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Der Magier Myxin, Kara und der Eiserne Engel, meine Freunde vom untergegangenen Kontinent Atlantis, hatten mich gewarnt! Vor dem Azteken-Götzen, der wiedererweckt werden sollte, um die Welt zu unterjochen!
Dann erhielt ich den Anruf von meinem Freund Abe Douglas, dem FBI-Agenten aus New York! Er war in Texas, an der Grenze zu Mexiko, hinter einem brutalen Schwerverbrecher her und dabei an eine mysteriöse Frau geraten, die davon sprach, dass der Azteken-Götze kurz davor war, in die Welt zurückzukehren. Suko und ich brachen sofort in die USA auf ...
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Seitenzahl: 165
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Der Azteken-Götze
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: FXQuadro/shutterstock
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-9677-5
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.
Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung.
Der Azteken-Götze
von Jason Dark
Der Magier Myxin, Kara und der Eiserne Engel, meine Freunde vom untergegangenen Kontinent Atlantis, hatten mich gewarnt! Vor dem Azteken-Götzen, der wiedererweckt werden sollte, um die Welt zu unterjochen!
Dann erhielt ich den Anruf von meinem Freund Abe Douglas, dem FBI-Agenten aus New York! Er war in Texas, an der Grenze zu Mexiko, hinter einem brutalen Schwerverbrecher her und dabei an eine mysteriöse Frau geraten, die davon sprach, dass der Azteken-Götze kurz davor war, in die Welt zurückzukehren. Suko und ich brachen sofort in die USA auf …
»Wenn er kommt, wird es schrecklich!«, warnte Kara, die Schöne aus dem Totenreich.
»Dann wird es Zeit, dass du versuchst, uns zu informieren«, sagte Myxin, der kleine Magier.
»Und wir werden ebenfalls eingreifen«, fügte der Eiserne Engel hinzu.
Bei mir drehte sich alles. Ich hatte den Eindruck, in einem Kreisel zu sitzen, der sich immer schneller drehte. Ich sah die Gesichter meiner ungewöhnlichen Freunde, die sehr ernst wirkten, doch ich selbst wusste überhaupt nicht, was genau geschehen war.
In meinem Bett lag ich jedenfalls nicht mehr. Ich war in dieser Nacht erst spät in die Federn gekommen und sofort eingeschlafen, dann aber durch einen kühlen Luftzug erwacht. Ich hatte noch gemerkt, wie man mich an beiden Armen packte, auf die Seite drehte, in die Höhe zerrte und schlaftrunken neben das Bett auf den Boden stellte.
Danach war ich gefallen.
Hineingerast in einen tiefen Schacht, der mir so endlos erschien, aber dennoch einen Boden hatte, auf dem ich gelandet war. Jetzt aber saß ich auf einem Hocker, vor mir die drei Freunde, und ich genoss eine wunderbar weiche Nachtluft, die angefüllt mit Gerüchen durch das offene Fenster wehte und gegen mein Gesicht fächerte.
Allmählich wurde ich wieder klar. Kara erhob sich. Sie holte etwas von einem viereckigen Ofen und brachte mir ein Gefäß, das sie mir zwischen die Hände drückte.
»Bitte, John, trink das. Es wird dich aufmuntern. Wir haben dich zu sehr überrascht.«
»Das kann man wohl sagen.« Es waren meine ersten Worte nach dieser Entführung, die ich allerdings nicht als solche ansah, denn bereits im Schlafzimmer hatte ich erkannt, wer mich da holte, und ich hatte mich natürlich nicht gewehrt.
Das Getränk tat gut. Es war irgendein Gebräu aus Zutaten, die ich nicht kannte.
Es schmeckte etwas bitter, doch ich hütete mich, nach Zucker zu fragen.
Sie warteten, bis ich den Becher geleert hatte, und ich ließ mir Zeit dabei. Ich trank in langsamen Schlucken und konnte spüren, wie die Müdigkeit meinen Körper verließ.
Nachdem ich das Gefäß weggestellt hatte, fühlte ich mich fit, doch als ich an mir herunterschaute, erschrak ich fast, denn man hatte mir keine Zeit zum Umkleiden gelassen. Ich trug noch meinen Schlafanzug, aber niemand schmunzelte darüber. Außerdem sehen moderne Schlafanzüge manchmal so aus, als könnte man damit in die Disco gehen.
