John Sinclair Sonder-Edition 138 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 138 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

"Und wie alt bist du wirklich?", fragte ich den etwa zwölfjährigen Jungen.
"Hundert Jahre!"
Die Antwort schockte mich. Seltsam, aber ich glaubte ihm. Denn sie passte zu den Dingen, die uns nach Irland geführt hatten. Drei Männer waren spurlos verschwunden. Ein geheimnisvoller Wald hatte sie nicht mehr freigegeben.
Wie aber war ihr Blut dann in den Körper mordlüsterner Alraunen gelangt? Und weshalb wuchs in dieser Gegend der normale Wald so dicht wie ein Dschungel? Und existierte die geheimnisvolle Riesenspinne tatsächlich, oder war sie nur ein Märchen?
Fragen, die Suko und mich quälten. In der Hitze eines irischen Sommers begaben wir uns auf die Suche nach Antworten, um einen Albtraum ohnegleichen zu erleben ...


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Seitenzahl: 178

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Albtraum-Sommer

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Prieto / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0031-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Albtraum-Sommer

von Jason Dark

„Und wie alt bist du wirklich?“, fragte ich den etwa zwölfjährigen Jungen.

„Hundert Jahre!“

Die Antwort schockte mich. Seltsam, aber ich glaubte ihm. Denn sie passte zu den Dingen, die uns nach Irland geführt hatten. Drei Männer waren spurlos verschwunden. Ein geheimnisvoller Wald hatte sie nicht mehr freigegeben.

Wie aber war ihr Blut dann in den Körper mordlüsterner Alraunen gelangt? Und weshalb wuchs in dieser Gegend der normale Wald so dicht wie ein Dschungel? Und existierte die geheimnisvolle Riesenspinne tatsächlich, oder war sie nur ein Märchen?

Fragen, die Suko und mich quälten. In der Hitze eines irischen Sommers begaben wir uns auf die Suche nach Antworten und sollten einen Albtraum ohnegleichen erleben …

„Verdammt noch mal, ich bin doch hier nicht im Dschungel von Brasilien!“ Ben Culver blieb stehen, wischte den Schweiß von der Stirn, obwohl es keinen Sinn hatte, fluchte erneut und ließ sich neben dem Tümpel auf einem mit Moos überzogenen Baumstamm nieder.

Er war nicht am Ende, aber doch erschöpft. Wieder wischte er über sein verschwitztes Gesicht, doch das Tuch war schon nass, und es würde in dieser verfluchten Schwüle auch nicht trocknen.

Er schaute in die Höhe.

Ein Dach aus Blättern befand sich hoch über seinem Kopf. Es bildete eine wellige grüne Ebene und war trotz des frühen Sommers oder späten Frühlings schon so dicht, dass es einen großen Teil der Sonne erst gar nicht durchließ.

Wer hier lief, bewegte sich in einer menschenfeindlichen Gegend. Ganz so wie im Dschungel.

Nur befand sich Ben nicht in Südamerika, sondern in Irlands Süden, wo es zwar sehr warm war und auch Palmen wuchsen, bedingt durch den Golfstrom, aber eine derartige Flora hätte er hier nicht vermutet.

Es war wie ein Gefängnis.

Kein Ausweg, wohin er auch schaute. Überall dieser verdammte grüne Wald. Die hohen Bäume mit den dicken Stämmen, die mächtigen Kronen, das dichte Unterholz, der weiche, feuchte, auch schlammige Boden, die kleinen Tümpel mit den dunkelgrün schimmernden Oberflächen und den bunten Blumen dazwischen – das alles passte einfach nicht nach Europa.

Und doch war es eine Tatsache.

Ebenso wie die unzähligen Insekten, die den einsamen Mann unaufhörlich umsummten.

Ansonsten waren es die einzigen Tiere in diesem verdammten Wald. Zumindest hatte Culver keine anderen zu Gesicht bekommen. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn plötzlich ein Tiger aus dem Unterholz spaziert wäre, begleitet von einem Elefanten und einer Schlange.

Culver verfluchte diesen Job, er verfluchte den Sommer, er verfluchte die Anzeige, die er in die Zeitung gesetzt und in der er sich als Mann für Sonderfälle ausgegeben hatte.

Jeden Job nahm er an.

Okay, er hatte ihn ja auch bekommen. Er sollte das Gelände unter die Lupe nehmen und herausbekommen, was mit den Männern passiert war, die nicht mehr zurückgekehrt waren.

