John Sinclair Sonder-Edition 180 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition 180 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Als der Showman die sechs Musiker seiner Satanisten-Band köpfte, konnte er nicht ahnen, dass damit auch seine Zeit abgelaufen war. Steven Dancer, früher selbst Mitglied bei ‚Lived‘, dann aber in einem Kloster bekehrt worden, hatte sich Benzin besorgt und brannte die Mordstätte kurzerhand nieder. Auch der Showman starb in der Flammenhölle - zumindest glaubte Steven das.
Was der Zeichner von Horror-Comics nicht wissen konnte: Seit Jahrtausenden schon hatten mutige Menschen versucht, den Showman zu töten. Stets vergeblich, denn der Killer war immer wieder zurückgekehrt. Und so sollte es erneut kommen. Diesmal aber warteten bereits zwei neue, zu allem entschlossene Gegner auf ihn - Suko und ich ...


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Seitenzahl: 188

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Showman

Vorschau

Impressum

John Sinclair ist der Sohn des Lichts.Der Kampf gegen die Mächte derFinsternis ist seine Bestimmung.

Showman

von Jason Dark

Als der Showman die sechs Musiker seiner Satanisten-Band köpfte, konnte er nicht ahnen, dass damit auch seine Zeit abgelaufen war. Steven Dancer, früher selbst Mitglied bei ›Lived‹, dann aber in einem Kloster bekehrt worden, hatte sich Benzin besorgt und brannte die Mordstätte kurzerhand nieder. Auch der Showman starb in der Flammenhölle – zumindest glaubte Steven das.

Was der Zeichner von Horror-Comics nicht wissen konnte: Seit Jahrtausenden schon hatten mutige Menschen versucht, den Showman zu töten. Stets vergeblich, denn der Killer war immer wieder zurückgekehrt. Und so sollte es erneut kommen. Diesmal aber warteten bereits zwei neue, zum Allem entschlossene Gegner auf ihn – Suko und ich ...

»Noch einmal von vorn, Steven«, bat ich. »Denn das, was Sie mir erzählt haben, ist so ungeheuerlich, dass ich es kaum glauben kann. Sie werden das bestimmt verstehen.«

Er nickte, aber ich wusste nicht, ob er es auch so gemeint hatte.

Seine rechte Hand griff nach dem Wasserglas, das noch zur Hälfte gefüllt war.

Er leerte es mit einem Schluck und stellte es wieder hart auf meinen Schreibtisch zurück. »Soll ich alles noch einmal im Detail erzählen, Mr. Sinclair? Oder nur zusammenfassen?«

Ich wusste, dass es Steven Dancer nicht recht war, aber ich wollte die ganze Geschichte hören, sie klang zu unglaubwürdig.

Dancer strich über seine dunkle Igelfrisur. Im Nacken trug er die Haare lang. Sie reichten ihm bis zu den Schultern. Er ordnete sie, bevor er wieder anfing zu sprechen.

»Den Namen der Rockband haben Sie behalten?«

»Ja, sie nannte sich Lived.«

»Genau, Mr. Sinclair. Wenn Sie den Namen umdrehen, kommt dabei Devil heraus.«

»Die Band huldigte also dem Teufel?«

Steven Dancer nickte und goss Wasser nach. »Ja, so ist es. Sie huldigten dem Teufel, aber nicht nur ihm, auch anderen Dämonen, deren Namen ich vergessen habe. Sie produzierten Songs mit immer demselben Inhalt. Sie sangen von der Verdammnis, von den großartigen Welten der Finsternis und von Menschen, die geköpft werden müssten, um in diese Welten zu gelangen.«

»Wie lange blieb es bei der Theorie?«

»Über zwei Jahre«, murmelte Steven. »Es hat sich auch niemand über die Texte beschwert. Sie kamen ja an in dieser gottlosen Zeit, und auch ich war damals davon angetan. Besonders von dem Chef der Gruppe, der sich Showman nannte.«

