John Sinclair Sonder-Edition 173 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 173 E-Book

Jason Dark

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sie nannten sich ‚Die schwarzen Apostel‘. Vor einigen hundert Jahren waren sie Santerre, ihrem Herrn, blind gefolgt. Der Reihe nach waren sie damals ins Verderben gegangen und hatten sich in eine tiefe Schlucht gestürzt.
Santerre aber durfte überleben, weil er der Hölle dieses Opfer gebracht hatte. Doch der Teufel wollte mehr. Später, viel später fand Santerre neue Diener, die für ihn den Weg in die Verdammnis gehen sollten.
Aber es war keine einsame Bergschlucht, die er diesmal als Massengrab ausgewählt hatte. Jetzt war es der Wiener Prater. Aus einer der Gondeln des Riesenrads sollten sich Santerres Jünger stürzen und dabei einen seiner größten Feinde mit in die Tiefe reißen.
Dieser Feind war ich!


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 191

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Weg in die Verdammnis

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Weg in die Verdammnis

von Jason Dark

Sie nannten sich ›Die schwarzen Apostel‹. Vor einigen hundert Jahren waren sie Santerre, ihrem Herrn, blind gefolgt. Der Reihe nach waren sie damals ins Verderben gegangen und hatten sich in eine tiefe Schlucht gestürzt.

Santerre aber durfte überleben, weil er der Hölle dieses Opfer gebracht hatte. Doch der Teufel wollte mehr. Später, viel später, fand Santerre neue Diener, die für ihn den Weg in die Verdammnis gehen sollten.

Aber es war keine einsame Bergschlucht, die er diesmal als Massengrab ausgewählt hatte. Jetzt war es der Wiener Prater. Aus einer der Gondeln des Riesenrads sollten sich Santerres Jünger stürzen und dabei einen seiner größten Feinde mit in die Tiefe reißen.

Dieser Feind war ich!

Es war die Nacht des Todes, des Blutes und der grausamen Jagd auf Menschen.

Diejenigen, die es betraf, wussten, dass sie sterben sollten. Wenn es aber wirklich nicht mehr zu ändern war, dann wollten sie sich wenigstens auf ihre Art und Weise von der Welt verabschieden. Nur deshalb hatten sie in dieser Nacht ihre Behausungen verlassen, ohne zu wissen, dass ihnen die Soldaten auf den Fersen waren.

Eine Kavalkade aus zwölf Männern strebte von einer Einsamkeit in eine nächste. Es war der große Weg, der letzte Weg, den sie gemeinsam gehen würden, und sie hatten sich nichts mehr zu sagen, deshalb schwiegen sie auf ihrem Todesmarsch.

Es war eine klare Nacht. Die Berge warfen im Mondlicht Schatten. Glitzernde Sterne schmückten den Himmel. Der eisige Wind brachte den Geruch von Schnee mit. Die Männer froren trotz der langen Mäntel. Ihre Gesichter wirkten bleich und verwittert, manche Haut erinnerte an Rinde, aber das Leben lag noch in ihren Augen. Die Blicke sprachen von einem wahren Fanatismus, der in ihnen steckte und auch davon, dass sich diese Gruppe von zwölf Männern auf keinen Fall freiwillig in die Hände ihrer Jäger begeben würde.

Der Tod schien für sie unausweichlich. Man hatte sie entdeckt, und der König, der mit der Kirche zusammenarbeitete, würde seinen Spaß daran haben, würde er sie verbrennen und foltern lassen können.

Zwölf Männer.

Zwölf Schwarze Apostel!

So hatten sie sich genannt.

Die Berge boten ihnen in diesem Fall keinen Schutz. Noch immer marschierten die Männer hintereinander über den felsigen Boden. Es war eine raue Gegend, und es war bitterkalt.

Sie keuchten vor Anstrengung. Ihr Schuhwerk klapperte auf dem harten Gestein, und der Schall wurde vom Wind fortgetragen.

Aber auch ein anderes Geräusch.

Ein scharfes, böses und brutal klingendes Bellen. Es hörte sich zugleich hungrig an, und die zwölf Männer wussten genau, wer da gebellt hatte.

