John Sinclair Sonder-Edition 172 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 172 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Als Raniel, der Gerechte, mich besuchte, wusste ich, dass es Probleme geben würde.
"Belial ist da! Belial - der Engel der Lügen, der Leibwächter Luzifers. Der Engel der Finsternis, wie schon in den alten Schriftrollen von Qumran geschrieben steht", lautete Raniels Botschaft.
"Was will er?", fragte ich.
"Er will die Macht, John. Er will die Menschen unterdrücken und sie in Luzifers Höllenloch stoßen. Er will die Wahrheit zur Lüge erklären und dafür sorgen, dass sich die Menschheit selbst zerstört."
"Und wir sollen ihn stoppen?"
"So ist es, John ..."


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Seitenzahl: 182

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Inhalt

Cover

Belial

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Belial

von Jason Dark

Als mich Raniel, der Gerechte, besuchte, wusste ich, dass es Probleme geben würde.

»Belial ist da! Belial – der Engel der Lügen, der Leibwächter Luzifers. Oder der Engel der Finsternis, wie schon in den alten Schriftrollen von Qumran zu lesen war.«

»Was will er?«

»Er will die Macht, John. Er will die Menschen unterdrücken und sie in Luzifers Höllenloch führen. Er will die Wahrheit zur Lüge erklären und so dafür sorgen, dass sich die Menschheit selbst zerstört.«

»Und wir sollen ihn stoppen?«

»So ist es, John ...«

Das Unwetter kam mit einer Wucht, als wollte es die Grenzen zwischen Himmel und Hölle sprengen.

Es war gegen Abend. Die Welt, ob Himmel oder Erde, erinnerte in der Dämmerung an eine Farbpalette aus Zwischentönen. Aschgraue Wolken bildeten unheimliche Wände am Himmel, die sich aus mehreren Schichten zusammensetzten. Daraus hervortauchende Blitze zerschnitten hell die schraffierten Wolkenberge, und ein grollender Donner kündete das Unheil an.

Es würde kommen.

Es war nicht aufzuhalten.

Und die Menschen würden in einer schrecklichen Angst leben und an das Ende der Welt denken ...

Billy Wilson duckte sich, als er das Haus verließ. Er hörte noch die warnenden und mahnenden Worte seines Klavierlehrers, der die Stunde früher abgebrochen und dem Zwölfjährigen wegen des aufziehenden Unwetters geraten hatte, so rasch wie möglich nach Hause zu fahren.

Billy selbst hatte das zunächst gar nicht mitbekommen, er war zu sehr in sein Klavierspiel vertieft gewesen.

Sein aufmerksamer Lehrer dagegen war immer wieder zu dem großen Fenster gegangen und hatte hinausgeschaut. Bei jeder Rückkehr an den Flügel war sein Gesicht sorgenvoller gewesen.

Der Junge war dann die schmale Steintreppe hinuntergerannt und hatte den Schutz des Hauses verlassen. Das Rad lehnte an der Bruchsteinmauer, die auf der vorderen Seite die Grundstücksgrenze gab. Er hatte nur noch wenige Schritte zu laufen, als der erste Windstoß heranfegte, von einem schauerlichen Heulen begleitet. Wie ein wildes Tier packte der Wind den Jungen und riss ansonsten alles mit, was nicht niet- und nagelfest war.

Bill kam sich vor wie ein Zuschauer, der in das Geschehen nicht eingreifen konnte.

Da segelte ein Hut quer über die Straße, da fegten plötzlich mehrere Zeitungen hinter dem Hut her, als wollten sie ihn einholen. Dort rollten kleine Holzkloben auf die Fahrbahn, die der Sturm von einem größeren Stoß gefegt hatte, und Billy sah mit Schrecken, dass die wilde Bö auch sein Rad nicht verschonte.

Sie riss es einfach um.