Ich schüttelte den Kopf. »Seltsamerweise habe ich von ihm nie etwas gehört.«

»Das kann ich gut nachvollziehen, Mr. Sinclair. Sie gehören schließlich nicht zur Szene.«

»Allerdings, obwohl ich inzwischen weiß, dass diese Szene noch immer boomt.«

»Ja, nur ohne mich.«

»Sie sind also ausgestiegen.«

Steven Dancer nickte. »Wie ich es Ihnen sagte. Ich wollte nicht mehr dabei sein, ich stieg aus, und das habe ich einem alten Freund zu verdanken, den ich zufällig traf.«

Ich stoppte seine Rede durch das Heben der Arme.

»Lassen wir die Einzelheiten weg, die ich ja kenne. Nur dieser junge Freund hatte einen anderen Weg eingeschlagen. Er hat sich dafür entschieden, in ein Kloster zu gehen.«

»Er war schon dort.«

»Und Sie unterhielten sich.«

»Klar. Ich erfuhr, auf welcher Seite er stand, und ich erlebte die innere Freude mit, die mein alter Kumpel in sich trug. Ich konnte das sogar erkennen. Ich sah es seinen Augen an, als er vom Leben hinter den Klostermauern berichtete. Wie froh er darüber war, dort sein zu dürfen und im Kreise Gleichgesinnter zu lernen, zu beten und natürlich auch zu arbeiten.

Das war so fremd für mich, und er schaffte es tatsächlich, mich mit seiner Begeisterung anzustecken. Ich bin dann seinem Vorschlag gefolgt und habe in dem Kloster eine Woche als Gast verbracht.« Dancer trank noch einmal und sprach dann weiter. Seine dunklen Augen blickten ins Leere, aber die Lippen waren zu einem Lächeln verzogen. »Sie können sich nicht vorstellen, was in mir passierte.«

»Doch«, unterbrach ich ihn lächelnd. »Sie haben es mir ja gesagt, Steven.«

»Okay. Ich fasse mich kurz. Es kam zu meiner Wandlung, was aber nicht allein an mir lag, sondern auch an meinem ehemaligen Freund, der dazu beitrug. Ich hatte mit ihm über meine Sorgen gesprochen und wunderte mich, wie gut er informiert war.

Diese Klosterleute leben nicht hinter dem Mond, wie viele Menschen annehmen. Die wissen genau, was in der Welt passiert, und mein Kumpel kannte auch die Szene. Er sprach sehr vernünftig mit mir, als ich ihm von meiner Begeisterung dafür berichtete, und hat mir dann geraten, es sein zu lassen.

Es war ein guter Rat, auch wenn er ihn mehrmals wiederholen musste, aber dieser Rat ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Ich wollte nicht mehr, ich fing an, über all den Schaden nachzudenken, den die Gruppe bei einem Menschen verursachen kann, und das ehemalige Gefühl der Begeisterung kehrte sich um.«

»Sie fingen an zu hassen!«

Für einen Moment schaute er mich an, als wollte er herausfinden, ob ich es positiv oder negativ aufnahm. Ich blieb neutral und nickte ihm zu. Dancer kam nicht mehr dazu, weiterzureden, denn die Bürotür wurde geöffnet, und Suko betrat den Raum. Er hatte etwas zu essen besorgt. Hamburger und Limo. Einzuweihen brauchten wir ihn nicht mehr, denn er war schon bei der ersten Erzählung mit dabei gewesen.

»Essen Sie zuerst, Steven.«

»Danke.«

Ich erhielt ebenfalls einen Hamburger. Suko aß nur Salat, und wir tranken Limo. Mir gefiel nur nicht, dass in den Bechern Eiswürfel klimperten und das eigentliche Getränk verwässerten.

Unser Gast aß mit einem guten Appetit, und auch wir ließen keinen Krümel übrig.

