John Sinclair Sonder-Edition 139 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 139 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Der "Heiße Draht" zum Jenseits - Ed Edison hatte ihn. Er war der Mann, der mit den Toten sprach, und hatte daraus eine erfolgreiche Radioshow gemacht. Dass seine Sendung aber auch teuflische Kräfte auf den Plan rief, das musste der Moderator bald am eigenen Leib erfahren. Der "Heiße Draht" zum Jenseits war zur Direktverbindung mit der Hölle geworden.
Ed brauchte dringend Hilfe. Er informierte uns. Und Suko und ich sollten ein Kommunikationsmittel kennenlernen, das einmalig war ...


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Seitenzahl: 176

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Horror-Telefon

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Motortion Films; vrx / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0032-0

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Das Horror-Telefon

von Jason Dark

Der „Heiße Draht“ zum Jenseits – Ed Edison hatte ihn. Er war der Mann, der mit den Toten sprach, und hatte daraus eine erfolgreiche Radioshow gemacht. Dass seine Sendung aber auch teuflische Kräfte auf den Plan rief, das musste der Moderator bald am eigenen Leib erfahren. Der „Heiße Draht“ zum Jenseits war zur Direktverbindung mit der Hölle geworden.

Ed brauchte dringend Hilfe. Er informierte uns. Und Suko und ich sollten ein Kommunikationsmittel kennenlernen, das einmalig war: das Horror-Telefon!

Das Telefon klingelte, und Yvette Taylor schrak zusammen! Schlagartig verlor ihr Gesicht an Farbe. Das Läuten drang schrill in ihr Gehirn, es peinigte sie, es schmerzte, und es riss sie aus ihrer Erstarrung.

Yvette stand auf, verließ den Balkon und schritt dem Klingeln entgegen. Sie wartete ein weiteres Schrillen ab, bevor sie den Hörer abnahm.

„Hallo …?“ Ihre Stimme klang ängstlich.

Keine Antwort.

Noch einmal versuchte sie es. „Halloooo …“

Diesmal warf ihre Stimme ein Echo, als stünde sie vor einem langen Tunnel, in den sie hineingesprochen hatte. Yvette lauschte ihrer eigenen Stimme hinterher, bis diese schließlich in der Ferne verhallte. Sie schwebte regelrecht der Unendlichkeit entgegen.

Der Anrufer meldete sich nicht.

Die junge Frau legte wieder auf.

Plötzlich fror sie …

Ed Edson hatte uns gerufen, und wir waren seiner Einladung gefolgt.

Wer war Ed Edson?

Eine Berühmtheit, einer, den viele kannten und trotzdem nicht zu Gesicht bekamen. Ed war der Mann aus dem Radio, er war die Stimme, die auch von 22 Uhr bis Mitternacht noch hohe Einschaltquoten garantierte. Ed Edson schaffte es, selbst den ach so aufgeklärten Menschen einen Schauer zu verschaffen, denn er war The Voice – die Stimme. Oder aber, wie er sich selbst auch bezeichnete, der heiße Draht zum Jenseits.

Es war der Moderator mit der Softstimme, und er schaffte es, mit den Toten zu sprechen. Ed stellte die Verbindung zwischen dem Diesseits und dem Jenseits her, er überbrückte das, was normal nicht zu überbrücken war, und er brachte die Zuhörer dazu, per Radio und durch seine Vermittlung mit ihren verstorbenen Verwandten zu sprechen.

Jetzt hatte Ed uns gerufen.

Persönlich kannten Suko und ich diesen Mann nicht. Wir waren auch keine regelmäßigen Hörer seiner Sendungen. Er arbeitete für einen Privatsender, wurde dort gut bezahlt, und ich hatte höchstens mal durch Zufall hineingehört.

Klar, da war es nicht ausgeblieben, dass auch ich die Stimmen vernahm, die aus dem Radio drangen. Ob sie aber tatsächlich irgendwelchen Verstorbenen gehörten, das wagte selbst ich zu bezweifeln, obwohl ich bekanntlich einiges gewohnt war, ebenso wie Suko.

Nun also wollte uns Ed sprechen, und seine Stimme hatte sich angehört, als wäre ihm nicht nach einem Spaß zumute. Zudem hatte er es ziemlich dringend gemacht.

Suko saß neben mir und fragte, ob ich mir einen Grund vorstellen konnte.

