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Sie existierten seit Anbeginn der Zeiten, unter der Knute ihres Führers Luzifer hatten sie sich zu einer gefährlichen Macht entwickelt. Ihr Name: Kreaturen der Finsternis! Ihr Ziel: Die absolute Herrschaft des Bösen!
Überall auf der Welt hatten sie ihre Zeichen gesetzt, und diese Zeichen waren nicht zu übersehen gewesen. Die weiße Macht, der Geheimdienst des Vatikans, und ich, der Geisterjäger, schlossen einen Pakt. Unser Ziel: die Höllenzeit verhindern ...
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Seitenzahl: 187
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Höllenzeit
Vorschau
Impressum
John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.
Höllenzeit
von Jason Dark
Sie existierten seit Anbeginn der Zeiten, unter der Knute ihres Führers Luzifer hatten sie sich zu einer gefährlichen Macht entwickelt. Ihr Name: Kreaturen der Finsternis! Ihr Ziel: Die absolute Herrschaft des Bösen!
Überall auf der Welt hatten sie ihre Zeichen gesetzt, und diese Zeichen waren nicht zu übersehen gewesen. Die weiße Macht, der Geheimdienst des Vatikans, und ich, der Gespensterjäger, schlossen einen Pakt. Unser Ziel: die Höllenzeit verhindern ...
Der Wind heulte, und es klang wie ein schwerverletztes Tier. Der Regen war in Schnee übergegangen. In dicken, matschigen Flocken fiel er aus den tiefhängenden Wolken, um das Land wie mit einem weißen Leichentuch zu bedecken. Die einsame Gestalt drängte sich in den Türrahmen, um wenigstens vor den schlimmsten Böen geschützt zu sein. Dennoch zerrte der Wind an der Mönchskutte, er blies durch den Stoff und fuhr mit seinen eisigen Fingern über die Haut.
Father Ignatius drehte sich um, als er den Motor hörte. Nur ein schwaches Geräusch, das wie zufällig an seine Ohren drang. Dann wendete der Fahrer den Wagen, fuhr einen Bogen und lenkte das Auto auf den Weg zurück, den sie gekommen waren.
Der Mönch sah noch das Leuchten der Rücklichter, und ihm kam eine ungewöhnliche Assoziation in den Sinn. Die roten Heckleuchten verglich er mit seinem Leben, das bisher immer normal gestrahlt hatte, von nun an aber in anderen Bahnen verlaufen würde, weil der Tunnel einer ungewissen Zukunft es geschluckt hatte wie die Finsternis des Abends die Rücklichter des im Schneetreiben verschwindenden Autos.
Er war allein. Nur das Heulen des Windes umgab ihn. Der Sturm war plötzlich über das Land gekommen, ein Vorbote des Wetterumschwungs, eine der letzten Anstrengungen eines Winters, der nur ungern weichen wollte.
Das Eingangstor des Klosters lag in einer Nische. In sie hatte sich Father Ignatius tief hineingedrückt, und weil es so finster war und er wegen des Windes kein Streichholz anreißen konnte, suchte er mit seiner Handfläche nach der Klingel und drückte sie.Der Einsame glaubte, tief im Innern des Klosters eine Glocke zu hören, vielleicht war aber auch nur der Wunsch der Vater des Gedankens. Er hoffte nur, so bald wie möglich von dieser knochenzersetzenden Kälte befreit zu werden. Noch tat sich nichts, und der Besucher ärgerte sich. Seine Kutte war am Rücken feucht geworden. Regen und Schnee hatten auch die Haut in seinem Gesicht genässt. Er wischte mit den Fingern darüber hinweg, dann mit dem Ärmel der Kutte, der die Feuchtigkeit aufsaugte.
Sein Gefühl bestand aus einer Mischung aus Spannung und Furcht. Spannung deshalb, weil ihn eine neue, gewaltige Aufgabe erwartete, und Furcht, weil er nicht wusste, ob er dieser Aufgabe gewachsen war. Der Ruf war von ›ganz oben‹ gekommen. Da der Father ein gehorsamer Diener seiner Kirche war, hatte er ihm nicht widerstehen können. Er hatte deshalb seinen alten Freunden und Brüdern good-bye gesagt, aber auch seinem Londoner Freund John Sinclair Bescheid gegeben und ihm noch ein großes Paket mit geweihten Silberkugeln geschickt, die er selbst herstellte. Es konnte durchaus sein, dass er in Zukunft häufiger mit dem Geisterjäger zusammentreffen würde, denn die neue Aufgabe sollte sich nicht allein auf die Theorie beschränken.
