John Sinclair Sonder-Edition 126 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 126 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Unser Freund Wladimir Golenkow vom russischen Geheimdienst hatte Suko und mich nach Sibirien gerufen, denn dort, an der sibirischen Küste, war ein Eisblock angeschwemmt worden, darin eingefroren eine Gestalt ‒ kein Mensch, sondern ein Vampir!
Suko und mir war sofort klar, dass er zur Armee von Will Mallmann gehörte, der sich selbst Dracula II nannte. Doch noch ein weiterer unserer Feinde trieb sich im eisigen Sibirien herum ‒ der Zombiemacher Stepanic! Und der wollte seine untoten Horden gegen Mallmanns Blutsauger hetzen!

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Seitenzahl: 172

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Draculas Eisleichen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ballestar/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9282-1

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.

Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung.

Draculas Eisleichen

von Jason Dark

Unser Freund Wladimir Golenkow vom russischen Geheimdienst hatte Suko und mich nach Sibirien gerufen, denn dort, an der sibirischen Küste, war ein Eisblock angeschwemmt worden, darin eingefroren eine Gestalt – kein Mensch, sondern ein Vampir!

Suko und mir war sofort klar, dass er zur Armee von Will Mallmann gehörte, der sich selbst Dracula II nannte. Doch noch ein weiterer unserer Feinde trieb sich im eisigen Sibirien herum – der Zombiemacher Stepanic! Und der wollte seine untoten Horden gegen Mallmanns Blutsauger hetzen!

Die Tür flog auf, der scharfe Wind fauchte in den Raum, und Mesrin ließ blitzschnell beide Händen auf seinen Schreibtisch klatschen, damit der Durchzug die dort liegenden Unterlagen nicht wegwehte.

Dann knallte die Tür so heftig zu, dass es sich wie ein Schuss anhörte.

Iljuk stand in der Baracke. Auf seiner gefütterten Jacke glänzten Schneekristalle. Er starrte auf den Ofen und beschwerte sich mit zitternder Stimme.

Mesrin kannte ihn, doch so hatte er Iljuk, den Fischer, noch nicht gesehen. Der Mann zitterte nicht nur wegen der Kälte, er hatte Angst. Sein breites Gesicht mit den Bartstoppeln sah grau aus. Die Augen zuckten hin und her, es war Iljuk unmöglich, den Blick auf einen Punkt zu konzentrieren. Er trug eine wärmende Hose aus fingerdickem Stoff, und die Kapuze der Jacke hatte er nach hinten geschoben.

Mesrin blieb ruhig. Er war hier der Chef der kleinen Wetterstation. Ein Mann, der sich bewusst ans Eismeer hatte versetzen lassen, denn dieser Job wurde gut bezahlt, und Mesrin brauchte Geld für seine beiden unehelichen Kinder.

Natürlich wurde nicht nur das Wetter beobachtet. Hin und wieder nahm Mesrin auch bestimmte Meldungen und Funksprüche entgegen und leitete sie an den KGB, den russischen Geheimdienst, weiter. Darin sah er nichts Unrechtes, er diente eben seinem Land. Die UdSSR steckte wirtschaftlich in großen Schwierigkeiten, und der Generalsekretär Michail Gorbatschow hatte es verdammt schwer, seinen Kurs durchzusetzen. Mesrin, weit vom Schuss, drückte ihm trotzdem beide Daumen.

Er sah Iljuk an. »Was ist denn passiert, zum Teufel?«

Der Fischer musste zunächst tief Luft holen. »Du musst mitkommen. Das musst du dir ansehen.«

»Was und wo?«

»Am Strand, wo die Boote liegen. Da ist etwas angetrieben worden.«

»Und was, bitte?«

»Komm mit! Schau es dir an!«

Mesrin überlegte. Während er das tat, fuhr er langsam mit den Fingern durch seinen struppigen Bart. Iljuk war kein Spinner. Wenn er sich dermaßen aufregte, musste ihn wirklich etwas aus der Fassung gebracht haben.

Der Schnee auf seiner Kleidung taute weg. Auf dem Boden bildeten sich kleine Pfützen.

Mesrin hatte kaum Zeit. Er musste einige Berechnungen durchführen.

