John Sinclair Sonder-Edition 160 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 160 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Wohin mit all den Leichen? Eine Frage, die man sich bei der Mafia stellen musste. Die Lösung des Problems: Deborah. Eine Frau - aufregend schön, rothaarig und mit einem ganz besonderen Hobby.
Deborah sammelte Leichen. Sie freute sich über jeden Toten und schaffte ihn dorthin, wo das Grauen eine neue Heimat gefunden hatte. Es war ihr Totenacker, den ich, John Sinclair von seiner schrecklichsten Seite kennenlernen sollte ...


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Seitenzahl: 183

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Deborahs Totenacker

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Deborahs Totenacker

von Jason Dark

Wohin mit all den Leichen? Eine Frage, die man sich bei der Mafia stellen musste. Die Lösung des Problems: Deborah. Eine Frau – aufregend schön, rothaarig und mit einem ganz besonderen Hobby.

Deborah sammelte Leichen. Sie freute sich über jeden Toten und schaffte ihn dorthin, wo das Grauen eine neue Heimat gefunden hatte. Es war ihr Totenacker, den ich, John Sinclair von seiner schrecklichsten Seite kennenlernen sollte ...

Als Carlo Brandi sein Lokal von der Küche her betrat, klappte er den Lauf des Revolvers nach vorn und zählte akribisch die Patronen in der Trommel. Es waren sechs. Das würde und das musste reichen.

Er spürte das Würgen im Hals. Er zitterte, jedoch nur innerlich, seine Hände blieben ruhig. Die letzten Gäste waren längst gegangen, die beiden Serviererinnen ebenfalls. Auch den Jungkoch hatte er nach Hause geschickt. Der neue Tag hatte längst begonnen, und draußen hockte die Kälte wie ein großes Tier, das Einlass begehrte.

Die sieben runden Tische waren leer. Sophia, seine Frau, hatte die Decken abgezogen und in den Keller geschafft, wo die große Waschmaschine stand.

Sieben Tische reichten dem Ehepaar aus, um von den Gästen leben zu können, denn es gab keinen Tag, an dem das Lokal nicht gut besucht war. Mittags und abends.

Brandi steckte die Waffe in den Hosenbund. Er spürte ihr Gewicht und ihren Druck. Beides hätte ihn eigentlich beruhigen müssen. Komischerweise war das aber nicht der Fall. Er fürchtete sich sogar davor, jetzt bewaffnet zu sein. Andererseits konnte er sich einfach nicht immer ducken und den anderen das Feld überlassen. Es gab im Leben eines Menschen einen Punkt, an dem es hieß: bis hierher und nicht weiter. Dieser Punkt war bei Carlo Brandi erreicht. Er stand vor dem Regal mit den Grappa-Flaschen, deren Inhalt zum Besten gehörte, was sein Heimatland zu bieten hatte. Grappa vom Feinsten, entsprechend teuer.

Er bedachte die Flaschen mit einem Blick, in dem so etwas wie Wehmut und Abschied lagen, und er spürte auch den Druck in seinem Hals. Die Kehle schien ihm zugeschnürt zu werden. Scharf atmete er durch die Nase.

Sie würden in dieser Nacht kommen, und sie würden ihn vor die Wahl stellen. Entweder überschrieb er ihnen sein Lokal und fungierte in Zukunft nur noch als Geschäftsführer, oder ihn würde der Teufel holen, und man würde ihn irgendwo auf dem Grund der Themse begraben.

Das wusste auch Sophia. Er hatte sie wegschicken wollen, aber sie hatte sich dagegen gewehrt. Gemeinsam hatten sie sich hier in Soho eine neue Existenz aufgebaut, und die wollten sie verteidigen, auch wenn sie unterschiedlicher Meinung waren.

Sophia wollte nachgeben, er nicht. Er würde sich ihnen in den Weg stellen und sein Werk verteidigen. Natürlich hatte Brandi mit dem Gedanken gespielt, zur Polizei zu gehen, es dann aber doch gelassen. Außerdem hatte die Organisation beste Beziehungen. Ihre Mitglieder lachten über den Einsatz der Polizei.