Es waren die Hunde der Häscher, die ihre Spuren aufgenommen hatten. Bluthunde, die sie in Stücke reißen würden.

Die zwölf Männer blieben für einen Moment stehen, als sie das Bellen vernahmen. Sie bildeten so etwas wie einen Kreis, schauten sich an, und ein jeder wartete nach langem Schweigen auf die entscheidende Frage.

»Werden wir es schaffen?«, fragte jemand.

»Es wird schwer werden.«

»Wir müssen es trotzdem versuchen.«

»Und dann werden wir sterben.«

»Ja, aber nicht so, wie die anderen es wollen.«

»Gut!«

»Ihr seid bereit?«

Die Männer nickten.

»Dann werden wir jetzt den anderen Weg gehen! Wir haben lange darüber gesprochen. Niemand wird sagen können, er hätte nichts gewusst. Es ist alles so eingetroffen, wie wir es uns gedacht haben. Zum Glück waren wir gut vorbereitet!«

Alle nickten dem Sprecher zu. Danach schauten sie sich gegenseitig an. Obwohl sich das scharfe Bellen der Hunde verstärkt hatte, blieben sie noch für einen Moment zusammen. Der Kreis war geblieben, nur fassten sie sich jetzt gegenseitig an.

»Für ihn in den Tod!«, murmelten sie.

Und dann. »Für ihn bei unserer Rückkehr!«

Der Worte waren genug gewechselt. Genau in diesem Augenblick trug ihnen der Wind nicht nur das Bellen der Hunde zu, sondern auch den scharfen Klang herrischer Stimmen. Eine war sogar herauszuhören. Sie prophezeite, dass es nicht mehr weit war und die Bluthunde bald ihre Beute kriegen würden.

»Werden sie nicht kriegen!«, flüsterte gestikulierend der Anführer der Schwarzen Apostel und mahnte zur Eile.

Die Männer liefen nun schneller. Der steile Weg führte sie durch die Berge. Sie mussten ihr Ziel erreichen, bevor die Bluthunde sie erwischen konnten. Geduckt und keuchend hasteten sie bergauf. Allmählich traten die Schatten der Berge zurück.

Einmal blieben die Männer sogar noch stehen und schauten sich um.

Hinter ihnen war die Nacht längst nicht mehr so dunkel wie vor ihnen. Da wurde sie vom zuckenden Schein der Fackeln erhellt, die ihre Verfolger bei sich trugen. Sie waren schon nah, und das Bellen der Bluthunde klang immer bedrohlicher und auch wütender.

»Kommt!«, peitschte der Anführer sie voran. »Ihr müsst schneller gehen! Noch halten sie die Hunde zurück, aber wehe, sie lassen sie los!«

Die elf dunkel gekleideten Gestalten folgten den Worten ihres Anführers. Sie liefen tatsächlich schneller, denn die letzten Worte hatten ihnen die nötige Kraft gegeben. Doch nun rutschten sie häufiger aus. Sie stiegen über große Steine hinweg, dann hatten sie das Ziel endlich erreicht.

Keuchend blieben sie auf dem kleinen Plateau stehen. Ihre Blicke schwenkten nach Norden, dorthin, wo die Berge wie eine gewaltige, gezackte Mauer bildeten. Für die zwölf Personen sah es so aus, als wäre diese Mauer zu Fuß zu erreichen, doch dazwischen lag eine tiefe Schlucht.

Die Männer konnten nicht mehr zurück. Springen konnten sie nicht über die Schlucht, nur im Flug hätten sie sie überwinden können.

Der Anführer ging einige Schritte zurück und blieb mit dem Rücken zur Schlucht stehen.

Er schaute zu den auf ihren Pferden heran stürmenden Jägern. Die Flammen der Fackeln tanzten unruhig durch die Finsternis. Sie rissen helle Inseln in die graue Schwärze. Die Hufe der Pferde klirrten auf dem blanken Gestein. Das scharfe Bellen der Hunde ließ die Apostel zusammenzucken. Im Licht der Fackeln erkannten sie ihre Verfolger.

