John Sinclair Sonder-Edition 15 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 15 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Bisher hatte er sich im Hintergrund versteckt gehalten. Er schickte andere vor, die für ihn kämpften und töteten.

Dann gelang es uns, zwei seiner Helfer, die teuflischen Zwerge, festzunehmen. Nun musste er aus seinem Versteck.

Der Dämonenparasit war schrecklicher, als wir je gedacht hatten. Er entpuppte sich als ein Gegner, der selbst den Teufel noch das Fürchten lehrte ...

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Seitenzahl: 176

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Dämonen-Parasit

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/breakermaximus

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2478-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Der Dämonen-Parasit

von Jason Dark

Asmodina existierte nicht mehr!

Solo Morasso, alias Dr. Tod, hatte ihr mit einem silbernen Bumerang den Schädel abgeschlagen. Er hatte damit einen Sieg errungen und der Hölle eine Niederlage bereitet.

Asmodis, Fürst der Hölle, tobte. Er vergaß nicht, was man ihm angetan hatte, und sein Hass war grenzenlos. Stundelang brütete er über grausame Rachepläne, hatte Ideen, verwarf sie wieder und konstruierte neue Vorschläge.

Er dachte über dieses und jenes nach und kam zu dem Entschluss, dass die Menschen ihn noch immer als Höllenfürst ansahen und sich vor ihm fürchteten. Nach wie vor existierte Wikka, die Hexe, nach wie vor gab es Sekten und Gruppen, die ihn, den Herrn der Finsternis, anbeteten. Kaum jemand ahnte, wie kompliziert die Hölle tatsächlich aufgebaut war.

Einer der wenigen, der Bescheid wusste, hieß John Sinclair, auch Geisterjäger genannt. Der jedoch würde sich hüten, die Kunde zu verbreiten. Menschen reagierten oft seltsam, wenn man ihnen die Träume nahm. Und sie sollten weiter annehmen, dass es nur einen Teufel gab – nämlich Asmodis!

Um den Menschen dies jedoch einzuhämmern, durfte er nicht einfach irgendwo sitzen und schmollen. Er musste aktiv werden. Wikka hatte Zeit. Sie wollte er an der langen Leine führen. Ihrer Demut war er sich sowieso sicher.

Der Teufel überlegte lange. Dann sprang er in die Höhe, und ein gewaltiges Flammenrad umloderte seinen hässlichen Körper. Ihm war soeben eine glänzende Idee gekommen. Er würde die Menschheit wieder in Angst und Schrecken versetzen.

Und dabei wollte er einen uralten Dämon und seinen Gehilfen ausgraben.

Den Dämonen-Parasit!

***

Es war ein kühler Wintertag im Februar. Über London lag zwar kein dichter Nebel, doch Regendunst ließ das Wetter nicht gerade zu dem werden, was man sich unter einem schönen Wochenende vorstellte.

Also beschloss ich, ins Kino zu gehen – allein, denn Jane Collins lag mit einem Schnupfen im Bett, Suko und Shao hatten keine Lust, sich einen Film anzusehen, und Sarah Goldwyn, die Horror-Oma, die sich ansonsten keinen Streifen entgehen ließ, war verreist. Nach dem Film wollte ich noch bei Jane Collins vorbeischauen und mich um ihren Schnupfen kümmern.

Bevor ich losfuhr, aß ich eine Kleinigkeit und zog mir dann eine Cordhose und einen Pullover an und darüber die alte braune Lederjacke, die schon manchen Regen überstanden hatte. Auf die Beretta verzichtete ich allerdings nicht.

Ein letzter Blick durchstreifte die Wohnung. Alles war in Ordnung, ich konnte abzischen.

Als ich die Tür hinter mir abgeschlossen hatte und zum Lift ging, löste sich aus einer der Nischen im Flur eine Gestalt. Es war ein Junge, vielleicht zwölf Jahre alt. Er hatte blondes Haar, das ihm bis auf die Ohren fiel, und ich sah ihn nicht zum ersten Mal, denn ich wusste, dass er mit seinen Eltern ebenfalls in dem großen Apartmenthaus wohnte. Das Stockwerk war mir allerdings nicht bekannt.

Bekleidet war der Junge mit Jeans, einer gefütterten Windjacke und einem T-Shirt mit Aufdruck. Die Turnschuhe an den Füßen waren früher einmal weiß gewesen, jetzt zeigten sie eine graue Farbe.

Vor dem Lift trafen wir zusammen.

