1,99 €
Diese Nacht entwickelte sich für mich zu einem nie enden wollenden Albtraum. Gefesselt und versteckt in einem Rohbau lag ich dicht über einer Schlangengrube.
Zur gleichen Zeit trat Kara, die Schöne aus dem Totenreich, eine Reise in die Vergangenheit, genauer gesagt nach Atlantis, an. Dort sollte sie ihr Reich kennenlernen, und dort wollte man sie zur Königin krönen.
Stattdessen traf sie auf Angst, Verzweiflung - und den Schwarzen Tod! Und dieser mächtige Dämon hatte einen Plan. Er wollte Kara und mich ins Verderben stürzen ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 186
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Karas Reich
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Ballestar / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0030-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Karas Reich
von Jason Dark
Diese Nacht entwickelte sich für mich zu einem nie enden wollenden Albtraum. Man hatte mich in einen Rohbau verschleppt, wo ich über einer Schlangengrube gefangen gehalten wurde.
Zur gleichen Zeit trat Kara, die Schöne aus dem Totenreich, eine Reise in die Vergangenheit an, ins sagenhafte Atlantis. Dort sollte sie zur Königin gekrönt werden.
Stattdessen aber traf Kara auf Angst und Verzweiflung – und den Schwarzen Tod! Der mächtige Dämon wollte die Schöne und mich ins Verderben stürzen …
Was für mich wie ein Zufall aussah, gehörte tatsächlich zu einem heimtückischen und teuflischen Plan, der mich und einige andere Personen in ein Chaos stürzen sollte.
Dabei war alles völlig normal gelaufen.
Ich hatte Jane Collins bei Sarah Goldwyn abgesetzt und war nicht mehr mit ins Haus gegangen, weil ich mich in dieser Nacht zu müde fühlte.
Jane und ich hatten bei einem Chinesen gegessen und waren sehr zufrieden gewesen. Wir hatten wieder mal richtig geklönt und von alten Zeiten gesprochen. Ja, wir hatten es uns gutgehen lassen. So etwas musste ja auch mal sein.
Ich befand mich auf dem Heimweg.
Sarah Goldwyn, die Horror-Oma, wohnte in einer sehr ruhigen Straße, in der sich auch tagsüber der Verkehr in Grenzen hielt.
Man hatte die großen Bäume auf den Gehsteigen glücklicherweise noch nicht gefällt und würde sie auch nicht schlagen, weil die Menschen allmählich anfingen, über die Natur nachzudenken.
Kühle und feuchte Nachtluft umgab den Rover. Wie ein dicker Schwamm lag die Nacht über London. Der Himmel war nicht klar, sondern eine weite Ebene aus Dunst, der einen Blick auf die Gestirne nicht zuließ. Es ging auf Mitternacht zu, allmählich legte sich auch eine Stadt wie London zur Ruhe, zumindest klangen die Geräusche nicht mehr so laut wie am Tage, wo der Mensch von einer ständigen Kulisse umweht wurde.
Doch die wenigen Geräusche konnte ich jetzt intensiver wahrnehmen. So hörte ich das Wimmern einer Polizeisirene in der Ferne, ich vernahm den überlauten Motor eines Feuerstuhls, dessen Klang nur allmählich verschwand, und ich hörte sogar den nicht gerade leisen Schrei eines Menschen, der mich aus meiner ruhigen Stimmung riss.
Sofort war ich hellwach.
Ging vom Gas …
Langsam rollte ich weiter. An einer Kreuzung blieb ich stehen. Ich musste nach rechts, in eine ebenfalls wenig befahrene Straße, an deren linker Seite die alten Fassaden der Häuser dicht an dicht standen. Auf der rechten Seite hatte die Dunkelheit eine bestimmte Form bekommen. Da zeigte sie gewisse Wellen, zudem unterschiedlich hoch, und all das wirkte wie eingefroren.
Es war einer der zahlreichen kleinen rechteckigen Parks, ein sogenannter Square.
