John Sinclair Sonder-Edition 169 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 169 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Wenn Melanie Morton strippte, flippten die Männer aus und wurden beinahe zu Tieren. Dann aber tauchten echte Wölfe im dichten Londoner Nebel auf. Angeführt von Morgana Layton brachten die reißenden Bestien Chaos und Tod über den Strip-Club in Soho.
Für Suko und mich gab es nun keine ruhige Minute mehr. Wir kannten Morgana und wussten, wie gefährlich sie und ihre Meute waren. In der Metropole an der Themse begann eine gnadenlose Jagd, und die führte uns ausgerechnet in ein Krankenhaus ...


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Seitenzahl: 189

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Morganas Wölfe

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Morganas Wölfe

von Jason Dark

Wenn Melanie Morton strippte, flippten die Männer aus und wurden beinahe zu Tieren. Dann aber tauchten echte Wölfe im dichten Londoner Nebel auf. Angeführt von Morgana Layton brachten die reißenden Bestien Chaos und Tod über den Strip-Club in Soho.

Für Suko und mich gab es nun keine ruhige Minute mehr. Wir kannten Morgana und wussten, wie gefährlich sie und ihre Meute waren. In der Metropole an der Themse begann eine gnadenlose Jagd, und die führte uns ausgerechnet in ein Krankenhaus ...

Melanie war die heißeste Stripperin von Soho!

Ein Geheimtipp angeblich, trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – war die Bude gerammelt voll, wenn sie tanzte. Männer aller Altersstufen, Hautfarben und Berufe drängten sich vor der primitiven Bühne zusammen. Sie waren gierig nach Melanies Körper, den sie mit ihren Blicken verschlangen. Aber eben nur mit den Blicken, denn eine Nacht mit Melanie war für die Männer so weit entfernt wie der Mond. Melanie reizte sie, heizte sie an, wich manchmal den zupackenden Händen bewusst nicht aus und ließ es zu, dass die Finger ihre nackte Haut berührten. Hin und wieder ließ sie sich auch ein Kleidungsstück vom Körper zerren, was von besonders lauten Johlen und Schreien begleitet wurde. Die Kerle rissen sich dann gar um das Beutestück.

Dass ihr aber niemand wirklich zu nahe kam, dafür sorgten einige breitschultrige Bodyguards, die im Hintergrund lauerten und alles mit Argusaugen unter Kontrolle hielten.

In der Bude war es immer heiß. Ob im Winter oder im Sommer, die Luft kochte. Sie schmeckte nach Bier, Rauch und Whisky. Schwaden trieben wie Nebelwolken durch die Lichtkegel der beiden Scheinwerfer, die Melanies Bewegungen auf Schritt und Tritt folgten.

Die Planken waren mit rotem Stoff bespannt, sodass das Hämmern der hohen Absätze etwas gedämpft klang. Die Musik spielte, und Melanie setzte zu einem Solo an. Sie schwang die Beine und hatte den Kopf in den Nacken gelegt. Ihr Gesicht war dem Scheinwerfer zugewandt. Die Augen hielt sie halb geschlossen, so wurde sie nicht so stark geblendet. Der Mund mit den grellgeschminkten Lippen stand leicht offen. Es war der Schmollmund einer Blondine, wie sie einst die Monroe verkörpert hatte.

In der Tat verehrte Melanie ihr großes Vorbild abgöttisch. Und sie strippte nicht nur wegen des Geldes, sondern auch in der Hoffnung, entdeckt zu werden. Für den Film, zum Beispiel, und nicht mehr nur für die billigen Sex-Postillen, die ihren Körper schon oft genug abgebildet hatten.

Melanie lächelte. Sie wusste, dass die Augen der Kerle auf sie gerichtet waren. Sie genoss diesen Augenblick auch, den sie immer mehr in die Länge zog. Nur die Beine bewegte sie. Die Netzstrümpfe hatte sie bereits ausgezogen und weggeschleudert. Noch umschloss ihren Körper ein knappes Ledertrikot, ähnlich gearbeitet wie ein Korsett, aber an der Rückseite nicht mit Haken, sondern mit einem Reißverschluss versehen.