Vor dem Fenster neben dem Eingang war er stehengeblieben. Er schob den Vorhang zur Seite, um nach draußen schauen zu können, wo der kleine Vorgarten unter der Dunkelheit wie begraben lag. Ein schmaler Parkplatz gehörte auch dazu. Er bot Platz für sechs oder sieben Fahrzeuge.

Auf der Straße bewegte sich nichts. Zu dieser winterlichen Zeit schien selbst das sonst so laute Soho eingeschlafen zu sein, aber Carlo ließ sich nicht täuschen.

Er starrte hinaus. Seine Augen waren die Anstrengung nicht gewohnt. Sehr bald fingen sie an zu brennen. Oder waren es schon Tränen, die hochstiegen?

In dieser Nacht würde sich ihr Schicksal entscheiden. Sie hatten es ihnen angedroht. Und sie würden die Drohung wahrmachen.

Er drehte sich um, als er die leisen Schritte hörte. Sophia war gekommen. Carlo schaute sie an. Sie stand in der Nähe der Theke und wirkte wie eine Statue. Das Haar trug sie nicht mehr hochgesteckt, sondern offen. Es floss in dunklen Wellen auf die Schultern. Es war noch immer so schwarz wie vor zwanzig Jahren, als sie sich kennengelernt hatten, denn ihr Friseur ließ den grauen Strähnen keine Chance.

Carlo hatte sich damals in ihr Gesicht verliebt. Er hatte es immer mit dem einer Madonna verglichen. Auch heute noch hatten ihre Züge etwas Madonnenhaftes, sie waren weich und fraulich. Der Blick ihrer Augen passten jedoch nicht mehr dazu. Darin lag die Angst, die Furcht vor der Zukunft, und es fiel ihr schwer, eine Frage zu stellen.

»Du hast dich entschlossen, Carlo?«

»Si.«

Sophia schlug die Augen nieder. »Dann werden wir in dieser Nacht wohl das Ende erleben ...«

Carlo hob die Schultern. »Es kommt darauf an, wie man es sieht. Es kann ein Ende sein, doch es kann auch ein neuer Anfang werden.«

»Ist der Tod ein Anfang?«

Der Mann senkte den Kopf. Diese Frage war ihm unter die Haut gegangen. Er war katholisch. Im Sinne dieses Glaubens wäre der Tod ein neuer Anfang gewesen, aber so hatte es Sophia sicherlich nicht gemeint. Sie dachte an die andere Seite, die mit Religion nichts zu tun hatte, eher mit Mord.

»Ich warte auf eine Antwort, Carlo.«

»Weiß ich, Sophia, weiß ich. Es muss nicht sein, dass es mit dem Tod aufhört.«

»Womit denn?«

»Ich will den anderen zeigen, wer hier der Herr im Haus ist.« Carlo regte sich auf. »Verdammt noch mal, wir können uns doch nicht fertigmachen lassen! Wir sind hier nicht in Neapel oder auf Sizilien, wo die Mafia und die Camorra ihre Fäden ziehen. Wir sind hier in England und haben alles aufgebaut ...«

»Ihr Arm reicht so weit. Er reicht sogar bis weit über den Atlantik, vergiss das nicht, Carlo. Es ist einfach naiv von dir, anzunehmen, dass die Mafia es nicht schafft, über den Kanal zu kommen. Sie sind da, diese Hundesöhne haben doch alles unter Kontrolle. Da sind sie gnadenlos.«

»Trotzdem. Ich will es nicht. Ich will hier nicht alles aufgeben. Ich kann es einfach nicht. Wir haben dieses Geschäft aufgebaut. Man kommt zu uns, weil man sich wohl fühlt, weil wir so gut sind, weil unser Name für Qualität steht, Sophia. Wir haben uns eine wahnsinnige Mühe gegeben, wir sind oben, und ich kann das nicht alles aufgeben. Verstehst du das denn nicht? Ich will nicht Sklave in meinem Geschäft sein.«