Die ließen nun die Hunde frei.

Die Köter brüllten ihren Frust hinaus. Sie bellten, sie keuchten, sie schnappten nach Beute. Vor ihren weit geöffneten Mäulern dampfte der heiße Atem. Ihre kräftigen Läufe hieben wuchtig auf den Boden. Und das Plateau, somit die Beute, war in greifbare Nähe gerückt.

Der Anführer der zwölf Schwarzen Apostel wusste, was zu tun war. Kurze Zeit blieb ihm noch. In dieser Spanne konnte das Ritual erfüllt werden.

Er drehte sich nach links und lächelte zufrieden, als er sah, dass sich seine Freunde schon aufgestellt hatten und eine Reihe bildeten. Hintereinander standen sie, so war es auch besprochen worden.

Der Weg in die Verdammnis lag offen vor ihnen. Weit war das Tor geöffnet worden.

Und die Hunde jagten auf ihre Beute zu. Selbst in der Dunkelheit waren ihre Körper zu sehen, wie sie sich zackig bewegten, mal auf dem glatten Felsen ausrutschten, sich aber immer wieder fingen und mit mächtigen Sprüngen näher kamen

Sie wollten Fleisch, sie wollten Blut, sie wollten ihre Zähne in die Körper schlagen, und sie wollten ihren Hunger stillen.

Menschen kamen ihnen da gerade recht!

»Jetzt!«, rief der Anführer der zwölf Schwarzen Apostel.

Und seine Freunde gehorchten.

Der erste in der Reihe machte einen großen Schritt nach vorn, dann hatte er den Boden unter den Füßen verloren. Wie ein Stein flog er in die Tiefe, und der Wind ließ seinen langen Mantel flattern.

Der Anführer zischte einen Befehl, und der nächste sprang.

Dann der dritte.

Und so ging es weiter. Die Männer stürzten sich der Reihe nach in die Schlucht. Sie würden den Aufprall nicht überleben, das wussten sie, doch keiner schrie.

Die Männer stürzten sich schweigend über den Rand und fielen auch schweigend in die Schlucht. Der Tod schreckte sie ebenso wenig wie die Art ihres Sterbens. Sie hatten nicht in die Hände ihrer Häscher fallen wollen, die sahen, dass ihnen eine Beute entging. Obwohl sie Pferde und Bluthunde noch schärfer anspornten, um wenigstens den einen oder anderen doch noch zu erhaschen, würden sie es nicht schaffen. Das wusste auch der Führer der Schwarzen Apostel. Er nahm es mit einem kalten Lächeln zur Kenntnis, schaute kurz zum Rand der Schlucht. Nur noch drei Mitbrüder standen am Abgrund. Eine Sekunde später waren es nur noch zwei.

Und diese beiden sprangen gemeinsam. Zuvor hatten sie sich noch die Hände entgegengestreckt. Sie hielten sich fest, und es waren die einzigen, die sich nicht schweigend in die Tiefe stürzten, sondern laut lachten.

Ihr Lachen peitschte als Echo zurück.

Dann war auch von ihnen nichts mehr zu hören. Der Aufprall wurde von den anderen Geräuschen überdeckt.

Es war eine schaurige Szene, die der Anführer der Apostel zu sehen bekam. Auch die Bluthunde hatten die Nähe des letzten Opfers gewittert, und die vier Tiere waren noch wütender geworden. Ihre Rasse konnte der Anführer nicht erkennen.

Sie hechelten, die Pferde wieherten schrill. Die Männer mit den Waffen und Fackeln brüllten durcheinander, und das Inferno rückte immer näher an den letzten Mann heran. Der wartete noch ab, bevor er sich mit einer gelassenen Bewegung umdrehte, seinen Feinden den Rücken zuwandte und dann rasch die letzten beiden Schritte bis zum Rand der Schlucht zurücklegte.

Nun sprang auch er! Eigentlich ließ er sich mehr über den Rand hinweggleiten, hatte sich zuvor auch auf die Knie fallen lassen, drehte sich noch einmal – und war im nächsten Moment verschwunden.