Dancer lächelte uns an. »Danke, das habe ich wirklich gebraucht. Über allen anderen Sorgen sollte man die Mahlzeiten wirklich nicht vergessen, denke ich.«

»Da haben Sie recht. Fühlen Sie sich fit, mit Ihrem Bericht fortzufahren?«

»Ja, natürlich, da gibt es ja nicht mehr viel zu berichten.« Er räusperte sich und wischte mit einer Papierserviette die letzten Spuren des Hamburgers von seinem Mund. »Ich hatte mich aus dem Kloster entfernt mit der Gewissheit und dem Versprechen, immer wieder zurückkehren zu dürfen, wenn mir danach war. Ich brauchte eine gewisse Zeit, um einen Plan zu fassen. Wie gesagt, ich war kein Fan der Gruppe mehr, der Hass überwog, und ich wusste, dass ich etwas tun musste.« Er rieb sich seine Nase. »Allein, ganz allein, verstehen Sie?« Er nickte uns zu.

»Ja, das ist uns klar«, sagte Suko.

Steven Dancer lehnte sich wieder zurück und hob die Arme, wobei diese Geste nicht hilflos wirkte. »Ich habe hin und her überlegt, wie ich es anstellen sollte. Ich wollte keinen mit dabei haben, auch meinen Freund aus dem Kloster nicht. Es dauerte mehr als zwei Wochen, bis ich mich entschieden hatte, etwas zu unternehmen.

Zuvor aber rief ich meinen Freund im Kloster an. Auf irgendeine Art und Weise wollte ich mir trotz allem Rückendeckung holen, aber ich hatte Pech. Er war nicht da. Er hatte Urlaub bekommen, um an der Beerdigung eines Onkels teilzunehmen, der in Frankreich gelebt hatte und dort gestorben war.« Er tippte gegen seine Brust. »In mir aber steckte ein wilder Drang, etwas zu unternehmen. Ich wusste, dass ich es tun musste, dass ich auserwählt war.«

»Taten Sie es dann?«

»Ja, zumindest hatte ich es vor. Ich sagte ja schon bei der ersten Erzählung, Mr. Sinclair, ich habe mich richtig darauf vorbereitet, und ich habe sogar gebetet, weil ich mir irgendwie Rückendeckung holen wollte. Sie wissen, bei wem?«

Wir nickten.

»Dann kam der Abend und damit auch die Dunkelheit, wo ich fest entschlossen war, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich erinnere mich, als wäre es heute.«

»Gingen Sie schon mit den beiden Kanistern los?«, fragte Suko.

»Sicher«, flüsterte Steven Dancer. »Ich habe mir meine Kanister mitgenommen, und beide waren voll mit Benzin. Ich bin kein Bastler und hätte es auch nie geschafft, irgendwelche Molotow-Cocktails herzustellen, aber mit den Kanistern würde ich zurechtkommen, und ich hatte mir auch aus alten Lappen Zündschnüre gedreht.

Als ehemaliger Fan wusste ich natürlich, wo sich die Gruppe aufhielt, wenn sie probte. Das geschah immer zwischen den Auftritten, denn oft genug wurden die Zuhörer mit neuen Songs konfrontiert, die während einer derartigen Probe aus dem Bauch heraus entstanden waren. In diesem Theater kannte ich mich aus. Mir war auch die Umgebung bekannt ...«

Seine Stimme sackte weg, verschwand aber nicht ganz, sie wurde nur leiser. Der Blick veränderte sich ebenfalls, er war in weite Fernen gerichtet. Für Suko und mich sah es aus, als wäre dieser noch junge Mann tief in seinen Erinnerungen versunken.

Er sprach weiter, diesmal sehr plastisch, sodass wir den Eindruck hatten, all das genau mitzuerleben, was an diesem besagten Abend geschehen war ...

Steven Dancers Erzählung

Ich hatte mir eine ideale Nacht ausgesucht, denn am Himmel leuchtete kein einziger Stern.