Noch hörte er nichts. Bis auf ein leises Kratzen in Augenhöhe. Als er zwinkernd hinschaute und sich dabei das Wasser aus den Augen rieb, sah er einen Teil eines Gesichts, das ihn durch die kleine Öffnung her anstarrte.
Zwei Augen waren hinter einer Nickelbrille zu sehen, doch der Mund war nicht auszumachen, und so hatte Ignatius den Eindruck, als würde die Stimme aus großer Tiefe erschallen.
»Sie sind Father Ignatius?«
»Ja, Ehrwürdige Schwester.« Er musste sich ein Lächeln verkneifen, als er an die Stimme dachte, denn es war kaum zu fassen, dass sie einer Frau gehörte.
»Einen Moment bitte.«
Etwas bewegte sich knarrend in Schlosshöhe. Ein Schlüssel musste zweimal gedreht werden. Dann bewegte sich die Tür, und das Knarren kam Ignatius beinahe so laut vor wie das Heulen des Windes.
Kaum war die Tür weit genug aufgezogen, als der Mönch rasch die Schwelle überschritt.
»Ein Schweinewetter«, klagte die Reibeisenstimme. Hastig wurde die Tür hinter ihm zugedrückt.
Father Ignatius war stehengeblieben. Er schüttelte sich wie ein Hund, der aus dem Wasser gekommen war. Dann klopfte er seine Kutte ab, aber die Feuchtigkeit blieb, sodass die Kutte weiterhin wie ein nasser Lappen an ihm hing.
Die Halle des Nonnenklosters war sehr spartanisch eingerichtet. Ein langer Tisch, nur wenige Stühle, zwei Lampen in Eisengestellen hingen von der Decke. Der Steinfußboden schimmerte Schwarz bis Rot. Einige Türen führten zu den anderen Räumen und Gängen des Klosters, unter anderem auch zum Büro der Äbtissin.
Die Nonne, die ihm geöffnet hatte, strich über ihre dunkle Tracht. Die Frau hatte ein rundes Gesicht, trug eine Nickelbrille und verzog den kleinen Mund zu einem Lächeln. »Ein schlechtes Wetter haben Sie mitgebracht, Bruder.«
»Leider. Man kann es sich nicht aussuchen. Der liebe Gott hat es heute nicht so gut mit mir gemeint.«
Beinahe erschreckt schaute ihn die Nonne an. Sie sah einen Mann vor sich, der irgendwie alterslos wirkte, obwohl er die Sechzig schon erreicht haben musste. »Sie sollten so etwas nicht sagen, Bruder. Der Herrgott meint es immer gut mit den Menschen, auch wenn er ihnen oft Prüfungen auferlegt.«
Ignatius dachte an seine Vergangenheit und auch an einige Erlebnisse, die ihn geprägt hatten. »Dann gehöre ich wohl zu den Menschen, die besonders große Prüfungen erleiden mussten.«
»Der eine mehr, der andere weniger.« Die Nonne deutete auf den schlichten Koffer, den Ignatius mitgebracht hatte. »Sind dort Ihre Sachen verstaut?«
»So ist es.«
»Wenn noch etwas gewaschen oder gereinigt werden soll, sagen Sie es uns bitte.«
»Das ist sehr nett, Schwester, aber nicht nötig. Ich komme schon zurecht.«
Sie nickte, wirkte dabei etwas verlegen und meinte: »Dann wäre es Ihnen sicher recht, wenn wir jetzt die Ehrwürdige Mutter Agnes besuchen. Sie wartet bereits auf uns.«
»Das würde mich freuen.«
»Den Koffer können Sie stehenlassen. Ich werde ihn in ihr Zimmer bringen.«
»Danke.«
Die Schwester ging vor, und Father Ignatius folgte ihr mit gemessenen Schritten. Wenn er ehrlich war, entsprach dieses Kloster nicht seinem Geschmack. Für ihn war es tot, kein Leben mehr, auch wenn die Nonnen hier arbeiteten und beteten. Einen Vergleich zum Kloster St. Patrick, aus dem er stammte, hielt es auf keinen Fall stand. Dort, in den schottischen Bergen, hatten sich die Mönche ein Refugium errichtet, das wie eine Trutzburg gegen die Mächte des Bösen stand, die es trotz zahlreicher Angriffe nicht geschafft hatten, diese Festung zu stürmen. Selbst die Meute der Horror-Reiter nicht.