Es war genau der Zeitpunkt, als die ersten beiden Hunde den Rand der Schlucht erreicht hatten.

Sie waren wild, vor ihren Mäulern klebte der Schaum. Sie knurrten und bellten zugleich. Einem der beiden war es nicht mehr möglich, rechtzeitig genug zu stoppen.

Er übersah den Rand – und fiel in die Schlucht!

Der Hund sauste in die Tiefe und prallte auf die Körper, die bereits in der Schlucht lagen.

Stimmen gellten durch die Nacht. Die Häscher waren wütend und frustriert, dass ihnen die Beute genommen worden war. Nur mühsam gelang es ihnen, die Pferde unter Kontrolle zu bekommen, sonst wären sie nebst ihren Reitern ebenfalls in die Schlucht gestürzt.

Einen Hund hatten sie verloren. Das aber war ihnen egal. Die anderen drei Tiere wieselten am Rand der Schlucht entlang, hatten die Köpfe vorgestreckt und bellten ihre Botschaft in die Tiefe. Auch dieses Bellen kehrte als Echo und wie Hohn für die Jäger zurück.

Ihr Anführer war ein großer Mann mit hellblonden Haaren, der von seinem Gaul stieg und die langen Haare zurückstrich. Sein Gesicht zeigte einen schaurigen Ausdruck, denn ein Schwerthieb hatte vor Monaten seine linke Wange gestreift, und die Wunde war noch nicht richtig verheilt. Wie ein dunkelrotes und nässendes Mal zeichnete sie sein Gesicht.

Die anderen Männer blieben auf den Pferden sitzen. Sie schauten zu, wie ihr Anführer Philipp am Rand der Schlucht entlangging und in die Tiefe starrte.

Er sah nichts und machte dies auch deutlich. Seine Flüche gellten über die Schlucht hinweg. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und schlug damit nach irgendwelchen unsichtbaren Feinden. Seinen Auftrag hatte er nicht erfüllt, und das hatte er zu verantworten.

Er schrie seine Wut hinaus, er brüllte in die Tiefe, er beschimpfte die Toten als Bastarde, Teufelsanbeter und Satansjünger.

Die Hunde verhielten sich ungewöhnlich. Da sie keine Beute mehr sahen, hätten sie eigentlich ruhig sein müssen, was aber nicht der Fall war. Sie knurrten, sie bellten, sie stemmten die Vorderpfoten dicht an den Rand der Schlucht und starrten in die Tiefe, als gäbe es dort doch etwas für sie zu holen.

Von seinem Pferd stieg jetzt derjenige Mann ab, dem die Hunde gehörten. Er sah aus wie ein Zwerg und stank nach ranzigem Fett.

»Die Tiere sind mir zu unruhig, Philipp!«

»Ich sehe es.«

»Da ist doch was ...!«

»Sie liegen alle am Grund der Schlucht. Sie können nicht überlebt haben. Sie sind tot, verdammt noch mal! Sie sind tot. Es gibt keine Möglichkeit mehr.«

Der Hundebesitzer hob die Schultern.

»Du glaubst mir nicht, oder?«, fragte Philipp.

Der Zwerg spie aus. »Ich kann es dir nicht sagen. Sie können tot sein, aber denk daran, dass sie sich die Schwarzen Apostel nannten. Sie können durchaus mit dem Satan im Bunde stehen.«

»Und der soll sie am Leben gelassen haben?«

Der Zwerg bekreuzigte sich. »Ich weiß es nicht, Philipp, ich kann es dir nicht sagen.«

»Dann sei auch ruhig.«

»Gut.« Der Zwerg wandte sich ab. Geschickt fing er zwei seiner Tiere ein. Er zerrte sie zurück, und sie folgten nur widerwillig.

Das dritte Tier trottete hinter den Artgenossen her.

Der blonde Philipp aber blieb nachdenklich am Rand der Schlucht stehen. Sein Gesicht zeigte einen wütenden Ausdruck, und er dachte daran, dass es wohl besser für ihn war, wenn er die Gegend verließ. Dass diese Männer nicht auf der Folterbank gelandet waren, um von den Vertretern der Kirche und des Königs verhört werden zu können, würde man ihm anlasten. Schließlich hatte er großmäulig versprochen, dass alles in Ordnung gehen würde.