»Bitte, Mesrin, du musst kommen! Du bist der Chef hier!«

»Ja, ist gut.« Mesrin stand auf und grinste. »Dir kann man ja keine Bitte abschlagen, mein Junge. Ich werde mir die Sache also mal ansehen.«

»Danke.«

Mesrin griff nach seiner Jacke, die an einem Haken hing. Gemächlich schlüpfte er in die gefütterten Weichstiefel.

Iljuks Nervosität nahm zu, er trat von einem Fuß auf den anderen und verdrehte dabei die Augen, ein Zeichen, dass es ihm nicht schnell genug ging.

»Nur keine Hast«, sagte der Wissenschaftler und griff nach der Schneebrille, dann nach den Ohrenwärmern. »Was du mir zeigen willst, wird schon nicht verschwunden sein.«

»Es wäre besser, wenn!«

»Tatsächlich?«

»Ja.« Der Fischer drehte sich um und öffnete die Tür. Er stemmte sich gegen den Wind, als er nach draußen ging.

Hier oben im Nordwesten der UdSSR war es immer windig. Es gab einfach keine windstillen Tage. Im letzten Winter waren die gewaltigen Stürme allerdings ausgeblieben, und auch das Frühjahr hatte sich nicht so schlimm gegeben, obwohl es jetzt, Ende April, noch immer bitterkalt war. Der Schnee lag weiterhin dick. Die mächtigen Eispanzer vor der Küste blieben sowieso. Es waren gewaltige Inseln aus Eis, die im grauen Wasser des Meeres dahertrieben.

Die kleine Station lag in einer geschützten Talmulde. Mächtige Felsen deckten sie zum Hinterland hin ab. Es gab nur eine Straße, die hatte man in das Gestein sprengen müssen. Einige Kilometer weiter wurde es dann besser, da war das Land flach, sogar bewaldet, wobei der Wald in Richtung Süden immer dichter wurde.

Um mobil zu sein, standen den Männern schwere Fahrzeuge zur Verfügung. Aber auch Hundeschlitten gehörten zur Ausrüstung, und das Bellen der Zugtiere war eine ständige Begleitmusik, die über dem schmalen Landstrich in der kleinen Bucht schwebte.

An diesem Tag war das Wetter sogar gut. Zwar wehte der Wind, aber er hatte die dicken, grauen Wolken des letzten Tages vertrieben. Hoch über den Männern präsentierte sich der Himmel in einem nahezu strahlenden Blau, nur ab und zu unterbrochen von weißen Wolkentupfern.

Sie gingen über den matschigen Schnee. Weiter vorn, zum Strand hin, bildete er eine noch weiße Fläche, die das Sonnenlicht reflektierte. Ohne Schneebrille konnte sich hier niemand über einen längeren Zeitraum aufhalten, ohne zu erblinden.

Mesrin kannte den Weg zum kleinen Naturhafen zwar, er ließ den Fischer trotzdem vorgehen und wunderte sich darüber, dass Iljuk einen anderen Weg einschlug.

»Wir gehen nicht zum Hafen. Ich habe die Entdeckung woanders gemacht. Außerhalb.«

»Wie weit weg?«

»Nicht sehr weit. Wir können auf einen Wagen verzichten und zu Fuß gehen.«

»Wenn du meinst.«

Die Mehrzahl der Fischer befand sich auf dem Wasser. Einen solchen Tag nutzten sie aus. Da waren die Netze meistens voll, wenn sie zurückkehrten.

Die Ware wurde verkauft, wenn auch auf beschwerlichen Wegen, denn es mussten immer wieder schwere Lastwagen kommen, um sie abzuholen. Wirtschaftlich lohnte es sich nicht, aber wer dachte in diesem Land schon darüber nach, in dem der Begriff Markwirtschaft noch fast ein Fremdwort war?

Die beiden Männer hatten den Bereich der Station kaum verlassen, als sie von der Einsamkeit umschlungen wurden. Der Schnee bildete kleine Hügel. An manchen Stellen war er sehr tief. Seine vereiste Oberfläche knirschte unter den Stiefelsohlen.

Sie gingen dem Meer entgegen.

Mesrin hatte seine Hände in die Taschen der gefütterten Jacke gesteckt, hielt beim Gehen den Kopf gesenkt, schaute aber hin und wieder auf und ließ den Blick über den Strand hinweg bis zur Wasserfläche schweifen, die so breit und irgendwie unendlich erscheinend vor ihm lag. Ein ewiges, wogendes Grau, ein Auf und Ab ungezügelter Massen, die in hohen Wellen gegen den Strand liefen und dabei schaumige Kämme bildeten. Sie wurden von aus dem Wasser ragenden Felsen gebrochen, hatten aber dennoch so viel Kraft, dass sie donnernd gegen die felsige Küste krachten und als lange Gischtschlangen in die Höhe stiegen, um einen gespenstischen Umhang aus Wassertropfen zu bilden.