Father Ignatius hatte im Kloster über alle Freiheiten verfügt, und er war so etwas wie der Mann für alle Fälle gewesen, was auch die Verbindung zum Geisterjäger John Sinclair erklärte. Mit ihm hatte er einige Male gegen die Mächte der Finsternis gekämpft, und das hatte sich auch bis nach Rom herumgesprochen. Aus dem Vatikan hatte ihn der Ruf erreicht, und der Father hatte nicht ablehnen können, obwohl es ihm sehr leid getan hatte, das Kloster verlassen zu müssen, das für ihn zu einer Heimat geworden war.
Was ihn erwartete, wusste er nicht. Aber sein Abt hatte von gewaltigen Aufgaben gesprochen, ohne allerdings auf Einzelheiten eingegangen zu sein. Den Father wunderte nur, dass diese Aufgaben gerade in einem Nonnenkloster ihren Anfang nehmen sollten.
Nicht dass etwas nicht stimmte, aber er hatte das Gefühl, mit einem Geheimnis vertraut gemacht werden zu sollen, deshalb auch dieser nächtliche Besuch.
Sie waren quer durch die Halle gegangen und vor einer dunkel gestrichenen Tür stehengeblieben. Auf dem Holz zeichnete sich kein Schriftzug ab, was auch nicht nötig war, denn jeder wusste, wer sich hinter der Tür aufhielt.
Die Nonne blieb stehen, sie atmete tief durch und konzentrierte sich, bevor sie klopfte.
Eine leise Stimme sprach das »Come in ...«
Die Nonne öffnete. Sie drückte ihren Arm nach hinten und bedeutete dem Mönch, für einen Moment zurückzubleiben. Dann ging sie mit leisen Schritten vor.
Etwas verärgert blieb Ignatius stehen. Er ließ die Tür nicht ganz zufallen, sondern stoppte sie mit dem Fuß, damit er noch ins Zimmer schauen konnte.
Was ihm auffiel, war ein dunkler Vorhang, der sich quer durch den Raum spannte und aussah wie eine düstere Wand, die Wellen geschlagen hatte und erstarrt war.
Die beiden Frauen sprachen miteinander. Father Ignatius hörte das Flüstern, konnte aber nicht verstehen, was sie sagten. Nur die Reibeisenstimme war etwas deutlicher zu vernehmen. Ansonsten war es im Kloster still, so still, dass es beinahe menschenleer wirkte. Zudem beschlich den Father noch ein anderes Gefühl. Es hing erstens mit dem Zimmer vor ihm zusammen und auch mit dem Vorhang, der von einer Seite zur anderen gespannt war.
Dahinter verbarg sich etwas, das selbst das Licht einer sehr kleinen Öffentlichkeit scheute. Der Mönch wurde das Gefühl nicht los, dass jenseits der Wand etwas lauerte, das nur mit ihm allein zu tun hatte.
Das Flüstern war verstummt.
Schritte näherten sich der Tür. Ignatius wollte nicht als neugierig gelten, er trat deshalb etwas zurück und tat so, als hätte er sich interessiert das Gestänge der Eisenlampen angeschaut, die von der Decke hingen.
»Sie können hineingehen, Father«, sagte die Reibeisenstimme.
Ignatius drehte sich um. Ihm fiel auch das Lächeln der Nonne auf. Es war wissend, sogar geheimnisvoll, aber er dachte nicht weiter darüber nach, sondern drückte die Tür mit der flachen Hand nach innen und lauschte dem leisen Schleifgeräusch.