Keiner wusste, ob sie noch lebten oder ob sie ums Leben gekommen waren. In diesem Wald war alles möglich. Dabei lag der nächste Ort nur knapp eine Meile Luftlinie entfernt. Für Culver war er so weit weg wie der Äquator.

Seine Kleidung war durchgeschwitzt. Er hatte sich extra für diesen Job das Drillichzeug gekauft. Es bestand aus festem Stoff, selbst Dornen konnten ihm so leicht nichts anhaben. Und die Stiefel erlaubten es Culver, auch durch Wasser zu laufen, sie reichten mit ihren Rändern beinahe bis zu den Kniekehlen.

Bisher hatte er nichts von den Verschwundenen entdeckt. Kein Wunder, es war auch sein erster Ausflug in diese Hölle. Später wollte er in den Ort fahren, wo er ein Zimmer gemietet hatte.

Ben Culver war ein Typ, der irgendwie wild aussah. Ein kantiges Gesicht, auf dem Kopf verteilten sich Borstenhaare, seine Figur war durchtrainiert, und der Blick seiner blassen Augen verriet Entschlossenheit und einen Schuss Brutalität.

Er war in der Welt herumgekommen, hatte zwei Ehen hinter sich und hatte sich schließlich als Mann für Sonderfälle selbständig gemacht. Er nahm fast alle Jobs an, hatte sich nie beschwert. An diesem Tag jedoch hätte er am liebsten alles hingeschmissen.

Wenn da nicht das Erfolgshonorar gewesen wäre.

Zehntausend Pfund!

Das war nicht nur ein Klopfer, für ihn kam es schon einem Superhammer gleich. Um diese Summe zu verdienen, musste eine alte Frau lange stricken. Culver wollte ebenfalls nicht geizig sein und fühlte sich bei der Berufsehre gepackt. Er musste diesen Job durchziehen, koste es, was es wolle.

Aber eine Pause war ihm ja wohl vergönnt.

Aus der rechten Seitentasche der Hose holte er eine Blechdose hervor, öffnete sie und grinste, als er einen Blick auf die kurzen Zigarillos warf. Der Qualm würde für eine Weile die Mücken vertreiben. So ließ er die ersten Wolken um seinen Kopf kreisen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich auflösten, denn unter dem grünen Blätterdach war es so gut wie windstill.

Culver starrte auf den Tümpel. Die Fläche vor ihm war glatt. Sie erinnerte ihn an einen dunkelgrünen Spiegel, der nur ein schwaches Bild zeigte.

In diesem Fall das von Culver selbst. Er sah sich auf der Oberfläche wie ein Schatten, der allmählich zerfloss, ohne dass er die andere Seite des kleinen Teichs erreicht hätte.

Nur ab und zu bewegte sich das Wasser, wenn ein Insekt auf die Oberfläche hüpfte.

Der Wald gefiel Culver nicht, die Stille noch weniger.

An diese Ruhe hatte er sich nicht gewöhnen können. Aus seiner Zeit im Dschungel Südamerikas wusste er, dass auch der dichteste Wald Tag und Nacht von einem besonderen Leben erfüllt war. Da schrillte und kreischte es, da jammerten oder tirilierten die Vögel, so manches Fauchen peitschte in die übrigen Geräusche hinein, doch hier war alles still.

Bedrückend still …

Die Natur hält den Atem an. Daran hatte Ben Culver oft genug gedacht, sich aber keine weiteren Gedanken über den Vergleich gemacht – bis eben in dieser Minute, als er auf dem Baumstamm hockte und rauchte, umgeben von einer für europäische Verhältnisse exotisch anmutenden Welt.

Immer wieder schaute er auf den Tümpel. Die Oberfläche schimmerte geheimnisvoll. Sie war wie eine Decke, die man darüber ausgebreitet hatte, um die schreckliche Tiefe zu verbergen. Niemand sollte sehen, was sich dort tat. Obwohl Culver schwitzte, spürte er ein Frösteln auf seinem Rücken. Auch das war nicht normal.

Eine Warnung?

Wie in Zeitlupe stand er auf, es sah beinahe unbeholfen aus. Er schaute zur Seite, drehte sich weiter, rauchte zwei Züge und warf die Kippe weg. In diesem Augenblick glaubte er, eine Bewegung gesehen zu haben. Irgendwo vor ihm. Etwas war durch das Unterholz gehuscht. Einige hohe Halme schwangen jetzt noch nach, pendelten aus, waren wieder starr.

Ein Tier?

Culver überlegte.

Platsch!