„Kaum.“

„Melden sich bei ihm nicht die Toten?“

„Das behauptet er.“

„Was denkst du darüber?“

„Ich weiß es nicht. Er kann ein großer Scharlatan sein. Du hast doch selbst seine Stimme gehört. Kam sie dir so vor, als wollte er uns etwas unter die Weste jubeln?“

„Kann ich nicht behaupten.“

„Ja, und so sehe ich das auch.“

Wir waren beide nicht bester Laune. Viel hielten wir nicht von Edson. Jedenfalls wollten wir uns nicht als Werbeträger vor seinen Karren spannen lassen. Er sollte später in seiner Sendung nicht behaupten können, dass selbst Geisterjäger ihn um Rat gefragt hätten. Das würden wir ihm früh genug klarmachen.

Ed Edson lebte außerhalb von London. Wenn er sendete, dann nicht aus dem Funkhaus, sondern von zuhause. Dort gab es natürlich auch ein Studio, und zudem leistete er sich ein kleines Büro, das von einer Sekretärin besetzt war.

Am Ende einer kleinen Straße stand sein Bungalow. Ein Haus mit weißen Wänden und einem mit Antennen bestückten Dach. Sogar eine Satellitenschüssel entdeckten wir, und selbstverständlich gab es Überwachungskameras in der Nähe des Eingangs.

Wir stoppten vor einem hellen Zaun, der ein Stück Rasen umfriedete. Auf ihm wuchs ein einsamer Baum, dessen Zweige beinahe bis an das Haus heranreichten. Große Fenster fielen uns auf, aber durch keines konnten wir hindurchschauen, weil lange Faltrollos davor hingen und die Räume vor Sonnenstrahlen und neugierigen Blicken schützten.

Wir stiegen aus. Wer hier wohnte, der musste sich diese Einsamkeit leisten können, die südwestliche Ecke von London war einfach schweineteuer.

Das aber brauchte einen Mann wie Ed Edson nicht zu kümmern, der von seinem Sender sehr gut bezahlt wurde. Zwischen den Gesprächen und den eingespielten Aufnahmen lief stets Werbung, für die der Sender dank der hohen Einschaltquote ebenso hohe Honorare kassieren konnte.

„Wie stellst du ihn dir vor?“, fragte Suko, als wir unter den Augen der beiden Überwachungskameras der Haustür entgegenschritten.

„Wie Zwerg Nase.“

„Ich habe nicht gefragt, wie du aussiehst …“ Er stichelte nicht weiter, denn die Tür öffnete sich, schwungvoll aufgezogen von einem engelhaften Wesen, zumindest war das unser erster Eindruck.

Das Wesen war eine Mischung aus Blond und Weiß. Blond war das Lockenhaar, weiß die Kleidung. Ein Hosenanzug, der dem Mädchen – es war schätzungsweise fünfundzwanzig – perfekt auf den Leib geschnitten war. Die Jacke hatte sie geschlossen. Große Goldknöpfe hielten beide Seiten zusammen. Das Gesicht stand im Kontrast zum Weiß und zeigte eine Bräune, die um diese Jahreszeit noch nicht echt sein konnte. Kräftig geschminkte Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als uns die Kleine mit wohlfeinen Worten begrüßte.

„Sie sind die Herren von Scotland Yard, nehme ich an.“

„Sie nehmen richtig an“, erwiderte Suko.

Ihm streckte das Wesen auch die Hand entgegen. „Mein Name ist Angela della Casa. Ich arbeite für Ed und darf Sie herzlich willkommen heißen.“ Sie schüttelte Sukos Hand einige Male kräftig durch, dann war ich an der Reihe.

„Was arbeiten Sie denn, Miss Della Casa?“

„Sagen Sie Angela.“

„Gern.“

„Ich bin Mädchen für alles.“

„Aber Sie sind kein Engel?“

Ihr Lächeln verkrampfte. Wahrscheinlich fühlte sie sich auf den Arm genommen. „Nein, Mister Sinclair, das bin ich nicht, und ich bin auch kein Geist, wie Sie bestimmt haben sehen können.“

„Davon konnten wir uns schon überzeugen.“ Ich lächelte und dachte dabei an ihre Figur.

„Darf ich Sie hereinbitten?“

Sie durfte, und wir ließen sie vorgehen. Hinter uns schloss sich die Tür mit einem seidenweichen Laut.

Wer gedacht hatte, in einen düsteren, nur von wenigen Lichtern erhellten, geisterhaften Raum zu gelangen, der täuschte sich. In diesem Bungalow konnte eine bedrückende Stimmung erst gar nicht aufkommen, wie wir schon auf den ersten Blick sahen.