Behutsam schloss er die Tür wieder, schaute nach vorn und sah am Rande des Lichtkreises, der von einer Schreibtischleuchte abgegeben wurde, eine hochgewachsene Gestalt stehen, die eine Kutte trug und Ignatius den Rücken zudrehte.
Sehr langsam drehte sich die Gestalt um. Gleichzeitig hob sie den rechten Arm. Die Finger fassten in den Kuttenstoff, den sie vom Kopf zog. Die Kapuze fiel in dem Augenblick nach hinten, als die Äbtissin die Drehung vollendet hatte.
Nein, ein Irrtum. Es war keine Äbtissin oder ehrwürdige Mutter. Jetzt wusste Ignatius auch, weshalb die Nonne so gelächelt hatte, denn vor ihm stand ein Mann ...
✰
Der Mönch schluckte, denn es hatte ihm wirklich die Sprache verschlagen. Damit hatte er nicht rechnen können, und die Überraschung spiegelte sich auf seinem Gesicht wider.
Father Ignatius kannte den Mann nicht, der jünger war als er und glatte, schwarze Haare hatte, die prima zu dem schmalen Gesicht mit der leicht gekrümmten Nase passten. Außerdem machte der Fremde nicht gerade den Eindruck eines Mannes, der in einem abgeschiedenen, weltfremden Kloster lebte. Dieser Typ kannte das Leben in all seiner Bandbreite, den Blick hatte Ignatius.
Der Fremde lächelte. »Sie sind überrascht, Bruder?«
»Ja, das kann man sagen.« Ignatius überlegte. Nicht einmal anhand der Kutte ließ sich ausmachen, zu welchem Orden dieser Besucher zählte. Sie war von einem schlichten Grau.
Kein Zeichen wies daraufhin, welchen Orden dieser Mann als seine Heimat betrachtete.
Auch die Schritte der Nonne waren nicht mehr zu hören, und der Fremde bot Ignatius einen Platz an. »Warum setzen wir uns nicht, Bruder? Im Sitzen redet es sich ungezwungener.«
»Bitte, wenn Sie möchten.« Ignatius ärgerte sich über seine steife Antwort, die seine Unsicherheit zeigte. Er kam sich vor wie jemand, der am Rand eines tiefen Wassers steht und darauf wartet, hineingeworfen zu werden – ohne dass er schwimmen kann. Dieser Fremde war ein Fixpunkt seines weiteren Schicksals.
Das Büro gehörte der Äbtissin. Ob der trennende Vorhang schon immer den Raum geteilt hatte, wusste Ignatius nicht. Bevor er vor einem schlichten Holzschreibtisch Platz nahm, streifte er den Vorhang mit einem schnellen Blick, ohne dabei eine Veränderung festzustellen.
Der Fremde setzte sich ihm gegenüber. Zwischen ihnen lag die Platte mit der Schreibtischunterlage, darauf stand ein Telefon. Ansonsten war der Schreibtisch leer. Nicht einmal ein Bleistift oder ein Kugelschreiber waren zu sehen.
»Ich möchte einen Vorteil, den ich Ihnen gegenüber habe, ausgleichen«, begann der Mann. »Ich kenne Sie, Bruder, aber Ihnen ist mein Name unbekannt.«
»Das stimmt.«
»Das wird sich ändern. Ich darf mich Ihnen vorstellen. Ich bin Monsignore Bentini.«
Father Ignatius reagierte nicht. Nein, der Name sagte ihm nichts, deshalb hob er auch die Schultern und lächelte entschuldigend.
»Es ist schon richtig, dass Sie mich nicht kennen, aber Sie sind mir bekannt. Es hat sich bis zu uns herumgesprochen, dass man Sie als außergewöhnlich bezeichnen kann, Bruder.«
Ignatius nickte. »Bis zu uns«, sagte er leise. »Darf ich es so verstehen, dass es dabei um Rom und den Vatikan geht.«
»Ja, das dürfen Sie.«
Ignatius räusperte sich. Er dachte plötzlich an seinen Koffer, er dachte auch an den Abschied aus dem Kloster St. Patrick. Man hatte ihm kaum Informationen gegeben, viel wusste er jetzt auch nicht. Aber er konnte sich vorstellen, dass er dieses Land bald verlassen würde, da man im Vatikan auf ihn aufmerksam geworden war. Begeistert war er davon nicht. Das war einfach furchtbar, in die Verwaltungsmaschinerie hineinzugeraten. Er dachte an die Intrigen, die es dort gab, auch an die skandalösen Vorgänge der vergangenen Jahre, die durch die Presse gegangen und über die auch Bücher geschrieben worden waren.