Ich dachte noch immer an den Schrei, als ich die Kurve nahm. Das Blinklicht warf schleierhafte, rote Lichtintervalle auf die feuchte Fahrbahndecke, als wollte sie es mit dem Asphalt verschmelzen.
Der Schrei hatte sich nicht wiederholt. Ich aber ging davon aus, dass ich mich nicht getäuscht hatte, zudem war auch die Seitenscheibe ein wenig herabgekurbelt worden, weil ich während der Fahrt frische Luft haben wollte, um die Müdigkeit in Grenzen zu halten.
Ich wusste aber, dass ich mich nicht getäuscht hatte. Diesen Schrei hatte es gegeben, und ich spürte in mir das Vibrieren in dem Moment der Anspannung.
Ich war plötzlich wieder voll da.
Ein Wagen kam mir entgegen. Seine Scheinwerfer waren nicht korrekt eingestellt. Die Lichtlanzen blendeten furchtbar.
Das Auto passierte mich.
Ich fuhr weiter.
Langsam, den Blick ständig zwischen den beiden Straßenseiten wechselnd. Ich war davon überzeugt, dass sich dieser Schrei wiederholen würde oder dass noch etwas anderes passierte.
Einen Schrei hörte ich nicht.
Dafür sah ich den Mann.
Er löste sich von der anderen Seite und huschte mit langen Schritten über die Straße, weil sein Ziel die Parkseite war. Ob er den Schrei ausgestoßen hatte, konnte ich nicht sagen, jedenfalls stand der Mann, als er auf den Gehsteig sprang, für einen Moment still und schaute in meine Richtung.
Obwohl ihn das Licht der Scheinwerfer erfasste, lief er nicht weg. Ich bekam die Gelegenheit, mir seinen Anblick einzuprägen.
Er sah nicht aus wie ein Straßenräuber. Der Mann trug helle Kleidung und hatte sich etwas über den Kopf gezogen. Er hatte sich geduckt, als ihn der Lichtschein erwischte, bewegte seinen Arm, und in Höhe der Hand sah ich etwas blitzen, das mich fatal an die Klinge eines Messers erinnerte.
Der Sichtkontakt glich nur einer kurzen Momentaufnahme, dann war der Knabe weg.
Blitzartig jagte er auf den Buschgürtel am Rand des Parks zu und tauchte darin ein.
Mein Rover machte einen Satz nach vorn, als ich Gas gab. Das Messer hatte mir überhaupt nicht gefallen. Dieser Hundesohn hatte etwas vor, und ich dachte an Menschen, die sich in Gefahr befanden, wenn er mit seinem Plan durchkam.
Mein Wagen schoss weiter und wurde dort abgebremst, wo der Kerl im Park verschwunden war. An dieser Stelle durfte ich nicht halten, was aber in diesem Fall unwichtig war.
Ich wollte ihn stellen!
Zu hören war er nicht. Nur ich verursachte Geräusche, als ich mich durch die Büsche drückte und aus den Augenwinkeln den Müll wahrnahm, den gewissenlose Menschen hier abgeladen hatten.
Sehr schnell fand ich einen Trampelpfad. Ich kam normal weiter.
Aber wo steckte der Messerheld?
Ich hörte ihn nicht einmal, ging trotzdem vor und bewegte mich schon sehr bald unter den winterlich kahlen Ästen der Bäume entlang, die ein natürliches Dach über mir bildeten.
Es hatte vor einigen Stunden geregnet. Tropfen hingen noch immer an den Zweigen und fielen schillernd nach unten, wenn ich dagegen stieß.
Ich war sehr vorsichtig. Büsche umstanden mich wie starre Gespenster. Der leichte Wind wehte mir ins Gesicht. Die nächtlichen Geräusche waren verstummt. Alles lag sehr weit hinter mir. Der Park war nicht sehr groß. Wenn sich eine Lücke auftat, konnte ich die Lichter an der anderen Seite sehen.
Dort befanden sich ebenfalls Häuser. Der Messermann hatte sie bestimmt schon erreicht.