Sie runzelte die Stirn. »Ich bin kein Mann, Carlo. Männer sind ja angeblich stärker als Frauen, doch wir Frauen denken nach!«

»Das tun wir auch.«

Sophia rang sich ein Lachen ab. »Si, ihr denkt nach, Carlo, aber ihr denkt mit der Waffe in der Hand nach. Und das ist schlimm. Ein Revolver ist kein Gehirn. Ein Revolver oder ein Gewehr will töten. Es ist dafür geschaffen worden, um zu töten. Verstehst du das denn nicht?«

»Das weiß ich, Sophia. Aber manchmal können Revolver auch Leben retten.«

»Wir sind nicht mehr im Wilden Westen, Carlo!«

»Sind wir das wirklich nicht?«

Sie schwieg, schaute zu Boden und schüttelte den Kopf. Dabei wischte sie ihre Hände mit einer Geste der Verlegenheit an ihrer Schürze ab, und Carlo sah, dass sie weinte.

Er ging auf seine Frau zu, nahm sie in die Arme, und Sophia weinte weiter. Auch ihm war zum Heulen zumute. Er kam sich plötzlich so irrsinnig allein vor, von aller Welt verlassen, bis auf Sophia, die als letzte zu ihm hielt.

»Willst du es dir nicht noch mal überlegen?«, flüsterte sie.

»Und dann?«

»Läuft alles so weiter wie bisher. Wer weiß denn schon, was hier geschehen ist?« Sie befreite sich von ihrem Mann und schaute ihm ins Gesicht. »Kochst du deshalb schlechter, Carlo? Sag es mir, sag es mir jetzt ins Gesicht. Kochst du schlechter, nur weil dir das Lokal nicht mehr gehört?«

»Es würde mich beeinflussen, denn ich müsste immer daran denken, glaub mir.«

»Ist das schlimm? Wenn sich die Gäste beschweren und anschließend wegbleiben, schmälert das den Gewinn der anderen. Wir haben damit nichts zu tun.«

»Das sagst du so leicht.«

»Nein, ich habe nachgedacht. Auch wenn sie uns aus dem Lokal jagen, wir haben immerhin unser Leben gerettet, und das ist mehr als alles andere auf der Welt.«

Er dachte nach. Schwere Falten zeichneten ein Muster auf seiner Stirn. »Si, es ist möglich, dass du recht hast, Sophia.«

»Nicht nur möglich, ich habe recht.«

Er hob die Schultern.

Noch einmal redete sie beschwörend auf ihren Mann ein. »Gib ihnen, was sie verlangen! Tu es! Sie werden sich zufriedengeben und uns am Leben lassen.«

Carlo hob die Schultern.

»Ich gehe jetzt Wäsche waschen, dann muss ich die Gästeliste für morgen Abend zusammenstellen. Es sind Landsleute, die eine Taufe feiern wollen. Aber das weißt du selbst. Wenn ich zurückkomme, möchte ich etwas von dir haben, Carlo.«

»Was denn?«

Sophia schaute ihn hart an. »Deine Waffe, Carlo. Ich möchte, dass du mir deinen Revolver gibst.«

Er schwieg.

»Denk darüber nach.« Sophia drehte sich um und ging. An der Tür zur Küche schaute sie noch einmal zurück, als würde sie ihren Mann zum letzten Mal sehen.

Er wollte ihr etwas zurufen, sie trösten, aber kein Wort drang über seine Lippen. Stattdessen stand er auf der Stelle und ballte vor Wut die Hände zu Fäusten.

Stille kehrte ein. Carlo selbst rührte sich nicht. Er stand da und starrte ins Leere. Seine Gedanken kreisten um das, was seine Frau gesagt hatte. Im Prinzip hatte sie recht. Es nutzte nichts, wenn man sich gegen die Mafia stellte. Sie war der Saurier, der alles unter sich zerdrückte.