Der Vatikan und die gesamte Verwaltung der Kirche waren ins Zwielicht geraten, und Ignatius war immer froh gewesen, so weit weg von all dem zu sein. Wie es aussah, konnte er das jetzt vergessen, aber noch fehlte ihm der Beweis. Er zwang sich zu einem Lächeln und fragte: »Bin ich denn für die hohen Herren in Rom so wichtig, dass man sich um mich kümmert und sogar einen der Repräsentanten des Systems in die Einsamkeit der Berge schickt?«
Bentini schüttelte den Kopf. »Das sehen Sie falsch, Bruder. Ich bin nicht das System, ich bin in gewisser Hinsicht ein Repräsentant wie Sie, aber das System ist etwas anderes, über das wir hier nicht reden sollten. Mein Freund und ich gehen unseren eigenen Weg. Wir sind Forscher, wir sind Sucher, wir sind eigentlich alles, was man sich so vorstellen kann, wenn es darum geht, die gerechte Sache zu verteidigen und sie auszubauen.
»Die gerechte Sache«, murmelte Ignatius. Er wiegte den Kopf. »Was ist denn heute schon gerecht und was nicht?«
»Bitte keine haarspaltende Philosophie, Bruder. Ich weiß selbst, dass vieles nicht in Ordnung ist, aber das wird nicht unser Problem sein. Es geht um die beiden grundsätzlichen Dinge.«
»Die wären?«
Der Monsignore lächelte. »Ich bitte Sie, Bruder, was war denn schon zu Beginn der Zeiten vorhanden? Die Schlange und der Mensch. Gut und Böse also.«
»Der Urkampf.«
»Sehr richtig.«
Ignatius spürte, dass er unruhig wurde. Er ging davon aus, dass der Monsignore innerhalb der Hierarchie nicht eben zu den kleinen Lichtern gehörte. Dass er geschickt worden war, hatte etwas zu bedeuten, und Ignatius dachte daran, dass irgendwo Kräfte dabei waren, gewisse Dinge zu verändern – was der Vatikan nicht gutheißen konnte.
»Dieser Kampf war doch immer da.«
Bentini nickte. »Das stimmt.« Er wird auch immer bleiben.« Er hob die Arme und deutete eine Waage an, indem er die Hände einmal nach oben und dann wieder nach unten bewegte. »Leider befinden wir uns dabei in einem indifferenten Gleichgewicht, einmal neigte sich die Waage zur rechten, dann wieder zur linken Seite. Die eine ist gut, die andere böse. Ich habe den Eindruck, und da stimmen auch andere mit mir überein, dass sie dabei ist, sich zur falschen Seite zu neigen. Die Zeiten sind nicht gut. In dieser Welt hat es gewaltige Verwerfungen gegeben, die Machtblöcke wurden auseinandergerissen. Völker sind verunsichert und suchen nach einer neuen Identität, besonders gravierend ist es auf dem Balkan. Es gibt keine Werteordnung mehr, Chaos und Feindbilder herrschen vor, und dieser Nährboden ist natürlich ideal für ihn, wobei Sie wissen, wen ich meine.«
»Ja, Satanas!«
»Sehr richtig«, flüsterte Bentini. »Der Teufel, Asmodis, oder wie auch immer man ihn nennen soll. Er ist derjenige, der seine Fühler ausgestreckt hat, sie in die Wunden legt und darin herumrührt. Dieses Wesen kann lachen, es kann sich freuen, es lebt vom Chaos, von der Anarchie, denn es träumt nach wie vor von einer Rückkehr oder von dem endgültigen Sieg, der ihm zu Beginn der Zeiten verbaut wurde. Er hat seine Macht verstärkt und tastet sich immer näher auch an Menschen heran, die ihm sonst nicht eben positiv gegenüberstanden. Das haben wir gesehen, aber das wollen wir nicht akzeptieren.«
»Verstehe.«
»Nein, Bruder, noch nicht. Ich habe einfach zu allgemein gesprochen, um Ihnen die Lage darzulegen. Jeder wird jetzt gebraucht, und vor allen Dingen auch Sie. Wir müssen uns verstärken ...«
Ignatius hob die Hand. »Soweit habe ich es begriffen, von wem bitte sprechen Sie?«
Bentini ließ sich einen Moment Zeit. Er verengte die Augen, bevor er leise die Antwort gab. »Von der Weißen Macht rede ich.«
Father Ignatius schluckte. Er sagte nichts, doch er wusste Bescheid, auch wenn er bisher noch keinen direkten Kontakt mit der Weißen Macht gehabt hatte.