»Möchtest du auch nach unten?«, fragte ich.

»Klar.«

»Okay, dann steig ein.« Die Tür schob sich zur Seite. Der Junge drängte sich an mir vorbei und lehnte sich im Lift gegen die Wand. »Wo willst du denn hin?«, erkundigte ich mich, wobei meine Hand über der Knopfleiste schwebte.

»Wo Sie hinwollen.«

»Ich fahre bis zur Halle.«

Der Junge schob seinen Kaugummi von der linken Wange in die rechte und nickte. »Ich auch.«

Ich drückte den Basement-Knopf, und gemeinsam rauschten wir unserem Ziel entgegen. Dabei fiel mir auf, dass mich der Junge permanent beobachtete.

»Stimmt etwas nicht?«, fragte ich.

»Doch, doch.«

»Warum siehst du mich so an?«

»Sie sind doch John Sinclair, nicht wahr?«

»Ja, der bin ich.«

»Und Sie sind Polizist, Mister?«

»Auch das.«

»Dann bin ich ja richtig.«

In diesem Augenblick stoppte der Lift. Die Tür öffnete sich, und wir konnten die Halle betreten, wo zwei Putzfrauen dabei waren, den Steinboden zu wischen.

»Wolltest du mich sprechen?«, fragte ich den Jungen, der beide Hände in die Taschen seiner Jeans geschoben hatte und auf seine Fußspitzen blickte.

»Das wollte ich, Mister Sinclair.«

»Und worum geht es?«, erkundigte ich mich.

Er sah mich an und hatte seine Stirn in Falten gelegt. »Haben Sie vielleicht Zeit?«

»Es geht. Wieso? Dauert das Gespräch länger?«

»Es könnte länger dauern.«

»Ist es wichtig?«

»Für mich schon.«

Ich war sowieso früh dran und konnte eine Viertelstunde bequem abzweigen. Auch wenn ich zu Fuß ging, was ich vorhatte, denn für die kurze Strecke wollte ich den Bentley nicht erst aus der Tiefgarage holen. Zur Not konnte ich auch mit dem Bus fahren.

In der Halle gab es Sitzgelegenheiten. »Sollen wir da irgendwo Platz nehmen?«, fragte ich den Jungen.

Er war einverstanden.

Kaum saßen wir, da erfuhr ich seinen Namen. Er hieß Timmy Blake und wohnte im vierten Stock. Seine Eltern waren beide noch auf der Arbeit.

»Wie alt bist du denn?«, wollte ich wissen.

»Dreizehn.«

»Okay, Timmy. Was ist dein Problem? Hat es etwas mit meinem Job als Polizeibeamter zu tun?«

»Ich glaube schon.«

»Dann mal raus mit der Sprache.«

Zunächst mussten wir die Beine anziehen, weil die beiden Putzfrauen ausgerechnet in der Ecke, wo wir uns aufhielten, noch nicht gesäubert hatten. Sie klatschten die nassen Aufnehmer zu Boden, dass es nur so spritzte. Dabei störte es sie auch nicht, dass wir einige Spritzer abbekamen.

Es waren zwei richtige Matronen. Jede wog über zwei Zentner, und wir sahen es ihnen an, dass die Arbeit Spaß machte.

»So, jetzt können Sie wieder«, sagte die eine der beiden zu uns. Sie zog sich mit Eimer, Lappen und Schrubber zurück.

Ich hatte den Jungen die Zeit über beobachtet. Er war ziemlich unruhig.

Ich lächelte ihn an. »Da die Frauen jetzt weg sind, können wir ja zum Kern der Sache kommen. Wo genau drückt dich der Schuh, mein Junge?«

»Mögen Sie Menschen, Mister Sinclair?«

»Ja.«

»Auch hässliche?«

»Es gibt keine hässlichen Menschen«, erwiderte ich spontan.

»Ich habe trotzdem welche gesehen.«

»Wo?«

»In einem Zirkus.«

»Im Winter?«, staunte ich.

»Der gibt ja keine Vorstellung. Oder wenigstens weiß ich davon nichts. Aber da gab es hässliche Menschen. Und zwar Zwerge.«

»Du meinst Kleinwüchsige.«

»Nein, Sir, Zwerge. Kleinwüchsige habe ich schon öfter gesehen, aber das waren Zwerge. Sogar Giftzwerge.« Er lachte, allerdings klang es nicht echt.

»Und die hast du gesehen?«, erkundigte ich mich.

»Ja, beim Zirkus.«

»Hast du dir dort eine Vorstellung angeguckt?«, wollte ich wissen.