Ihre Hände, die in Höhe der Hüften den Körper berührt hatten, zuckten, bevor sie in die Höhe wanderten. An beiden Seiten zugleich, synchrone Bewegungen, genau einstudiert, und ihr Körper glich dem einer Schlange, so geschmeidig bewegte sie sich.

Das war der Augenblick, wo zahlreiche Gäste den Atem anhielten, denn Melanies Strip steuerte auf den Höhepunkt zu.

Viele wussten Bescheid, denn sie gehörten zu den Stammgästen, die den Striptease-Schuppen immer wieder besuchten.

Melanies Schritte waren wohlgesetzt, manchmal schon geziert, wenn sie das eine oder andere Bein vorstellte, mit den Zehen zuerst den Boden berührte, um sich dann auf den Absatz zu stellen.

Dabei blieben ihre Hände nicht mehr ruhig. Sie hatte die Arme auf den Rücken gedreht, wo die Finger an der dünnen Lederhaut in die Höhe glitten und dabei den Reißverschluss ertasteten.

Gleich würde sie ihn aufziehen. Und sie wusste genau, was sie tat, denn sie drehte den Gaffern ihren wohlgeformten Rücken zu, tanzte jetzt auf der Stelle, bewegte dabei ihr Hinterteil, das ebenfalls sehr knapp umschnürt wurde, und in mehreren Intervallen zog sie den Reißverschluss nach unten. Die Pausen wirkten, als hätte sie Angst davor, sich zu schnell zu entblößen. Sie hörte hinter sich das Pfeifen und Johlen der Zuschauer. Sie wusste, dass sie die Typen jetzt wahnsinnig machte, aber sie ließ sich auch weiterhin Zeit und kostete alles aus. Dann, ein letzter Ruck, und der Reißverschluss war offen.

Das Schreien der Zuschauer steigerte sich. Dazwischen gellten die schrillen Pfiffe, und dann packte Melanie ihr Korsett, schleuderte es in die Dunkelheit jenseits der Scheinwerfer – und war doch noch nicht nackt, denn ein knappes Oberteil und ein Hauch von einem Slip verbargen ihre letzten Geheimnisse.

Melanie hatte sich umgedreht, und das Johlen der Zuschauer steigerte sich weiter. Jeder wusste, was nun folgte.

»Weg mit dem Rest! Weg mit dem Rest!«, schrien ein paar ganz Ungeduldige.

Es war wie ein Startschuss. Jeder wollte sie nackt sehen, und Melanie tat, als hätten sie die Worte erschreckt. Sie trippelte hastig ein paar Schritte zurück, begleitet vom hellen Kreis des Scheinwerfers. Auch diese Pose war einstudiert.

Ungefähr eine Minute lang würde sie die Gaffer noch in Atem halten, dann würde auch die letzte Hülle fallen.

Melanie beherrschte ihren Job. Es war immer dasselbe, nie neu. Aber immer wieder hoffte sie, dass sich jemand vom Film unter den Zuschauern befand, der sie die Leiter hinaufstoßen würde.

Sie hätte nie damit gerechnet, dass ihre Schau einmal einen ganz anderen Verlauf nehmen würde.

Doch Melanie sollte sich irren.

Sehr sogar.

An diesem Abend sollte alles anders werden. Davon aber konnte sie noch nichts wissen, als ihre Hände wieder über den Rücken wanderten und nach dem Verschluss des winzigen Oberteils tasteten ...

In dem zu kleinen Raum roch es nach Parfüm und Schminke. Ein Fenster in der Wand gestattete einen Blick in das Lokal und auf die Bühne. Ansonsten war der Raum spartanisch eingerichtet. An einer Wand hingen drei Schminkspiegel, davor stand ein Tapeziertisch mit einem Hocker.

Die beiden Männer hockten in zerschlissenen Sesseln, hatten die Beine ausgestreckt, drehten Gläser zwischen ihren Händen, schauten durch das Fenster. Aber der Blick ihrer Augen zeigte, dass sie Melanie überhaupt nicht zur Kenntnis nahmen und mehr ihren eigenen Gedanken nachhingen.