Carlo ging auf die Theke zu. Er wollte einen Grappa trinken. Er nahm den besten, schenkte das Glas mit dem schweren Boden halbvoll, nahm den Geruch auf, hob das Glas an und schloss für einen Moment die Augen.

Er trank nicht.

Plötzlich war die Stimme da. So laut und voluminös, dass sie das gesamte Lokal ausfüllte.

»Salute, Signore Carlo Brandi!«

Da wusste er, dass sie gekommen waren!

Carlo stellte das Glas ab. Hätte er jetzt getrunken, bei Gott, der Grappa hätte ihm wie Essig geschmeckt. Er spürte den Druck hinter den Augen und im Magen, und er drehte sich so langsam, als läge auch auf seinem Rücken ein starkes Gewicht.

Er hatte die Tür bewusst nicht abgeschlossen. Sie würden überall hineinkommen, und es war besser, wenn sie den Eingang seines Lokals nicht zerstörten, er wollte sein Lebenswerk nicht zerstört sehen.

Sie waren hineingeschlichen, und sie waren zu zweit. Beide trugen dunkle Wintermäntel, aber nur einer der Kerle war bewaffnet. Zumindest zeigte er seine Waffe offen. Es war ein Revolver, auf dessen Lauf ein Schalldämpfer geschraubt worden war. Der Mann war kompakt, die Schultern halbrund. In seinem Mantel sah er aus, als würde er noch zahlreiche Waffen unter dem Stoff tragen. Auf dem Kopf trug er eine Strickmütze, die seine Haare vollständig verdeckte und sein Gesicht breit aussehen ließ.

Der Kerl sah nicht lächerlich aus, trotz der Mütze, er war der Henker des Duos. Der zweite im Bunde machte auf elegant. Dunkler Mantel, hochgestellter Kragen, ein heller Schal. Dünne Lederhandschuhe bedeckten die Finger, aber die trug auch der Henker. Das Haar hatte der Mann nach hinten gekämmt. Es sah so glatt aus wie eine schwarze Eisbahn.

Carlo Brandi hatte die beiden noch nie gesehen. Es waren nicht diejenigen, die harmlos Kontakt aufnehmen. Nein, die hier gehörten zur brutalen Truppe, die abrechnete. Das Reden übernahm der Elegante, nachdem er sich im Lokal umgeschaut hatte und nickte. »Nett hast du es hier, Carlo, wirklich nett.«

Brandi schwieg.

Der Sprecher wandte sich ihm direkt zu und zeigte ein kaltes Lächeln. Die Stirn hatte er gerunzelt, und er sah aus, als müsste er über etwas nachdenken. »Schade, dass du davon nichts mehr haben wirst, Carlo, wirklich schade.«

»Wieso nicht?«

»Nun ja, du hast dich gegen uns gestellt. Du hast dich ziemlich bockig gezeigt.«

Brandi holte Luft. Er spürte die Flamme der Wut in sich hochsteigen, und er hatte große Mühe, sich zu beherrschen. Er hätte sich am liebsten auf den Sprecher gestürzt und ihn niedergeschlagen, doch er wusste genau, dass so etwas tödlich enden konnte. »Es ist mein Lokal.«

»Das stimmt.«

»Was wollt ihr?«

Der Elegante behielt sein Lächeln bei. »Wir sind gekommen, um uns das bestätigen zu lassen.« Aus der Innentasche seines Mantels holte er ein Papier hervor, das er auf einen Tisch legte und sorgfältig glättete. »Hier ist das Schreiben, das dir garantiert, dass du auch in Zukunft hier arbeiten und den Menschen durch dein Essen Freude bereiten kannst. Nicht mehr und nicht weniger.« Der Mafioso trat zurück und rückte Brandi sogar einen Stuhl zurecht. »Du kannst dich setzen, wenn du unterschreibst, Carlo.«

Brandi schluckte schwer. Er atmete durch die Nase. Das Schnaufen war zunächst das einzige Geräusch in der Stille. Dann fragte er: »Was ist, wenn ich es nicht tue?«

