John Sinclair Sonder-Edition 17 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 17 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Ich habe in meinem Leben zahlreiche Dämonenarten kennengelernt. Die Strigen gehörten zu den schlimmsten.

Große, eulenähnliche Vögel, mit einem skelettierten Schädel und messerscharfen Zähnen. Sie kamen aus einer anderen Dimension und fanden nachts ihre Beute.

Ich befand mich mit meinen Freunden auf einer Kreuzfahrt. Der Angriff der Strigen erfolgte wie ein Blitz aus heiterem Himmel, und plötzlich hing das Leben von über zweihundert Menschen an einem seidenen Faden ...

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Seitenzahl: 189

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Inhalt

Cover

Impressum

Satans Eulen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Ricardo Reitmeyer

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2480-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Satans Eulen

von Jason Dark

Als Strigen bezeichnet man dämonische Wesen, die in den dichten Wäldern des europäischen Nordens hausen und sich ähnlich wie Vampire vom Blut der Menschen ernähren.

Sie sind groß wie Eulen, sehen in der Nacht ebenso scharf und sind wild auf Beute. Nur eins unterscheidet sie von den echten Eulen.

Es ist der Kopf! Die Strigen haben einen Totenschädel …

***

Lars Strindberg schritt um das kleine Haus herum und schloss den letzten Fensterladen. Vom Fjord her blies ein steifer Wind, der unangenehm kalt durch die Maschen seines dicken, selbst gestrickten Pullovers fuhr und sich unter dem Hausgiebel fing, wo das Regenrohr klapperte. Strindberg wurde wieder daran erinnert, dass er es endlich einmal reparieren musste, aber unangenehme Dinge schob er gern auf die lange Bank.

Er warf einen Blick zum Himmel. War sein Gesicht vorhin noch entspannt gewesen, so verdüsterte es sich jetzt. Das Wetter sah überhaupt nicht gut aus. Und wenn er daran dachte, wie oft es im April noch Schnee gegeben hatte, wurde ihm seine Laune regelrecht vermiest. Nur keinen Schnee mehr! Mit Schrecken dachte er an die weißen Massen, die er während des Winters weggeschaufelt und in den Wald geschafft hatte.

Der Wald begann direkt hinter dem Haus. Enna, Lars’ Frau, bezeichnete ihn immer als Dschungel. So unrecht hatte sie damit nicht, denn es war hier niemand, der dem Wachstum der Bäume Einhalt gebot. Selbst Holzfäller ließen sich hier kaum blicken, und so sorgte die Natur dafür, dass alte und schwache Bäume durch den Wind gefällt wurden und kurzerhand zwischen die gesunden fielen, wobei sie innerhalb des Waldes für einen regelrechten Wirrwarr sorgten.

Wenn der Wald sich zu weit auswucherte und in seinen Garten wuchs, griff Strindberg ein. Dann trat die Motorsäge in Aktion, und sie hatten wieder Brennholz für den Winter.

Unter dem spitzgiebligen Dach, wo sich auch Strindbergs Atelier befand, wurde ein Fenster geöffnet. Ennas blonder Lockenkopf erschien.

»Wann kommst du zum Essen, Lars?«

Strindberg drehte sich um und legte seinen Kopf in den Nacken. »Großen Hunger habe ich noch nicht. Was gibt es denn?«

»Lass dich überraschen.«

Lars grinste. »Aber keine Suppe aus Tannennadeln.«

»Du tust gerade so, als hättest du so etwas schon bei mir gegessen.«

»Fast, meine Liebe, fast. Sag mir eine Zeit.«

»Dreißig Minuten wird es noch dauern.«

»Wunderbar, ich gehe dann solange in den Wald. Morgen will ich ein paar Bäume fällen. Mal sehen, vielleicht finde ich welche.«

»Das wäre gut.«

»Bis gleich dann.« Lars hob grüßend seine Rechte, drehte sich um und ging.