Seine Leute kümmerte all das nicht. Sie waren zwar um ihren Spaß gekommen, doch als Söldner würden sie sich sehr bald einem neuen Herrn verdingen und bei dem vielleicht mehr Spaß haben.

Philipp drehte sich um. Er schaute zu seinen Männern, die bewegungslos auf den Pferden saßen. Der scharfe Pechgeruch der Fackeln drang in seine Nase und ließ ihn niesen.

»Wir reiten!« Er ging auf sein Tier zu. »Den Lohn bekommt ihr noch heute Nacht ausbezahlt.«

»Alles?«, fragte jemand.

»Ja.« Philipp zog sein Tier um die Hand. Er würde ihnen alles geben müssen, und dann würde er für sich selbst sorgen.

Bevor er anritt, warf er noch einen Blick zurück. Die Schlucht schwieg. Kein Geräusch drang aus der Tiefe nach oben, und auch der Wind war eingeschlafen. Es war die Stille des Todes, die sich über diese Gegend gelegt hatte.

Waren wirklich alle tot?

Es hatte den Anschein. Aber so recht glauben wollte Philipp nicht daran. Den Grund dafür kannte er selbst nicht. Es war einfach ein Gefühl, und seine Gefühle hatte ihn selten getrogen.

Dann ritt er an.

Die Söldner folgten ihm und ließen die Schlucht des Todes ebenfalls hinter sich ...

Es waren eine Nacht und ein Tag vergangen, bevor Philipp seinen Vorsatz in die Tat umsetzen konnte. Niemand hatte er in seine Pläne eingeweiht. Es war ihm gelungen, das Nötigste zu packen, es in Säcke zu stopfen, die er auf dem Rücken seines Pferdes befestigt hatte, das ihn über die Berge tragen sollte. Nach Norden hin, ins Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Bei Anbruch der Dunkelheit machte er sich auf den Weg und ließ die Festung hinter sich. Er hatte niemand Bescheid gesagt und sich bei Nacht und Nebel davongeschlichen. Sogar die Hufe des Pferdes hatte er mit Tüchern umwickelt, um nicht aufzufallen.

So sehr ihm daran gelegen war, das Land zu verlassen, zuvor musste er doch noch etwas anderes durchziehen. Er glaubte nicht daran, dass andere denselben Gedanken gehabt hatten wie er, und wenn, dann würden sie bestimmt nicht so schnell sein.

Sein Plan stand schon lange fest, und jetzt, da die Mauern hinter ihm von der Dunkelheit verschluckt wurden, ging es ihm besser. Da saß er auf seinem Tier und konnte wieder tief durchatmen.

Ja, es ging ihm gut.

Und es würde ihm immer noch bessergehen, je weiter er sich von der Festung entfernte.

Das Pferd lief ruhig. Es war ausgeruht, hatte Wasser und zu fressen bekommen. Die Einsamkeit der Berge verschluckte den Mann, und er dachte mit Schaudern daran, dass er die eisige Passhöhe würde überqueren müssen. Um sich vor der Kälte zu schützen, hatte er ein Fell mitgenommen und es sich über die Schultern gehängt. Den Helm trug er nicht. Bewaffnet war er nur mit seinem Schwert. Auf den Morgenstern und die Lanze hatte er verzichtet. Sie wären nur Ballast gewesen.

Er dirigierte das Tier dorthin, wo die zwölf Schwarzen Apostel einmal gelebt hatten. Ein schmales Hochtal, umgeben von Wänden aus Fels, im Sommer mit grünen Matten bedeckt, doch jetzt lag dort noch Schnee.

Die wenigen Hütten standen im Kreis. Sie waren aus Stein und Holz errichtet worden und standen dort, wo sich der kleine See mit dem eiskalten Wasser befand. Damit er im Winter nicht völlig zufror, hatte man an einer bestimmten Stelle Stroh hineingestopft.