Der Mann mit den dunklen Haaren und dem kleinen Zopf im Nacken hieß Don Amalfi. Er legte stets Wert auf elegante Kleidung, die ihm hin und wieder schon einen Touch ins Geckenhafte verlieh, wenn er es zu sehr übertrieb. An diesem Abend trug er eine grüne Jacke und eine schwarze Hose, wobei die giftgrüne Farbe der Jacke dem zweiten Mann auf die Augen schlug.

Er hieß Phil Butcher, sah richtig kernig aus, wie jemand, der gerade seine Sommerfrische genossen hatte. Sein Gesicht war breit, das Haar lag platt auf dem Kopf. Eine breite Nase, breite Augen, ein breiter Mund mit blassen Lippen. Phil war Ire, während der Dunkelhaarige südeuropäisches Blut in seinen Adern hatte. Beide waren keine Freunde, aber Geschäftspartner, und sie schafften den Nachschub für die Strip-Lokale heran, kassierten dabei Provisionen und Handgelder und konnten davon recht gut leben.

Don Amalfi bewegte seinen linken Arm, wo eine Goldkette das Gelenk umschloss. Einige Lichtfunken verirrten sich auf dem Metall und störten Butcher.

»Kannst du das nicht lassen?«

»Was?«

»Deine Unruhe.«

Amalfi lachte. »Bist du nervös?«

»Ja.«

»Warum?«

Butcher starrte seinen Kumpan an. Wie immer hatte Don seine Augenbrauen gezupft und nachgeschminkt. Schwul war er nicht, aber sehr auf seinen Körper bezogen und ein wenig affektiert. Zumindest einmal in der Woche besuchte er ein Kosmetik-Studio für Herren, wo er sich auf Vordermann bringen ließ. Sobald er einen Pickel in seinem Gesicht entdeckte, flippte er aus, was Phil überhaupt nicht begreifen konnte, denn ihn störten die zahlreichen Sommersprossen auf seiner Haut nicht.

»He, ich warte.«

»Schon gut, Don.« Butcher veränderte seine Sitzhaltung, streckte den rechten Arm aus und deutete mit dem Zeigefinger durch die Scheibe. »Sie ist gut, nicht?«

»Sogar super.«

»Eben.«

»Und was bedeutet das?«

Butcher leerte sein Glas. »Ich glaube nicht, dass sie uns noch lange erhalten bleibt. Ich weiß auch, dass sie scharf darauf ist, aus diesem Job herauszukommen. Das ist verständlich. Sie hofft, dass irgendwelche Filmtypen sie mal sehen und engagieren.«

Amalfi musste lachen. »Na und? Was regst du dich auf? Wenn das mal so kommen sollte, kassieren wir mit. Schließlich haben wir mit Melanie einen Vertrag.«

»Fürs Tanzen.«

»Und auch sonst.«

»Nein, haben wir nicht. Wenn tatsächlich so ein Filmtyp auftaucht, werden neue Verträge aufgesetzt. Die Bedingungen diktieren die, das weiß ich.«

»Etwas fällt schon für uns ab.«

»Ein Dankeschön.«

Amalfi tippte gegen seine Stirn. »Und damit willst du dich zufriedengeben?«

»Das müssen wir, mein Lieber. Oder sollen wir uns mit der Porno-Mafia anlegen?«

Der Mann mit dem Zopf schwieg für eine Weile. »Wie kommst du denn darauf?«

»Weil ich heute eine Anfrage hatte. Jemand ist tatsächlich auf unsere Melanie aufmerksam geworden.«

»Ach. Und wer?«

Phil winkte ab. »Spielt doch keine Rolle. Jedenfalls einer, der stärker ist als wir.«

Don senkte den Kopf. Er ärgerte sich und konnte sich auch denken, wer dahintersteckte. Doch er sprach den Namen nicht aus, sondern meinte nur: »Ist Porno denn noch ein Geschäft?«

Butcher musste schrill lachen. »Und wie, Don! Hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang wollen sie neuerdings Ware aus dem Ausland, und das hat die Porno-Mafia aus dem Osten spitzgekriegt. Über einen Strohmann sucht sie Kontakte.«

Don Amalfi schwieg. Er trank. Seine Bewegungen waren ruckartig. Dann schaute er wieder durch die Scheibe auf die Tanzfläche, wo Melanie den Gästen einheizte. Diese Blondine war ein Traum von einer Frau und gleichzeitig auch eine gute Tänzerin. Klar, dass die Typen hinter ihr her waren und manche sie sogar vermarkten wollten. Zudem würde sich Melanie kaum weigern.