»Wieder okay?«, fragte mich der kleine Magier.
»Ich glaube schon.«
»Dann können wir ja weiterreden.«
Ich wollte mich zurücklehnen, doch im letzten Augenblick fiel mir ein, dass ich auf einem Hocker saß. Mittlerweile wusste ich aber, wo ich mich befand. Und zwar bei den Flaming Stones, den Flammenden Steinen, einem geheimnisvollen Ort in Mittelengland, der für normale Augen unsichtbar war; selbst ich kannte seine Lage nicht. Dafür aber Kara, Myxin und der Eiserne Engel, dieses Trio aus dem längst versunkenen Kontinent Atlantis.
»Bitte«, sagte ich und lächelte meine ungewöhnlichen Freunde vor mir an. »Ich bin bereit.«
»Wir reden von einem Monstrum, das die langen Jahrtausende überlebt hat«, erklärte mir der Eiserne Engel. »Bisher haben wir immer gedacht, dass es dieses Ungeheuer nicht mehr gibt, aber wir haben uns geirrt. Es existiert noch, wir wissen es jetzt.«
»Was für ein Monstrum?«, fragte ich.
Es dauerte, bis ich eine Antwort erhielt. »Es ist ein uralter Feind des Eisernen Engels«, sagte Kara. »Es hat Atlantis irgendwann verlassen und eine andere Heimat gefunden, wo man es als Götterboten verehrte.«
»Mehr nicht?«
Myxin gab einen Laut von sich, der wohl ein bitteres Lachen sein sollte. »Es ist der Azteken-Götze.«
Wenn die drei erwarteten, dass ich vor Ehrfurcht aufgestanden und mich verbeugt hätte, so hatten sie sich geirrt.
Ich hob nur die Schultern, zu einer anderen Reaktion reichte es nicht.
»Du sagst nichts?«, fragte Kara.
»Nein. Ich kenne ihn nicht.«
Myxin wurde deutlicher. »Man muss ihn füttern.«
»Das kann ich mir denken.«
Jetzt sprach wieder der Eiserne Engel. »Mit Blut, John Sinclair, verstehst du?«
»Ach?«
»Mit Menschenblut«, flüsterte Kara. »Und manchmal auch mit Menschenfleisch.« Sie ließ ihre Stimme versickern.
Auf einmal wurde mir kalt. Ich kannte meine Freunde, und ich wusste, dass sie nicht logen oder sich irgendwelche Geschichten ausdachten. Mit beiden Handflächen strich ich mir über die Arme, konnte die Gänsehaut aber nicht vertreiben.
Sie warteten auf meine Reaktion. Diesmal ließ ich mir nicht so lange Zeit.
»Die Azteken stammten aus Mexiko«, sagte ich. »Es ist wohl damit zu rechnen, dass dort etwas passiert.«
»Davon gehen wir aus.«
»Wann wird das sein?«
Sie waren ratlos, hoben die Schultern und erklärten auf mehrere Nachfragen, dass sie etwas gespürt hatten. Besonders der Eiserne Engel hatte so etwas Ähnliches wie eine Botschaft empfangen.
»Du hast ihn in Atlantis erlebt?«
»So ist es, John. Schon damals sind ihm schreckliche Blutopfer dargebracht worden. Wenn er wieder aktiv werden sollte, würde sich so etwas zwangsläufig wiederholen.«
»Und es wäre ein Fall für dich, John!«, sagte Kara.
»Nicht für euch?«, hakte ich nach.
