John Sinclair Sonder-Edition 124 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 124 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Es war tiefe Nacht, als Frank Bristol durch den verwilderten Park seiner Villa schlich. Mit beiden Händen umklammerte er den Stiel der Axt. Mit der würde er sie töten, sie zerhacken, sie vernichten ‒ Julia, das Kindermädchen! Denn sie stellte eine Gefahr für die ganze Familie dar. Vor allem für Kevin, dem dreijährigen Sohn der Bristols! Julia war ein Monster, ein dämonisches Wesen, das wusste Frank genau!
Was er nicht wusste und nicht ahnen konnte, war, dass es eine Verbindung zwischen Julia und dem untergegangenen Kontinent Atlantis gab. Und dass Atlantis bald in London auftauchen sollte!

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Atlantis in London

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9280-7

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.

Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung.

Atlantis in London

von Jason Dark

Es war tiefe Nacht, als Frank Bristol durch den verwilderten Park seiner Villa schlich. Mit beiden Händen umklammerte er den Stiel der Axt. Mit der würde er sie töten, sie zerhacken, sie vernichten – Julia, das Kindermädchen! Denn sie stellte eine Gefahr für die ganze Familie dar. Vor allem für Kevin, den dreijährigen Sohn der Bristols! Julia war ein Monster, ein dämonisches Wesen, das wusste Frank genau!

Was er nicht wusste und nicht ahnen konnte, war, dass es eine Verbindung zwischen Julia und dem untergegangenen Kontinent Atlantis gab. Und dass Atlantis bald in London auftauchen sollte!

»Schneller, John. Verdammt, du musst schneller fahren!« Bill Conollys Stimme war nur mehr ein Keuchen. »Wir kommen sonst zu spät und finden nur noch Leichen vor.« Seine Stimme sackte noch weiter ab. »Sie bringt alle um, John. Alle bringt sie um …«

Ich tat mein Bestes, der Wagen tat es ebenfalls, als er schattengleich durch die Dunkelheit raste, der Lichtfülle der Scheinwerfer folgend, die dem Buschwerk rechts und links der schmalen Straße einen bleichen, geisterhaften Glanz verliehen.

Ich wusste, dass es nicht nur auf jede Minute, sondern auch auf jede Sekunde ankam. Erreichten wir das Ziel zu spät, würde der Tod blutige Ernte halten …

Frank Bristol hetzte durch den nachtdunklen Garten. Er gehörte zu seinem Grundstück, und Frank hatte ihn als super empfunden, weil er nicht in eine so klinisch perfekte Parklandschaft verwandelt worden war. Aber zu dieser Stunde verfluchte er ihn. Da kam ihm der Garten vor wie ein gewaltiges Gefängnis, das aus zahlreichen Gittern und Sperren bestand, die sich ihm in den Weg stellten und es manchmal sehr schwermachten, weiterzukommen.

Bristol wusste, dass sich die Person hier auf dem Grundstück versteckt hielt. Sie hatte Platz genug, es gab genügend Deckung. Und sie hatte ihn nach draußen gelockt.

Frank blieb stehen. Das Haar war ihm in die Stirn gefallen, er schob es zurück. Gleichzeitig ärgerte er sich über seinen eigenen Atem, der einfach zu laut war. Jeder konnte ihn in der sonst nächtlichen Stille hören.

In der rechten Hand hielt er eine Axt. Die Taschenlampe steckte im Gürtel. Sie wollte er nur in Notfällen einsetzen, die Axt aber war wichtig. Damit konnte er sich nicht nur den Weg freischlagen, er würde die Person auch damit in Stücke hacken können, wenn sie ihm über den Weg lief oder er sie endlich fand.

Viel lieber hätte er sich auf eine Schusswaffe verlassen. Die hatte er leider nicht. Frank hatte sie nie gemocht, ein Fehler, wie er nun zugeben musste.

Die Nacht war verdammt dunkel. Sie kam ihm noch finsterer vor als sonst, was auch an seinen überreizten Nerven liegen konnte, denn er fühlte sich innerlich aufgeputscht.

Wo steckte sie? Kannte sie einen bestimmten Platz, an dem sie sich verbarg? Lange genug war sie im Haus gewesen, um sich dementsprechend orientieren zu können. Sie hatte ihre Netze geworfen, in denen sich die Bristols verfangen hatten.

Damit war Schluss. Er würde das verfluchte Netz zerreißen.