Der Weg führte auf eine Kreuzung zu. In der Mitte war ein Ruheplatz eingerichtet worden. Vier Bänke, im Boden einbetoniert, bildeten ein Karree und standen mit dem Rücken zueinander.
Bei schönem Wetter waren sie besetzt. Zu dieser Zeit präsentierten sie sich leer, und auf dem Holz hatten die Regentropfen ein schillerndes Muster gebildet.
Ich blieb stehen.
Nichts war zu sehen. Ich hörte keine Schritte, kein Atmen und hätte eigentlich umkehren müssen, wenn da nicht das Gefühl in mir hochgestiegen wäre, es noch einmal zu versuchen und nachzuschauen. Dieser Unbekannte hielt sich gar nicht mal weit von mir entfernt auf und beobachtete mich aus sicherer Deckung.
Das Wissen, dass er sein Messer aus diesem Schutz hervorschleudern konnte, machte es mir nicht gerade leicht und ließ die Gänsehaut auf meinem Rücken dichter werden. Ich ging zwei kleine Schritte vor.
Neben einer Bank blieb ich stehen. Es war still. Irgendwo fielen die Tropfen zu Boden.
Sekunden vergingen.
Allmählich entspannte ich mich, ohne allerdings an Wachsamkeit zu verlieren.
Ich hörte ein Geräusch. Rechts von mir, ein leises Knacken und Schaben, als würde sich jemand davonschleichen.
Ich drehte den Kopf. Meine Hand lag auf dem Griff der Beretta. In diesem Fall musste ich bereit sein.
Das Licht zuckte auf.
Es war kein normales Licht, ein grünliches Flimmern mit einem knallgelben Zentrum, das plötzlich explodierte, mich blendete. Ich hörte noch etwas knacken.
Ich sprang zurück.
Einen Moment später löste sich die Bank aus der Verankerung. Sie wurde, wie von unsichtbaren Händen gepackt, in die Höhe gestemmt. Da brach selbst das Betonfundament. Wer so etwas schaffte, musste übermenschliche Kräfte haben, und mir fehlte die Erklärung. Ich stand einfach nur da und war erstaunt.
Die Bank drehte sich. Dann wirbelte sie vor, und ich sah mit Schrecken, dass sie mich als Ziel ausgesucht hatte.
Ich rannte geduckt nach rechts, damit rechnend, dass das schwere Ding noch auf meinen Rücken krachte. Wenig später atmete ich auf, denn ich hörte, wie es mit einem donnernden Laut zu Boden schlug und noch ein Stück weiterrutschte.
Ich drehte mich um.
Die Bank lag auf der Seite. Sie hätte mich beinahe erschlagen. Dies hier war nichts anderes als ein raffinierter Mordversuch gewesen.
Man hatte es auf mich abgesehen!
Ich tauchte zurück, fand neben einem Baum Deckung und sorgte erst einmal für eine innere Ruhe. So leicht war ich nicht aus dem Konzept zu bringen, aber mit fliegenden Bänken hatte ich bisher noch keine Erfahrungen machen können.
Dieser Angriff war nicht das Werk irgendeines Menschen gewesen, das stand für mich fest.
Da steckte jemand anderer dahinter. Einer meiner zahlreichen Feinde aus der Schattenwelt. Dieser Typ mit dem Messer hatte mich nur in eine Falle locken sollen, was ihm auch gelungen war, denn er kannte meine Neugierde. Nur war die Falle nicht zugeschnappt, ich hatte schneller reagiert. War das auch einkalkuliert worden?
Aber wer zeigte sich dafür verantwortlich?
Ich wartete ab.
Zeit verstrich. Nach etwa einer halben Minute bewegte ich mich und schaute dorthin, wo die Bank lag. Niemand fand sich bereit, sie wieder an ihren alten Platz zu stellen.
Dass der andere, den ich nur kurz gesehen hatte, sich noch in der Nähe befand, wollte ich schon glauben. Nur stellte er es raffiniert an und ließ mich erst einmal warten.