Timmy schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin nur so daher gegangen, wissen Sie. Ich hatte keinen Bock auf irgendetwas anderes und bin herumspaziert.«

»Was geschah dann?«

»Ich hörte Schreie. Aber so komische, wissen Sie.«

»Nein, weiß ich nicht.«

»Na ja, keine Triumph- oder Freudenschreie, sondern andere. So richtig voller Wut und Hass, wenn Sie verstehen, was ich meine, Sir.«

»Natürlich, Timmy, natürlich. Aber weiter. Hast du dich zurückgezogen oder bist du geblieben?«

»Ich blieb. Die Zwerge leben in einem einstöckigen Abbruchhaus, das sogar mal besetzt war. Daneben ist ein freier Platz, wo ihr Zelt steht. Und in dem Haus machten sie das Geschrei. Sogar im Keller. Ich konnte durch ein Fenster sehen. Es liegt in Bodenhöhe und hat schmale Eisengitter. Im Keller brannte Licht. Aber kein elektrisches, sondern das von Kerzen. Die hatten sie im Kreis aufgestellt und tanzten auf einem Bild, das sie auf dem schmutzigen Kellerboden gemalt hatten.«

»Konntest du das Bild erkennen?«

»Ja, Sir, das habe ich. Deshalb bin ich ja zu Ihnen gekommen. Ich habe mal was über Sie in der Zeitung gelesen. Die Zwerge hatten auf dem Boden das Gesicht des Teufels gemalt.«

Hatte ich mich bisher mehr mit dem Jungen unterhalten, um ihn nicht zu enttäuschen, so horchte ich nun auf. »Eine Teufelsfratze, Timmy? Und du hast dich nicht getäuscht?«

»Nein, Sir.«

Das war natürlich interessant. Plötzlich hatte ich den Film vergessen, den ich mir so gern ansehen wollte. Teufelsfratzen, Teufelsanbetung, Schwarze Messen, das alles gab es in England. Zumeist war es Hokuspokus, aber es existierten da auch Begebenheiten, die man sehr ernst nehmen musste.

Vielleicht hätte ich die Erzählungen des Jungen auch nicht weiter ernst genommen, doch etwas hatte mich stutzig gemacht. Timmy sprach von Zwergen. Und diese Zwerge in Verbindung mit einem Zirkus und dem Teufel lösten bei mir eine Kettenreaktion aus. Ich dachte dabei an einen Fall, der vielleicht eineinhalb Jahre zurücklag. Damals hatte ich den Spiegel-Dämon gejagt.1)

Er war auch ein Zwerg gewesen und hatte dem Teufel praktisch zu Füßen gelegen und ihn angebetet. Und er hatte mir damals berichtet, dass er nicht der Einzige auf dieser Welt wäre, der dem Teufel diente. Andere Zwerge würden dies auch tun. Die Worte hatte ich nicht vergessen, allerdings zwangsläufig verdrängt, denn andere Fälle nahmen mich voll in Anspruch. Und nun war ich durch diesen Jungen wieder auf die Spur gestoßen.

»Glauben Sie mir, Sir?«

»Ja, Timmy, ich glaube dir. Allerdings möchte ich mehr wissen, wie du dir sicherlich vorstellen kannst.«

»Klar. Das verstehe ich sehr gut. Die Zwerge tanzten in dem Kreis aus Kerzen um den Teufelskopf. Er schimmerte rot. In der Schule haben wir mal was von einem Sigill gehört. Stimmt das?«

»Es ist richtig, Timmy. Ein Sigill ist ein Zeichen.« Mehr sagte ich nicht dazu, denn ich wollte ihn nicht unnötig ängstigen. Jeder hohe Dämon hatte ein Sigill. Asmodis ebenso wie Astaroth und Bael oder wie es Asmodina gehabt hatte. Bei ihr war es die Schlange gewesen, die Urkraft des Bösen. Asmodis hatte eben die Teufelsfratze als Sigill, und die wurde von den Zwergen umtanzt.