Der Wind strich über ihn hinweg. Für einen Moment hob er den Kopf. Das Geäst malte sich über ihm wie ein kahles Gerippe ab. Die Natur schlief noch, erst in einigen Wochen würde sie erwachen und das erste Grün sprießen lassen.

Der Wald war winterlich tot. Brach und blank, noch gezeichnet von den letzten Stürmen des vergangenen Winters, als die Bäume umknickten wie Streichhölzer.

Frank Bristol musste einige Hindernisse überklettern. Nie schaffte er das ohne Geräusche. Da knackten Zweige, da raschelte altes Laub unter seinen Füßen.

Er blieb stehen, drehte sich und schaute zurück.

Frank hatte seiner Frau Nancy geraten, um Himmels willen das Licht brennen zu lassen, denn er wollte einen Orientierungspunkt haben.

Das bleiche Gelb schimmerte durch die nächtliche Schwärze. Der Mann wunderte sich nur darüber, dass es ihn nicht beruhigte. Plötzlich kam ihm das Licht vor wie ein optischer Lockvogel, der nicht nur ihn anzog, sondern auch die verfluchte Killerin.

Ja, sie war eine Frau.

Eine hübsche Frau sogar, noch ziemlich jung, bei allen beliebt gewesen, bis zu dem Zeitpunkt, als sie ihr wahres Gesicht gezeigt hatte. Da war es dann wie ein Schock über die Bristols gekommen, denn nun wussten sie, worum es Julia tatsächlich gegangen war.

Um Kevin, ihren Sohn!

Vier Jahre alt, ein nettes Kerlchen, immer lustig, immer zu Streichen aufgelegt.

Frank stöhnte auf, als er an Kevin dachte und sich vorstellte, dass Julia ihren verfluchten und verabscheuungswürdigen Plan in die Tat umsetzen würde.

Nein, soweit sollte und durfte es nicht kommen.

Er schaute auf die Axt. Das Metall schimmerte blank. Es sah bläulich aus, ohne die Spur von Rost. Seine Schneide war in der Lage, Papier zu zertrennen, er hatte es ausprobiert. Und sie würde es auch schaffen, einen Kopf vom Rumpf zu trennen, mit einem sauberen Schnitt.

Bristol wollte nicht zu tief in den Garten laufen. Das Wohnhaus sollte in seiner erreichbaren Nähe bleiben. Einige Male hatte er von dort Geräusche gehört, die sich im Nachhinein als harmlos herausgestellt hatten.

»Wo versteckst du dich, verdammtes Weib?« Er flüsterte den Satz mehrere Male. Dabei bewegte er seinen Arm und ließ die Axt wippen.

Die Nacht war kalt und gleichzeitig feucht. An einigen Stellen des großen Gartens stiegen Dunstschwaden aus dem Boden. Zum Glück verteilten sich die Nebelinseln nicht überall. Es gab genügend Orte, die noch freilagen.

Mit einem Schritt überquerte er den einzigen Weg, der durch das Gelände führte und zu Kevins Lieblingsstrecke gehörte, die er oft mit seinem Dreirad fuhr.

Ansonsten musste sich der Gartenwanderer durch die Wildnis schlagen, was auch Frank Bristol nicht erspart blieb.

Er dachte an das Zentrum des Gartens, das er angelegt hatte. Es war ein freier Fleck, auf dessen Mitte ein Baum mit ausladenden Ästen stand. Eine herrliche Buche, auf die jeder Naturfreund stolz sein konnte, und Bristol zählte sich dazu.

Oft genug hatte sich die Familie dort aufgehalten, Julia eingeschlossen, die bei den Bristols an sich nur ein Praktikum hatte machen wollen. Er hätte fast aufgelacht, als er daran dachte, was aus diesem Praktikum geworden war.

Ein Kreisel aus Angst, Blut und Tod. Sie hatte sich vor allen Dingen an Kevin herangemacht, den Sohn der Bristols. Auf ihn war es ihr angekommen.

Einige Male musste er sich ducken, weil quer wachsende Äste den Weg in Kopfhöhe versperrten. Er tauchte darunter hinweg und wandte sich nach links, passierte ein kleines Biotop, auf das seine Frau so stolz war, und brauchte dann nur wenige Schritte zu laufen, um den Platz mit der herrlichen Buche zu erreichen.

Er war wichtig!

Hier hatte er alles erfahren, hier hatte er sie und Kevin gesehen, hier hatte er festgestellt, dass sie zwar aussah wie ein Mensch, für ihn aber keiner war.