Es war alles sehr hell, großzügig, weiß und irgendwie strahlend. Das mochte an den goldenen Verzierungen der Deckenleisten liegen, am strahlenden Messing der Lampen, und auch die goldenen Knöpfe des Hosenanzugs passten da genau ins Bild.

‚Das Mädchen für alles‘ brachte uns zu einem Büro, das sehr nüchtern eingerichtet war, was nicht zuletzt an der modernen Bürotechnik lag: Monitore, Drucker und Tapes bildeten einen Halbkreis und bestimmten den Arbeitsplatz des Engels.

Es gab auch Stühle für Besucher. Die Sitzflächen waren mit weißem Leder bezogen. Das Fenster war groß und gab den Blick frei auf einen sorgfältig geschnittenen Rasen, auf dem Obstbäume wuchsen. Einige würden im Frühsommer Kirschen tragen. Jetzt standen sie in voller Blüte und sahen aus, als wären sie von einer dünnen Schneeschicht bedeckt.

„Es wird noch einen Moment dauern, meine Herren. Darf ich Ihnen Kaffee anbieten oder Tee?“

Ich ließ mich von ihrer Freundlichkeit nicht zu stark beeindrucken und war sogar etwas ärgerlich. Wir hatten die Fahrt nicht unternommen, um zu warten, und darauf sprach ich die weiße Dame auch an.

„Es tut mir leid“, sagte sie. „Aber Ed fühlt sich noch nicht in der Lage.“

„Was hat er denn?“

„Er channelt.“

„Bitte – was tut er?“

„Er hat einen Kontakt bekommen. Das Jenseits hat sich bei ihm gemeldet, glaube ich.“

„Ja, verstehe“, murmelte Suko. „Das Channeling. Dann lassen Sie ihn mal noch am heißen Draht.“

„Danke, dass Sie Verständnis haben.“

„Kommen Sie mit Ed gut zurecht?“, erkundigte sich mein Freund. Es hörte sich an, als würde er fragen, ob sie miteinander auch ins Bett gingen.

„O ja, sehr gut. Er ist … er ist perfekt, wissen Sie?“

„Nein, ich habe noch keinen perfekten Menschen kennengelernt.“

Ihre Augen bekamen einen bedauernden Blick, während sie die weiße Kaffeemaschine anstellte. „Das ist aber schade für Sie, meine Herren, sehr schade.“ Sie kam zurück und bewegte dabei ihre Arme. „Wie soll ich Ihnen das erklären? Ich sage es mit einfachen Worten. Ed ist einfach wunderbar.“

„Sie mögen ihn?“

„Ja, sehr. Ich kenne keinen, der ihn nicht mag. Ed wird geliebt. Er gibt den Menschen Hoffnung. Ich habe Frauen und Männer erlebt, die in einer tiefen Verzweiflung und Trauer steckten. Sie kamen her, wandten sich vertrauensvoll an Ed, und er hat es tatsächlich geschafft, ihnen zu helfen. Er gab ihnen wieder Mut, er riss die Verzweiflung auf. Durch ihn erfuhren sie, dass ihre lieben Verstorbenen nicht endgültig verschwunden sind, sondern einfach nur die Ebene gewechselt haben und sich jetzt in einer anderen Welt befinden, wo es keinen Schmerz, keine Tränen und auch keinen Kampf gibt. Sie werden über Ed kontaktiert, und ich kann ihn deshalb nur als einen der ganz wenigen Wohltäter der Menschheit ansehen. Das ist nicht nur meine Ansicht. Viele denken so. Sie schreiben ihm, sie nehmen Kontakt mit ihm auf. Wir haben uns sogar einen eigenen Raum für die Berge von Post eingerichtet. Es ist wundervoll.“

Ich hatte mich bewusst aus dem Gespräch herausgehalten und nur den stummen Beobachter gespielt. Nach Angelas Erklärungen und Beschreibungen musste dieser Ed ein wahrer Übermensch sein. Wenn ich so etwas hörte, war ich immer skeptisch. So nett und toll können Menschen gar nicht sein, sonst wären sie ja keine Menschen. Es gab einfach keine fehlerlosen Individuen, und bei derartigen Erklärungen flammte bei mir stets ein gesundes Misstrauen auf.

Ihr Gesicht hatte noch mehr Farbe bekommen. Die Wangen zeigten eine Röte, und selbst der schmale Nasenrücken sah aus, als wäre er von der Sonne beschienen worden.

„Sie mögen ihn sehr, wie?“, fragte ich.