Das Rad war Billys Heiligtum. Er hatte lange dafür gespart. Als er dieses für ihn wertvolle Kleinod fallen sah, löste sich ein Schrei der Entrüstung aus seinem Mund. Er stemmte sich mit aller Kraft gegen die erneute Bö an, wobei er sich bis zu seinem Rad regelrecht vorkämpfen musste, um es packen und wieder aufrichten zu können.

Aber er schaffte es. Der Wind wühlte sein Haar hoch, als wollte er ihm jede einzelne Strähne vom Kopf reißen. Er ließ die Kleidung knattern und flattern, er peitschte das runde Gesicht des Jungen, fegte in die Augen und ließ sie tränen.

Billy hielt sein Rad an der Lenkstange fest umklammert. Es sollte ihm nicht noch einmal umgerissen werden, er würde dafür kämpfen. Wenn er es nicht schaffte, nun gut, dann fielen eben beide hin, aber nicht mehr das Rad allein. Das war er ihm einfach schuldig.

Und dann war alles vorbei!

So plötzlich, wie der Wind gekommen war, hatte er sich auch wieder zurückgezogen. Kein Lufthauch mehr, keine Strömung, die Welt hielt den Atem an, und was zuvor von der wilden Bö weggefegt worden war, blieb einfach liegen.

Der Junge atmete durch. Er schüttelte den Kopf, weil er mit der erneuten Veränderung nicht zurechtkam. Das Haus seines Lehrers stand am Ortsausgang. Um in Richtung Dorf schauen zu können, musste sich Billy umdrehen. Er tat es, weil er die Stimmen von Erwachsenen gehört hatte, die sich diese Wetterkapriolen auch nicht erklären konnten.

Einige Bewohner hatten ihre Häuser verlassen und waren nach draußen gelaufen. Sie standen auf den schmalen Gehsteigen beisammen, schauten in den Himmel, schüttelten die Köpfe, sprachen miteinander, und jeder wartete auf eine Erklärung des anderen. Doch Antworten gab es keine.

Die Bö blieb ein Rätsel.

Jeder, der sie erlebt hatte, war froh, dass es vorbei war. Nur blieb eine gewisse Unruhe zurück, die Menschen schauten schon öfter hoch zum Himmel, als würden sie ihm nicht trauen, und auch Billy Wilson verhielt sich so.

Er stand mit seinem Rad dort, wo der Gehsteig endete. Der Junge dachte daran, dass sein Rückweg bis zum elterlichen Haus noch sechs Meilen betrug. Keine lange Strecke für einen geübten Radfahrer wie ihn, die riss er immer auf einer Backe ab, aber die plötzliche Bö hatte ihn doch verwirrt.

Sechs Meilen nur, trotzdem ...

Billy fuhr los, nachdem er die Mappe mit den Notenblättern mit Hilfe des starken Gummibandes auf dem Gepäckträger festgeklemmt hatte.

Er fuhr zügig. Zweimal begegneten ihm andere Radfahrer, dann war er wieder allein auf der Strecke zwischen den beiden Ortschaften.

Und er versäumte es nicht, immer wieder einen Blick zum Himmel zu werfen. Das hatte er auf seinen sonstigen Fahrten nur selten getan, aber ihm stecke noch die Gewalt der unheimlichen Sturmbö in den Knochen. Das war schon ungewöhnlich gewesen, und der Himmel über ihm sah auch anders aus als sonst.

Es hätte eigentlich ein Winterhimmel sein müssen. Aber der Junge wunderte sich über die Wolkenformationen, sie sahen einfach anders aus als sonst. Sie schoben sich zusammen und übereinander, hatten unterschiedliche Farben, und manchmal leuchteten die helleren Flecken dazwischen wie kleine Seen.

Da oben braut sich etwas zusammen, dachte der Junge. Selbst die Luft kam ihm anders vor. Sie war sehr klar, nur wunderte er sich, dass er sich darüber nicht freuen konnte. Es hatte sich zugleich abgekühlt und Luft schnitt in sein Gesicht.