Und hier wollte er sie stellen – und töten!

Bei diesem Gedanken umklammerte er die Axt fester. Nicht, dass er sich wohler gefühlt hätte, nein, eine Erleichterung spürte er nicht. Es konnte auch umgekehrt laufen, denn die Kräfte des Mädchens durfte er auf keinen Fall unterschätzen.

Die Wildnis wich etwas zurück. Den Platz hatte sich Frank selbst geschaffen. Mit mächtigen Axthieben hatte er Breschen geschlagen. Diese Lücken kamen ihm jetzt zugute.

Der Platz war leer!

Dunkel und groß wuchs die alte Buche in die Höhe. Sie streckte ihr Astwerk aus, als wollte sie jeden, der in ihre unmittelbare Nähe geriet, damit beschützen. Sie war wie für die Ewigkeit gewachsen, und die Äste sahen aus, als hätten sie ihre Arme angewinkelt, um sie einen Moment später wieder auszustrecken.

Frank Bristol entdeckte in der unmittelbaren Umgebung des Baumes keine Gefahr.

Niemand hielt sich dort auf, keiner schmiegte sich an den Stamm.

Sie hatten den Winter über die Bank und die beiden Stühle im Freien stehen lassen. Die weiß lackierten Möbel sahen aus, als würden sie auf irgendwelche Gäste warten.

Frank lauerte, bevor er sich aus seiner Deckung löste. Er ging auf die Buche zu und sah aus wie ein witterndes Raubtier. Die Kleidung rieb gegeneinander. Die dabei entstehenden schabenden Geräusche ärgerten ihn, und er wünschte sich jetzt, ein Schatten zu sein, der lautlos über den Platz huschen konnte.

In Greifweite des mächtigen Baumstamms blieb er stehen. Sein Gesicht bildete eine helle Fläche in der Finsternis. Wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte er das Licht am Haus sehen, das seinen Schein auch nach oben warf.

Hoffentlich kam sie. Hoffentlich hatte sie ihn nicht getäuscht und lauerte am Haus.

Dort war der Weg dann frei. Keiner würde Nancy und Kevin mehr schützen. Seine Frau hatte zwar jemanden angerufen und um Hilfe gebeten, wahrscheinlich aber zu spät.

Die Nacht war still. Trotzdem hörte er oft genug das geheimnisvolle klingende Rascheln, wenn sich irgendwelche für ihn nicht sichtbaren Tiere durch das dichte Unterholz bewegten.

Er hatte sogar schon die ersten Igel gesehen, die den harten Winter gut überstanden hatten.

Nur Julia blieb verschwunden.

Frank wartete, schritt dann um den Baumstamm herum, den rechten Arm hielt er halbhoch, und mit der Hand umklammerte er die Axt noch fester. Wo steckte sie?

Er blieb wieder stehen. Sein Blick fiel auf den Tisch und die vier Stühle, die gekippt am Tisch lehnten. Hatte er sich doch geirrt?

Es traf ihn wie ein Blitzstrahl, als er die Stimme hörte.

»Hallo, Frank …«

Ein Säuseln, ein Flüstern und gleichzeitig ein Lauern in der weiblichen Stimme.

Das war sie, das war Julia. Sie hatte ihn angesprochen. Merkwürdigerweise war die Stimme von oben gekommen, aus dem Baum!

Als ihm dies klar wurde, musste er zunächst tief Luft holen. Er wollte nicht hinschauen, aber das leise Lachen zwang ihn, den Kopf in den Nacken zu legen.

Sie saß dort wie ein Gespenst. Eingehüllt in ein weißes Kleid, leicht vorgebeugt.

Julia war ein Mensch – oder doch nicht?

Denn welcher Mensch hatte schon schockgrüne Augen?

Es war für Frank Bristol nicht einfach, die Lage neu einzuschätzen. Er hatte die Axt, Julia hockte über ihm, sie würde irgendwann in den nächsten Sekunden springen, eigentlich eine klare Sache. Und doch kam er sich hilflos vor.

Es mochte an dem verdammten Ausdruck der Augen liegen, denn dieses kalte Schockgrün hatte nichts Menschliches mehr an sich. Es gehörte eher in einen Film, in dem Außerirdische auftraten. Die schauten mit einem ähnlichen Ausdruck.