»Doch«, sagte der Eiserne. »Wir müssten dann gemeinsam gegen ihn kämpfen. Ich will dir auch sagen, dass er mich damals zwar nicht direkt besiegt, aber schon zurückgeschlagen hat. Wenn ich ganz ehrlich bin, fürchte ich mich sogar vor einer erneuten Begegnung. Es kann durchaus sein, dass er heute noch stärker ist als früher. Jedenfalls sind gewisse Menschen dabei, ihn wiederzuerwecken.«
Ich hob die Augenbrauen und nickte einige Male. »Und woher soll ich wissen, wann es soweit ist?«
»Es wird Hinweise geben«, sagte Myxin. »Nicht heute, morgen oder übermorgen. Möglicherweise erst in einigen Wochen, aber es wird so kommen.«
Ich versuchte ein Lächeln, das misslang. »Bis dahin kann ich mir ja dann noch Zeit lassen.«
Kara warnte mich. »Nimm es nur nicht auf die leichte Schulter, John. Tu das nicht.«
»Nein, da brauchst du keine Angst zu haben.« Ich konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. »Gibt es sonst noch irgendetwas, das ich wissen müsste?«
»Das ist alles.«
»Gut, dann würde ich gern weiterschlafen. Allerdings in meinem Bett, wenn es geht. Ich habe einen anstrengenden Tag vor mir, Freunde.«
»Das verstehen wir.«
Myxin brachte mich zurück. Dazu brauchte er sich nicht einmal mit mir zwischen die Flammenden Steine zu stellen, jene schlanken Gebilde, die mit einer uralten Magie gefüllt waren.
Kara umarmte mich noch, wünschte mir alles Gute. Es kam mir wie ein Abschied vor.
Dann umfasste Myxin meine Hände. Der Eiserne winkte mir noch zu, das jedoch bekam ich kaum noch mit, denn ein kribbelnder Strom schoss durch meinen gesamten Körper, und plötzlich verlor sich die Umgebung.
☆
Etwas Schwarzes saugte mich an, ich verschwand – und …
Da stand mein Bett.
Und ich stand daneben.
Einige Male schüttelte ich den Kopf. Der leichte Schwindel verging schnell. Dunkel war es im Schlafzimmer. Gegenüber schimmerte das Rechteck eines Fensters wie ein grauer Spiegel.
Natürlich lockte das Bett. Ich hätte gern weitergeschlafen, aber verdammt noch mal, jetzt war ich hellwach.
In der Küche trank ich einen Schluck Wasser, und mir kam erst jetzt so richtig zu Bewusstsein, was ich in der letzten Zeit tatsächlich erlebt hatte.
Das war unwahrscheinlich, ein Witz. Aber nein, dazu hatten meine Freunde zu ernst geklungen.
Wie dem auch war, ich legte mich wieder hin, versuchte, noch eine Mütze voll Schlaf zu bekommen. Schließlich zeigte die Uhr erst die zweite Morgenstunde an.
Leider besteht zwischen dem Wollen und dem Können ein Unterschied. Mir fielen die Augen einfach nicht zu. Die Gedanken drehten sich in meinem Kopf, und sie beschäftigten sich natürlich mit dieser außergewöhnlichen Warnung vor dem Azteken-Götzen.
Fast wäre ich aufgestanden und hätte mir ein Buch über die Azteken besorgt, aber dazu war ich auch zu faul. Schließlich freundete ich mich mit dem Gedanken an, dass es so schlimm schon nicht werden würde, und darüber schlief ich auch ein.
Zwar sprach ich am anderen Morgen mit Suko über meine Erlebnisse, aber der hatte von einem Götzen der Azteken auch noch nichts gehört. »Wir können ja mal achtgeben«, meinte er.
Das taten wir auch.
In den nächsten Tagen stießen wir auf keine Spur, die auf den Götzen hingedeutet hätte. Es dauerte tatsächlich noch Wochen, bis es soweit war, dann aber erwischte es uns richtig.
Es wurde ein Fall, in dem Tod, Grauen und Blut ihre schrecklichen Akzente setzten …
☆
Man hatte dem blonden FBI-Beamten Abe Douglas erklärt, dass es in dieser Gegend auch riesige Fledermäuse geben würde, die in der Nacht ihre Höhlen verließen, um auf Jagd zu gehen und dabei auch vor einem Angriff auf Menschen nicht zurückschreckten. Von denen hatte Abe Douglas bisher nichts mitbekommen, nur das Zirpen irgendwelcher Grillen drang durch die offenen Fenster des Grenztruppen-Jeeps.
Abe Douglas teilte sich den Wagen mit Manuel Costa, einem Beamten der Grenzpolizei, der fast doppelt so alt aussah wie der G-man aus New York, denn der Job an der amerikanisch-mexikanischen Grenze konnte einen Menschen fertigmachen und vorzeitig altern lassen.