Das Land war rau, wild, nur die härtesten Männer konnten hier bestehen, ohne irgendwann einmal Amok zu laufen. Mesrin dachte daran, dass in drei Monaten sein Urlaub begann, der ein halbes Jahr dauern würde. Dann wollte er in den warmen Süden.

In Strandnähe war die Schneedecke dünner. An manchen Stellen trat der blanke Fels hervor, doch auch er war oft genug von einer dünnen Eisschicht bedeckt, sodass die Männer achtgeben mussten, nicht auszurutschen.

In den kurzen Sommermonaten taute ein Teil des Schnees weg. Wie aus dem Nichts tauchte dann ein Stück Natur auf, und dünne grüne Pflanzen bedeckten den Boden. Zumeist nur Moose und farnähnliche Gewächse, die im Herbst wieder verschwanden.

Wenn sie sich unterhalten wollten, mussten sie schreien, denn das Donnern der Brandung gegen den grauen Fels übertönte alle anderen Laute.

Iljuk verständigte sich auch mehr durch Zeichen. Des Öfteren deutete er nach vorn.

»Wo denn genau?«, schrie Mesrin.

»Mehr nach rechts. Es klemmt in einer Felsspalte.«

»Und was ist es, verdammt?«

»Eine Eisscholle.«

Mesrin blieb stehen. Er glaubte, sich verhört zu haben, und legte eine Hand an sein geschütztes Ohr. »Noch mal. Was ist das?«

Iljuk kam näher. Er bewegte die Hände dabei und redete lauter.

Mesrin presste die Lippen zusammen. Er wusste nicht, ob er den Fischer ausschimpfen oder einfach nur davongehen sollte. Er fühlte sich auf den Arm genommen, einfach hintergangen, denn für eine angetriebene Eisscholle hätte er die Station nicht zu verlassen brauchen. So etwas kam jeden Tag vor. Darum kümmerte sich niemand.

Iljuk merkte, was in dem Mann vorging. Er redete jetzt schnell und sprach auch davon, dass es keine normale Eisscholle war.

»Was dann?«

»Das wirst du sehen.«

Mesrin hob drohend einen Finger. »Gnade dir Gott, wenn du mich angelogen hast. Dann binde ich dich auf die Eisscholle.«

»Keine Sorge.« Der Fischer sprach bereits über die Schulter hinweg, weil er es eilig hatte und schnell weiterging. Mesrin blieb ihm auf den Fersen. Er musste sich jetzt noch stärker auf den Weg konzentrieren, da die grauen Felsen manchmal aus dem Boden schauten wie Hände, die im nächsten Augenblick zupacken wollten.

Sie gingen ziemlich nah am Wasser entlang, ohne dass es sie allerdings erreichte. Der kalte Vorhang aus Gischt wehte ihnen von der linken Seite her entgegen. Sie hatten das Gefühl, von Eiskörnern beworfen zu werden.

Der Fischer kletterte über eine Barriere aus Stein, Eis und Schnee hinweg, sprang anschließend in eine kleine Mulde und versank dort bis zu den Waden im Schnee, der unter dem Druck knisterte wie Glanzpapier.

Dass der Mann schon einmal hier gewesen war, erkannte Mesrin an den Spuren, die noch mehr nach links führten und dabei direkt auf das Wasser zu.

Es schmatzte und gurgelte heran. Mesrin kam es vor wie die lange Zunge eines Ungeheuers, das nach Beute suchte, um sie vor dem Verschlingen noch zu umfassen.

Es war grau, schaumig und dabei eisig kalt. Wer von ihm in die See hineingerissen wurde, hatte keine Chance mehr, am Leben zu bleiben. Beide Männer hatten schon Leichen gesehen, die an Land geschwemmt worden waren, und mit etwas Ähnlichem rechnete Mesrin auch jetzt.

Manchmal leistete sich die Natur gewisse Extras. So war es auch hier.

Eine sehr enge Bucht schnitt wie ein Kanal in die felsige Landschaft, die sich unterschiedlich hoch präsentierte und manchmal gezackt war wie der Rücken eines geflügelten Urtieres. Was nicht schmal genug war und hineingetrieben wurde, musste einfach festklemmen.