Die Einsamkeit wartete auf den Reiter. Philipp hatte die Lappen längst von den Füßen seines Pferdes gelöst. Nun lauschte er auf dem steinigen Weg dem leisen Klirren der Hufe.

Der Mann mit den langen, blonden Haaren ritt bis an das Ufer des Sees. Hier befand er sich in unmittelbarer Nähe der vier Hütten. Je drei dieser verfluchten Hundesöhne hatten jeweils in einer Hütte gelebt.

Philipp zügelte sein Tier, das sofort stand. Dann stieg er ab und blieb für einen Moment neben seinem Pferd stehen. Er wollte sich umschauen und runzelte dabei die Stirn. Er fror trotz des Fells auf seinen Schultern. Aber dieses Frieren hatte auch einen anderen Grund. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass er hier allein stand und die Hütten durchsuchen würde. Der Gedanke war ihm plötzlich gekommen. Er dachte daran, einen Fehler begangen zu haben. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Er hatte die Gegend zwar verlassen vorgefunden, und trotzdem glaubte er, beobachtet zu werden.

Aber von wem?

Klar, er hatte Feinde, doch niemand wusste von seinem Plan, kein Freund und erst recht kein Feind. Er war nicht zum Spaß noch vor seiner Flucht hierhergekommen. Philipp ging einfach davon aus, dass diese Männer, die jetzt als Leichen in der tiefen Schlucht lagen, etwas besaßen, das er gebrauchen konnte. Wenn sie tatsächlich mit dem Teufel im Bunde gestanden hatten, hatten sie bestimmt versucht, Vermögen zu scheffeln, und dabei dachte er besonders an Gold.

Aus Lehm Gold machen – der große Traum der Menschen. Die Schwarzen Apostel konnten es geschafft haben.

Vielleicht gab es auch noch etwas anderes in den Hütten zu entdecken. Juwelen, Geschmeide, Perlen, kostbare Dinge, die sie irgendwo gestohlen hatten. Diese Mär hatte sich schon immer gehalten, nun wollte Philipp herausfinden, ob sie auch den Tatsachen entsprach.

Er brauchte Beute, um sich das Leben zu erleichtern. Sicher, er konnte sich auch woanders holen, was er benötigte, doch er wollte nicht auffallen.

Für eine Weile blieb Philipp neben seinem Pferd stehen. Er wollte eins mit der Natur werden, wollte sich an sie gewöhnen und seine Sinne dabei schärfen. Unter Umständen konnte das nötig sein, denn mit einem plötzlich auftauchenden Feind musste er immer rechnen.

Aber es tat sich nichts.

Die Umgebung blieb still. Selbst die Tiere hatten sich verkrochen, als wollten sie nicht gesehen werden.

Die vier Hütten schwiegen ihn an. Krumme Bauten, die keinesfalls wetterfest zu sein schienen.

Philipp ging auf die erste Hütte zu. Wie die anderen war auch sie so niedrig gebaut, dass er den Kopf einziehen musste, wenn er sie betreten wollte. Er hatte sicherheitshalber sein Schwert gezogen und hielt den Griff mit der rechten Hand umklammert. Es war keine lange Waffe, die Schneide war eher kurz und kompakt. Philipp gehörte zu den Menschen, die damit perfekt umzugehen wussten. Er trat die schmale Tür auf, wobei er sich über das dabei entstehende Geräusch ärgerte. Es war zu laut. Geduckt ging er in das Dunkel der Hütte hinein. Er spürte, wie es durch die Ritzen zog. Es roch nach kaltem Rauch, nach altem Stroh und Feuchtigkeit.

Er brauchte Licht, denn das Lager und auch den kleinen Kamin sah er nur schattenhaft.

Zündsteine fand er am Kamin, Holz ebenfalls. Es würde sehr lange dauern, bis in den Hütten die Feuer brannten, und für einen Moment dachte er daran, alles niederzubrennen, wenn er nichts finden würde.

Sein Mund verzog sich. Ein Zeichen seiner Wut. Er trat gegen einen Schemel, der dumpf gegen die Wand polterte.

Dann hörte er das Wiehern seines Pferdes.