Sein Haus war nicht groß. Das hatte er auch nicht gewollt, als er Oslo den Rücken gekehrt hatte, um mit seiner Frau Enna und der fünfjährigen Sonja in den Westen zu gehen, wo es die großen Wälder gab, die verschwiegenen Fjorde und die Berge.

Zuerst hatten sie die Hektik der Großstadt ein wenig vermisst, dann hatten sie sich an das Leben gewöhnt, und Lars Strindberg war in eine Schaffensperiode geraten, die er mit dem Wort einmalig umschrieb.

Er malte die herrlichsten Bilder, hatte Einfälle, die Natur regte ihn an, und was er nie für möglich gehalten hatte, war eingetreten. Er malte plötzlich die Landschaft, obwohl er zuvor Landschaftsmaler immer abgelehnt hatte. Aber diese Gegend inspirierte ihn einfach, und er musste sie auf die Leinwand bringen.

Es war wie ein Drang, dem er nachkam, wobei er es verstand, klassische Formen und Stilarten der Malerei mit modernen Elementen zu verbinden. Seine Bilder fanden reißenden Absatz, die Preise stiegen, und der Familie ging es finanziell gut.

Lars Strindberg arbeitete nur morgens. Nachmittags und am Abend kümmerte er sich um den Garten oder ging in den Wald, um mit der fast unberührten Natur Zwiesprache zu halten. Es waren die stillen Stunden, die er ebenso liebte wie seine Arbeit.

Bevor er den Wald betrat, wollte er noch durch den Garten schreiten. Allmählich fing alles an zu blühen. Schon allein wegen der Pflanzen hoffte er, dass es keinen Schnee mehr geben würde, denn wenn noch Frost hinzukam, würde viel erfrieren.

Der Garten war ziemlich groß. Ein grüner Zaun grenzte ihn ein. Er war kaum zu sehen, sodass der Waldrand und der Garten fast eine Einheit bildeten. Gepflegte Wege durchzogen das kleine Areal. Lars hatte sie in den letzten beiden Stunden geharkt und auch die Erde auf den Beeten gelockert.

In der Gartenmitte blieb er stehen und drehte sich um. Er blickte auf die Schmalseite des Hauses und sah auch den kleinen Anbau, wo sich die Sauna befand. Abgetrennt davon stand auch der Generator, der das Haus mit Strom versorgte.

Lars lächelte, als er sich sein kleines Reich ansah. Es gefiel ihm immer besser, auch jetzt, wo sich die Dämmerung allmählich über das Land legte. Enna hatte den Ofen erhitzt. Ein blaugrauer Rauchfaden stieg aus dem Schornstein und wurde vom Wind verweht.

Strindberg war ein hochgewachsener Mann mit braunen, dichten Haaren und einem Vollbart. Er hatte einen kräftigen Körper, raue Hände und schwielige Finger. Überhaupt keine Malerhände, doch wenn sie einmal den Pinsel hielten, dann konnten sie so zart sein, dass sie den Hauch einer japanischen Kirschblüte auf die Leinwand brachten.

Er öffnete das kleine Törchen und sah mit Missbilligung das Unkraut, das aus dem Wald wuchs und sich ausbreitete wie ein grüner Teppich, den jemand kurzerhand immer weiter ausrollte. Es wurde wirklich Zeit, dass er den Raum zwischen Garten und Wald wieder einmal säuberte. Das nahm er sich für die nächsten Tage vor.

Auch nach der Rodung des Geländes hatte es nie einen Weg in den Wald gegeben. Lars hatte vor einem Jahr versucht, einen anzulegen, es jedoch wieder aufgegeben, alles wuchs einfach zu schnell, und der Weg war bald verschwunden.

Norwegischer Mischwald hielt ihn schon nach wenigen Schritten umfangen. Der Winter hatte wieder seine Spuren hinterlassen. Zahlreiche Bäume waren durch die Schneelast gebrochen. Die meisten von ihnen waren nicht bis zum Boden gefallen, weil sie von den anderen, gesunden Bäumen aufgehalten wurden. Jetzt hingen viele von ihnen schräg und bildeten Hindernisse, die kaum zu überklettern waren.