„Ja.“ Beinahe jubelnd stieß sie die Antwort hervor. „Ich mag ihn. Ich bin von ihm begeistert.“

„Hatten Sie selbst denn auch schon einmal Kontakt zu Ihren lieben Verstorbenen?“

„Aber Mister Sinclair“, erwiderte sie beinahe vorwurfsvoll und staunte mich aus großen Augen an. „Einmal? Nein. Wir hatten schon oft miteinander Kontakt. Ich habe meinen Großvater gesprochen. Er hatte ein schweres Leben hier auf Erden, aber im Jenseits ist er überaus glücklich. Er sagte mir, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche und dass er sich vorgenommen habe, mich abzuholen, wenn ich einmal gestorben sein werde. Er erwartet mich dann in der anderen Welt. Sie können sich kaum vorstellen, wie beruhigend ein derartiges Gefühl sein kann. Dann weiß man, dass man nicht umsonst gelebt hat.“

„Das kann ich mir denken.“

Wir bekamen unseren Kaffee. Er war pechschwarz. Auf der Oberfläche sah er aus wie ein dunkler Spiegel. Kaum hatte ich den ersten Schluck probiert, als ich hinter mir ein schleifendes Geräusch hörte, und zwar deshalb, weil die sich öffnende Tür mit der Unterseite leicht über den hellen Teppichboden streifte.

Ich drehte mich langsam um, damit ich keinen Kaffee verschüttete. Auch Suko machte die Bewegung mit, und beide starrten wir auf die Person, die auf der Türschwelle stand und die Ed Edson war.

Ich wusste nicht, was mich erwartete. Sich darüber Gedanken zu machen, fand ich nicht gut, aber was immer ich mir zuvor auch vorgestellt hätte, der Wahrheit wäre ich kaum nahegekommen.

Da stand ein Mensch, der mehr einem ätherischen Wesen glich. Er war blass, als hätte er sich geschminkt. Sein gebleichtes Haar bildete einen Kranz aus weichen Wellen auf seinem Kopf, und zwischen dieser eigentlich doch recht zarten Schicht schimmerten kleine Goldpartikel, als hätte er sich diesen Staub soeben in die Frisur geblasen. Ed Edson machte auf mich den Eindruck einer Person, die sich nicht zwischen dem Diesseits und dem Jenseits entscheiden konnte und deshalb zwischen den beiden Ebenen pendelte.

Er trug ein beiges Walle-walle-Hemd, das Rocklänge hatte und bei jeder Bewegung changierte. Natürlich bestanden die Slipper aus besonders weichem Leder. Dafür hatte er auf die Socken verzichtet. Sein Gesicht allerdings hatte nicht die ätherische Schönheit eines von einem Maler gezeichneten Engels. Es war eher fleischig, zu aufgedunsen und zu dick im Verhältnis zu seinem Körper. Da half kein Pudern oder Schminken – so wie man sich landläufig einen Engel vorstellte, würde dieser Mann nie aussehen. Möglicherweise wirkte sein Gesicht auch nur deshalb so rot, weil seine Haare diese ungewöhnliche Blässe hatten und sich auch die Kleidung davon kaum abhob.

Das also war Ed Edson!

Als er den Blick hob, schaute ich in seine Augen und musste feststellen, dass sie in gewisser Hinsicht ohne Ausdruck waren. Die Pupillen waren farblos. Sie waren weder blau, grau noch grün. Sie wirkten bleich, irgendwie auch kühl und abweisend, jedenfalls ohne einen besonderen Ausdruck.

Angela della Casa staunte und strahlte ihn zugleich an. In ihrem Gesicht schien die Sonne aufzugehen, und es dauerte etwas, bis sie sich gefangen hatte und uns einander vorstellte. „Das sind die beiden Herren, Ed, die sie sprechen wollten.“

„Moment mal, Miss. Das stimmt nicht. Ihr lieber Ed hat uns angerufen und um ein Gespräch gebeten.“

„Sie haben Recht, Mister Sinclair.“ Als er sprach, wehte uns eine wohltönende Stimme entgegen, die ich aus dem Radio kannte. Da war er wirklich perfekt, er konnte mit seiner Stimme spielen, er konnte die Menschen beruhigen, ihnen durch den Klang seiner Stimme die Sorgen nehmen, sie beeinflussen und in eine bestimmte Richtung führen. Ed Edson war ein wahrer Meister der Manipulation.

Dann kam er auf uns zu.