Sie hatte schon immer davon gesprochen, nicht mehr in diesem miesen Schuppen strippen zu wollen. Weg von den Brettern und den billigen Fotos und rauf auf die Leinwand.

Auch gegen einen Porno hatte sie nichts einzuwenden, denn sie wusste von einigen Schauspielern, die ihre Karriere in Hardcore-Streifen begonnen hatten und später mehr oder minder groß rausgekommen waren.

Melanie hätte auch in einer der Nachtbars strippen können, aber da floss die Kohle nicht so. Die fetten Zeiten waren vorbei. Die Leute hatten nicht mehr so viel Geld übrig, um die eleganten und teuren Bars zu besuchen. Dementsprechend niedrig gestalteten sich die Honorare für Stripperinnen, und da war es schon besser, sich Ausweichmöglichkeiten zu suchen und für das gemeine Volk zu tanzen.

Hier machte es die Masse, denn der Besitzer der Bude war zufrieden, wie er den beiden Agenten noch vor einer halben Stunde versichert hatte.

»Warum sagst du nichts, Don?«

Amalfi hob die Schultern. »Was soll ich denn sagen? Ich kenne die Probleme. Wir müssen uns eben etwas einfallen lassen.«

»Gut gesagt.« Butcher nickte. »Das weiß ich auch. Aber was?«, flüsterte er. »Was, verdammt?«

»Ich habe nachgedacht«, murmelte Amalfi. Bevor Butcher lachen konnte, warf er ihm einen kalten Blick zu. »Ja, verdammt, ich habe nachgedacht, und ich denke, dass wir unsere Zelte hier in London abbrechen sollten. Einfach verschwinden, und die Mädchen nehmen wir mit. Es gibt andere Städte, wo wir anfangen können. Ich habe gehört, dass Liverpool noch ein weißer Fleck auf der Landkarte sein soll.«

Butcher blieb fast der Mund offen. »Das ... das ... meinst du ehrlich?« Er wollte es kaum glauben.

»Sonst hätte ich es nicht gesagt.«

»Das klappt nie, Don. Die Mädchen werden nicht mitmachen. Nach Liverpool ausgerechnet, in die Scheiße rein, in die Arbeitslosigkeit, in die Trostlosigkeit. Die pfeifen uns was. Und zwingen können wir sie auch nicht, das weißt du.«

Beinahe traurig schaute Amalfi Melanie zu. »Also abschreiben?«

»Möglicherweise.«

»Und dann?«

»Suchen wir uns einen neuen Job.« Phil Butcher blieb bei seinem Vorschlag, änderte ihn allerdings leicht ab. »Wir können dann allein in eine andere Stadt gehen. Muss ja nicht Liverpool sein. Und dort bauen wir dann etwas Neues auf. Mädchen gibt es überall. Und mancher Lokalbesitzer wird froh sein, wenn wir ihn überreden, aus seinem Laden etwas zu machen. Davon bin ich überzeugt.«

Die Worte waren bei Don Amalfi nicht gerade auf fruchtbaren Boden gefallen. Der Mann mit dem Zopf verzog das Gesicht, er fluchte wütend und stand auf.

Butcher ließ ihn nicht aus dem Blick. »Wo willst du hin?«, fragte er, denn Don stand bereits an der Tür.

»Ich muss mal frische Luft schnappen. Ich muss nachdenken. Hier fühle ich mich dabei nicht wohl.«

»Und wenn du zurückkommst, hast du die Lösung, wie?«

»So ähnlich.«

Phil Butcher winkte nur ab.

Er ließ seinen Partner laufen und versank selbst in dumpfes Grübeln. Es gefiel ihm nicht, es war alles Mist, es lief nicht gut, sie mussten etwas unternehmen, sonst waren sie bald aus dem Geschäft. Für sie beide hatte es keinen Sinn, sich mit den harten Gangs herumzuschlagen, da konnten sie nur verlieren. Bisher war es ihnen gelungen, zwischen den Fronten zu lavieren. Das hatte immer geklappt, und so sollte es auch bleiben.