Auch der Boden war nicht trocken. Weich und nachgiebig präsentierte er sich. Die Stiefel des Mannes hinterließen das Profil seiner dicken Sohlen.

Irgendwo knackte und schabte es. Die Tiere der Nacht erwachten mittlerweile aus ihrem Schlaf. Andere wiederum suchten jetzt Plätze, wo sie die Zeit der Dunkelheit verbrachten. Es war der ewige Kreislauf der Nacht, und er gefiel dem Maler einfach.

Schnell wurde es dunkel. Lars machte sich leichte Vorwürfe. Er hätte doch früher gehen sollen, denn jetzt war es schwierig, noch etwas zu erkennen und Holz für den Ofen zu suchen.

Als er über einen Baumstamm kletterte, dessen Rinde eine dicke grüne Schicht zeigte, versank er mit beiden Beinen in einem kleinen Schlammloch. Er hatte es nicht gesehen, spürte jedoch die Feuchtigkeit an seinen Hosenbeinen und verzog das Gesicht. Enna würde schimpfen, weil er die Stiefel nicht angezogen hatte, und Lars nahm sich vor, seine Hosenbeine zu säubern.

Er grinste, als er sich auf den Baumstamm setzte und an seine Frau dachte. Jetzt waren sie schon über zehn Jahre verheiratet, ihre Ehe lief bis auf einige Kleinigkeiten hervorragend, aber ihren Sauberkeitsfimmel würde Enna nie ablegen, der war ihr angeboren.

Lars holte ein Taschentuch hervor und versuchte, seine Hose zu reinigen. Er rieb an dem derben Stoff, doch den Dreck bekam er nicht ab. Er verteilte ihn, das war der einzige Erfolg.

»Mist«, murmelte er und wollte das schmutzige Taschentuch wieder einstecken, als er das Geräusch hörte.

Ein lang gezogenes Uuuuhhh klang zu ihm herüber. So plötzlich und schaurig, dass ihm unwillkürlich eine Gänsehaut über den Rücken rann. So ein Geräusch hatte er noch nie vernommen, und er war weiß Gott schon oft in diesem Wald gewesen.

Was hatte es nur zu bedeuten?

Dann wieder Uuuuuhhh. Diesmal war Lars zwar darauf vorbereitet gewesen, er erschrak trotzdem. Und nicht nur er hatte das Geräusch vernommen, auch andere Tiere, denn plötzlich huschte ein Fuchs fast über seine Füße.

Lars konnte nicht der Grund für die Furcht des Fuchses sein. Die Tiere hatten sich längst an den Menschen gewöhnt, und auch die beiden Hirsche, die durch das Unterholz brachen, waren noch nie in so panischer Angst vor ihm geflohen.

Uuuuuhhh. Diesmal klang das Rufen schon lauter, als würde sich der unheimliche Geräuschmacher dem Baumstamm nähern, neben dem sich auch Lars Strindberg befand.

Der Maler dachte nach. Irgendwie hatte dieses Geräusch Ähnlichkeit mit dem Rufen einer Eule. Ja, genau, das musste eine Eule sein. Aber warum zeigten die anderen Tiere plötzlich eine so große Furcht? Die Vögel stiegen aus dem Zweigwerk der Bäume und verschwanden im grauen Himmel.

Dann wurde es wieder still. Sehr still sogar, eine Ruhe, die dem Mann überhaupt nicht gefiel, denn er war sie nicht gewohnt, der Wald lebte normalerweise immer.

Als Lars sich drehte und in das noch blattlose Dickicht starrte, hatte er das Gefühl, von zahlreichen Augen beobachtet zu werden. Schräg vor sich, genau zwischen zwei Ästen, glaubte er, etwas Helles zu sehen. Auch ein Tier? Wenn ja, dann war es ein Vogel, denn er saß etwas höher.

Tief holte Lars Luft. Sein Atem war das einzige Geräusch in der plötzlichen Stille des Waldes. Er blickte noch einmal in Richtung Haus. Von dem Gebäude war nichts zu sehen. Das verzweigte Astwerk nahm ihm die Sicht.