Sie hatte sich auch verändert. Die blonden Haare – sonst wohlfrisiert – hatten sich aufgerichtet und standen vom Kopf ab, als würde zwischen ihnen Elektrizität knistern.

Das Gesicht sah ungewöhnlich blass aus. Es mochte auch am grünen Schein der Augen liegen, der sehr intensiv strahlte. Und sie verzog den Mund zu einem Lächeln.

Es war kalt, grausam und wissend!

Dann sprach sie. »Du bist gekommen, mein Lieber. Ich habe dich erwartet. Ich wusste, dass diese Nacht entscheidend sein wird. Heute hole ich mir Kevin. Heute noch bekomme ich deinen Sohn in die Finger, Frank Bristol.«

Die Worte wühlten ihn auf. Sie peitschten seinen Zorn hoch, der sich sehr schnell in Hass verwandelte. Er schüttelte den Kopf, und legte auch die linke Hand um den Griff der Axt.

»Komm schon!«, flüsterte er. »Komm schon, du verfluchtes Weibsstück! Ich warte auf dich. Ich werde dich vernichten. Du wirst meinem Sohn kein Leid zufügen, du nicht!«

Da lachte sie.

Und sie sprang.

Frank riss die Arme hoch. Die Schneide warf einen blitzenden Reflex, und er musste in einem Augenblick der schrecklichen Wahrheit erkennen, dass ihn die Person reingelegt hatte.

Als sie im Baum hockte, hatte es so ausgesehen, als hätte sie sich an einem Ast festgehalten. Das stimmte nicht. Dieser Ast war bereits lose gewesen, und ihn schleuderte sie in die Tiefe.

Dass Julia zielen und auch treffen konnte, merkte er, als ihn der Ast erwischte.

In seinem Kopf sprühte es auf, die Schmerzen vervielfältigten sich. Sie zuckten in verschiedene Richtungen. Er konnte nichts sehen, und er spürte nicht einmal, dass er zur Seite taumelte.

Erst als er den Tisch anstieß und dabei einen Stuhl umwarf, konnte er wieder klarer sehen.

Der große Ast lag am Boden. An seiner Schläfe hatte er eine Wunde gerissen. Blut tropfte daraus hervor, trübte seinen Blick, und doch konnte er Julia erkennen.

Sie war aus ihrem Versteck in die Tiefe gesprungen und lauerte vor ihm.

Sie lachte.

Scharf, grell und widerlich.

Das Lachen peitschte seine Emotionen noch höher. Er verzog das Gesicht, die Haut spannte sich. In seine Augen trat ein Funkeln.

Sie sollte ihn nicht bekommen, nein, sie nicht.

»Schlag zu, Frank! Los, kill mich …« Wieder dieses eklige, schrille Lachen.

Er hob die Axt. Schmerzen durchstachen seinen Schädel. Der Ast hatte ihn doch härter getroffen, als er zugeben wollte.

Trotzdem tat er es.

Viel zu langsam – oder war sie zu schnell?

Julia umfasste die Tischkante und drückte ihm das Möbel entgegen. Es erwischte ihn in Bauchhöhe.

Frank musste zurück, die Axt ließ er nicht aus den Händen. Er wollte sich verteidigen, bis zuletzt.

Sie kam wieder.

Er schlug zu.

Es war ein sensender Hieb, schräg angesetzt, geführt in einem Halbkreis, der sie fast am Kopf erwischt hätte. Im letzten Augenblick konnte sich Julia wegducken. Sie tat es mit einer geschmeidigen Bewegung, denn sie wollte etwas anderes tun.

Blitzschnell ergriff sie einen Stuhl und riss ihn hoch. Wieder drosch der Mann zu.

Diesmal prallte die Klinge gegen den Stuhl. Er hörte das Holz splittern und reißen. Etwas erwischte seinen Kopf und fuhr scharf durch seine Haare.

Dann kam der Schatten. Julia hatte ihn auf Frank zugeschleudert. Dass es ein Stuhl war, merkte er zu spät. Da war die Lehne bereits gegen sein Gesicht geprallt. So hart und schmerzhaft, dass ihm für einen Moment der Atem geraubt wurde.

Seine Beine gaben unter ihm nach. Plötzlich war ihm die Axt zu schwer geworden. Er konnte nicht mehr richtig sehen. Die erste Wunde hatte sich weiter geöffnet, entließ mehr Blut, das wie ein dicker Faden über sein Gesicht rann.