Wie die Eisscholle!

Sie war hineingetrieben worden und hatte sich so verdreht, dass das nachströmende Wasser sie nicht mehr aus dem Gefängnis zu zerren vermochte.

Zwar spülten noch auslaufende Reste über das Eis hinweg, doch sie brachten es nicht fertig, die Scholle anzuheben und wieder dem Meer zu übergeben.

Auf einer schmalen, nassen, aber nicht vereisten Kante war Iljuk stehen geblieben. Er hielt den Arm ausgestreckt und den Finger gleichzeitig gesenkt, sodass der direkt auf die eingeklemmte Scholle wies.

»Das ist sie!«

»Ich sehe es!«, erwiderte Mesrin. Er war noch immer leicht sauer. »Scheint mir nichts Besonderes zu sein.«

»Komm näher!« Die Stimme des Fischers zitterte leicht, und Mesrin ging den letzten Schritt.

Neben seinem Begleiter blieb er stehen und hörte dessen Aufforderung. »Schau genau hin, Mesrin, und dann sag mir, was du siehst, verdammt!«

Mesrin bückte sich etwas, um die Distanz zu verringern. Er hatte vorhin bereits den Schatten bemerkt, der innerhalb der Eisscholle lag. Es war länglich, und wenn ihn nicht alles täuschte, handelte es sich bei der Gestalt um einen Menschen.

Um einen eingefrorenen Mann …

Über Mesrins Rücken rieselte eine Gänsehaut. Sie war noch kälter als das Wetter. Er presste die Lippen zusammen und atmete scharf durch die Nase.

»Nun?«

»Das ist ein Mann.«

»Und weiter?«

Mesrin hob die Schultern. »Er ist vom Eis umschlossen und ziemlich leicht bekleidet. Sieht aus, als hätte er sich in wärmeren Regionen aufgehalten.«

»Meine ich auch.«

Mesrin fuhr sich durch den Bart. Die Haare waren kalt und fühlten sich struppig an, das merkte er trotz der gefütterten Handschuhe. »Ist schon rätselhaft …«

Iljuk lachte lauf auf. »Du hast ja noch nicht alles gesehen, Mesrin, noch nicht alles.«

»Wieso?«

»Schau mal genauer hin. Los, bück dich!« Iljuk erschrak über den eigenen Tonfall. So hatte er noch nie mit dem Chef der Wetterstation gesprochen.

Der nahm ihm den Ton nicht übel und ging vorsichtig in die Knie, als hätte er Angst davor auszurutschen.

Die Eisscholle schimmerte graugrün. Sonnenstrahlen fielen durch einen glücklichen Zufall gegen sie und schafften es tatsächlich, sie durchsichtiger zu machen.

»Das Gesicht, Mesrin, du musst dich auf das verdammte Gesicht der Leiche konzentrieren.«

»Ja, ja, keine Sorge.« Mesrin drehte sich etwas nach rechts, sodass der Kopf jetzt direkt in seinem Blickfeld lag. Zum Glück hatte der Tote eine rückwärtige Lage, das Eis war zwar dick, in Höhe des Gesichts allerdings ziemlich klar, sodass Mesrin die Züge genau erkennen konnte.

Es war bleich.

Es war eigentlich alles bleich an dieser Gestalt. Die Stirn, die Wangen, das Kinn, die Ohren, selbst die Lippen hoben sich so gut wie nicht ab.

Eine Wasserleiche – oder?

Nein, da war noch etwas, denn der Mund stand offen. Mesrin schaute sehr genau hin, und er sah an beiden Seiten etwas schimmern.

Es stach aus dem Oberkiefer hervor, war hell und hatte eine gelbliche Farbe.

Aber auch spitz.

So wie Zähne.

Mesrin bekam einen trockenen Hals. Das … das waren keine normalen Zähne, denn diese hier sahen aus wie kleine Messer. Er kannte diese Zähne, obgleich er sie an diesem Tag zum ersten Mal sah. Aber er hatte darüber gelesen. In den langen dunklen Nächten gab es für ihn kaum eine andere Beschäftigung, als sich durch dicke Bücher zu ackern, abgesehen von einigen Besäufnissen.

Er hatte auch einen Roman von Bram Stoker gelesen, eingeschmuggelt aus dem Westen.