Wobei der Begriff ‚gehen‘ eigentlich falsch gewählt war. Er bewegte sich lautlos, seine Slipper schienen den Teppich kaum zu berühren. Auf seinen Lippen lag jetzt ein Lächeln, aber die Augen blieben kühl, und er musterte uns mit einem, für meinen Geschmack kalten Interesse.

Er gab zuerst mir die Hand.

Sie lag wie ein kühles Stück Kunststoff in meiner Hand, zuckte dann zurück, um Suko zu begrüßen, dessen Lächeln mir mehr als verkrampft vorkam.

„Wollen Sie den Kaffee noch trinken, meine Herren?“, erkundigte sich der Vorzimmerengel.

„Nein, danke.“

„Schade.“

Ed lächelte weise und wissend. Er schwebte über den Dingen, und ich war jetzt noch gespannter, was er von uns wollte. Zunächst einmal bat er darum, ihn in seinen Kontaktraum, wie er es ausdrückte, zu begleiten, wo wir dann in Ruhe reden können würden. Angela bekam von ihm den Auftrag, keine Gespräche durchzustellen.

„Ich darf dann vorgehen, bitte.“

Das durfte er. Wir schritten hinter ihm her. Ein schmaler Gang nahm uns auf.

Er war ebenfalls hell gestrichen, wirkte aber nicht freundlich, sondern kühl, trotz der unter der Decke herlaufenden Goldleiste. Bilder sahen wir nicht an den Wänden, dafür schimmerte der Teppichboden in einem sanften Lindgrün.

Sein Kontaktraum lag am Ende des schmalen Flurs. Er öffnete die Tür, und eigentlich hätten wir jetzt in die Sonne hineintreten müssen, wenn alles so geblieben wäre.

Wir taten es nicht.

Wir kamen in das Reich des Todes. Natürlich war der Vergleich leicht übertrieben, aber der vor uns liegende Raum war nicht nur düster, sondern direkt dunkel, von einer bedrückenden Schwärze.

„Darf ich Sie noch einen Moment um Geduld bitten, Gentlemen?“, fragte er und betrat vor uns den Raum. Er tauchte in das Dunkel ein und verschwand, als hätte es ihn niemals zuvor gegeben.

Ich spürte Sukos Blick auf mich gerichtet und drehte den Kopf nach rechts. Mein Freund hatte die Stirn in Falten gelegt. In seinen Augen stand der ‚O-je-was-kommt-denn-jetzt-noch‘-Ausdruck. Er schien von Ed Edson nicht viel zu halten.

Einen Kommentar unterdrückte ich. Vielleicht auch deshalb, weil Ed Edson das Licht einschaltete. Aber es war nicht eine Lampe, die alles überstrahlte, sondern zahlreiche kleine Leuchten blitzten auf wie Sterne. Sie verteilten sich an den Wänden und unter der Decke und bildeten praktisch einen Himmel, so dass wir uns vorkamen wie in einer Sternwarte.

Hier war der Boden dunkel und auch die Teile der Wände und der Decke, wo keine Lampen funkelten.

„Kommen Sie bitte.“

„Und ich dachte immer, mich hätte nichts mehr überraschen können“, murmelte Suko.

„Man lernt eben nie aus.“

„Da sagst du was.“

Wir betraten seinen Meditationsraum und stellten fest, dass es trotz der kleinen Lampen noch dunkel war. So dachte wohl auch Edson, betätigte einen weiteren Schalter und enthüllte uns so einen weiteren Teil seiner sehr eigenartigen Welt. Beide konnten wir nur staunen, denn damit hatten wir beim besten Willen nicht gerechnet.

Ed Edson saß an seinem Arbeitsplatz wie der Chef eines Raumschiffs in der Kommandozentrale. Natürlich bestand der Sessel aus weißem Leder. Er schien sehr bequem, ließ sich drehen und auch schaukeln. In Reichweite des Mannes befanden sich die Geräte, die er benötigte, um das Jenseits zu kontaktieren. Er verließ sich nicht auf eine Glaskugel wie die obskuren Wahrsager auf Jahrmärkten. Nein. Dieser Mann setzte auf modernste Elektronik.

Ein weißes großes Ganzes, in das all die Skalen, Sensortasten und kleinen Monitore eingebaut worden waren und von einem flachen Pult aus bedient werden konnten.

Hier herrschte Ed wie ein König.