Die gesamten Gestirne waren hinter einer dicken Wolkendecke verborgen, und besser hätte es für mich gar nicht laufen können.

Trotzdem war ich sehr vorsichtig. Die andere Seite hatte immer etwas zu verbergen, das schlechte Gewissen war permanent vorhanden. Ich musste damit rechnen, dass sie Wächter aufgestellt hatten. Wenn ich denen in die Arme lief und diese mich mit den Kanistern erwischten, war ich geliefert. Ich hatte mich für kleine Kanister aus Kunststoff entschieden, deren Griffe gut zu fassen waren. Eigentlich hatte ich einen mutigen Schritt getan, aber ich selbst kam mir nicht mutig vor. Ich hatte Angst. Wenn sie mich erwischten, würde es mir so ergehen, wie sie es in ihren Texten androhten.

Einen Tod nach Art des Satans!

Es war ein ziemlich lauer Abend. Der Wind wehte aus Richtung Süden. Er steckte voller Wärme, aber er brachte auch den Gestank der Großstadt London mit. Dass der Fluss nicht weit entfernt war, hörte ich. Hin und wieder drang das Rauschen an meine Ohren, vergleichbar mit dem fernen Klatschen einer unsichtbaren Zuschauermenge, als wollte mir diese Beifall spenden.

Das Theater stand in einer einsamen Gegend. Menschen gab es schon in der Nähe, aber sie gehörten zu denjenigen, die sich um die Dinge anderer lieber nicht kümmerten. Wenn mir jemand begegnete, war er nicht unbedingt darauf aus, ein Gespräch zu führen. In dieser einsamen Ecke ging jeder seinen eigenen Weg und versuchte nicht, den Nachbarn zu stören.

Der Wagen parkte gut geschützt. Hinter einem alten Schuppen, dessen Dach undicht war. Immer wenn der Wind über eine bestimmte Stelle strich, bewegte sich schabend und klappernd eine Dachschindel. Für mich hörte sich das Geräusch unheimlich an.

Ich näherte mich dem Theater von der Rückseite. Es verdiente seinen Namen nicht, denn es war einfach ein leerstehender Bau, in dem es eine primitive Bühne gab, die allerdings groß genug war, um auch die technische Anlage der Band aufnehmen zu können.

Wenn die Gruppe spielte, würde sicherlich ein großes Gedränge herrschen.

Obwohl die Kanister klein waren, zerrte das Gewicht an meinen Armen. Ich hatte den Eindruck, sie würden länger und länger werden. Aufgeben wollte ich trotz dieser Widrigkeiten nicht. Ich hatte mir vorgenommen, den Bau abzufackeln, und das würde ich tun.

An diesem Abend hatte die Gruppe keine Probe. Das wusste ich, denn ich hatte mich zuvor erkundigt. Wahrscheinlich hockten sie jetzt in irgendeiner ihrer verfluchten und miesen Kneipen zusammen, wo sie soffen und mit den Groupies herumhurten, denn das war ihre Art der Freizeitbeschäftigung. Bei LIVED war alles exzessiv. Von der Musik bis zu ihrem Benehmen, das sie den Rhythmen und auch ihren eigenen Texten immer wieder anpassten.

Der Bau lag nicht im Licht. Die nächsten Laternen standen einfach zu weit weg. Sie beleuchteten auch nur eine Straße, die zu einem Industriegelände führte.

Ich bewegte mich weiter. Der Boden unter mir war dunkel. Manchmal glänzte er wie ein öliger Teich. Ich konzentrierte mich auf das alte Theater, dessen Rückseite ich sah. Kein Licht, nicht mal ein Schimmer drang durch irgendein Fenster oder eine Lücke in der Mauer.

Es sah sehr gut aus.

An einer bestimmten Stelle legte ich eine Rast ein. Aber nicht nur, um mich auszuruhen, ich wollte auch herausfinden, ob sich irgendwelche Aufpasser in der Nähe aufhielten.