»Sie sagen nichts, Bruder?«
Ignatius runzelte die Stirn. »Nun, was soll ich darauf denn antworten? Ich kenne die Weiße Macht natürlich. Ich habe von ihr gehört und möchte sie als den Geheimdienst des Vatikans bezeichnen. Habe ich damit unrecht?«
»Im Prinzip nicht.«
»Dann sind wir schon weiter.«
»Moment noch. Es stimmt, dass der Vatikan uns unterstützt, aber wir sind ansonsten selbstständig, und zu uns gehören nicht nur Männer, sondern auch Frauen. Wir haben die engen, elitären Grenzen durchbrochen, wir sind multikulturell, wir haben nur eines nicht – eine Presse. Weder eine positive noch eine negative. Diese Presse existiert nicht. Wir können darauf gut und gern verzichten. Wir sind eben anders, wir arbeiten im Geheimen, wir beobachten die Aktivitäten der anderen Zeit, und wir haben festgestellt, dass eine gefährliche Ära angebrochen ist. Wir haben ihr den Namen Höllenzeit gegeben.«
Auch wenn Father Ignatius überrascht war, er zeigte es zumindest nicht. Regungslos blieb er auf dem harten Holzstuhl sitzen und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Seltsamerweise dachte er an sein Heimatkloster St. Patrick. Bisher hatte er noch geglaubt, dass er dorthin nach getaner Arbeit zurückkehren könnte, doch es sah nicht so aus. Er würde im letzten Drittel seines Daseins einen anderen Weg gehen, er würde Mitglied der Weißen Macht werden. Denn nicht grundlos war Monsignore Bentini an ihn herangetreten und hatte ihm all dies erklärt.
»Sie ahnen, worauf es hinausläuft, Bruder?«
»Sicher. Ich soll zur Weißen Macht. Ich soll diesem Dienst beitreten, denke ich.«
»So ist es.«
Father Ignatius schaute an sich herab, als wollte er sich selbst schlechtmachen. Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Schließlich entschloss er sich dazu, die Schultern zu heben und gleichzeitig eine Frage zu stellen. »Warum gerade ich? Was habe ich getan, um der Weißen Macht beitreten zu können oder zu dürfen?«
»Wir brauchen gute Leute.«
Ignatius lächelte. Er sah dabei nicht freundlich aus. »Um Himmels willen, was meinen Sie damit? Ich bin nicht gut, ich bin für diese Arbeit zu alt.«
»Nein, auf keinen Fall!«, widersprach der Monsignore heftig. »Sie sind nicht zu alt, Bruder. Sie sind genau richtig, denn Sie haben die Erfahrung, auf die es uns ankommt. Wir wissen gut über Sie Bescheid, und Sie gehören auch nicht zu den Menschen, die nur im Kloster geblieben sind.« Bentini beugte sich vor, er stützte beide Ellenbogen auf die Schreibtischplatte. »Sie haben einiges erlebt. Sie wissen, wie stark das Böse oft sein kann, denn Sie haben es mit Ihren eigenen Händen bekämpft, wobei ich besonders an die Horror-Reiter denke.«
»Das ist Vergangenheit.«
»Stimmt. Wollen Sie denn damit sagen, dass Sie out und nicht mehr im Geschäft sind?«
»Zumindest war ich es lange nicht.«
»Das ist wahr, aber Sie haben stets die Augen offengehalten, das wissen wir.«
Ignatius lächelte. Er wusste nicht, ob er sich geschmeichelt fühlen sollte oder nicht, aber um Schmeicheleien zu verteilen, war dieser Mann bestimmt nicht hergekommen. »Ich denke doch, dass ich im Kloster St. Patrick besser aufgehoben bin als bei Ihnen im Vatikan. Die Weiße Macht ist für mich zu weit weg. Wie für den Indianer am Amazonas der Kühlschrank. Ich glaube nicht, dass ich mich gut integrieren lasse. Ich bin kein Mensch, der sich gern einordnet. Ich hatte im Kloster meine Freiheit, ich konnte es verlassen, wenn und wann ich wollte. Ich bin dort eigentlich immer glücklich gewesen. Ich habe außer meinen Brüdern Menschen kennengelernt, die ich sehr mag, und ich habe mit Ihnen unvergessliche Erlebnisse gehabt. Das alles hat mich sehr zufrieden gemacht.«
»Und zu bescheiden!«, erklärte der Monsignore.