»Was geschah weiter?«

»Ich sah zu«, erklärte Timmy. »Ich hörte die hässlichen vier Zwerge schreien. Sie riefen immer ›Satanas‹, klatschten in die Hände und deuteten auf ihre Herzen.«

»Wieso das?«

»Das habe ich auch nicht verstanden, Sir. Als die Fratze auf dem Boden anfing zu glühen, da bekam ich Angst und bin weggelaufen. Bis zu Ihnen, Sir.«

Ich lächelte. »Das war gut so.«

»Dann war ich nicht feige?«

»Auf keinen Fall. Aber wo genau hast du die Zwerge gesehen, Timmy?«

»In der Nähe vom St. James Square. Mitten in der City, wo sich auch die vornehmen Klubs befinden. Ich habe das alles von der Rückseite des Hauses beobachtet und mich über das Grundstück, wo das Zelt steht, angeschlichen.«

»Gesehen hat man dich nicht?«

Da hob Timmy die Schultern. »Ich weiß nicht so recht, Sir. Kann sein, denn als ich gehen wollte, hat einer genau zum Kellerfenster hochgesehen. Und der sah schlimm aus. Er hatte Augen wie Feuer. Rot, so komisch. Und dann sah ich plötzlich Schatten dazwischen. Die schimmerten irgendwie grün …«

Ich blickte Timmy skeptisch an. Ging seine Fantasie da nicht mit ihm durch?

»Sie glauben mir nicht, Sir?«

»Ich versuche es zumindest.«

»Aber die Schatten waren da.«

»Bei den Zwergen?«

»Ja, Sir.«

»Nun gut, ich werde sie mir mal ansehen.«

Timmys Augen blitzten. »Wann, Sir?«

»Jetzt.«

»Toll, darf ich mit?«

»Nein, Timmy.« Ich sah sein enttäuschtes Gesicht und präzisierte die Antwort. »Es ist wirklich besser, wenn du hierbleibst. Was du entdeckt hast, könnte für dich gefährlich werden, weil du ein Zeuge bist. Verstehst du?«

»Leider, Sir.«

»Dann ist es gut.« Ich erhob mich, und Timmy stand ebenfalls auf. Dabei strich ich dem Jungen über das Haar und bedankte mich noch einmal für die Information.

»Erzählen Sie mir denn, was es gegeben hat?«

»Natürlich.«

»Und vergessen Sie nicht, Sir, St. James Square. Die südliche Fahrbahn, die um den Platz herumführt. Auf der rechten Seite, wo sie das Zelt aufgebaut haben.«

»Ist schon notiert.«

Ich wandte mich zum Gehen und schritt in Richtung Ausgang, während Timmy rückwärtsgehend dem Lift zustrebte. Da ich am Hinterkopf keine Augen hatte, sah ich ihn nicht mehr, doch sein Ruf erreichte mich kurz vor Erreichen der Ausgangstür.

»Sir!«

Ich fuhr herum. Auch der Portier in seiner Glaskabine wurde aufmerksam. Er sprang von seinem Sitz hoch und ließ das Magazin sinken, in dem er gelesen hatte.

»Was ist denn, Timmy?«

Er hob den Arm und zeigte schräg an mir vorbei und schrie: »Der Schatten, Sir. Der Schatten ist da!«

***

Es gab keinen Grund für mich, dies nicht zu glauben. Ein Sprung brachte mich zur Seite. Zum Glück war die Eingangshalle im Augenblick leer. Nur Timmy und ich befanden uns dort. Ich erkannte, dass der Junge nicht gelogen hatte. Der Schatten existierte!

Im ersten Augenblick dachte ich an den Spuk, als ich das Wesen bemerkte, denn er war schließlich der Herrscher im Reich der Schatten. Er regierte über die Dämonenseelen, doch den Schatten hier in der Halle konnte man mit den Dämonenseelen nicht vergleichen.

Er war anders. Bis zur Schulter reichte er mir ungefähr, und er schimmerte grün. Etwa in Kopfhöhe sah ich zwei helle, weiße Kreise. Wahrscheinlich seine Augen. Zudem war er im Gegensatz zu einem normalen Schatten dreidimensional. Länge, Breite und auch Höhe waren bei ihm vorhanden.

Und doch bewegte er sich lautlos huschend, dass er wie ein normaler Schatten wirkte. Ich konnte die Bewegungen des Schattens kaum mit den Augen verfolgen. Dafür bekam ich mit, wie Timmy plötzlich von ihm angefallen wurde und seine Arme hochriss.

»Timmy!«, brüllte ich.

Der Junge hörte mich nicht. Er schrie gellend. Dabei schlug er wild um sich, taumelte zurück und fiel gegen die Tür eines der Lifte. Für die Länge von ein, zwei Herzschlägen stand er noch aufrecht. Das Gesicht verzerrt, die Hände zu Fäusten geballt, und den Mund weit aufgerissen, aus dem jedoch kein Laut mehr hervordrang.