Der Mann wusste in der Tat nicht, was er unternehmen sollte. Zurück zum Haus gehen oder im Wald bleiben und der Ursache des unheimlichen Heulens auf den Grund gehen?

Da vernahm er es wieder. Diesmal noch lauter, ein Zeichen, dass sich das Tier näher gekommen war. Zudem hörte er das Brechen eines Asts, als hätte jemand einen schweren Gegenstand in den Baum geworfen.

Jetzt wurde es Lars Strindberg zu dumm. Er wollte endlich wissen, woran er war, sprang auf und drehte sich. Noch in der Bewegung hörte er das seltsame Geräusch. Es war schräg hinter ihm aufgeklungen, und der Maler dachte sofort an den Flügelschlag eines Vogels.

Als er es genau wissen wollte und sich umwandte, da verdunkelte sich sein Gesichtsfeld. Dicht vor ihm erschien etwas, wurde übergroß, und bevor Lars Strindberg seine Arme hochreißen konnte, klatschte es bereits in sein Gesicht.

Ein großer, lebender Gegenstand – ein Vogel.

An der Wange spürte Lars den Schmerz. Blut rann aus einer Wunde im Fleisch, und der Maler schlug um sich. Seine Hände trafen ins Leere. Der Vogel war viel zu schnell. Trotz seiner Größe segelte er leicht und irgendwie geschickt auf einen Ast zu, um sich darauf niederzulassen. Die Flügel fielen zusammen.

Lars Strindberg hatte noch einmal das Taschentuch hervorgeholt. Er faltete es auf und suchte nach einer reinen Stelle, damit er die Wunde säubern konnte.

Dazu kam er vorerst nicht, denn sein Blick war auf den Vogel gefallen. Trotz der Dämmerung fiel noch so viel Licht in den Wald, dass der Maler den Vogel erkennen konnte.

Wieder erreichte ihn das schaurige Heulen, und er dachte auch an eine Eule.

Aber Eulen haben keine Totenschädel!

Dieser Vogel jedoch hatte einen. Er hockte auf dem Baum, und über seinem Körper schimmerte ein bleicher Totenkopf.

***

Das Bild schockte den Mann. Seine Beine wollten ihm nicht mehr gehorchen. Er sah den Vogel und glaubte an einen Albtraum.

Vor ihm saß eine Eule mit einem Totenschädel. Groß wirkten die Augenhöhlen, wie die Augen bei einer normalen Eule. Der Schädel selbst schimmerte knöchern, er leuchtete in einem gelblichen Weiß, und der Vogel hatte keinen Schnabel mehr. An seiner Stelle klaffte ein Loch im Schädel. Unterhalb dieses Lochs konnte der Schädel bewegt werden, sodass eine Öffnung entstand, in der zwei Zähne schimmerten. Lange, spitze Zähne.

Wie bei Vampiren, dachte der Maler, der die Zähne genau sah.

Die Eule hatte vielleicht fünf Sekunden auf ihrem Platz gesessen, als sie es schließlich leid war, ihre mit Federn bedeckten Flügel ausbreitete und sich erhob. Lautlos verschwand in einem Filigran aus dünnen, sperrigen Baumzweigen. Lars Strindberg sah, wie sich die Zweige bewegten. Ein leises Rascheln – dann war es vorbei. Wie ein Spuk war dieser unheimliche Vogel gekommen, wie ein Spuk war er verschwunden.

Ein Traum? Nein, Träume hinterlassen keine Wunden. Das konnte Lars Strindberg bestätigen, denn als er die Wange abtastete, bemerkte er, dass ihm das Tier ein Stück Fleisch aus dem Gesicht gehackt hatte. Zudem wollte die Wunde überhaupt nicht mehr aufhören zu bluten.