Billy Wilson strampelte weiter. Es drängte ihn, nach Hause zu kommen. Rechts führte das Band der wenig befahrenen Verbindungsstraße entlang. Links von ihm lag der Wald, der bis an sein heranreichte.

Auf der anderen Straßenseite wuchs kein einziger Baum. Da war das Land flach, mit einer klaren Sicht bis hin zum fernen Horizont. Wiesen und Felder, im Sommer grün und blühend, jetzt aber, im Winter, ähnlich aussehend wie der trübe Himmel hoch oben.

An der linken Seite huschte der Wald vorbei. Geheimnisvoll. Eine Welt für sich.

Billy Wilson kannte die Strecke genau, und er wusste stets, wie weit es noch bis zu seinem Ziel war.

Ungefähr die Hälfte lag bereits hinter ihm. Normalerweise war er froh, wenn er das merkte, an diesem frühen Abend jedoch war er es nicht. Noch immer steckte die Furcht vor dem Wind in ihm, und er wunderte sich auch darüber, dass die Dunkelheit noch nicht weiter fortgeschritten war. Es schien, als wollte die Natur der Jahreszeit einen Streich spielen und den Tag bewusst verlängern, um Sicht und Platz für etwas anderes zu schaffen.

Aber für was?

War die Welt nicht mehr in Ordnung?

Der Blick nach rechts gestattete ihm die freie Sicht über das Feld hinweg. Dort war alles so klar, als hätte jemand mit einem riesigen Tuch Staub gewischt. Eine Klarheit wie in einem riesigen Spiegel, und der Junge kam auch mit dieser Beobachtung nicht zurecht.

Einen Moment später erschrak er so stark, dass er durch eine heftige Bewegung beinahe den Lenker verrissen hätte. Nur mühsam konnte er sich im Sattel halten. Aber nicht das Gelände hatte bei Billy für das Erschrecken gesorgt, sondern der unendlich wirkende Himmel mit seinem düsteren Farbenspiel und mit den letzten Sonnenstrahlen, die schleiergleich die Wolken durchteilten, um in der Ewigkeit zu versickern.

Einen derartigen Himmel hatte Bill in seinem zwölfjährigen Leben noch nicht gesehen. Er war von diesem Anblick so überrascht, dass er abbremste, stehenblieb, wobei er sein Rad zwischen den Beinen festklemmte.

Das da oben war grandios – und unheimlich.

Ja, Billy empfand den Anblick als unheimlich. Ein Schauer rieselte über seinen Körper. Er spürte, wie sein Gesicht käsig bleich wurde, und er hatte im nächsten Moment eine Vision.

Er glaubte nicht mehr daran, dass er nach Hause kam. Irgendetwas würde passieren.

Der Junge drehte sich, er blickte nach vorn, und in der Ferne des flachen Landes sah er bereits die Umrisse des Dorfes, in dem er lebte.

Einige Sekunden wartete der Junge noch ab und wollte dann wieder in den Sattel steigen.

Er befand sich noch in der Bewegung, als es geschah. Plötzlich erwischte ihn wieder eine Bö, und diesmal machte der brutale Windstoß mit ihm, was er wollte ...

Der Windstoß hatte Billy an der rechten Seite erwischt und schleuderte ihn nach links, hinein in den Wald.

Während das Rad im Unterholz hängenblieb, rollte der Junge ein Stück weiter, bis er mit der Schulter gegen einen Baumstumpf prallte und leise aufschrie. Verletzt war er nicht. Allein die mörderische Kraft des Sturms war für diese Lage verantwortlich gewesen. Der wütende Orkan spielte mit Menschen wie mit Kegeln.

Auf dem Bauch blieb Billy Wilson liegen. Er hatte keine Zeit, sich um seine Schulter zu kümmern, denn um ihn herum toste eine wahre Hölle.

Der Orkan jagte über das Land und verschonte auch den Wald zwischen den beiden Dörfern nicht. Um Billy herum tobte eine Musik, wie er sie noch nie gehört hatte. Fremdartige Töne vereinigten sich zu einer heulenden und mörderischen Sinfonie, die brüllte, schrie, jammerte, säuselte, mal schrecklich wurde, dann für einen Moment zusammenbrach, als sollten die Instrumente neu gestimmt werden.