Das war nicht der Fall.

Kein Schatten, der sich bewegte. Keine Schritte. Hin und wieder hörte ich das Geräusch eines weiter entfernt fahrenden Wagens, das war auch alles.

Es sah günstig für mich aus. Ich massierte noch einmal meine Schultern, bevor ich die Kanister wieder anhob und mich aufmachte, um den Rest des Wegs zurückzulegen.

Auf meinem Rücken spürte ich einen kalten Schauder, obwohl ich wusste, dass ich in einen leeren Bau kommen würde. Irgendetwas konnte immer schiefgehen. Das Schicksal mischte die Karten und setzte entsprechende Zeichen.

An der Rückseite des Baus wuchs Unkraut, das jetzt, in der Dunkelheit, meine Beine wie geheimnisvolle Schattengebilde umschmeichelte. Wer den Bau früher mal in die Höhe gezogen und wozu er gedient hatte, wusste ich nicht. Auf dem Land wäre er eine Scheune gewesen, hier hatte er sicherlich als Lager gedient.

An der Rückseite der schmutzigen Mauern stellte ich die beiden Kanister noch einmal kurz ab. Es gab Fenster, das wusste ich. Im Dunkeln konnte ich jetzt allerdings nicht hineinschauen.

Oder waren die Fenster etwa von innen mit einer dunklen Farbe angestrichen worden?

Ich ließ die Kanister noch stehen und kümmerte mich um die Tür an der Rückseite.

Sie war ziemlich breit. Wer immer irgendwelche Dinge zu transportieren hatte, nahm wohl diese Tür, die nicht verschlossen war. Es gab zwar ein altes Vorhängeschloss, das aber diente mehr zur Dekoration. Ich konnte es aufziehen. Ein erster Erfolg.

Mein Lächeln wirkte trotzdem gequält, als ich wieder zurück zu den beiden Kanistern ging. Ich fühlte mich plötzlich besser, denn eine große Hürde hatte ich überwunden.

Die Gegenstände kamen mir auch nicht so schwer vor wie noch vor Minuten. Trotz meiner inneren Spannung fühlte ich mich regelrecht beschwingt, und das Lächeln war bei mir zur Maske geworden.

Die Tür hatte ich nur so weit geöffnet, wie es unbedingt nötig war, um die Halle betreten zu können. Mein Blick war in das Dunkel vor mir gerichtet. Ich empfand die Stille als angenehm.

Die Bühne war nicht zu sehen. Man konnte sie auch zur Rückseite hin durch einen Vorhang verdecken, und der wiederum war zugezogen. Er dämpfte nicht nur das Licht, sondern auch die Geräusche. Dass beides vorhanden war, überraschte mich. Im ersten Augenblick glaubte ich, mich geirrt zu haben, dann lauschte ich noch einmal und musste feststellen, dass ich keiner Täuschung erlegen war.

Ich war nicht allein in diesem Theater!

Der Gedanke durchzuckte mich, und ich hatte ihn direkt als bösartig empfunden. Er verbreitete Schmerzen in meinem Gehirn, obwohl mich niemand geschlagen hatte. Es musste einzig und allein an der erlebten Enttäuschung gelegen haben, denn ich war fest davon ausgegangen, allein in diesem Theater zu sein.

Was tun?

Zunächst einmal nichts. Ich war so überrascht, dass meine Arme, an denen noch die beiden Kanister hingen, anfingen zu zittern und ich Schmerzen in den Schultern spürte. Wut oder Hass empfand ich nicht, nicht mal Enttäuschung, vielleicht aus Zeitmangel, denn plötzlich empfand ich eine große Leere, mit der ich nicht zurechtkam.

Zwar stand ich noch auf dem Boden, aber das Gestein unter mir schien plötzlich weich geworden zu sein. Es zitterte zudem, als wollte es jeden Augenblick reißen und sich öffnen.