Der Elegante überlegte. Er strich dabei über seinen leicht gekrümmten Nasenrücken. »Du kochst doch gern, nicht wahr?«

»Das schon.«

»Hervorragend. Deine Gäste kommen wegen deiner Kochkunst. Auch Freunde von mir haben hier schon gegessen. Sie waren begeistert, was bei ihnen, die sehr verwöhnt sind, etwas heißt. Es wäre doch schade, wenn du plötzlich aufhören müsstest, diese herrlichen Gerichte zu kochen. Deine Soßen sind unübertroffen. Sie schmecken vorzüglich, ohne zu fett zu sein. Das ist eine Offenbarung, Carlo. Es wäre wirklich schade, wenn es anders käme.«

»Warum sollte ich nicht mehr kochen können?«

Der Mafioso hob die Schultern. »Da kann ich mir verschiedene Möglichkeiten vorstellen. Stell dir vor, du bist verletzt, schwer verletzt, sogar. Da kannst du dann nicht in der Küche stehen und dich um deine Gäste kümmern.«

»Stimmt.«

»Ich sehe, wir verstehen uns. Damit so etwas nicht eintritt, solltest du unterschreiben. Es ist deine letzte Chance. Wir haben wirklich Geduld mit dir gehabt, Carlo, das musst du zugeben. Aber niemand ist unersetzlich, auch ein Künstler wie du nicht.«

Carlo hatte verstanden, auch wenn die Drohung geschickt umschrieben worden war. Sie würden es in dieser Nacht durchziehen wollen. Sie waren gekommen, um alles klarzumachen. Es musste zu einer Entscheidung kommen, und ihm war klar, dass seine Existenz an einem seidenen Faden hing. Auch wenn sie ihn nicht umbrachten, sie kannten Mittel und Wege, um ihn außer Gefecht zu setzen, schwer zu verletzen, zu vernichten, für immer zum Krüppel zu machen.

»Nun?«

Brandi schüttelte den Kopf. »Ihr wollt doch nur mein Lokal haben. Ihr wollt das haben, was ich mir in all den Jahren aufgebaut habe.« Er nickte. »Ja, eine Unterschrift, mehr nicht. Dann bin ich aus dem Rennen.«

»Nein, nein, du wirst auch weiterhin kochen. Du wirst auch weiterhin deine Gäste erfreuen können. Wir wären sogar dafür, dass du zwei Wochen in der Heimat Urlaub machst, ohne einen Verdienstausfall zu erleiden, denn das Gehalt zahlen wir ja.«

»Ja, das Gehalt«, sagte Carlo bitter.

»Es wird hoch sein. Für einen Spitzenkoch wie dich angemessen. Wir werden dir jeden Wunsch von den Augen ablesen. Wenn du etwas brauchst, es wird besorgt. Wir gehen mit unseren Mitarbeitern sehr gut um. Nichts wird sich hier ändern.«

»Bis auf eine Kleinigkeit«, sagte der Koch.

»Ach ja?«

»Mir wird der Laden hier nicht mehr gehören.«

Der Elegante lächelte wieder. »Ich an deiner Stelle würde in den nächsten beiden Minuten unterschreiben. Unsere Geduld ist nämlich nicht unendlich.«

»Und wenn ich es nicht tue?«

»Zerhacke ich dir beide Hände.« Der Elegante zeigte jetzt sein wahres Gesicht. »Ich kann sie dir auch auf die Tischplatte nageln. Sie werden in Blut schwimmen, wenn ich die Messer darin stecken lasse.« Er griff in beide Taschen und holte zwei Springmesser hervor. Beinahe gleichzeitig sprangen die Klingen heraus. Der Stahl schimmerte im Licht der Lampen und warf blitzende Reflexe. Einer traf das Gesicht des Kochs und blendete ihn. Ebenso schnell wie der Elegante die Messer hervorgeholt hatte, ließ er sie wieder verschwinden. Dann deutete er auf den Stuhl. »Setz dich und unterschreibe.«

Brandi stand noch immer unter Schock. Er ging auf den Stuhl zu, nahm seinen Platz ein und spürte die Hitze in seinem Kopf. Plötzlich fühlte er sich so wahnsinnig allein. Es war einfach furchtbar.