Er schüttelte sich und knirschte mit den Zähnen, weil Wut in ihm hochstieg. Das war sicher nicht seine letzte Begegnung mit dieser verdammten Brut, und wenn er so einem Tier noch einmal gegenüberstand, dann mit einem Gewehr in der Hand. Denn diese Eule war kein Tier, sondern ein wahres Monster. Dass sie einen Totenschädel trug, würde ihm keiner glauben.

Als er darüber nachdachte, fiel ihm Enna, seine Frau, ein. Verflixt, was sollte er ihr sagen? Wie konnte er ihr beibringen, wie die tiefe Wunde an seiner Wange entstanden war, ohne dass sie misstrauisch wurde? Denn Enna war das Misstrauen in Person, und so musste er sich schon etwas Gutes einfallen lassen.

Darüber dachte er nach, als er den Weg zurückging. Nur noch ein letzter, schmaler, heller Streifen war am Himmel zu sehen. Ein blasses Grau, das bald verschwinden würde.

Im Haus brannte Licht. Der Schein fiel gelb durch die Scheiben, und man konnte sich geborgen fühlen. Das Haus strahlte Ruhe aus. Lars Strindberg war auch froh, sich an den Tisch setzen und essen zu können, obwohl er die innerliche Unruhe und leichte Angst nicht völlig unterdrücken konnte.

Der Vogel ging ihm nicht aus dem Sinn. Eine Eule mit einem Totenschädel. Das musste einfach eine Nachbildung sein, eine andere Erklärung hatte der Maler nicht. Da wollte sich bestimmt jemand einen Scherz erlauben. Allerdings ging dieser Scherz zu weit!

An der Haustür hing eine Glocke. Am Klöppel war ein Lederband befestigt, das der Maler zwischen die Finger nahm und die Glocke damit anschlug, sodass ihr helles Bimmeln auch oben im Haus gehört werden konnte und als melodischer Ton bis zum nahen Wald schwang.

Lars hatte bewusst geklingelt, denn wenn die Laute ertönten, dann sprang die fünfjährige Sonja die breite Holztreppe herunter, um zu öffnen.

Lars Strindberg wartete vergebens auf die leichten, schnellen Schritte seiner Tochter. Dafür öffnete Enna. Sie war noch immer eine schöne Frau. Für manchen Geschmack vielleicht zu korpulent, aber dem Maler gefiel sie. Er wollte etwas im Arm haben.

In Ennas Augen stand Angst, als sie vor Lars stand in der Tür stand.

»Was ist?«, fragte Lars. »Ich habe mich verletzt, wenn du das meinst, Enna …«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Lars, nein. Hast du sie nicht mitgebracht?«

»Wen?«

»Sonja! Sie ist verschwunden …«

***

Sofort musste Lars Strindberg an die schreckliche Eule denken.

»Du musst Sonja suchen«, sagte Enna und schüttelte seinen Arm, während sie ihn beschwörend ansah. »Ich dachte, du hättest sie mitgebracht, aber sie ist nicht gekommen, und du …« Enna war durcheinander.

Das merkte auch Lars. Er wollte ihr Haar streicheln, ließ es jedoch bleiben, als er feststellte, dass sich an seiner linken Hand Blut befand. Er hatte es verschmiert.

»Geh doch, Lars!«

»Ja, ja, natürlich. Kannst du mir nicht sagen, wo ich suchen soll?«

»Nein.«

»Wo ist sie denn hingegangen?«

»Ich weiß es nicht.« Enna hob die Schultern. In den großen Augen glitzerte es verräterisch. Sie war ansonsten eine resolute Frau, aber die Angst um Sonja machte sie nervlich fertig.

Auch Lars spürte das Unbehagen, doch er durfte nicht die Nerven verlieren. Er musste vor seiner Frau Haltung bewahren, in beiderseitigem Interesse.

»Ich gehe sie suchen, Enna, du brauchst keine Angst zu haben, wirklich. Das schaffe ich schon. Sonja wird irgendein Tier entdeckt haben, du weißt doch, wie sie ist. Die Tiere kommen zu ihr, sie hat ein besonderes Verhältnis zu ihnen …«

Verdammt, warum dachte er denn wieder an die Eule?