Wie lange ich auf der Stelle mit angehaltenem Atem gestanden hatte, wusste ich nicht, denn ich hatte das Gefühl für die Zeit verloren. Irgendwann kam ich wieder zu mir.

Ich erinnerte mich an meinen Job! Ich würde ihn durchführen, denn das Geräusch, das ich vor mir von der durch den Vorhang verdeckten Bühne gehört hatte, war nicht schlimm gewesen.

Kein Schrei, keine Musik. Ich hatte es vernommen, das war okay, aber es stand in keinem Zusammenhang mit irgendwelchen anderen Lauten, denn die blieben aus.

Wäre die Gruppe dort gewesen und hätte eine ihrer Proben abgehalten, das hätte sich wahrlich anders angehört. So aber beruhigte ich mich und dachte daran, meinen Plan auch weiterhin durchzuführen.

Aber ich wollte die Lage erst sondieren. Dabei waren mir die beiden Kanister hinderlich. Sie ließ ich zunächst einmal stehen und bewegte mich ohne sie weiter.

Von mir aus gesehen schlich ich auf die rechte Bühnenseite zu.

Erst jetzt fiel mir der Geruch auf, der mich umgab. Überall hatte sich Staub angesammelt. Die Luft war dick. Schweiß und Schminke vermischten sich. Ich atmete durch die Nase und musste höllisch aufpassen, um in der Dunkelheit nicht über irgendwelche im Weg liegenden Gegenstände zu stolpern.

Von der linken Seite her durchfloss jetzt ein blasser Schein das dünne Gewebe des Vorhangs, sodass ich mich ein wenig orientieren konnte.

Der Schein stammte von der Bühne her. Dort mussten einige Scheinwerfer eingeschaltet worden sein.

Ich hörte auch Schritte.

In regelmäßigen Abständen klangen sie auf.

Es war für mich leicht zu erraten, was jenseits des Vorhangs geschah. Dort ging jemand auf und ab.

Himmel, der Schweiß ließ sich nicht abstellen. Er drang mir inzwischen aus allen Poren.

Er lag auf meinem Nacken. Er bedeckte das Gesicht. Er klebte an den Armen.

Ich spürte ihn auf den Handflächen. Lag der Schweißausbruch nur an der Schwüle, oder auch an meiner Nervosität? Auch der Vorhang strömte einen Geruch ab, den ich nur schwerlich einschätzen konnte. In ihm hatte sich so einiges gesammelt. Schmutz, Staub und der Rauch ungezählter Zigaretten.

Ich hatte das Ende der Bühne erreicht. Sie schloss nicht mit der Wand des Theaters ab. Zwischen ihr und dem Bühnenende gab es noch genügend Platz, den die Musiker hin und wieder nutzten, wenn sie sich während der Auftritte umziehen oder kurz verschnaufen wollten.

Ich befand mich nicht in einem Theater, dessen Technik auf dem neuesten Stand war. Hier war es nur wichtig, Strom zu haben für die Instrumente, die Verstärker und Zusatzgeräte.

Ich wartete.

Die Sekunden verstrichen. Während dieser Zeit konzentrierte ich mich voll und ganz auf die Geräusche hinter dem Vorhang. Sie waren jetzt ungewöhnlich laut. Jedes Auftreten hörte sich an, als hätte jemand mit einem Gummihammer auf den Boden geschlagen, und jedes Echo verursachte bei mir eine Gänsehaut.

Ich atmete tief durch. Frische Luft hätte mir jetzt gutgetan.

Lange konnte ich an dieser Stelle auch nicht stehenbleiben. Es musste etwas vorangehen. Ich war schließlich nicht gekommen, um irgendwelchen Geräuschen zu lauschen und fand den Zeitpunkt des Absprungs, als die Tritte verstummten.