Er dachte an Nancy und Kevin. Die beiden Namen wirkten bei ihm wie Adrenalinstöße.

Nur nicht aufgeben, jetzt nicht. Er würde sich dem verfluchten Weib stellen.

All dies wurde ihm innerhalb von zwei Sekunden bewusst. Er hielt die Axt noch fest, doch er schaffte es nicht mehr rechtzeitig, sie in die Höhe zu bekommen.

Julia war schneller und schlug zu.

Ihre Handkante sichelte durch die Luft, ausgerichtet auf ein Ziel, das sie auch traf.

Sein Kopf schien zu zerspringen. Er hörte sich schreien, als ihn der Tritt erwischte und ihm beide Standbeine wegsenste. Hart fiel er auf den Rücken. Frank fühlte sich eingehüllt in Feuer, aber es waren die Schmerzen, die ihn durchtosten.

Da lag er …

Und sie stand über ihm.

Woher hatte sie die Axt? Sie war doch unbewaffnet gewesen. Es dauerte etwas, bis ihm aufging, dass er den Griff nicht mehr zwischen seinen Fingern spürte.

Die Waffe war ihm entrissen worden.

Wie eine Königin des Terrors stand sie vor ihm. Noch immer bildeten ihre Haare eine Igelfrisur, noch immer leuchteten die verdammten Augen in einem schockigen Grün.

Ihr rechter Arm pendelte.

Und die verfluchte Axt schwang mit.

Ein klumpiges und scharfes Stück Eisen. Ein tödliches Etwas. Vor und zurück – vor und zurück …

Immer wieder und sich dabei senkend, sodass sie schon mit dem klobigen Ende seinen Körper berührte.

Ein Vorgeschmack auf das Ende …

Er holte Luft und hörte sich dabei zu. Die Augen quollen ihm aus den Höhlen. Die Axt verschwamm zu einem schattenhaften Gebilde, sie würde …

Julia drehte sich, hob beide Arme.

Es war der Moment, als es dem Mann gelang, wieder klar und scharf zu sehen.

Und dieser Eindruck prägte sich ein. Wie ein Bild, das fotografiert worden war.

Furchtbar!

Sie stand da, ihr Kleid schimmerte hell wie ein Totenhemd, dann lachte sie und drosch zu.

Die Axt war wie ein Fallbeil!

Schon beim ersten Treffer war der Mann tot. Aber Julia beließ es nicht dabei.

Sie schlug noch zweimal zu, als wäre sie in einem Rausch. Dann drehte sie sich um, hob die Mordwaffe an und starrte mit ihren schockgrünen Augen auf die Klinge.

Das Metall zeigte rote Schlieren – Blut …

Sie lachte scharf auf. Das Lachen veränderte sich zu einem Kichern, als sie sich drehte und in Richtung Haus ging.

Wenig später summte sie ein Kinderlied, das sie am Abend dem kleinen Kevin beigebracht hatte.

Ein fröhliches Lied mit einer wunderschönen Melodie. Julia aber bewegte die Axt im Rhythmus der Melodie und sah nicht, dass die Tropfen abfielen und auf dem Boden eine Spur des Grauens hinterließen …

Nancy Bristol biss in ihren rechten Handballen. Nur so konnte sie einen Schrei unterdrücken. Am liebsten hätte sie gekreischt, alles hinausgelassen, ihre ganze Angst, die verfluchte Panik, das Grauen der letzten Stunden, denn sie wussten jetzt Bescheid.

Julia war das Raubtier, das sich in den Käfig mit den Hamstern hineingeschlichen hatte.

Sie würde töten, rasend vernichten. Ihr ging es um Kevin, um ein junges Leben.

Langsam sank ihre Hand nach unten. Durch die Zähne saugte sie den zischenden Atemzug. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, der Blick war mit einem Schleier belegt worden. Die heiße Angst drückte ihren Magen zusammen.

Stunden des Terrors lagen hinter ihr. Dieses Gefühl, diese Anspannung war nicht in Worte zu fassen. Sie empfand es als Grauen pur, und sie kannte nicht einmal das Motiv.

Kevin hatte sich verändert. Aus seinem Kindermund waren ungewöhnliche Worte gedrungen, die sich zu Sätzen vereinigten. Er hatte von einer Botschaft gesprochen, von der Vergangenheit und von einem Land, das Atlantis hieß.

Und das aus dem Mund eines Dreijährigen!