Schrill und alarmierend. Philipp kannte das Tier genau. Er ritt es jetzt seit zwei Jahren, und er wusste auch, wann ihn das Pferd vor einer Gefahr warnen wollte.

Und dann klang das Wiehern so wie jetzt!

Der Mann fuhr herum, und noch in der Bewegung verstummte das schrille Geräusch.

Es war wieder still, was Philipp keineswegs freute, denn dieses plötzliche Verstummen seines vierbeinigen Begleiters war nicht normal. So etwas konnte passieren, wenn jemand dem Pferd mit einem Schlag den Kopf abhackte.

Philipp fröstelte. Er hatte sich so gedreht, dass er zur Tür schauen konnte, die noch offenstand. Viel sehen konnte er allerdings nicht.

Der Mann wusste nicht, was er unternehmen sollte. Er war unsicher geworden. Ging er nach draußen, würde er womöglich in eine Falle laufen, blieb er in der Hütte, war das auch nicht gut. Egal, was er tat, es konnte unter Umständen immer das Falsche sein. Er wusste allerdings auch, dass er die Stunden der Nacht nicht in dieser Hütte verbringen konnte. Und so gab er sich einen Ruck, um auf die Tür zuzugehen. Zwischen seiner rechten Handfläche und dem Schwertgriff hatte sich Schweiß angesammelt.

Wenn er kämpfen musste, würde er die Waffe wohl mit beiden Händen führen müssen. Er würde sich auf seinem Weg in die Freiheit von nichts und niemandem aufhalten lassen. An der Tür stoppte er noch einmal und schaute nach draußen.

Er sah nichts von seinem Tier, nicht mal einen Schatten, und dies wiederum sorgte bei ihm für weitere Unsicherheit.

Mit dem Schwert drückte er die Tür weiter auf, damit er ins Freie konnte.

Sehr vorsichtig ging er die ersten Schritte. Die kühle Luft erwischte ihn wieder, sie puderte sein Gesicht, sie roch nach Schnee und ließ ihn schaudern.

Wenig später – er stand jetzt direkt vor der Hütte –, schauderte der Mann noch mehr.

Philipp sah sein Pferd.

Beinahe friedlich lag es auf dem Boden. Aber das Tier schlief nicht, es war tot. Jemand hatte ihm brutal den Kopf abgehackt!

Philipp hörte nichts, ausgenommen seinen eigenes Atmen, das scharf und zischend aus seinem Mund drang. Er war traurig über den Tod des Tieres, doch er musste nun mehr an sich selbst denken. Irgendjemand musste sich in der Nähe aufgehalten und ihn beobachtet haben. Es gab also einen Feind, der zuerst seinem Tier das Leben genommen hatte und sicherlich auch versuchen würde, ihn zu töten.

Philipp fühlte sich allein.

Es war so kalt. Seine Augen funkelten wie dunkles Glas.

Der Kopf des Tieres lag in einem ungewöhnlichen Winkel vom Körper entfernt, und unter ihm breitete sich eine dunkle Lache aus, über der Dampf schwebte. Das warme Blut des Tieres, das penetrant roch.

Der Mann mit dem Schwert, das er jetzt mit beiden Händen hielt, schaute nach links, auch nach rechts, nur war es ihm nicht möglich, einen Feind auszumachen.

Er sah nur die Schatten der Berghänge und die anderen Hütten. Wer immer sein Pferd umgebracht hatte, er musste sich gut versteckt haben, und an Verstecken mangelte es hier nicht.

Es hatte auch keinen Sinn, wenn Philipp versuchte, von diesem Ort zu fliehen. Zu Fuß würde er nicht weit kommen, und sicherlich war der heimtückische Pferdetöter beritten. Seine Gedanken drehten sich plötzlich um die vergangene Nacht. Ihm fiel ein, dass er da bereits ein so verflucht ungutes Gefühl gehabt hatte. Da war er sich schon sicher gewesen, dass mit dem Selbstmord der zwölf Schwarzen Apostel nicht alles beendet war. Es würde ein Nachspiel geben, hatte er da gedacht, und genau dies erlebte er nun hier.

Was tun?

Wachen, bis die Sonne aufging?