„Bitte, Gentlemen, kommen Sie. Zeigen Sie keine Scheu. Auch wenn die Umgebung für Sie fremd sein sollte, hier wird Ihnen bestimmt niemand etwas tun.“

„Da haben Sie schon recht“, sagte Suko. Er schlenderte als erster näher und konnte sich nicht entscheiden, wohin er den Blick richten sollte. Auf den künstlichen dunklen Himmel mit den kleinen Lampen als Gestirne oder auf die moderne High Tech-Anlage.

Ich folgte ihm. Ed Edson stand wieder auf. In der Hand hielt er einen schlanken Stab mit zahlreichen Sensortasten. Als er eine berührte, schloss sich automatisch die Tür. Nach einem Fenster hielt ich vergeblich Ausschau. Für frische Luft sorgte eine gut funktionierende Klimaanlage.

„Überrascht?“, fragte Edson.

„Kann man wohl sagen.“

Er stellte sich zwischen uns. „Sehen Sie, Mister Sinclair, die Zeiten haben sich geändert. Zwar sind die Geheimnisse der anderen Welten geblieben, um ihnen jedoch auf die Spur zu kommen, müssen wir uns der modernen Elektronik bedienen. Stimmen Sie mir zu?“

„Im Prinzip schon.“

„Gut.“ Er legte den Kopf schief und dachte über seine nächsten Worte nach. „Sie wissen, wer ich bin und welche Sendungen ich mache. Ich habe es geschafft, mit dem Jenseits Kontakt aufzunehmen …“

„Sie haben den heißen Draht dazu.“

„So kann man es auch sagen. Klingt zwar ein wenig populistisch, aber im Prinzip bin ich einverstanden. Ich sende ‚live‘. Das heißt, ich sitze in meinem Kontaktraum und bin mit den Hörern, aber auch mit der Zentrale verbunden, während meine Mitarbeiterin die Anrufe entgegennimmt. Es sind sehr viele, und ich kann sie nicht alle beantworten. Den Menschen aber, denen ich einen Kontakt zu ihren Verstorbenen vermittle, schenke ich Frieden. Davon bin ich überzeugt, da lasse ich mich auch nicht von abbringen.“

„Gut, das wissen wir.“

„Nun ja, es läuft nicht immer glatt ab, Mister Sinclair. Das Jenseits reagiert nicht so, wie wir Menschen es gerne hätten. Es hat eben seine eigenen Gesetze, in die sich auch Launen mischen“. Er lachte. „Und es gibt manche Spaßvögel, die mich an der Nase herumführen wollen, das ist alles schon einmal dagewesen, das können Sie mir glauben.“

„Bestimmt, Mister Edson.“

„Ach, sagen Sie bitte Ed. So kennt man mich.“

„Okay, Ed. Dann würde ich gern wissen, wo das Problem liegt. Grundlos haben Sie uns bestimmt nicht kommen lassen.“

„Das stimmt, Mister Sinclair. Das stimmt sogar voll und ganz. Das Problem ist nicht die Radio-Übermittlung, mit der ich die Stimmen aus dem Jenseits auffange, das machen mittlerweile viele meiner Kollegen. Ich bin immer der Vorreiter gewesen und habe mir gedacht, dass ich die Verstorbenen nicht allein über das Radio kontaktieren möchte. Und ich habe mir ausgerechnet, dass es noch eine andere Möglichkeit geben muss.“

„Und welche?“

Er kam noch nicht sofort zur Sache. „Vor dem Radio gab es schon das Telefon. Ich ging einfach davon aus, dass es einen Weg geben muss, um über das Telefon mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Natürlich nicht, wenn ich eine Nummer wähle, um irgendeine Person zu kontakten. Nein, ich wollte sie dazu bringen, nach dem Erstkontakt durch das Radio auf das Telefon auszuweichen.“

„Haben Sie das geschafft?“, fragte Suko.

Ed Edson nickte. Sein Gesicht zeigte einen gewissen Stolz. „Ja, es ist mir gelungen. Sie können mir glauben, dass mich dies wahnsinnig glücklich gemacht hat. Ich denke, ich bin die erste Person überhaupt, die einen derartigen Erfolg hatte, und ich kann mir selbst auf die Schulter klopfen. Das ist wirklich eine einmalige Leistung, oder haben Sie möglicherweise Gegenteiliges gehört?“

„Bewahre, Ed, Sie sind der erste.“

„Ja“, flüsterte er. „Und so wird es vorläufig auch bleiben.“

„Sie sprechen mit den Verstorbenen also über ein normales Telefon?“

„Das könnte man so sagen“, sagte er gedehnt.

„Und wo liegt Ihr Problem?“, fragte Suko.