»Dracula« hieß die Geschichte. Darin ging es um Vampire, um Blutsauger.

Und die Gestalt im Eis war ein Vampir!

»Mein Gott!«, flüsterte Mesrin nur. »Mein Gott …«

Mesrin blieb so starr hocken, als hätte man ihn selbst vereist. Über seinen Rücken rann erneut ein kalter Schauer der Furcht, im Magen spürte er den klumpigen Druck, und der Wind kam ihm plötzlich vor wie Säure, die in seine Augen biss.

Ein Vampir im Eis.

Eine Eisleiche, die nicht tot war. Denn er erinnerte sich daran, dass auch in der Dracula-Geschichte die angeblich Toten wieder zum Leben erwacht waren, um sich auf die Suche nach Menschenblut zu machen. Vampire ernährten sich nun mal vom Blut der Menschen.

Aber der hier lag im Eis.

Iljuk sprach mit ihm, aber er hörte nicht hin. Mesrin fühlte sich wie in einem Albtraum gefangen. Sein Instinkt sagte ihm, dass dieser Vampir echt war und keine Puppe, die man eingefroren hatte.

Grauenhaft, unvorstellbar eigentlich. Er merkte kaum, dass er sich wieder aufrichtete und starr neben seinem Begleiter stehen blieb. Der Fischer wollte ihn ansprechen, überlegte es sich und schluckte seine Bemerkung herunter.

Irgendwann nickte Mesrin.

»Was hast du?«

»Es war gut, dass du mich gerufen hast.«

»Das meinte ich auch.«

»Wer weiß noch von dem Fund?«

Iljuk erschrak. »Ich … ich habe es niemandem erzählt, glaub mir.«

»Dieser Fund ist der reine Wahnsinn, und wir sind gezwungen, etwas zu unternehmen.«

Der Fischer erschrak noch mehr. »Was denn? Willst du das Eis auftauen? Willst du …?«

»Ich weiß es noch nicht.«

»Aber du glaubst«, fragte der Fischer und holte dabei schwer Atem, »dass diese Gestalt echt ist, und dass man uns keinen hier untergeschoben hat.«

»Wer sollte so etwas tun?«

»Das weiß ich nicht.«

»Eben.«

Iljuk strich sich über den Hals, als wollte er dort unsichtbare Würgeklauen zur Seite drücken. »Aber irgendwoher muss er doch gekommen sein. Der ist nicht vom Himmel gefallen.«

»Das stimmt.« Mehr sagte Mesrin nicht. Er war überfragt. Das hier war einfach nicht zu begreifen.

Er blickte zum Himmel hoch und damit gegen die Sonne. War sie dunkler geworden, oder kam es ihm nur so vor?

Etwas drängte sich über ihnen zusammen. Etwas Unheimliches, das sie nicht erfassen konnten. Der in der Eisscholle steckende Vampir kam ihm vor wie eine erste Warnung. Irgendwo schienen noch andere Wesen zu lauern, bereit für einen Überfall.

Dass auch er sich an den Hals fasste, merkte er kaum. Er dachte daran, dass Vampire ihre Zähne in das dünne Fleisch des Halses hackten, um dort die Schlagader zu erwischen. Die transportierte das meiste Blut.

Er änderte seine Blickrichtung und schaute über das graugrüne wellige Wasser, auf dem breite Eisplatten schwammen, als wären sie dabei, sich für ein Spiel vorzubereiten.

Der Küste hier oben waren zahlreiche Inseln vorgelagert. Die meisten davon kaum erwähnenswert, weil sie einfach zu klein waren. Andere wurden hin und wieder von Fischern angefahren, und die Männer berichteten dann von einer Natur, die tot wirkte. Nur Felsen, Schnee und Eis, das auch im Sommer kaum dünner wurde.

Unbewohnte Inseln, die sich als Verstecke für irgendwelche subversiven Elemente eigneten. Sogar für Vampire, dachte er, wenn diese sich verstecken wollten.

Blut bekamen sie allerdings nur in bewohnten Gegenden. Und die Gestalt im Eis dürstete sicherlich danach, sobald sie frei war. Deshalb wollte Mesrin sie unbedingt innerhalb dieser dicken Schicht lassen, so lange jedenfalls, bis Spezialisten eingetroffen waren, denn allein wollte er den Fall nicht lösen. Der war ihm schon jetzt über den Kopf gewachsen.