Don hatte die Tür leise hinter sich geschlossen. Er und sein Kumpel kannten sich aus. So wusste auch Don, wie er auf den Hinterhof kam, dem er einen Besuch abstatten wollte, um seiner Wut freien Lauf zu lassen. Da konnte er gegen die Mülltonnen treten und mit den Fäusten gegen Mauern hämmern, und niemanden würde das stören.

Der Geruch aus dem Zimmer verlor sich im Gang. Die Hintertür war verriegelt. Amalfi zerrte den Riegel zur Seite und trat nach draußen in die Kühle und den Dunst.

Das schöne Wetter war vorbei, der Herbst hatte Einzug gehalten. Da fielen die Blätter, und der Nebel kam, lautlos wie ein Dieb. Er brachte Kühle und Feuchtigkeit mit, was auch Amalfi spürte, denn er fror. Deshalb stellte er den Kragen seiner Jacke hoch, wanderte über den zerrissenen Belag des Hofs, ging vor und zurück, hielt den Kopf gesenkt, fluchte leise vor sich hin und trat tatsächlich gegen eine Mülltonne, um seinen Frust loszuwerden. Damit erreichte er nichts, der Frust blieb, nur die Zehen taten ihm nun weh.

Es war ein großer Hof. Ein Wunder, dass er noch nicht für den Bau entdeckt worden war. Spekulanten schnappten sonst überall zu, aber hier hatten sie eine Lücke hinterlassen.

In der Nähe führte eine Straße vorbei. Sie war eigentlich viel befahren, was in der Nacht aber nachließ. Das Echos des Verkehrs wurde normalerweise in den Hof transportiert, doch in dieser Nacht, wo der Dunst gekommen war, blieben die Geräusche weich und leise.

Man konnte sich einsam vorkommen ...

Verloren inmitten der Großstadt, umgeben von ungewöhnlichen Gerüchen, die sich zumeist aus Abgasen zusammensetzten und in den Hof hineintrieben. Keine Stimmen. Wenn, dann nur weit entfernt, und selbst die Striptease-Bude schien jetzt weit weg zu liegen.

Einsamkeit, verloren, verlassen, eine triste Umgebung, passend zu ihrem Job.

Don Amalfi ärgerte sich. Er fluchte in sich hinein. Er dachte an die Ost-Mafia, und er wünschte sich, einmal so zu sein wie der gute Arnold Schwarzenegger, wenn der unter seinen Gegner aufräumte. Das wäre toll, aber die Wirklichkeit war anders, die stand nun mal in keinem Drehbuch.

Amalfi fluchte vor sich hin. Er wollte eine Zigarette rauchen und blieb neben den Mülltonnen stehen. Irgendwo in der Nähe fiepte und raschelte es. Don wusste nicht, ob es Ratten oder Mäuse waren, die sich bei den Tonnen aufhielten.

Er rauchte.

Die Flamme des Feuerzeugs und auch die Glut der Kippe wurden von den Nebelschleiern geschluckt. In den vergangenen Minuten schien er noch dichter geworden zu sein. Er hüllte London ein wie ein Netz. Das war wieder so typisch für diese Stadt. Da kam Amalfi stets der Gedanke, in die Heimat seiner Vorfahren zu ziehen, ins sonnige Italien.

Die Zigarette schmeckte ihm nicht. Er rauchte sie trotzdem, obwohl auf seiner Zunge und in seiner Kehle ein trockener Geschmack zurückblieb. Mit einem Whisky hätte er ihn gerne weggespült.

Zu einem Ergebnis war er noch nicht gekommen. Es fiel ihm sowieso schwer, seine Gedanken zu sammeln. Bisher war die andere Seite noch nicht an sie herangetreten, aber es gab Anzeichen, dass sich die Gangster aus dem Osten breitmachten. Das würde auch den einheimischen Gangstern nicht gefallen. Amalfi befürchtete gar, dass Bandenkriege London erschüttern würden, denn die einheimischen Bosse würden sich auf keinen Fall kampflos aus dem Geschäft drängen lassen.