»Aber nicht in der Dunkelheit. Sie kommt immer nach Hause, wenn die Dämmerung einbricht.«

»Ich gehe.« Lars wollte nicht noch länger mit seiner Frau darüber diskutieren. Außerdem verlor er Zeit. Beinahe abrupt drehte er sich um und atmete tief ein. Er musste seine Tochter finden!

Am liebsten hätte er das Gewehr mitgenommen, aber das hätte Enna nur misstrauisch gemacht. Nein, es war schon besser, wenn er unbewaffnet ging. Sonja konnte nicht weit sein, sie lief nie weg, auch nicht zu den Klippen, wo der Fjord mit seinem tiefen, blauschwarz schimmernden Wasser endete, denn die Eltern hatten ihr verboten, dort zu spielen.

Er lief schnell, und er spürte das Pochen der kleinen Wunde im Gesicht. Es erinnerte ihn wieder an die Eule. Innerlich betete er, dass Sonja nicht diesem unheimlichen Vogel begegnet war.

Diesmal lief Lars den Weg entlang. Er führte vom Haus weg und mündete auf einen Pfad, der so breit war, dass auch die langen Wagen der Holzfäller ihn befahren konnten. Der Pfad führte unter anderem zum Fjord und traf in entgegengesetzter Richtung auf die Straße, wo zwanzig Kilometer weiter der kleine Hafenort Levka lag.

Dort versorgten sich die Strindbergs mit Lebensmitteln und allem, was sie sonst noch benötigten. Einmal in der Woche fuhren sie mit ihrem Volvo-Kombi los. Allerdings wollte Lars nicht glauben, dass Sonja so weit gelaufen war. In dieser Richtung verirrte sie sich nie, sie blieb immer in Nähe des Hauses, denn sie wusste um die Gefahren.

Als Lars weit genug vom Haus entfernt war, riskierte er es und rief den Namen seiner Tochter. Seine Stimme hallte durch den Wald. Wenn sich Sonja in der Nähe aufhielt, dann musste sie ihn hören und sich melden.

Doch es tat sich nichts. Nur Lars’ eigene Stimme hallte durch den Wald. Sonja gab keine Antwort. Der Maler erreichte den Holzfällerweg und blieb dort schwer atmend stehen. Abermals rief er den Namen seiner Tochter, und dieses Mal bekam er Antwort. Allerdings nicht von Sonja, sondern von diesem Vogelmonster, dessen schauriges Heulen ihm eine Gänsehaut über den Rücken trieb.

Lars’ Gesicht verzerrte sich. »Der Totenvogel!«, hauchte er. »Der Totenvogel ruft. Verdammt, Sonja! Sonjaaaa!«, brüllte er, und seine Hände schlossen sich zu Fäusten.

Ungehört verhallte sein Rufen.

»Nein!«, hauchte er. »Nein …«

Klatschendes Flügelschlagen ließ ihn herumfahren. Da war der Vogel wieder. Nein, schon zwei! Sie flogen dicht nebeneinander, hatten sich noch einmal Schwung gegeben und die Flügel jetzt ausgebreitet, sodass sie sich vom Wind tragen ließen und lautlos durch die Luft segelten.

Weiß schimmerten die Schädel. Sie leuchteten in der Dunkelheit, und der Maler hatte das Gefühl, als wären sie mit einer phosphoreszierenden Masse bestrichen. Dabei sah es so aus, als würden nur zwei Totenschädel durch die Luft segeln, denn von den Körpern der Eulen konnte der Maler nichts erkennen.

Auch hielten sie gemeinsam etwas zwischen ihren Mäulern, denn Schnäbel waren nicht vorhanden. Da sie dicht nebeneinander flogen, war genau zu erkennen, was sie festhielten. Ein Tier.

Sie waren so nah, dass Lars zurücksprang, um von ihnen nicht gestreift zu werden. Und er konnte die Beute der Horror-Vögel identifizieren. Es war ein Fuchs! Ein ziemlich großes Tier, aber die beiden Vögel hatten es gerissen. Grausam.