Er starrte auf das Papier.

Er wollte die Zeilen lesen, was er nicht schaffte, denn die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen. Nichts, gar nichts konnte er unterscheiden. Auch der Tisch bewegte sich. Er schwankte, er kam auf ihn zu, er drückte sich wieder weg. Es war ein ständiges Hin und Her, und der verdammte Vertrag schien sich vor seinen Augen aufzulösen. Von der rechten Seite her erschien eine Hand in seinem Blickfeld. Die Finger hielten einen Füllfederhalter.

»Da!«

Carlo zögerte.

»Nimm ihn!«

Die entscheidenden Sekunden standen bevor. Carlo Brandi wusste noch immer nicht, was er unternehmen sollte. Er war innerlich aufgewühlt. Dieser Elegante war ein Wolf im Schafspelz. Der würde ihn töten, ohne mit der Wimper zu zucken. Gnadenlos.

Carlo griff nach dem Füllfederhalter. Seine Hände zitterten.

Der Elegante stand neben ihm, er hatte sich auf dem Tisch abgestützt. Das Leder seiner Handschuhe schimmerte. Es war sehr dünn.

Etwas wirbelte durch den Kopf des Kochs.

Sehr dünn!

Er hob seine rechte Hand an.

»Wunderbar«, sagte der Elegante und lächelte wieder.

Einen Moment später lächelte er nicht mehr. Da schrie er gellend auf, denn Carlo Brandi hatte ihm den Füller in den Handrücken gerammt ...

Er konnte selbst nicht sagen, was ihn überkommen hatte. Irgendetwas in seinem Innern war gerissen, da lagen die Nerven plötzlich blank. Er hatte es einfach tun müssen, es war aus seinem Innern hervorgestoßen, und er schaute nach rechts, wo die Hände von der Tischplatte verschwunden waren.

Der Elegante taumelte schockiert zurück. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Der Füller steckte noch immer in der Hand. Der Mann schaffte es einfach nicht, ihn herauszuziehen, er stand noch zu sehr unter Schock, den aber hatte Carlo abgeworfen.

Er schnellte hoch.

Urplötzlich war Bewegung in ihn gekommen, er hatte den Schrecken abgestreift, er musste sein Hab und Gut verteidigen, sein Lebenswerk. Dann fuhr er herum.

Der Henker stand vor ihm.

Das flache Gesicht kam Carlo vor wie eine Totenmaske. In den Augen des Mannes lag ein furchtbares Versprechen, und der Henker hatte seine Waffe bereits auf das Ziel gerichtet.

Dies wurde Carlo innerhalb weniger Sekunden klar. Er wollte sich zur Seite werfen und dabei einen Stuhl in die Höhe reißen, um ihn gegen den Henker zu schleudern.

Plopp ...

Er hörte das Geräusch, das er bisher nur aus dem Kino oder von der Mattscheibe her kannte, aus irgendwelchen Action-Streifen. Er konnte nicht begreifen, dass dieses Geräusch ihm galt und er die Folgen zu tragen hatte.

Dann traf ihn der Schlag. Ein wahrer Hammer. Carlo glaubte, von einer eisernen Faust an der Brust getroffen worden zu sein. Er hatte das Gefühl, zerrissen zu werden und kippte um. Er schlug mit einer Hand gegen eine Stuhllehne, als hätte er sich daran festklammern können. Der Stuhl fiel ebenfalls. Mann und Stuhl prallten auf den Boden.

Der Henker ging auf Carlo zu. Er schaute kurz hin, richtete sich auf und nickte. Bei ihm war es ein Zeichen dafür, dass er seinen Gegner tödlich getroffen hatte.