Mir standen zwei Alternativen zur Verfügung. Ich konnte verschwinden, aber auch dem Vorfall auf den Grund gehen. Jeder, der mich ein wenig kannte, wusste, für welch eine Möglichkeit ich mich entscheiden würde. Ein Rückzug kam nicht in Frage.
Ich wollte neben dem Baum auch nicht anwachsen und schob mich wieder vor.
In jedem Park leuchteten Laternen, vorausgesetzt, irgendwelche Chaoten hatten die Glaskuppeln nicht zerschlagen. Auch hier schimmerte Licht. Aber nicht in meiner Nähe, sondern ein Stück entfernt, wo die nassen Gewächse von einem bläulichen Schimmer getroffen wurden, der die Regentropfen direkt wertvoll aussehen ließ.
Ich ging dorthin. Die Leuchte stand günstig, in einem eventuellen Fluchtweg des Kerls.
Spuren fand ich keine. Ich sah ihn auch nicht und hatte das Gefühl, mich allein in diesem Park zu bewegen.
Und doch lag etwas in der Luft.
Das Gefühl, belauert zu werden, wollte einfach nicht weichen. Ich fühlte mich gezwungen, den Weg fortzusetzen.
Meine Schritte setzte ich so leise wie möglich, deshalb konnte ich die anderen hören. Dem Klang der Tritte nach zu urteilen, lief der Kerl auf einem normalen Weg. Er nahm auch keine Rücksicht darauf, dass ich ihn hören konnte, er war sich unheimlich sicher, dass alles so ablief, wie er es sich vorgestellt hatte.
Ich dachte an die durch die Luft geflogene Bank und behielt die Vorsicht bei, versuchte dennoch, mich dem Unbekannten zu nähern. Jedenfalls huschte ich nahe an einem Wegrand entlang und wurde deshalb auch von zahlreichen Zweigen gestreift, die gegen meine Jacke schlugen oder wie nass starre Finger über mein Haar strichen.
Ich fluchte innerlich und dachte daran, dass der verdammte Park doch gar nicht so breit sein konnte. Er musste irgendwann ein Ende haben, zum Teufel! Ich erreichte eine Linkskurve, deren Außenseite von dichten Büschen flankiert wurde.
Etwas rasselte heran.
Es war ein unheimliches Geräusch, und es sorgte dafür, dass ich meinen Lauf unterbrach. Ich rutschte auf den Hacken weiter, bevor ich endlich Halt gefunden hatte.
Das Geräusch blieb.
Es war ein leises Rasseln oder Klappern, aber ich sah kein Licht auf mich zukommen.
Dafür den Müll.
Wie von Geisterhänden bewegt, trieb all das Zeug, das die Menschen weggeworfen hatten, auf mich zu. Es war so, als wollte es sich bei mir für diese verfluchten Umweltsünden rächen, die andere begangen hatten. Büchsen, Kartons, Papier, alte Eimer, sogar Teile eines Kühlschranks fanden den Weg zu mir.
Ich musste weg.
Ein Sprung schleuderte mich zur Seite, hinein in das Buschwerk, dessen Zweige mich zunächst auffingen und dann unter mir zusammensanken, so dass ich auf dem feuchten Boden liegenblieb.
Das Zeug wirbelte vorbei. Ich hörte noch die knackenden und kratzenden Laute, die irgendwann verklangen, als das Zeug endlich zum Stillstand gekommen war.
Allmählich wurde mir mulmig zumute. Jetzt war ich zweimal attackiert worden, und ich konnte mir vorstellen, dass dies nicht ohne Grund geschehen war.
Da steckte Methode dahinter.
Aber wer machte Jagd auf mich? Wer verfügte über die Macht, der Natur ein derartiges Schnippchen zu schlagen?
Natürlich hatte ich viele Gegner, ich hätte jetzt auch raten können, aber das brachte nichts. Es hatte keinen Sinn, sich darüber Gedanken zu machen. Mir musste es einfach gelingen, den Mann mit dem Messer zu stellen.