Das Heulen oder Toben war nicht gefährlich. Es gab andere Dinge, die dem Jungen Sorge bereiteten.

Der Orkan zerrte und riss an den Bäumen. Er packte Zweige, schlug um sich, riss vieles los, was nicht mehr in Saft und Kraft stand, und er schleuderte die abgerissenen Hölzer wie nutzlosen Sperrmüll durch den Wald.

Billys Gesicht war verzerrt. Er fürchtete sich. Das Bersten des alten Geästs quälte sein Gehör. Er traute sich nicht, sich aufzurichten, die Gewalten waren unberechenbar. Sie glichen einem Inferno der Natur, die sich in einem rasenden Anfall von Hass und Wut befand, um sich an den Menschen zu rächen.

Und dann war der Donner da.

Ein mächtiger Schlag, der alle anderen Geräusche übertönte, erschütterte die kleine Welt.

Das erschreckte den Jungen so sehr, dass er laut aufschrie.

Eine Serie von Donnerschlägen dröhnte über den Himmel, begleitet von langen, scharfen Blitzen, die Billy bemerkte, obwohl er den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen hielt. Die Blitze ähnelten Speeren aus Licht. Sie jagten eindrucksvoll dem Erdboden entgegen.

Billy hatte die erste Angst überwunden, doch er befürchtete, von herumfliegenden Ästen getroffen zu werden. Doch noch war das Glück auf seiner Seite, er war bislang unverletzt.

Langsam richtete er sich auf. Scharfer Wind erfasste ihn, und Billy schaute Richtung Straße und dann zum Himmel.

Die Luft war klar. Es fiel noch kein Regen.

Das breite Wolkenband war gerissen. Es zeigte freie Flächen, die in einem ungewöhnlichen Licht glänzten. Sonnenstrahlen fielen in langen Bahnen der Erde entgegen, nachdem sie die Wolken passiert hatten. An der linken Seite war der Himmel dunkler, an der rechten zeigte er eine breite Aufhellung, und dazwischen – ja, was war das? Billy wusste nicht Bescheid, er war völlig von der Rolle. Er schüttelte den Kopf, er war starr, er schluckte, er zitterte, und er merkte nicht, wie er sich langsam aufrichtete.

Der Wind war noch da, aber nicht mehr so stark. Er säuselte jetzt beinahe.

Dafür interessierte sich Billy nicht, auch nicht für den Regen, der urplötzlich niederging. Etwas anderes hatte ihn in seinen Bann gezogen.

Es war ein bestimmter Regenschleier, der sich praktisch auf eine Zone konzentrierte. Und zwar ihm gegenüber, auf dem Feld, wo das Gelände flach war. Billy glaubte, inmitten des Schleiers eine Bewegung zu sehen. Oder waren es nur Wolken?

Er hatte keine Ahnung, er war nur der Beobachter, aber er hatte seine Umgebung vergessen, auch wenn er längst bis auf die Haut nass geworden war.

Alles war jetzt anders. Die Luft, der Wind, der Regen. Nur nach vorn konnte er schauen, und dort sah er dann, was passierte. Regen und Wolken hatten etwas mitgebracht.

Eine Gestalt.

Ein Mensch?

Billy Wilson wusste nicht, ob er es glauben sollte. Es war einfach zu unwahrscheinlich und zu unheimlich.

Und doch schaute er gebannt hin ...

Ich hatte Suko als ersten aus dem Lift treten lassen und folgte ihm mit langsameren Schritten. Wir waren vom Büro aus

nach Hause gefahren und freuten uns auf einen Feierabend. Gemütlich wollten wir den Tag ausklingen lassen.