Erst dann schaute er auf seinen Kumpan. Der Elegante hatte sich gesetzt und den Füller aus seinem Handrücken gezogen. Der Mann atmete heftig, sein Mund stand dabei weit offen. Sogar Tränen waren an seinen Wangen entlanggelaufen. Die Beine hielt er ausgestreckt, den Rücken durchgedrückt. Das Leder des Handschuhs hatte einen feuchten Blutfleck bekommen. »Scheiße!«, keuchte der Mann. »Verdammte Scheiße ist das alles! Er ... er ... hat mich erwischt!«

»Soll ich einen Arzt holen?«

»Nein.«

»Brandi ist tot.«

Der Verletzte nickte. »Ich weiß es. Ich kenne dich. Trotzdem bist du ein Idiot.«

»Warum?«

»Das hätten wir auch anders regeln können.«

»Nein, er wäre nicht zur Vernunft gekommen.«

Der Elegante wollte davon nichts mehr hören. »Bene«, sagte er. »Es ist fast alles in Ordnung. Nimm dein Gerät und hol sie her. Ich weiß, dass sie gewartet hat.«

»Du ... du ... meinst ...?«

»Ja, verdammt!«

Der Henker nickte. Dann griff er in die Tasche, wo sein Sprechfunkgerät gesteckt hatte. Er stellte die Verbindung her und konnte das Zittern in seiner Stimme nicht verbergen. »Du kannst jetzt kommen. Hier haben wir jemanden für dich ...«

Sophia Brandi hatte sich versteckt!

Sie hatte noch mitbekommen, wie die beiden Hundesöhne das Lokal betreten hatten, und sie hatte sehr genau gewusst, was nun ablaufen würde. Sie kannte die Regeln der Mafia, und sie kannte auch ihren Mann, der manchmal verflucht dickköpfig war.

Die Frau hockte eingeklemmt in einem Schrank. Der wiederum stand in einem Zimmer, dessen Wand direkt an die des Restaurants grenzte. So konnte ein heimlicher Beobachter durch eine schmale Bohrung aus dem Schrank heraus alles sehen, was sich in dem Restaurant abspielte.

Sophia konnte kaum glauben, dass sie die Realität erlebte. Sie kam sich eingeschlossen vor wie in einem Alptraum, in dem die einzelnen Szenen ohne Ton abliefen, denn hören konnte sie nichts. Die Wand war zu dick, aber sehen konnte sie das Grauen, und sie sah, wie sich ihr Mann wehrte und wie er dann von der Kugel getroffen und zu Boden geschleudert wurde.

Das war der Augenblick, in dem Sophias Welt zerbrach. Sie hätte jetzt schreien müssen. Ihre Trauer und ihr Schmerz brauchten freie Bahn, stattdessen tat sie nichts.

Sie wusste nicht einmal, ob sie atmete. Ein Kokon hielt sie vom Kopf bis zu den Füßen umspannt und schien sie zu würgen.

Ihr Mann war tot!

Carlo lebte nicht mehr!

Für Sophia war es unglaublich, unbegreiflich, und sie wollte es auch nicht wahrhaben. Der Schrank war hoch genug für sie. Auch stehend stieß sie mit dem Kopf nicht gegen die Decke, und sie spürte, wie ihr die Tränen aus den Augen rannen, wie das Schluchzen sie peinigte. Im Schrank hängende Kleidungsstücke streichelten ihr Gesicht.

Der Schmerz brannte in ihr, und noch immer konnte sie nicht schreien. Sophia wunderte sich über ihre Kraft. Nie hätte sie mit einer derartigen Stärke gerechnet. Sie wischte die Tränen aus den Augen, um klar sehen zu können. Dann schaute sie wieder durch den Spion.

Sie waren nicht verschwunden. Beide Mafiosi hielten sich noch im Restaurant auf. Der Verletzte hockte auf einem Stuhl. Er hatte den Handschuh abgestreift und ein Taschentuch um die Wunde gebunden. Der helle Stoff färbte sich rasch rot.