Der kleine Park umgab mich mit seiner Stille. Gerade diese Leere empfand ich als bedrückend. An der Stirn spürte ich den Druck des Blutes, das hinter der dünnen Haut floss. Ich war aufgeregt, ich schaute mich um, ich wollte sehen, wer sich da in der Dunkelheit versteckte, denn es war ein verdammt unheimlicher Feind.
Er zeigte sich nicht.
Ich ging weiter.
Irgendwo musste ich aus diesem Park herauskommen. Dieses kleines Viereck, das mir jetzt vorkam wie eine andere Welt inmitten Londons.
Ich war auf der Hut. Schaute nicht nur nach vorn oder zur Seite, sondern auch zurück und in die Höhe, denn die Gefahr konnte überall lauern. Sie konzentrierte sich nicht nur auf einen Platz.
Nichts zu sehen …
Ich entspannte mich allmählich. Zudem war ich es gewohnt, mit der Gefahr zu leben. So leicht brachte sie mich nicht um, und sie schockierte mich auch nicht.
Was ich allerdings hinter mir hatte, war schon mehr als seltsam gewesen. Man machte Jagd auf mich. So konnte ich es auf eine einfache Formel bringen. Zwar hatte ich meinen Gegner gesehen, doch ich wusste nicht, zu welcher Kategorie von Schwarzblütern er zählte. Oder gehörte er zu den Menschen, die mit besonders starken Geisteskräften ausgerüstet waren? Mit ihnen hatte ich auch so meine Erfahrungen gemacht.
Wie dem auch sei, ich war trotz allem überrascht, als ich die zweite Laterne sah. Ich hatte aus dem Park herausgefunden.
Jenseits der angrenzenden Straße wurden neue, hohe Häuser errichtet. Die Rohbauten hatte man schon fertiggestellt. Die beiden Klötze wurden von einer großen Fläche umgeben, auf der allerlei Geräte standen. Ein Kran, eine Mischmaschine, ein Aufzug, der Material in die oberen Etagen transportierte, und viele andere Werkzeuge und Maschinen.
Eine normale Ruine, und doch nicht so normal für mich, denn sie jagte mir einen Schauer ein, als ich sie betrachtete. Sie kam mir irgendwie schaurig vor, wahrscheinlich, weil ich an meine Erlebnisse dachte und auch daran, dass sie sich gut als Versteck eignen würde.
Die Fassaden waren auf keinen Fall dunkel oder geschwärzt. In dieser Nacht kamen sie mir vor, als hätte sie ein riesiger Dämon mit schwarzer Farbe getüncht.
Die Umgebung der beiden Rohbauten präsentierte sich menschenleer. Nicht einmal ein Tier huschte durch mein Blickfeld, aber ich traute dem Frieden nicht, und meine Neugier war noch nicht verblasst.
Ich wollte diesen Kerl finden, der es schaffte, mir einen derartigen Schrecken einzujagen. Dabei wurde ich den Eindruck nicht los, dass er sich auf dem Grundstück verbarg, das ja nun zahlreiche Versteckmöglichkeiten bot.
Also blieb mir nichts anderes übrig, als die Fahrbahn zu überqueren. Ich ließ zwei Autos passieren, die ihre Scheinwerferteppiche vor sich herschoben und dann mit schmatzenden Reifen an mir vorbeirollten, bevor die Nacht sie verschluckt hatte.
Ich warf noch einen Blick auf das Grundstück.
Es war leer.
Aber ich sah das Licht.
Und das stammte von einer Lampe, glaube ich zumindest. Ich ging los …
Nacht nicht nur in London, sondern auch bei den flaming stones, diesem mystischen Refugium irgendwo in Mittelengland, das sich drei ebenfalls mystische Personen als Heimat, Fluchtburg und Einsatzzentrale ausgesucht hatte.
Myxin, der kleine Magier, der Eiserne Engel und Kara, die Schöne aus dem Totenreich.
Drei Personen, die von einem Kontinent stammten, der vor mehr als zehntausend Jahren während einer gewaltigen Katastrophe vom Meer verschlungen worden war und trotzdem bis in die heutige Zeit nichts von seiner Faszination verloren hatte.