Normalerweise wäre einer von uns schon vorgegangen, um die Wohnung zu erreichen, aber Suko war stehengeblieben und wartete auf mich. Ich stoppte ebenfalls, weil ich überrascht war. »He, was hast du? Keine Sehnsucht nach Shao?«, fragte ich.

»Das wollte ich dich gerade fragen.«

»Ob ich Sehnsucht habe?«

»Nein, das nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Unsinn. Ich wollte dich nur fragen, was mit dir los ist.«

»Wie? Mit mir?«, erwiderte ich.

Suko verdrehte die Augen. »Mit wem sonst, John? Oder siehst du hier noch jemand?«

»Das nicht.«

»Dann raus mit der Sprache.«

Ich hob die Schultern. »Ob du es glaubst oder nicht, ich habe mich in den letzten Stunden nicht eben wohl gefühlt.«

Suko nickte. »Das habe ich bemerkt.«

»Schön.«

»Kennst du auch den Grund?« Mein Freund ließ einfach nicht locker.

»Keine Ahnung.«

Damit hatte ich nicht gelogen. Mir war der Grund tatsächlich unbekannt. Ich hatte schon darüber nachgedacht, weshalb mir so komisch gewesen war, hatte es dann auf das Wetter geschoben oder auf einen Virus, der schon etwas länger in mir steckte und sich nun endlich freie Bahn verschafft hatte, um mir eine Grippe zu bescheren.

»Da muss wohl etwas in der Luft liegen, und mich hat es erwischt.«

»Wie äußert sich das, abgesehen davon, dass man es dir einfach ansieht, John?«

»Ich bin nicht in Form. Eine Leck-mich-Stimmung. Weiche Knie und so. Völlig lustlos. Keinen Appetit und auch keinen Durst auf ein Bier oder auf ein Glas Wein.« Ich winkte ab. »Jedenfalls nichts von Besorgnis, das trifft schließlich jeden irgendwann mal.«

»Grippe?«

»Ist möglich.«

»Was willst du tun? Dich ins Bett legen?«

»Du hast die Antwort vorweggenommen. Ich haue mich tatsächlich aufs Ohr.«

»Dann gute Nacht.« Suko schaute mich noch einmal an, grinste und sagte, dass er oder Shao noch nach mir schauen würden.

»Einigen wir uns darauf: Sollte es mir schlechter gehen, sage ich euch Bescheid. Dann kann mir Shao einen von ihren Tees kochen, die ja besonders gut helfen sollen.«

»Das kann sie jetzt schon machen.«

»Nein, nein! Mach nur nicht die Pferde verrückt! Lass alles, wie es ist.«

»Wie du willst.«

Ich verschwand sehr schnell in meinen vier Wänden, weil ich nicht auch noch von Shao mit Fragen gelöchert werden wollte, obwohl sie es bestimmt gut gemeint hatte. Aber ich wollte nur noch einen Schlussstrich unter diesen Tag ziehen.

Meine Jacke hängte ich an der Garderobe auf, presste die Hände auf die Stirn, atmete tief durch und ging zunächst einmal ins Bad, um mich zu erfrischen.

Das kalte Wasser tat meinem Gesicht gut. Im Gegensatz zum Wasser fühlte sich die Haut direkt heiß an. Ich hatte Fieber, das passte mir gar nicht.

Fieber kann den stärksten Mann umhauen. Ihn auf das Lager schmeißen, wie es so schön heißt, ihn schwächen, und gerade eine Schwäche konnte und durfte ich mir bei meinem Job nicht erlauben.

Ich trocknete mich ab, ging dabei einige Schritte hin und her. Ich fühlte mich bescheiden. Da war es sicherlich am besten, wenn ich mich aufs Ohr legte. Wie ein müder Krieger betrat ich das Wohnzimmer, in dem es viel zu warm war, obwohl ich die Heizung bereits abgedreht hatte.

Aus der Küche holte ich mir etwas zu trinken, Mineralwasser.

Hinlegen?

Nein, auf keinen Fall. Ich würde mich auf die Couch hocken und die Glotze einschalten. Mich irgendwie ablenken, denn über meinen Zustand wollte ich nicht unbedingt nachdenken.