Die Zigarette qualmte zwischen seinen Fingern. Er wollte auch gar nicht mehr an ihr ziehen, denn da war etwas.

Amalfi erstarrte.

Er hatte noch nichts Konkretes gesehen, was wegen des Nebels auch schwer war, nur spürte er die Veränderung in seiner Nähe. Jemand war auf den Hof geschlichen.

Er dachte nicht an die Gegner aus dem Osten, die würden anders auftreten und mit Gewalt über alles hinwegwalzen. Nein, was sich hier ereignet hatte, und was er nicht sehen konnte, hatte sich dem Nebel angepasst und war schleichend gekommen.

Er starrte nach vorn. Nichts war zu sehen. Der Hinterhof schwamm in der grauen Suppe. Amalfi konnte nicht mal die Mauer gegenüber erkennen, und auch die hohen Bauten dahinter waren für ihn nur mehr verschwommene Schatten.

Don zuckte zusammen, als die Glut an seiner Haut fraß. Er ließ die kurze Kippe fallen und trat sie aus.

Aber er blieb auch stehen.

Bis zum Hintereingang waren es nur wenige Schritte. Amalfi traute sich nicht, ihn zu benutzen, aus Angst, jemand könnte ihm eine Falle stellen.

Warten ... worauf?

Er atmete flach, konzentrierte sich. Irgendetwas musste doch zu hören sein, auch wenn er zunächst nichts sah. Oder hatte er sich alles nur eingebildet?

Im Hinterhof lag der Nebel still wie ein See. Da war eine Bewegung! Don hielt den Atem an. Er spürte, wie sein Herz schneller schlug, denn diese Bewegung hatte er sich nicht eingebildet.

Vor ihm schlich jemand über den Hof. Ein Schatten, kleiner als ein Mensch, dabei gebückt gehend, als würde der Schatten auf allen vieren laufen wie ein Hund.

Hund?

Der Gedanke irrlichterte durch seinen Kopf. Amalfi hatte ihn noch nicht beendet, als er erstarrte.

Genau vor ihm hatte sich der Schatten gedreht und starrte ihn an. Seltsam und ungewöhnlich klar, trotz des Nebels. Zwei ›Lichter‹ im Nebel.

Augen! Gelbe Augen!

Die Augen eines Raubtiers!

Don Amalfi wusste, dass er seine Chance verpasst hatte. Wenn er jetzt einen Fluchtversuch unternahm, würde es zu spät sein, und deshalb blieb er stehen, auch wenn er es eigentlich nicht wollte und am liebsten verschwunden wäre.

Vor ihm stand jemand. Er glotzte ihn an. Trotz des Nebels kamen ihm die verdammten Augen geschliffen scharf vor. Sie transportierten eine böse Botschaft, sie waren furchtbar, sie waren für ihn wie Fenster zu einer Welt des Schreckens.

Ein Tier?

Ja, aber welches?

Die Fragen schwirrten durch seinen Kopf. Sie verdeckten für einen Moment die Angst. Das ... das ... kann doch kein Hund sein, dachte er. Hunde sind anders, Schäferhunde oder ...

Die Überlegungen bekamen einen Bruch. Plötzlich dachte er ganz anders darüber. Natürlich, das konnte ein Hund sein. Es gab ja nicht nur die normalen. Schließlich war es bei einigen Typen in Mode gekommen, sich Kampfhunde zu halten.

Der Gedanke daran wühlte sich tief in seinen Magen. Er kam sich vor, als wäre dort jemand dabei, ihn umzurühren, denn gegen die auf den Mann dressierten Kampfhunde hatten waffenlose Menschen keine Chance. Zumindest nicht mit bloßen Fäusten, da war der Zweibeiner immer unterlegen. Amalfi dachte daran, dass er eine Waffe bei sich trug. Ein Stilett. Er konnte es hervorziehen, die Klinge herausschnellen lassen, aber was würde das bringen?

Nichts. Der Kampfhund war bestimmt auf gewisse Situationen trainiert. Bei der geringsten falschen Bewegung würde er reagieren und ihn anspringen, um seine Kehle zu zerfetzen.