Atlantis!
Wer dieses Wort aussprach, der bekam eine Gänsehaut, nickte nachdenklich oder wissend, schaute auch mal zweifelnd, hob die Schultern, aber es war niemand da, der seine Existenz direkt und sehr entschieden abstritt. Auch bei den Gegnern blieb stets ein Gefühl zurück, dass es Atlantis gegeben haben könnte und sich gewisse Dinge bis in die Gegenwart hinübergerettet hatten, wo sie sogar versuchten, etwas Neues aufzubauen und sich zu finden.
Atlantisches Erbe.
Dazu gehörten die drei, aber auch andere hatten die Zeiten überdauert. Gefährliche Kräfte, Dämonen, Götzen und Götter, die von den Bewohnern der Flammenden Steine bekämpft wurden.
Vier Steine bildeten ein Quadrat. Uralte Monolithen, grau und kantig, nicht glatt geschliffen, sondern mit den Zeichen des langen Daseins behaftet.
Vier Steine, die die Grenzen eines magischen Zentrums bildeten und die durch zwei Diagonalen miteinander verbunden waren, um die Magie in die Steine transportieren zu können, die dann in einem düsteren, aber dennoch kräftigen Rot aufleuchteten, als befände sich in ihrem Innern ein Feuer.
Wenn das geschah, war die Physik der Menschen ausgeschaltet. Dann verschmolzen die Zeiten miteinander. Da konnte die Vergangenheit zur Gegenwart werden, da wurde Atlantis wieder wach. Man konnte das erleben, was längst geschehen war, ohne selbst entscheidend eingreifen zu können.
Das wussten Kara, Myxin und der Eiserne Engel. Obwohl ihre Heimat längst verschwunden war, standen sie noch immer durch die flaming stones mit ihr in Verbindung, und sie hatten es schon oft genug erlebt, wie es durch sie zu einer Konfrontation mit alten Zeiten und deren Bewohnern gekommen war.
Die Steine waren die Indikatoren, auf die sie hörten, denn sie schafften es immer wieder, eine fremde Magie aufzufangen und Warnungen auszusenden.
So, wie in den letzten Nächten diese Botschaften und Warnungen nur einer Person gegolten hatten.
Kora, der Schönen aus dem Totenreich.
Die Frau mit den dunklen Haaren hatte versucht, Vergleiche zu finden, was ihr im Anfang ziemlich schwergefallen war. Da war sie sich wie eine Gefangene in einem tiefen See vorgekommen, aus dem sie nur allmählich an die Oberfläche stieg. Ähnlich wie jemand, der auf breiten Schwingen saß und getragen wurde.
Hinein in die andere Welt, raus aus der Dunkelheit, die so absolut war. Dafür ein Hineingleiten in die graue Szenerie der Träume, wo noch alles so verschwommen war und sie erst keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie sah sich ausschließlich umgeben von Bildern und Szenen, eingetaucht in tiefdunkle Farben, die sich nicht auflösten.
In der zweiten Nacht erwischte sie wieder derselbe Traum. Zuerst das Fallen in die Tiefe eines schwarzen Meeres, wo sie das Gefühl hatte, sich aufzulösen. Danach abermals das seltsame Schwingen und das gleichzeitige Hochsteigen bis hinein in die Gräue, wo sich dann wieder die Bilder zeigten.
Noch immer von dunklen Farben überschattet, aber jetzt besser zu erkennen, denn jenseits der Farben tat sich eine geheimnisvolle Welt auf. Ein Land …
Weit und doch bebaut.
Wälder, Seen, kleine Orte, Menschen …
Doch all dies, obwohl mit einem urbanen Leben erfüllt, glitt an ihr vorbei wie ein Schatten. Sie hörte nichts, aber sie empfand diese stummen Botschaften, die ihr zugesandt wurden und davon sprachen, dass es auch anders kommen würde.
Die nächste Nacht.