Er wirbelte herum, weil er sehen wollte, was hinter ihm geschehen war. Aber es war nichts zu erkennen.

Doch! Auf der Oberfläche waren einige Ringe entstanden, die sich dem Ufer näherten.

Und dann schwamm dort etwas …

Culver räusperte sich. Er schaute hin, wollte sich abwenden, schaute wieder hin, schüttelte den Kopf. Zwei Schritte ging er vor. Seine Füße sanken in den Schlamm des Ufers ein. Er blieb stehen und verfolgte den Gegenstand, der ins Wasser gefallen sein musste, nun dicht unter der Oberfläche schwamm und dabei leicht hüpfte.

Ein Ball war es nicht. Es erinnerte mehr an einen Korken, obwohl nicht so regelmäßig geformt. Aber dieses Etwas näherte der Stelle, an der er stand. Es sah so aus, als wäre jemand dabei, den Gegenstand mit einem Faden näher heranzuziehen.

Komisch …

Ben Culver wartete. Manchmal tauchte der Gegenstand unter, aber ebenso schnell erreichte er auch wieder die Oberfläche, wo er ihn besser erkennen konnte.

Auf einmal wusste er, was es war.

Ein Stück Wurzel, ziemlich dick sogar, größer als eine Männerhand, oval geformt, sodass ihm der Vergleich mit einem Kopf in den Sinn kam. Und noch etwas kam hinzu. Auf einer Seite war die Baumwurzel glatt, auf der anderen aufgeraut, als hätte dort jemand etwas hineingeschnitzt, um sein Zeichen zu hinterlassen.

Culver war gespannt. Er wollte es wissen und konnte es kaum erwarten, bis die Wurzel ans Ufer trieb. In dieser Umgebung war sie für ihn etwas Besonderes, ein Geschenk, das ihm ein Wassergeist überlassen wollte.

Nicht mehr als eine Armlänge noch, dann konnte Culver es bequem fassen. Die Wurzel drehte sich noch einmal unter die Oberfläche, wurde wieder hochgedrückt und bekam Kontakt mit der Männerhand, die Culver in das warme Wasser des Tümpels gestreckt hatte. Mit den Fingern umfasste er ein glitschiges Etwas, zog es ans Ufer und ließ sich wieder auf dem Baumstamm nieder.

Ein komisches Stück Wurzel, dachte er und überlegte, ob es tatsächlich menschliche Züge aufwies. Eigentlich war es mehr ein Oval, konnte auch als eine in die Länge gezogene Zwiebel durchgehen, und das obere Ende sah aus wie eine Zipfelmütze, die jemand der Wurzel aufgesetzt hatte.

Der Fund war nass und glatt. Culver drehte ihn herum, ließ ihn auf seiner kräftigen Hand liegen – und erschrak.

Er schaute in ein Gesicht.

„Das gibt es nicht“, flüsterte er. „Das bildest du dir ein. Das kann kein Gesicht sein …“ Er rieb sich die Augen, dann lachte er und sagte sich, dass er sich tatsächlich getäuscht hatte.

Es war kein Gesicht.

Es hatte nur so ausgesehen. Wieder suchte er nach einem Vergleich und fand ihn auch: An dieser Wurzel hatte jemand herumgeschnitzt, war allerdings noch nicht fertig geworden.

Da waren die Andeutungen dieser Merkmale zu erkennen. Der Mund, die Nase, auch die Augen, und alles wirkte sehr flach, beinahe wie aufgemalt.

Culver fuhr mit der Fingerkuppe darüber hinweg. Er war ebenfalls der Meinung, dass er sich beim ersten Hinsehen getäuscht hatte. Aber komisch war dieser Fund schon.

Seltsam …

Culver schaute es an, überlegte, merkte auch, dass dieses Wurzelstück gar nicht so hart war. Schon beim leichten Druck verzog es sich. Vielleicht konnte er auch daran herumschnitzen. Von der letzten Möglichkeit war er sehr angetan, und die Hand glitt in die Tasche, wo ein Messer steckte.

Er klappte es auf. Ein verirrter Sonnenstrahl traf die Schneide und ließ sie funkeln.

In der linken Hand hielt Culver die Wurzel, in der rechten das Messer. Er wollte an der oberen Seite beginnen und die weiche Masse mit einem Schnitt zerteilen.

Culver setzte das Messer an – und schnitt nicht. Wie eine Sirene gellte etwas in seinem Kopf. Es war ein Schrei, eine Warnung, die ihm klarmachte, es nicht zu tun.