Ich bekam Angst um ihn. Mit Riesensätzen hetzte ich durch die Eingangshalle, wollte ihm beistehen, spürte einen eisigen Hauch, als der Schatten in meiner Nähe vorbeistrich, und erreichte Timmy in dem Augenblick, als er zusammenbrach.

Bevor er aufschlagen konnte, fing ich ihn ab. Vorsichtig bettete ich ihn zu Boden.

Bleich war sein Gesicht. Hinter mir hörte ich den Portier lamentieren. Ich achtete nicht darauf. Zwei Hausbewohner betraten die Halle. Auch das interessierte mich nicht, ich hatte nur Augen für den Jungen und legte meine Hand auf seine Wange. Sie war eiskalt.

In meinem Innern zerbrach etwas, eine schlimme, grausame Befürchtung stieg in mir hoch, und meine Hände wanderten weiter, bis ich die Schlagader unter den Fingerkuppen spürte.

Kein Leben mehr. Für einen Moment schloss ich die Augen. Etwas Kaltes rieselte über meinen Rücken, und ich wollte es einfach nicht glauben, was geschehen war.

»Nein!«, flüsterte ich. »Nein …«

Es hatte keinen Zweck, sich selbst etwas vorzumachen. Timmy, der dreizehnjährige Junge, war tot! Und ich, Oberinspektor John Sinclair, hatte ihn nicht retten können, obwohl ich mich in seiner Nähe befand.

Es war ein kaum zu beschreibendes Gefühl. Ich konnte wirklich nicht ausdrücken, wie es in meinem Innern aussah, aber ich schwor mir in diesen schrecklichen Sekunden, den oder die unheimlichen Mörder des Jungen zu fassen. Ja, ich wollte mit ihnen abrechnen.

Ich nahm in diesen Momenten meine Umgebung nicht bewusst wahr, hörte zwar die Stimmen der inzwischen eingetroffenen Neugierigen und Schaulustigen, aber was sie genau sagten und welche Kommentare sie abgaben, das verstand ich nicht.

Bis mir jemand auf die Schulter tippte. Ich zuckte zusammen und drehte langsam den Kopf. Der Portier hatte sich aus dem Kreis der Zuschauer gelöst. Sein leichenblasses Gesicht zuckte.

»Ist er … tot, Mister Sinclair?«

»Ja.«

»Mein Gott. Er war noch so jung.« Der Portier presste seine Hand gegen die Lippen. Er war fassungslos.

Eine der Umstehenden sagte: »Man muss die Polizei rufen. Das ist ja schrecklich.«

»Die Polizei ist schon da«, erwiderte der Portier und deutete auf mich.

Die Umstehenden wohnten zwar alle in diesem hohen Haus, doch es war fraglich, ob jemand außer einigen wenigen meinen richtigen Job kannte. Ich klopfte eine Zigarette aus der Schachtel und wies den Portier an, einen Arzt zu holen. Ich nannte ihm auch einen Namen. Es war Dr. Murdock. Er wohnte nicht weit von hier, ich kannte ihn von gelegentlichen Treffs.

»Ja, natürlich, Sir.« Der Portier eilte in seine Kabine.

Ich sah mir die Neugierigen an. Die waren nicht wegzubekommen. Sie standen da und gafften. Teils funkelte Sensationsgier in ihren Blicken, teils war es auch Mitleid.

Ich rauchte und sah zu Boden. Warum hatte dieser Junge sterben müssen? Und wie war das Auftreten dieses mordenden Schattens zu erklären? Ich hatte so ein Wesen noch nie in meinem Leben gesehen. Dabei kannte ich zahlreiche Dämonenarten, aber diese seltsamen grünen Schatten waren mir an diesem Abend zum ersten Mal über den Weg gelaufen. Dabei waren sie brandgefährlich. Wer von diesen dreidimensionalen Wesen umfangen wurde, der starb.

Wie Timmy Blake …

Mein Gott, wie sollte ich das nur seinen Eltern beibringen?

Gespannt war ich auch auf die Rolle der Zwerge. Wieder dachte ich an den Spiegeldämon und daran, wie gefährlich er war. Auch hatte er mir damals zu verstehen gegeben, dass er nicht der Einzige gewesen war, der dem Satan diente. Andere Zwerge waren ebenfalls Gehilfen der Hölle. Dies hatten sie heute wieder auf grausame Art und Weise unter Beweis gestellt.