Abe Douglas ging es um einen Mann namens Pablo Sidda, einen Killer, der zu den zehn meistgesuchten Verbrechern in den Staaten gehörte. Er hatte sein Unwesen an der Ostküste getrieben. In New York und Boston hatte man ebenso wie in Atlantic City Angst vor ihm gehabt, denn er killte rücksichtslos. Beim FBI wusste man, dass mindestens sechs Menschen auf Siddas Gewissen gingen, über die Zahl weiterer Toter konnte man nur Vermutungen anstellen.
Es war eine Sonderkommission gebildet worden, die Abe Douglas führte. Verbissen hatten sich er und seine Männer Sidda an die Fersen geheftet, und sie hatten ihn fast erwischt, da war ihm im letzten Augenblick die Flucht gelungen.
Die Fahndung nach ihm lief bundesweit. Bisher hatte sie zwar nichts ergeben, aber sie blieb bestehen, denn Sidda stand noch immer auf der Liste.
Und er war entdeckt worden.
An der Grenze zu Mexiko, nahe des Rio Grande, in einem Kaff, wo Gewalt zur Tagesordnung gehörte und die Morde kaum noch gezählt werden konnten.
Täglich starben Männer. Zumeist Mexikaner, die illegal über die Grenze geschleust wurden, um in den USA zu arbeiten, was man ihnen versprochen hatte.
Oft waren sie über die leeren Versprechungen enttäuscht und trafen dann auf Männer, die schon länger im Land waren und ebenfalls noch keine Arbeit gefunden hatten, sodass die Neuen von den Älteren als Konkurrenten angesehen wurden.
Regelrechte Kriege brachen aus, um die sich die Schlepper nicht kümmerten.
Die Schlepper, das waren die Männer, die die oft mittellosen Mexikaner über die Grenze brachten. Hatten sie kein Geld und wollten sie trotzdem rüber, wurden sie gezwungen, für die Schlepper zu arbeiten. Das heißt, man setzte sie für andere schmutzige Geschäfte ein, bei denen es meist um Rauschgift ging. Waren Frauen darunter, zwang man sie zur Prostitution entlang der Grenze, und da gab es genügend Orte, wo dieses miese Geschäft blühte.
Natürlich wusste man im fernen Washington von den Problemen, aber Washington war eben weit, und so blieb es nur bei irgendwelchen Lippenbekenntnissen.
Auch Douglas wusste darüber Bescheid. Sein Kollege Costa hatte sich bei ihm beschwert und war seinen ganzen Frust losgeworden, aber Abe hatte ihm auch nicht helfen können.
»Sie müssen eben mit kleinen Erfolgen zufrieden sein. Wenn es uns gelingt, Sidda zu fassen, ist das einer.«
»Bisher ist er immer entwischt.«
Das stimmte. Sidda war Amerikaner, trotz seines mexikanischen Namens. Er stammte aus der texanischen Grenzregion, kannte sich hier aus und war in einer Bar in Laredo gesehen worden.
Man hatte ihn jedoch nicht fassen können, weil es für ihn einfach zu viele Schlupfwinkel gab.
In dieser Nacht sollte es soweit sein.
Für den Tipp des Spitzels hatten die Beamten fünfhundert Dollar hinblättern müssen. Kein geringes Entgelt, aber beide hofften, dass sich der Einsatz lohnte.
Ihr Wagen stand ziemlich günstig zwischen den Felsen mitten im Gelände. Vor ihnen fiel das Gelände ab und lief in eine staubige Senke aus, die Hölle genannt wurde, weil sie der Sonne schutzlos preisgegeben war. Tagsüber herrschten Temperaturen wie in einem Backofen, in der Nacht kühlte es sich glücklicherweise ab, und da wurde die Senke dann zu einer Straße oder zu einem Transferweg, über den die Flüchtlinge geführt wurden.
Beide Männer waren mit Nachtgläsern ausgerüstet.
Sie wussten, dass diese Wege ständig wechselten und auch immer neue entstanden, aber in dieser Nacht sollten die Neuen durch die Senke geführt werden.