„Nicht verletzen!“

Ben schüttelte den Kopf. Gleichzeitig spürte er den Schauer. Er drehte sich um. Aber da war nichts. Nur die dumpfe Stille des Waldes.

Trotzdem diese Warnung!

Wer hatte sie ihm zugerufen! Warum war sie ausgerechnet in seinem Kopf aufgegellt? Für ihn gab es keinen anderen Grund als eine Täuschung. Jemand hatte sich einen Scherz erlaubt. Das bedeutete auch, dass sich Culver nicht mehr allein in dieser Umgebung befand. Irgendjemand war noch da, lauerte im Hintergrund, hatte gerufen, was auch Unsinn war, denn die Warnung hatte er auf keinen Fall als Rufen gehört, sondern nur mehr als Signal in seinem Kopf.

Rätselhaft …

Wieder schaute er auf die Wurzel. Er sah auch das Messer, und Culver war ein Mensch, der gewissen Dingen auf den Grund ging, auch wenn er sich dabei selbst in Gefahr brachte. Hier wollte er es einfach wissen und sich nicht aus dem Rennen schlagen lassen.

Das Messer war scharf. Es würde dieses feuchte Wurzelstück mit einer Leichtigkeit durchschneiden, als bestünde es aus weichem Fett. Er setzte die Klinge an, und zwar dort, wo sich – hätte es tatsächlich ein Gesicht gegeben – die Stirn hätte befinden müssen. Er wollte nur eine kleine Kappe von der Wurzel schneiden.

Culver drückte die Klinge hinein.

Sie glitt weiter.

Er lächelte.

Es war ganz einfach, und er kam sich vor, als würde er eine Kartoffel schälen.

Nur rann aus denen niemals Saft hervor. Hier war es anders. In der Wurzel war eine dicke Flüssigkeit verborgen gewesen, vergleichbar mit dem Sirup.

Sie quoll aus der Schnittwunde und benetzte Ben Culvers Finger. Culver schnitt plötzlich nicht mehr weiter. Seine Augen hatten sich geweitet. Was er sah, wollte er nicht glauben. Es war für ihn unmöglich, Grusel und Tragik zugleich.

Nein, die Flüssigkeit hatte nur wie Sirup ausgesehen. Sie war etwas ganz anderes.

Er tupfte dennoch mit einer freien Fingerspitze nach, schaute genau hin, und in seinem Magen brodelte es, als würde dort eine Säure kochen.

An seinem Finger klebte Blut!

Ben Culver wollte es nicht glauben, dass es Blut war, was noch immer aus der schmalen Schnittwunde quoll.

Blut! Wieso Blut?

Der Mann, der schon einiges hinter sich hatte, zitterte plötzlich. Er wurde kalt, und über seinen Körper wirbelten kleine Schauer hinweg. Schweiß stand ihm ebenfalls auf der Stirn. Wenn er nach Luft schnappte, sah es aus, als würde er trinken. Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen, und Culver fühlte, dass er einen Fehler gemacht hatte.

Es gibt leichte, es gibt schwere, es gibt aber auch tödliche Fehler. War dieser Fehler tödlich gewesen? Im Hals spürte er das Kratzen. Er dachte an diesen verdammten Dschungel, der überhaupt nicht in diese Gegend hineinpasste, und in einem Anfall von Wut schleuderte er das Fundstück wieder zurück ins Wasser. Es glitt durch einen Sonnenstrahl und verlor dabei einige Blutstropfen, die wie rote Regentropfen auf die Oberfläche des Tümpels klatschten.

Er atmete keuchend aus, erhob sich und spürte, dass seine Beine zitterten. Das Fundstück schwamm auf dem Wasser. Als Culver noch einmal hinschaute, überkam ihn endgültig das Wissen, einen verdammten Fehler begangen zu haben.

Das war kein normales Stück Wurzel gewesen, das irgendwo abgerissen worden war. Es musste etwas Außergewöhnliches sein. Ein Gegenstand, den es nirgendwo sonst gab, nur eben in diesem so unnatürlichen Urwald im Süden Irlands.

Er dachte über sein Honorar nach. Es war fast unverschämt hoch gewesen. Niemand warf Geld zum Fenster hinaus. Für diese Summe hatte man ihn in eine Hölle geschickt.

Er lachte böse auf, als er daran dachte – er steckte inmitten einer verdammten Hölle, ohne Hilfe, ohne Partner, und er musste sich durchschlagen, bis er sein Ziel erreichte! Es lag ja nicht weit entfernt.