Ich trank erst mal und legte den Kopf zurück. Dann dachte ich in Ruhe über diesen Zustand nach.

War ich wirklich krank? Oder war ich auf dem Weg, krank zu werden? Es war alles möglich. Jetzt, wo ich Ruhe hatte und über alles nachdachte, kam mir mein Zustand schon seltsam vor.

Richtig krank fühlte ich mich trotz der Hitzewallungen eigentlich nicht. Okay, es war eine gewisse Mattheit vorhanden, aber von einer direkten Krankheit wollte ich nicht sprechen.

Es war wahrscheinlich etwas anderes, denn eine innere Aufgeregtheit hielt mich umfangen. Ich war einfach nicht mehr derselbe, ich war nervös, stand wie auf dem Sprung, als würde jeden Moment etwas auf mich zukommen, das mich bereits belauert hatte.

Es war das viel zitierte ›ungute Gefühl‹, das mich umklammert hielt. Nicht mehr und nicht weniger, eben dieses verdammte Gefühl, mit dem ich nicht zurechtkam. Eine Nervosität, vielleicht sogar unbegründet, denn es war ja nichts passiert. Und doch wurde ich sie nicht los.

Wer mich kennt, der weiß auch, dass ich auf diese gewissen Gefühle sehr achte. Meine Gefühle hatten mich bisher nicht im Stich gelassen. Des Öfteren waren sie eine Warnung gewesen, und diese Warnung wiederum wurde an mein Nervensystem weitergegeben.

Ich nuckelte an meinem Wasser, das mir auch nicht schmeckte, aber ich war einfach zu faul, um mir aus dem Kühlschrank eine Flasche Saft zu holen.

Stattdessen griff ich zur Fernbedienung.

Klack – und die Glotze war an.

Was tobte über den Bildschirm? Al Bundy, der große Schuhverkäufer, hatte mal wieder Probleme mit sich selbst und seiner tollen Familie. Er war sauer, weil seine Tochter den falschen Freund mit nach Hause brachte und sowieso alles falsch machte, was den großen Al zu wahren Wutausbrüchen veranlasste.

Ich schaltete um.

Werbung, wie schön.

Der andere Sender brachte Nachrichten, und in denen steckte eine Menge Gewalt. Die Welt litt unter den Kriegen, da konnte man nur den Kopf schütteln. Überall waren Menschen dabei, sich die Köpfe einzuschlagen, ob in Europa, Asien, Afrika oder Südamerika. Die Nachrichten endeten mit dem Wetter, dessen Voraussage sich auch nicht eben blendend anhörte. Regen, Wind, hin und wieder ein Sonnenstrahl, eben das typische Inselwetter.

Ich zappte weiter.

Dabei hatte ich eigentlich gedacht, meine innere Aufgeregtheit und äußerliche Mattheit loszuwerden, leider war das nicht der Fall. Ich kam mir vor wie jemand, der auf ein bestimmtes Ereignis wartete, aber nicht wusste, wann es ihn erwischte.

Schlimm ...

Was war das nur? Ich schob es einzig und allein auf meine Person. Suko hatte damit nichts zu tun. Ich konnte meine körperliche Verfassung auch nicht als Symptome eines grippalen Infekts ansehen, das war einfach nicht so.

Hier stimmten einige Dinge nicht mehr, das seelische Gleichgewicht war aus den Fugen geraten.

In meinen Gliedern spürte ich ein Kribbeln, als würde Strom durch die Adern rinnen.

Nach weiterem Zappen erwischte ich einen lokalen TV-Sender, der Meldungen aus London brachte. Dieser Sender wurde viel gesehen, denn in einer Riesenstadt wie London war Tag und Nacht etwas los. Da ging es richtig rund, da war der Bär los, im positiven, aber auch im negativen Sinne. Eigentlich überwog das Negative.