Dr. Murdock traf ein. Er stammte aus Schottland und war ein baumlanger Kerl. Dabei so dünn, dass ihm kaum ein Anzug passte. Der konnte sogar hinter einem Laternenpfahl Striptease machen, ohne gesehen zu werden.

Sein Gesicht war ebenfalls hager, und die Wangen zuckten, als er einen Blick auf den Toten warf und danach mich ansah.

»Ich habe den Jungen nicht getötet, Doc. Das war anders.«

Murdock stellte seine Tasche ab und ging neben der Leiche in die Knie. »War es überhaupt ein Mord?«, fragte er. »Ich sehe keine äußerlichen Anwendungen von Gewalt.«

»Ja, es war Mord.«

»Und wie ist der Tod eingetreten?«

»Wenn ich Ihnen das sage, Doc, werden Sie es mir kaum glauben.«

Murdocks Gesicht wurde noch länger. Ein Zeichen, dass er sich ärgerte. »Warum haben Sie mich überhaupt gerufen, Oberinspektor?«

»Ich möchte, dass Sie den Tod bestätigen.«

»Das ist ja wohl nicht schwer.«

»Richtig, aber Sie können es amtlich machen.«

»Wie Sie meinen. Zum Glück kennen wir uns lange genug, Sinclair. Aber die nächste Runde im Pub geht auf Sie.«

»Abgemacht.«

Dr. Murdock untersuchte den Jungen. Inzwischen hatte der Portier trotzdem die uniformierten Kollegen geholt. Zwei Bobbys sorgten dafür, dass die Schaulustigen zurückgedrängt wurden. Einige blieben in der Halle, andere fuhren hoch in ihre Wohnungen.

Ich sah, dass Dr. Murdock ein paar Mal verwundert den Kopf schüttelte.

»Stimmt etwas nicht?«, fragte ich.

Er brummte sich was in seinen nicht vorhandenen Bart. Verstehen konnte ich nichts.

Ich spielte mit dem Gedanken, Suko Bescheid zu sagen, als Murdock plötzlich aufstand.

»So etwas«, sagte er, »das begreife ich nicht.«

»Was?«

Murdock schluckte zweimal. Sein Adamsapfel machte die Bewegung mit und hüpfte.

»Mister Sinclair, wenn Sie mir gesagt hätten, was mit der Leiche los ist, hätte ich es Ihnen nicht geglaubt. Aber so habe ich es selbst feststellen können.«

»Was haben Sie festgestellt?«

Mich traf ein erstaunter Blick. »Ja, wissen Sie das denn nicht, Oberinspektor?«

»Nein, zum Teufel.«

»Teufel ist gut, wirklich. Denn das hier ist teuflisch. Dieser tote Junge, Oberinspektor, hat kein Herz mehr!«

***

Das war wirklich eine Überraschung!

Sekundenlang war ich sprachlos und sah Dr. Murdock nur an.

»Was sagen Sie da?«, brachte ich schließlich hervor.

»Er hat kein Herz mehr!«

»Das gibt es doch nicht.«

»Das habe ich auch gedacht. Überzeugen Sie sich selbst, Oberinspektor. Fühlen Sie nach, dann werden Sie feststellen, dass kein Herz vorhanden ist. Sie können die Haut eindrücken, es gibt keinen Widerstand. Das begreife ich nicht.« Er schlug sich mit der flachen Hand gegen seine breite Stirn.

Ja, ich wollte mich überzeugen und nahm die gleiche Haltung wie der Arzt zuvor ein. Meine Hand tastete über die linke Seite, drückte, und tatsächlich, ich spürte nichts. Das Gewebe war weich, ich konnte meine Finger hineinpressen.

Was ich in diesen Augenblicken erlebte, war schlimmer, als würden mir drei schleimige Ghouls gegenüberstehen. Es war zwar kein sichtbarer Horror, aber dieser hier war viel schrecklicher. In meinem Beisein war etwas Unheimliches geschehen, was ich nicht hatte verhindern können.

Eine unsichtbare, kalte Hand kroch über meinen Rücken und hinterließ bei mir eine Gänsehaut.

»Nun?«

Murdocks Stimme riss mich aus meinen Überlegungen. Ich stand wieder auf und nickte.

»Da hatte ich also recht?«

»Ja, Doc, Sie hatten recht.«

»Können Sie mir jetzt eine Erklärung geben, Mister Sinclair? Ich meine, eine rationale. Ich bin Arzt und kann es nicht erklären, so leid es mir tut.«

»Ich muss ebenfalls passen.«