Culver wollte den Wald so schnell wie möglich verlassen. Er hasste die drückende, schwüle Sommerluft. Die Dunstschwaden zwischen den Bäumen widerten ihn an. Sie hingen dort wie Gespenster, an einigen Stellen vom Licht der Sonne beleuchtet.

Er trug einen Kompass bei sich. Die Richtung stand fest. Ben Culver musste nach Norden. Wenn er den Wald verlassen hatte, sah die Welt wieder ganz anders aus. Dann würde er sich mit seinem Auftraggeber in Verbindung setzen und alles mit ihm besprechen, was es noch zu bereden gab. Es konnte auch gut möglich sein, dass er auf den Job verzichtete, denn er sah sich in diesem Fall mehr als ein Opfer.

Mit diesen und ähnlichen Gedanken beschäftigte er sich, bahnte sich seinen Weg und hatte dabei immer wieder den Eindruck, verfolgt zu werden oder in eine Falle zu laufen.

Des Öfteren drehte er sich um, aber da war nichts. Kein Schatten bewegte sich hinter ihm, es war nur die bedrückende Stille geblieben, die ihm ebenfalls aufs Gemüt schlug.

Sein Atem ging nicht mehr regelmäßig. Er keuchte, er fand oft nicht den richtigen Pfad, schlug sich dann mit beiden Händen den Weg frei und hätte sich manches Mal eine Machete gewünscht, die viele dieser Hindernisse zur Seite geräumt hätte.

Der Wald wurde nicht lichter. Die Bäume standen weiterhin so dicht zusammen, dass sich ihr Astwerk ineinander verkrallt hatte. Oft genug musste sich Culver ducken. Dem Mann fiel auf, dass er so gut wie keine Nadelbäume gesehen hatte. Was hier wuchs, konnte schon als tropische Vegetation bezeichnet werden. Manche Pflanzen waren dick und fleischig. Sie hingen ihm im Weg, und er musste sie immer wieder zur Seite schaufeln.

Irgendwann aber schöpfte er neuen Mut, er hatte endlich eine Lichtung erreicht, einen sonnigen Platz.

Hoffnung?

Er lachte laut auf, einfach weil er das Gefühl hatte, es tun zu müssen. So konnte er sich Luft verschaffen und seinen verdammten Frust ein wenig lindern.

Er lief weiter.

Da passierte es.

Der Widerstand war plötzlich da. Culver fasste es noch nicht. Es dauerte Sekunden, bis für ihn feststand, dass er irgendwo gegen gelaufen war. Vor ein langes Hindernis, das ihn festhalten wollte. Es sah aus wie eine schräg in den Boden gerammte Lanze, ein Riesenspeer, sehr hell, so bleich wie Knochen.

Er wollte zurückweichen.

Es ging nicht.

Plötzlich fluchte er, schaute nach vorn und stellte fest, dass er klebte. Dieser Pfahl war mit einer klebrigen Masse oder einem Leim beschmiert worden, der sich direkt mit seiner Kleidung verbunden hatte und ihn nicht mehr losließ.

„Scheiße, ich …“

Sein nächstes Wort verstummte in einem Gurgeln, denn ein harter Schlag hatte ihn zwischen den Schulterblättern getroffen und wuchtete ihn nach vorn.

Mit dem Gesicht fiel er gegen den klebrigen Stab, der nachgab wie weiches Gummi, ihn aber nicht losließ.

Plötzlich sah er andere Stäbe heranfliegen.

Von allen Seiten huschten sie auf ihn zu. Er war noch nicht bewegungsunfähig, versuchte, sich immer wieder zur Seite zu drehen und den Stäben (oder waren es Fäden?) zu entgehen.

Unmöglich!

Der unbekannte Feind zielte gut, doch nicht jeder Stab oder nicht jede Leine erwischte ihn mit der Wucht eines Faustschlags. Einige wischten auch heran und drehten sich um seine Hüfte, die Beine, und selbst die Arme ließen sie nicht aus.

Allmählich wurde ihm klar, in welch eine Falle er gerannt war. So etwas hatte er nur in Filmen gesehen, in diesen Schockern, wo sich die Tiere gegen die Menschen und wo sie es waren, die die Fallen stellten.

Dieses klebrige Zeug, diese langen Bänder, die kreuz und quer auf ihn geschossen worden waren, das konnte nur bedeuten, dass er in einem Spinnennetz gefangen war.