Manuel Costa trank einen Schluck Wasser. Er war ein breitschultriger Mann, auf dessen Oberlippe ein mächtiger Schnauzbart wuchs. Das Haar trug er kurz, seine Uniform roch nach Schweiß und Staub. Er war mit einem Smith & Wesson-Revolver bewaffnet, aber auch zwei Maschinenpistolen lagen auf dem Rücksitz des Jeeps.
Bei Sidda musste man eben mit allem rechnen. Wenn der sich in die Enge getrieben fühlte, wurde er zum Tier.
Abe gähnte, was Costa zu einem Grinsen veranlasste. »Das Warten ist nicht deine Sache, wie?«
»Nein.«
»Daran musst du dich in dieser Höllenecke gewöhnen. Ich kann dir sagen, ich hab getobt, ich hab geflucht, dann bin ich lethargisch geworden und hab nur mit den Schultern gezuckt, als meine Frau verschwand. Sie wollte nicht mehr mit einem Bullen zusammen sein, der keine Zeit hat.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Wo kann sie schon sein? Kalifornien, das amerikanische Paradies. Das Land der schönen Menschen, der gut gebauten Körper, der Surfer und Schaumacher.« Er hob die Schultern. »Ich mach mir nichts vor. Das ist nun mal das Bullenlos.«
»Habt ihr Kinder?«, fragte Abe.
»Zum Glück nicht. Ein Bulle, der hier seinen Job macht, sollte sich keine Kinder anschaffen. Sie könnten zu schnell zu Halbwaisen werden, verstehst du?«
»Sicher.«
»Und bei dir?«
Abe winkte ab. »Ich bin und war noch nicht verheiratet.«
»Gute Idee.«
»Das kannst du so auch nicht sagen. Manchmal fände ich es schon besser, wenn ich mal nicht in eine leere Wohnung käme, sondern von einer Frau empfangen würde, mit der ich auch meine Probleme besprechen kann. Hat man nur irgendwelche Verhältnisse, spielt man sich nur gegenseitig was vor. Das geht dabei nie tiefer. Finde ich.«
Costa hob die Schultern. »Kann schon sein. Jedenfalls wollte meine Frau von meinem Job nichts hören. Ich hab sie im Urlaub kennen gelernt. War ein Fehler, sie zu heiraten.«
Er hatte mit einem bestimmten Tonfall gesprochen. Für Abe stand fest, dass dieses Thema für ihn erledigt war.
Es war eine wunderbare Nacht. Jetzt, da die Hitze weg war, schien die Natur aufzuatmen und gleichzeitig Luft für einen neuen heißen Tag zu holen.
Der Himmel sah aus wie eine dunkelblaue Leinwand. Darunter lag das Gelände, schwarz, kantig und wie gezeichnet. Die Berge, die Ebenen, die Canyons, dazwischen die kleinen Ortschaften und der breite Fluss.
Rio Grande!
Ein Fluss mit Geschichte, fast ein Teil des Wilden Westens und durch Stars wie John Wayne zu einem Denkmal gemacht. Ein Gewässer der Legenden, der Gewalt, der Romantik, der Hoffnungen und Träume. Schon immer war er für viele arme mexikanische Landarbeiter die Grenze zu einer besseren Welt gewesen, daran hatte sich bis zum heutigen Tag nichts geändert.
Natürlich waren Abe Douglas und Manuel Costa nicht allein. Costa hatte seine Männer an strategisch wichtigen Punkten verteilt. Durch Sprechfunk waren sie miteinander verbunden. Das schmale Gerät lag auf den Knien des Polizisten.
Meist kamen die Schlepper nach Mitternacht, wenn die Wachsamkeit der Grenzpolizisten nachließ, aber diesmal sollten sie sich geschnitten haben, das hatten sich die beiden Männer fest vorgenommen.
Costa bot Abe ein dünnes Zigarillo an. »Nein, danke.«
»Darf ich denn rauchen?«
»Bitte.«
Costa deckte die Flamme mit der Hand ab. Wenig später paffte er die ersten Rauchwolken.
Costa entspannte sich. Er war die Warterei eher gewohnt als der Mann aus New York, und Abe dachte auch an die Warnung, die ihm Costa mit auf den Weg gegeben hatte.