Sofort dachte er wieder an Sonja. Wenn sie diesen Eulen begegnet war, dann hatte sie keine Chance gehabt, sich zu wehren. Diese Mutationen waren zu stark. Angst stieg in dem Maler auf.

Dann waren die Eulen vorbeigeflogen. Um ihn hatten sie sich nicht gekümmert. Sie waren mit Beute versorgt. Sekundenlang schloss er die Augen und versuchte, sich zu erinnern, was die kleine Sonja getragen hatte, als er sie vor einigen Stunden zum letzten Mal gesehen hatte.

Dunkle Kleidung war es nicht. Er dachte an den hellroten Anorak und den weißen Schal. Der musste einfach zu sehen sein, auch in der Dunkelheit.

Wenn sie jetzt irgendwo lag, verletzt oder noch schlimmer …

Daran durfte der Mann gar nicht erst denken, er wäre sonst durchgedreht.

Noch einmal rief er Sonjas Namen. Wieder bekam er keine Antwort. Nur der Abendwind fuhr durch den Wald und spielte mit den Gräsern. Der Maler machte sich Vorwürfe, keine Taschenlampe mitgenommen zu haben, jetzt musste er im Dunkeln suchen. Mit zwei Sprüngen setzte er über den Weg und verschwand im Dickicht, wobei er weiterhin den Namen seiner Tochter rief.

Und dann sah er etwas. Sein Herzschlag stockte für einen schrecklich langen Augenblick. Nicht weit vor ihm flatterte etwas Helles. Sonjas Schal! In Brusthöhe hatte er sich zwischen zwei sperrigen Zweigen festgeklemmt und wurde vom Wind bewegt wie eine Fahne.

Lars Strindbergs Herz schlug plötzlich hoch bis zum Hals. Die Angst schnürte seine Kehle zu, denn er bekam keinen Laut hervor. Wenn Sonja was passiert war, dann …

Mit einer wütenden Bewegung riss er den Schal ab, wickelte ihn um seinen Arm, brach durch das Unterholz und merkte nicht, wie Zweige sein Gesicht peitschten und die frische Wunde auf der Wange noch einmal aufrissen. Er dachte nur an Sonja.

Fast wäre er über sie gestolpert. Im letzten Moment konnte er stoppen, blickte auf den Körper, sein Gesicht verzerrte sich, und seine Augen wollten fast aus den Höhlen springen.

Das Kind lag halb auf dem Rücken und halb auf der Seite. Es hatte ein Bein angewinkelt, ebenso die Arme. Bleich war sein Gesicht, und über die Haut lief ein makabres Netz aus Blutfäden.

***

»Urlaub wollen Sie haben?«, fragte Superintendent Sir James Powell mich und sah mich dabei an wie ein Henker einen Verurteilten durch die Schlitze der Kapuze.

»Ja, Sir«, erwiderte ich locker und grinste. »Ist das vielleicht ein Verbrechen?«

»Fast«, sagte mein Chef.

»Und wieso?«

»Sie lassen eine Stadt schutzlos zurück.«

Ich schüttelte den Kopf. »Sorry, Sir, aber da kann ich nicht folgen. Schutzlos nicht, weil Suko hierbleibt, und zudem löse ich ja nicht jeden Fall in London, sondern treibe mich oft in der halben Welt herum. Das Argument zieht nicht, Sir.«

»Trotzdem.« Sir James ließ sich nicht beirren. »Bei Ihnen liegt der Fall eben anders.«

»Warum steht mir dann überhaupt Urlaub zu?«

Sir James winkte ab. »Papier ist geduldig. Aber sagen Sie mir mal, wo Sie überhaupt hinwollen!«

»Ich möchte mit den Conollys eine Kreuzfahrt machen.«

»Bahamas oder Bermudas, wie?«

»Nein, Sir, Norwegen.«

»Was? Sie wollen nach Norwegen und da eine Kreuzfahrt machen? Das gibt es doch nicht.«