Deshalb ließ er es bleiben.

Der Hund wartete. Er bewegte sich nicht, aber hinter ihm sah Amalfi die Schatten. Sie schafften es tatsächlich, sich lautlos durch den Dunst zu bewegen.

Amalfi stockte der Atem. Er hatte die Schatten nicht gezählt. Er sah schwach die kalten Augen, wie ein mattes Funkeln im Nebel. Sie waren da, und sie hatten ihn eingekreist.

Er zitterte plötzlich. Dann schielte er nach rechts, denn die Schatten waren dabei, sich der Hintertür zu nähern. Und was das bedeutete, wusste Amalfi genau.

Sie würden in den Bau eindringen und dort ein Blutbad anrichten.

Amalfi war kein frommer Mensch. Ein Egoist wie Phil Butcher. Ihnen ging es darum, immer ihren dicken Vorteil aus einem Geschäft zu ziehen, auch wenn sie sich dabei auf dünnem Eis bewegten.

Aber er konnte nicht zulassen, dass die Kampfhunde den Bau stürmten. Es war ein Ding der Unmöglichkeit. Nie hätte er damit gerechnet, dass die Konkurrenz zu derartigen Mitteln greifen würde. Die Bestien waren schlimmer als Kugeln.

Er wollte weg!

Noch belauerte man ihn, aber die anderen Schatten näherten sich bereits der Tür.

Amalfi sprang zur Seite. Er hoffte, schnell genug gewesen zu sein, und er hatte mit keiner Bewegung seine Aktion angezeigt. Trotzdem war er zu langsam!

Der Hund oder was immer es war, sprang aus dem Stand. Und er war so schnell, dass Don nicht ausweichen konnte. Der verdammte Körper wuchs riesig vor ihm hoch, auch der Griff nach dem Stilett gelang Don Amalfi nicht mehr.

Pranken schlugen zu. Er spürte einen heißen Atem über sein Gesicht wehen. Amalfi sank in die Knie, sein Kopf fiel zurück, und er prallte gegen die Mauer.

Vor ihm tanzten Sterne, oder waren es die gelben Augen der Bestie? Die Mülltonnen schepperten, als er gegen sie prallte, und dann sah er plötzlich etwas, das ihm wie ein Traum vorkam. Nur für die Dauer von höchstens zwei, drei Sekunden, aber dieses Bild prägte sich unauslöschlich in sein Gedächtnis ein.

Durch den Nebel bewegte sich eine Gestalt. Es war kein Vierbeiner, sondern jemand auf zwei Beinen, ein Mensch – eine Frau!

Eine schöne Frau mit langen Haaren und dunkel gekleidet. Ein bleiches Gesicht, kalte Augen, wie bei einem Raubtier, zu vergleichen mit denen der Wölfe.

Die Frau schaute auf ihn nieder, dann nickte sie.

Das Tier reagierte.

Warum ist mein Hals plötzlich so nass? Warum die Schmerzen? Warum die dichte Dunkelheit, dicht wie nie ... nie ... nie ...

Amalfis Gedanken brachen ab. Er konnte weder denken noch reden, der Tod war schneller.

Und die Wölfe hatten freie Bahn ...

Phil Butcher schaute auf die Flasche und dachte darüber nach, ob er noch einen Schluck nehmen sollte. Nein, er wollte es nicht. Er musste nüchtern bleiben. Es hatte keinen Sinn, noch einen vierten Drink zu nehmen, das rückte die Probleme zwar in den Hintergrund, schaffte sie aber nicht aus der Welt.

Es stand fest, dass Don und er sich in einer Klemme befanden, auch wenn die andere Seite die beiden noch nicht direkt angegangen hatte.

Er schaute wieder durch das Fenster. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln.

Melanie tanzte heute besonders lange. Sie machte es sehr spannend. Auch das gehörte zu ihrem Job. Sich profimäßig zu verhalten, wenn ein anderes Mädchen ausfiel. Fatima hatte sich krank gemeldet, die Zuschauer mussten auf ihren Schleiertanz verzichten, und Melanie war in die Bresche gesprungen.