Dieser Pablo Sidda war kein Einzelgänger. Er musste es geschafft haben, sich eine Hausmacht aufzubauen, zahlreiche Männer arbeiteten für ihn, und er sollte angeblich etwas Besonderes sein. Einer, der unter einem Schutz stand, einer, den die alten Götter liebten.
Was genau darunter zu verstehen war, hatte Abe nicht herausfinden können, doch er rechnete mit Problemen, wenn sie Sidda einmal verhaftet hatten.
Er sollte auf keinen Fall länger als nötig in der Grenzstation bleiben. Nach seiner Festnahme hatte Abe vor, ihn mit einem Hubschrauber nach Laredo zu bringen und ihn dort erst mal hinter Gitter zu stecken.
Alles Weitere würde und sollte sich dann ergeben.
Der Kollege neben ihm rauchte, hielt die Augen halb geschlossen und summte die Melodie eines alten mexikanischen Volkslieds vor sich hin.
So konnte er entspannen.
Abe ging es da anders. Vom langen Sitzen war er steif geworden. Er musste aussteigen und seine Runde machen. Costa schaute kaum hin, als er den Wagenschlag öffnete.
»Ich vertrete mir mal die Beine.«
»Schon gut, aber gib auf die Klapperschlangen acht. Wenn du sie störst, werden sie eklig.«
»Danke für den Rat.«
Der Boden war hart, trocken. Aber wenn es einmal regnete, dann erwachte die Wüste, da wurde sie dann zu einem bunt blühenden Teppich.
Douglas wünschte sich nach New York zurück. Eine Dusche wäre jetzt herrlich gewesen, stattdessen schmeckte er den Staub, der immer in der Luft hing. Er drang überall hin, auch unter die Kleidung. Dann legte er sich auf die Haut, und es juckte und kratzte zugleich.
Douglas gehörte zu den Menschen, die sich keine Illusionen machten. Zuerst musste die Aufgabe erledigt werden, dann konnte an ans Duschen denken.
Er schaute in die Senke hinein.
Viel sah er nicht. In der Ferne einige Lichter. Sie funkelten wie fremde Sterne. Er wusste, dass dort der Fluss lag und auch eine kleine Ortschaft, deren Namen er vergessen hatte. Auch eine Fähre gab es dort, die Menschen an das andere Ufer brachte.
Über den Fluss würden sie kommen. Wahrscheinlich hatten sie schon Mexiko verlassen und würden nun den eingeschlagenen Weg nehmen, die sie auch durch die Senke führten.
Zu sehen war von ihnen aber noch nichts. Kein Lichtstrahl, kein Zucken einer Feuerzeugflamme. Die breite Senke lag vor ihm in tiefen Schatten.
Diese Gegend war beinahe vegetationslos. Wenn etwas wuchs, dann zumeist nur karges Strauchwerk, das immer gleich aussah, weil alles von einer Puderschicht aus Staub überdeckt war. Zwischendurch reckten Kakteen auch ihre Arme nach oben.
Diese Gegend war wirklich der Vorhof zur Hölle, und auf den Felsplatten konnten sich nur Klapperschlangen und Echsen wohlfühlen.
Abe Douglas dachte wieder an die Fledermäuse.
Keine war bisher erschienen. Dafür umschwirrten ihn Insekten. Er hörte ihr Summen, sah sie aber nicht.
»He, Abe!« Costa brauchte seine Stimme kaum anzuheben, in der Stille war selbst ein Flüstern gut zu verstehen.
Douglas drehte sich um. Der Jeep war von der Finsternis fast verschluckt worden. Trotzdem sah er die Armbewegungen des Kollegen.
Er ging zu ihm.
Costas Gesicht glänzte. »Kam gerade eine Meldung über Funk von den Kollegen.« Er hatte die Lippen zu einem Grinsen verzogen. »Er kommt.«
Douglas stützte sich mit der flachen Hand aufs Wagendach. »Allein oder mit …«
»Nein, er bringt eine Gruppe.«
»Wie viele sind es?«
»Nur vier.«
»Das ist wenig.«
»Ja, aber sie sind bepackt.«
»Was heißt das?«