon, Sie haben nicht zufällig einen Fremden auf dem Gelände hier gesehen, Mister?«
Der Mann blinzelte müde. »Nein, hab ich nicht. Wieso?«
»Schon gut.«
Der Portier hob die Schultern und schaute achselzuckend zu, wie der Gast das Haus verließ.
D. D. Eißler hatte seinen Wagen etwas abseits geparkt. So wie es aussah, hatte sich niemand daran zu schaffen gemacht. Vollgetankt war er, und Eißler stieg ein.
Das kalte Gefühl der Furcht klammerte sich in seinem Nacken fest. Es war keinesfalls gewichen, auch wenn er keinen Häscher sah, der ihm auf den Fersen war.
Eine Minute nach dem Start hatte Eißler den Highway erreicht. Dort drehte er auf und kümmerte sich einen Teufel um das Tempolimit. Für ihn war wichtig, New York zu erreichen, danach würde er weitersehen. Er achtete auf Verfolger, konnte aber keine entdecken. Zwar blitzten hinter ihm zahlreiche Scheinwerferpaare auf, aber das war normal.
Nur bis New York, dachte er, nur bis New York. Dann ist alles klar.
Und Eißler erreichte die Stadt, ohne dass ihm ein Haar gekrümmt worden wäre …
☆
Seine Wohnung lag in Manhattan, nicht gerade im Trump Tower, aber auch nicht weit davon entfernt, in einer sehr exklusiven Lage. Bei seinen Einkünften fiel es ihm nicht schwer. Er hatte sogar zwei Apartments gemietet. In den einen wohnte er, in dem zweiten befand sich sein Arbeitsplatz, das Labor und die Dunkelkammer.
Am Morgen hatte er New York erreicht, noch vor dem einsetzenden Berufsverkehr.
Bleigrau lag der Himmel über der Metropole. Es war fürchterlich schwül geworden. Die Straßenschluchten glichen mehr Backöfen, und wenn die Menschen die Häuser verließen, brach ihnen der Schweiß in Strömen aus. Wind wehte kaum, da hielten sich die Abgase zwischen den Hauswänden und gefährdeten die Gesundheit der Menschen.
D. D. Eißler spürte davon nichts.
Sein Apartment war clean, hier funktionierte auch die Aircondition. Zu essen hatte er im Kühlschrank auch noch etwas gefunden, auch wenn es nur kaltes Fleisch war, aber das musste reichen.
Der Film lag bereits in der Dunkelkammer. D. D. aber saß in seiner futuristisch eingerichteten Wohnung, das drahtlose Telefon in der Hand, und tippte die Nummer von G-man Abe Douglas.
Er war schon im Büro, klang ziemlich gehetzt und hatte den Laden wohl gerade betreten.
»Ich bin es, Abe.«
»Ho, schon auf Tour?«
»Nicht mehr, schon in New York.«
»Wieso, ich …?«
»Ich musste einfach verschwinden. Man hat in der Nacht in meinem Zimmer eingebrochen und den Fotoapparat gestohlen.«
»Verdammt, dann war alles umsonst!«
D. D. Eißler lachte und strich sich durch die graue Mähne. »Nein, nein, ich bin ja schlauer gewesen und habe den Film vorher entfernt. Die Diebe sind also mit der leeren Kamera verschwunden.«
Da lachte auch Douglas. »Haben Sie denn den Film schon entwickelt?«
»Noch nicht.«
»Wann?«
»Wollen Sie dabei sein?«
»Ich kann erst in einer Stunde kommen. Unser Chef hat eine Konferenz angesagt.«
»Gut, dann mache ich es ohne Sie.«
»Einverstanden. Rufen Sie an, wenn Sie fertig sind?«
»Geht in Ordnung.«
»Viel Glück.«
Eißler pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn, trank noch einen Schluck Milch, dann verschwand er in seinen Arbeitsräumen, die topmodern eingerichtet worden waren.