»Nein, das nicht. Ich weiß mich sehr gut einzuschätzen, das können Sie mir glauben.«
»Andere wissen das auch.«
»Wer? Sie?«
»Ja, wir von der Weißen Macht.« Bentini hob die Schultern. »Wir haben unsere Fühler ausgestreckt. Glauben Sie doch nicht, dass wir nicht wissen, was auf der Welt passiert ist! Doch, unser Dienst funktioniert, aber wir wollen und müssen ihn perfektionieren. Die Menschen driften ab, sie gehen falsche Wege, und wir wollen Sie daran hindern und natürlich den Einfluss des Bösen stoppen.«
»Mit mir?«
»Unter anderem. Wir brauchen Ihre Kenntnisse, das Böse ist sehr nahe. Dabei spielt es keine Rolle, wer es bringt, wer es abstrahlt. Irgendwo ist doch alles ein Kreislauf, den wir jedoch in Grenzen halten müssen. Und wir haben uns etwas dabei gedacht, als wir uns entschlossen haben, uns an Sie zu wenden.«
Ignatius lächelte. »Da bin ich gespannt.«
»Ich sage nur einen Namen: John Sinclair!«
Der Mönch schwieg. Natürlich, sie wussten alles. Sie wussten auch von seiner Freundschaft zu dem Geisterjäger in London. Allerdings war Ignatius nicht bekannt, ob John bereits Kontakt mit der Weißen Macht gehabt hatte, er stellte auch keine Frage, sondern schaute Bentini so an, dass dieser sich zu einer Erklärung gezwungen sah.
»Wie soll ich Ihnen die Skepsis austreiben?«, fragte der Monsignore.
»Das ist Ihr Problem.«
»Sind Sie einverstanden, wenn wir mit Ihrem Freund John Sinclair beginnen.«
»Natürlich.«
»Er kennt uns. Er ist über die Weiße Macht informiert. Er weiß, dass wir Agenten in unseren Reihen haben, die versuchen, das Böse zu stoppen. Wir sind ihm auf der Spur, denn das Urböse hat sich in den Kreaturen der Finsternis manifestiert, und die haben es geschafft, die Menschen zu unterwandern. Man erkennt sie nicht mehr, sie verfügen über die perfekte Tarnung, was auch ein Mann wie John Sinclair am eigenen Leibe zu spüren bekommen hat, das kann ich Ihnen versichern.«
»Ich glaube es sogar. Aber wie steht John zur Weißen Macht?«
»Positiv.«
»Entschuldigen Sie, Monsignore, aber das ist mir zu wenig.«
»Kann ich verstehen, Bruder. Ich will es Ihnen erklären. Bei uns gab es eine Agentin namens Franca Simonis. Sie war den Kreaturen der Finsternis ebenfalls auf der Spur, und sie traf dabei mit John Sinclair zusammen. Es war in der Schweiz, in Pontresina. Dort ist es zu einer gewaltigen Auseinandersetzung zwischen den beiden Urkräften gekommen. John Sinclair hat überlebt, Franca Simonis leider nicht.*