Man hatte mal wieder Tote aus der Themse gefischt. Diesmal hatte man die Leichen sofort identifizieren können. Zwei stadtbekannte Crack-Dealer waren es, das deutete wiederum auf einen Bandenkrieg in der Rauschgift-Szene hin. Ich beneidete die Kollegen wirklich nicht um ihren Job. Die Reporterin sprach davon, dass London an gewissen Tagen eine regelrechte Drogenhölle war. Was sie genau damit meinte, behielt sie für sich.

Der nächste Bericht.

Es ging um die Busse, die Doppeldecker, und es ging auch um Verluste, die sie angeblich einfuhren.

Dann war das Bild verschwunden.

Als letzte Szene hatte ich noch einen dieser Busse gesehen, gefüllt mit lachenden Menschen, die bei strahlendem Sonnenschein durch Londons Straßen fuhren.

Und jetzt?

Schnee, nur Schnee!

Dieses grauweiße Geriesel, das den Bildschirm von einer Seite zur anderen ausfüllte und keinem Bild überhaupt eine Chance gab, auch nur als Schattenriss sichtbar zu sein.

Die Veränderung auf der Glotze hinterließ bei mir ein Stirnrunzeln, bevor ich umschaltete.

Das gleiche Bild! Nur Schnee. Auch der nächste Kanal brachte nichts anderes. Überall nur Schnee. Das musste eine allgemeine Störung sein. Oder meine Glotze hatte ihren Geist aufgegeben. Nach fünf Jahren wäre das aber wohl ein wenig früh.

Ich ärgerte mich nicht lange, sondern griff zum Telefon, um herauszufinden, ob Suko nebenan gerade dasselbe Phänomen erlebte. Shao hob ab und ließ mich erst gar nicht zu Wort kommen. Sie erkundigte sich nach meiner Krankheit und sprach mit einer Stimme, deren Klang zu einer Beerdigung gepasst hätte.

»Bitte, Shao, ich bin okay«, redete ich schnell dazwischen. »Du brauchst dir meinetwegen nicht den Kopf zu zerbrechen. Ich wollte euch nur etwas fragen.«

»Möchtest du einen Tee?«

»Nein.«

»Was dann?«

»Meine Glotze ist wohl im Eimer. Auf allen Kanälen ist nur Schnee zu sehen. Jetzt wollte ich wissen, ob das bei euch drüben auch der Fall ist. Wenn ja, handelt es sich wohl um eine allgemeine Störung.«

Die Antwort erfolgte prompt. »Bei uns ist alles in Ordnung. Die Kiste läuft.«

»Aha.«

»Dann liegt es wohl an deinem Apparat.«

»Das glaube ich auch. Und vielen Dank für die Auskunft, Shao.«

Sie ließ nicht locker. »Soll ich dir nicht doch einen Tee bringen, John? Er wird dir bestimmt guttun.«

»Wenn ich ihn haben möchte, sage ich Bescheid.«

»Wie du willst.«

Puh, das war mal wieder hart gewesen. Frauen können manchmal wie Kletten sein. Da kommt dann eben immer wieder das Mütterliche bei ihnen durch, aber davon wollte ich nichts wissen. Den Ton hatte ich abgestellt, schaute auf das Rieseln, überlegte, wobei ich überhaupt nicht wusste, wonach ich eigentlich forschte.

Etwas störte mich. Es war nicht allein der defekte Fernseher, es war etwas anderes, das mir nicht passte. Es lag an meiner Wohnung, an meiner Umgebung, ich hatte einfach den Eindruck, nicht mehr allein im Zimmer zu sein.

Unsinn ...

Und doch, das Gefühl blieb. Der Schnee rieselte weiterhin über den Bildschirm, und er schien sich auch auf meinem Rücken zu verteilen, denn dort spürte ich Kälte.

Da war etwas ...

Ich hielt den Atem an. Nichts war in der Wohnung zu hören. Außerdem saß ich steif im Sessel, wie jemand, der sich darauf vorbereitet, im nächsten Moment in die Höhe zu springen.