Sie konnte es nicht begreifen, hatte mit ihrem Mann darüber gesprochen, mit Kevin auch.

Danach war die schreckliche Wahrheit ans Tageslicht gekommen. Julia hatte mit Kevin darüber geredet. Ihr ging es um Atlantis, um den Tod, um die Rache.

Julia war ein junges Mädchen, sehr nett, sehr bescheiden, stets freundlich – jetzt das.

»Verdammt noch mal!«, keuchte sie. »Das darf doch nicht wahr sein. Das träume ich nur.« Nancy wusste genau, dass sie es nicht träumte. Das alles war die Realität, so grausam es sich auch anhörte.

Sie stand in der Küche dicht vor der Scheibe, in der sie den Umriss ihres Gesichts sah. Selbst bei dieser schlechten Sicht erkannte sie, wie schlimm sie aussah.

Verweint, verquollen, von der blanken Furcht gezeichnet. Ein Synonym für die Zukunft, wobei sie sich zu Recht fragte, ob es für sie und ihre Familie noch eine Zukunft geben würde.

Ihr Mann war in dieser Nacht unterwegs. Er suchte Julia, die sich angeblich im Garten aufhielt, wie Kevin erklärt hatte. Und Frank hatte die Axt mitgenommen, auch das wusste sie. Er wollte Julia töten, wenn eben möglich.

Er hatte nicht mehr so lange warten wollen, bis Hilfe eintraf. Er hatte etwas unternehmen wollen. Jetzt konnten sie nur beten, dass es auch klappte.

Am liebsten hätte sie alles zerschlagen. Die selbst eingebaute Küche, die Einrichtung in den anderen Räumen, das gesamte Haus. Es hätte ihr nichts ausgemacht. Was ihr einmal lieb und teuer und gleichzeitig zu einer Heimat geworden war, fing sie nun an zu hassen.

Dazu zählte auch der Garten, dieses herrliche Refugium, eine wunderschöne Wildnis, auch für Kevin, ihren kleinen Sohn.

Alles nicht mehr existent, alles weg, nur vergessen, so lautete ihre Devise.

Frank war nicht da. Frank lief durch den Garten. Frank wollte sie stellen.

Immer wieder hämmerten diese Sätze durch ihren Kopf. Sie hätte am liebsten geschrien, um der Angst und dem Frust freie Bahn zu lassen, aber das wollte sie auch nicht.

Kevin schlief. Er wusste nichts von den schlimmen Dingen. Er war ja noch so klein, ein unschuldiges Wesen, das nicht ahnte, wie furchtbar und grausam diese Welt sein konnte.

Nancy verließ die rustikal eingerichtete Küche. Das Haus bestand aus Holz. Es war schon älter, aber noch gut in Schuss. Frank hatte es renoviert. Als Freiberufler war er des Öfteren daheim gewesen und hatte sich ums Haus gekümmert.

Das Zimmer des Jungen lag in der ersten Etage. Um es zu erreichen, musste sie die hell gestrichene Holztreppe hochgehen. Der breite Flur öffnete sich ihr. An den hellen Wänden hingen bunte Bilder. Manche von ihnen hatte Kevin gemalt.

Die Türen lagen in kleinen Nischen. Kevins Zimmer befand sich dem der Eltern gegenüber. Es war groß, luftig, sehr hell, beklebt mit einer bunten Tapete, auf der sich zahlreiche Tiere ein Stelldichein gaben. Spielzeug, lustige Comicfiguren als Lampen, das selbst gebaute Holzbett, in dem die kleine Gestalt lag.

Sie ließen Kevin nie im Dunklen einschlafen. Ein Licht brannte auch jetzt in dem Zimmer. Es hätte eigentlich einen entspannten Ausdruck zeigen müssen, so wie es in jeder Nacht war und Nancy es in Erinnerung hatte.

Das war heute nicht der Fall!

Nancy Bristol erschrak, als sie neben dem Bett stehen blieb.

Der kleine Kevin lag auf dem Rücken, und sein Gesichtchen zeigte eher einen verzerrten, angespannten Ausdruck, als würde der Junge von schlimmen Träumen geplagt. Zwischen seinen Lippen drang der Atem lauter hervor als sonst. Die Hände waren zu Fäusten geballt, die hin und wieder aufzuckten, als stünde das schlafende Kind unter einem fürchterlichen Stress.

Nancy beugte sich vor. Sorge zeichnete das Gesicht der Mutter, als sie über Kevins Wange streichelte.