Und die Spinne selbst, die so etwas produzierte und aus ihrer Drüse hervorschoss, musste ein riesiges Tier sein. Ein gewaltiges Monstrum, das ihn nun unter Kontrolle hatte.

Culver gab nicht auf. Er hatte die Zähne zusammengebissen. Sein Gesicht war gerötet. Der Schweiß lief in Strömen darüber hinweg. Er schnappte immer wieder nach Luft, um Energien in sich hineinzupumpen, die er unbedingt brauchte.

Er kam nicht durch.

Die ‚Fäden‘, manche nur fingerdick, andere wiederum dick wie ein Kinderarm, gaben einfach nicht nach. Sie hielten ihn eisern fest, obwohl er immer wieder versuchte, ihren Griff zu sprengen, wobei er sich drehte und wendete, doch keinen Erfolg erzielte.

Culver blieb in dem Spinnennetz hängen wie das typische Opfer einer Spinne. Sonst fingen Spinnen Fliegen und andere Insekten, diese hier aber hatte es auf Menschen abgesehen.

Bloß, wo steckte sie!

Er hatte kaum den Gedanken beendet, da hörte er über sich ein Rascheln und Knacken. Kleine Zweige fielen auf ihn herab, und Culver legte den Kopf in den Nacken, um in die Höhe schauen zu können.

Zunächst sah er kaum etwas, weil sich über ihm das Astwerk zu einem Dach zusammenfügte.

Es war sehr dicht und verfilzt. Dazwischen schimmerten goldene Plättchen, Flecken des Sonnenlichts, die ihn blendeten.

Es dauerte eine Weile, bis Culver erkannte, was dort tatsächlich geschah. Eine Bewegung. Schillernde Facettenaugen, dabei riesengroß, fast wie die Optik von Schusswaffen.

Gnadenlos glotzten die Augen auf ihn nieder.

Augen einer Riesenspinne, die ihren Platz im starken Astwerk der Bäume gefunden hatte.

Von dort aus hatte sie ihre Fäden abgeschossen, und Culver zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen. Er dachte an seine Waffe. Diese Riesenspinne befand sich in einer günstigen Schussweite, und er konnte mit einem Revolver umgehen.

Nur kam er nicht an ihn heran.

Ben zerrte und ruckte, aber es half nichts, die Spinne hatte ihr Netz mit einer tödlichen Sicherheit geschlossen, und ihm war klar, dass er aus eigener Kraft nicht mehr entwischen konnte.

Allmählich machte er sich auch mit einem schlimmeren Gedanken vertraut. Er wusste, dass Spinnen Zeit hatten und darauf warteten, bis ihr Opfer erschöpft war.

Dann erst lösten sie sich von ihrem Platz, kamen herbei und fraßen das Opfer auf.

Seine Zukunft sah düster aus, und Ben Culver überfielen die ersten Schauer der Angst …

Er wusste nicht, wie lange er in diesem verdammten Spinnennetz gehangen hatte. Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu, und die Schatten bewegten sich lautlos und nahmen eine dunkelgrüne Farbe an. Konturen lösten sich auf, der Wald bekam einen noch geheimnisvolleren Glanz und war plötzlich voller Geräusche.

Ben Culver war zu schwach, um die einzelnen Tierlaute voneinander unterscheiden zu können. Er hatte alles versucht, seine Kräfte nicht geschont, doch es war ihm nicht gelungen, auch nur eine der Fesseln zu lösen.

Auch an sein Messer war er nicht herangekommen. Es steckte nach wie vor in der Tasche, ebenso wie der Revolver. Beide Waffen kamen ihm lächerlich vor.

Er war fertig. Die Muskeln schmerzten. Er stand auch nicht mehr so gerade auf dem Boden. Seine Beine wollten das Gewicht nicht mehr tragen. Er war zur Seite gekippt und hing schräg in diesem verfluchten Spinnennetz, den Mund weit aufgerissen, nach Luft schnappend, wobei er nicht vermeiden konnte, dass kleine Insekten hineinflogen.

Sein Herz schlug noch.

Hin und wieder sogar schneller, wenn er genauer über sein Schicksal nachdachte. Zumeist jedoch lehnte er apathisch in dieser klebrigen Klammer und wartete.

Worauf wartete er eigentlich?

Auf den Tod!

Darauf, dass sich die Riesenspinne aus dem Astwerk über ihm löste und allmählich nach unten kletterte. Geschickt, elegant und tödlich. Sie würde ihn aussaugen, fressen, vernichten, so wie es die Macher in den Filmen gezeigt hatten.