Wieder derselbe Traum, doch diesmal intensiver und exponierter. Die dunklen Farben waren plötzlich nicht mehr vorhanden, das graue Licht verschwand, aber es erschien keine Sonne über dem Reich. Es blieb eingetaucht in eine müde Helligkeit, wobei Kara keine Mühe hatte, Einzelheiten zu erkennen.
Die Täler, die Berge, die wenigen Wälder, die kleinen Städte, in denen sich Menschen bewegten, deren Kleidung an die der alten Griechen erinnerte.
Auch die Bauten waren zumeist groß und mächtig. Da stützten gewaltige Säulen die Dächer domartiger Gebäude. Es waren breite Treppen vorhanden, auf denen Menschen saßen und miteinander sprachen. Es gab Schulen, in denen gelehrt wurde, und aus zahlreichen Brunnen, die auf mit Steinen gepflasterten Straßen standen, sprudelten helle Wasserfontänen.
Und doch waren die Bewohner dieser Welt nicht glücklich. Sie liefen mit nahezu stoischen Gesichtern herum, schauten mehr als einmal innerhalb weniger Minuten zu den fernen Bergen hin oder auch gegen den Himmel, als würden sie von dort etwas erwarten, wobei sie sich nicht entscheiden konnten, ob es nun gut oder schlecht war.
Möglicherweise beides, denn zu einer normalen Welt gehörte eben das Gute und das Schlechte.
Abwarten …
Weitergleiten – denn genauso erlebte Kara ihren Traum. Sie glitt tiefer in dieses Reich hinein, und es kam ihr so wahnsinnig bekannt vor. Sie wusste von dieser Welt auf dem Kontinent Atlantis. Die Beziehung zu ihr war sehr innig.
Sie liebte diese Welt!
Kara überlegte in ihren Träumen, ob sie die Welt auch kannte, doch darauf fand sie keine Antwort. Sie wusste nur, dass sie das geheimnisvolle Reich mochte, dass es ihr nicht egal war, und sie spürte, dass sie dazugehörte.
Ja, sie gehörte nicht nur dazu, sondern dahin!
Es war ihr Reich!
Aber es war nicht nur gut, denn die Menschen bewegten sich nicht grundlos so vorsichtig durch die Landschaften und Orte. Sie waren bedrückt, sie hatten Angst, sie fürchteten sich, aber sie wussten nicht, wovor, das spürte selbst Kara in ihren Träumen.
Warten sie …?
Das konnte natürlich stimmen. Sie warteten auf einen Menschen, der sie aus dem Loch der Bedrückung hervorholte, der sie von den Schatten und schrecklichen Gedanken befreite.
Und Kara spürte die Botschaft.
Sie drang tief in sie hinein, sie merkte, dass im Schlaf etwas mit ihr geschah.
Sie musste etwas tun.
Sie musste suchen.
Sie musste finden!
Das Reich, das Land sollte von ihr gefunden werden, denn es war ungemein wichtig. Sie spürte eine nie gekannte Affinität zu diesem Gebilde aus Bergen, Tälern, Orten und Menschen.
Es war ein Land für sich, eine Insel inmitten eines gewaltigen Kontinents, aber Kara konnte sich nicht vorstellen, weshalb es gerade sie getroffen hatte und keine andere Person.
Warum sie?
In Atlantis gab es zahlreiche Menschen, auch mächtige Menschen, Weiße und Schwarze Magie, gute und schlechte Magie, doch sie war ausgewählt worden.
Das musste einen Grund haben.
Nach der dritten Nacht erinnerte sie sich dermaßen intensiv an diesen Traum, dass sie beinahe glaubte, ihn gelebt zu haben.
Sie war ein Teil dieses Traumes gewesen.
Erst jetzt sprach sie mit Myxin, dem kleinen Magier, darüber. Auch der Eiserne Engel, der einst in Atlantis Herr der Vogelmenschen gewesen war, hörte gespannt zu, und beide wussten sich keinen Rat, obwohl Kara ihren Traum detailliert beschrieben hatte.
»Nein«, sagte Myxin, »dieses Reich kenne ich nicht. Das habe ich noch nie gesehen.«
»Was ist mit dir?«