Der Fischer stand neben ihm und schwieg. Welche Gedanken seinen Kopf durchwehten, wusste Mesrin nicht. Viel anders als die seinen konnten sie aber nicht sein.

Die beiden taten nichts, standen nur da. Der Wind schleuderte ab und zu Gischtwolken gegen sie. Das Wasser brach sich mit donnerndem Getöse an den grauen Felsen.

Iljuk zog wie fröstelnd die Schultern hoch. »Ich werde mich in Zukunft nicht mehr trauen, auf das Meer hinauszufahren.«

»Warum nicht?«

»Wo ein Vampir ist, können auch noch weitere sein.«

»Im Wasser?«

»Auf einer der Inseln.«

Mesrin sagte nichts. Also hatte der Fischer sich mit denselben Gedanken beschäftigt wie er.

»Hast du denn einen Plan?«

»Nein, den habe ich nicht.« Mesrin schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht entscheiden. Ich muss mich mit anderen Stellen in Verbindung setzen.«

»Mit welchen denn?«

Mesrin streckte seinen Zeigefinger hoch. »Die ganz oben, mein Lieber.«

»Meinst du etwa Moskau?«

»Sehr richtig.«

Der Fischer bekam einen Schauer. »Das ist … meine Güte, wenn Moskau das hört …« Er verstummte, denn Moskau war für ihn so weit entfernt wie der Himmel. Wenn er den Namen der Stadt hörte, verging er fast vor Ehrfurcht. Er war nie selbst dort gewesen, hatte nur aus Erzählungen von dieser Stadt gehört, auch mal etwas darüber gelesen. Für ihn war Moskau eben das Größte.

»Du willst Spezialisten kommen lassen?«

Zuerst wusste Iljuk nicht, weshalb der Wissenschaftler lachte, doch dann sagte dieser: »Ja, es werden Spezialisten hier auftauchen, darauf kannst du dich verlassen. Nur frage ich mich, ob sie auch in der Lage sind, eine Lösung zu bieten. Daran kann ich nämlich nicht glauben. Wer kennt sich denn bei Vampiren aus?«

»Ich nicht.«

»Ich auch nicht. Moskau wird jedoch reagieren müssen.«

Der Stationschef warf noch einen letzten Blick auf die im Eis eingefrorene Gestalt. Zwar lag sie völlig bewegungslos, doch er wurde den Eindruck nicht los, dass sie sich erheben würde, wenn der dicke Panzer aufgetaut war.

Allein der Gedanke daran versetzte ihn fast in Panik. Er war versucht, das Kreuzzeichen zu schlagen, unterließ es dann aber, denn der Vampir würde davon nichts mitbekommen.

»Lass uns gehen.«

»Dafür bin ich auch.« Die Stimme des Fischers klang erleichtert. Er drehte sich um, sprang von der Felskante auf die glatte Eisfläche – und rührte sich nicht von der Stelle.

Mesrin fiel die Haltung des Mannes erst auf, als er neben ihm stehen geblieben war.

»Was hast du?«

»D… da … da … da steht einer!« Iljuks Hand zitterte, als er nach vorn deutete.

»Wo?«

»An dem Felsen.«

»Verdammt, ich sehe nichts.«

»Ich habe ihn aber …«

»Lass uns hingehen«, schlug Mesrin vor.

Iljuk hielt den Mann fest. »Und wenn es nun auch ein Vampir ist? Einer, der nicht von einem Eispanzer umgeben ist? Was machst du dann?«

Der Stationschef blieb stehen. Auf einmal fing er an zu schwitzen, und das trotz der Kälte. Mit der nächsten Frage lenkte er vom eigentlichen Thema ab. »Wie sah diese Gestalt denn aus? Hatte sie auch spitze Zähne?«

»Ich glaube nicht.«

»War es einer von uns?«

Der Fischer schüttelte den Kopf. »Nein«, flüsterte er.

Mesrin dachte darüber nach, ob sich Iljuk die Gestalt eingebildet haben konnte. Wenn er sich die Umgebung so anschaute, war das gut möglich, denn manche Felskanten, sahen aus wie Gestalten. Da konnte man schon leicht einer optischen Täuschung erliegen.

»Bist du sicher, Iljuk?«

»Sie war da Chef!«

»Dann lass uns hingehen.«

Der Fischer zuckte zwar zusammen, sprach aber nicht dagegen und folgte Mesrin.