Der andere war stehengeblieben. Aber wo? Die absolute Sicherheit bekam ich nicht. Wenn ich etwas erreichen wollte, musste ich auch einiges riskieren. Da die Bühne sehr hoch war, musste ich die schmale Stiege benutzen, die von der Rückseite hinauf führte.

Ich zog den Vorhang zur Seite und sah die Stiege und auch das Eisengeländer an der rechten Seite.

So leise wie möglich schlich ich die Stufen hoch. Auf der zweitletzten blieb ich stehen. Plötzlich pochte mein Herz wie wahnsinnig. Wieder kam es zu einem Schweißausbruch. Schon eine Reaktion auf die nahe Zukunft, denn in wenigen Sekunden würde ich wissen, was sich dort auf dem Bühnenboden abspielte.

Es gab eine Lücke im Stoff. Er fühlte sich aufgeraut an, als ich die Falte durch meine Finger gleiten ließ. Nicht samtig, eher wie aus alten Säcken zusammengenäht.

Es dauerte noch ein paar Sekunden, bevor ich meinen Atem unter Kontrolle bekam, dann schob ich den Vorhang behutsam nach rechts und streckte den Kopf durch den Spalt.

Zuerst sah ich nicht viel. Es lag daran, dass mich das Licht blendete. Und ich entdeckte auch nicht die Person, die ich gehört hatte, dafür sah ich einige Lichtinseln, in denen Sessel standen.

Sie waren allesamt besetzt. Ich konnte nicht sehen, wer darin saß, denn die Köpfe ragten nicht über die Rückenlehnen hinweg. Wer immer dort seinen Platz gefunden hatte, eine bequeme Sitzhaltung hatte er wahrlich nicht eingenommen, aber die Personen dort hatten die Beine ausgestreckt und die Hacken gegen den Boden gestemmt.

Sie alle trugen Hosen, also hatte ich es wahrscheinlich mit Männern zu tun. Ein zweites Indiz wies ebenfalls darauf hin, denn die Füße steckten in einem Schuhwerk, das mir bekannt vorkam. Es waren halbhohe, schwarze Lederstiefel. Metallene Nieten und herabhängende Ketten schmückten das Schuhwerk.

Den Eindruck nahm ich innerhalb weniger Sekunden auf, erschrak darüber, denn jetzt wusste ich genau, wer in den Sesseln seine Plätze gefunden hatte.

Es waren die Mitglieder der Band!

Dieses Wissen versetzte mir einen Schlag.

Ich spürte den innerlichen Hieb in Höhe des Magens. Obwohl er mich nicht wirklich getroffen hatte, überkam mich ein Schwindel. Ich musste mich am Stoff des Vorhangs festklammern, um nicht zu fallen.

Verdammt noch mal! Wie konnte ich mich nur so irren? Es dauerte eine gewisse Zeit, bis ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte und normal nachdenken konnte.

Die Mitglieder der Gruppe waren hier. Daran gab es nichts zu rütteln. Aber weshalb hockten sie so starr in den Sesseln? Keiner von ihnen machte Anstalten, sich zu erheben und nach seinem Instrument zu greifen.

Da lag einiges im Argen. Ich begriff die gesamte Situation nicht und wunderte mich ebenfalls, dass ich den Chef der Gruppe, den Showman, nicht sah.

War er nicht hier?

Doch, er musste anwesend sein, denn ich war sicher, ihn gehört zu haben.

Mittlerweile war ich zu dem Entschluss gekommen, dass es nicht günstig gewesen war, die Bühne von der Rückseite her zu betreten. Von vorn hätte ich mehr Chancen gehabt. Das aber ließ sich ändern, denn das seitliche Ende der Bühne befand sich nur wenige Schritte von meinem Beobachtungsplatz entfernt.

Langsam und vorsichtig ging ich die Stufen der Treppe wieder hinunter. Als das weiche Holz unter meinen Füßen verschwunden war, atmete ich durch. Was ich auf der Bühne gesehen hatte, wollte mir einfach nicht aus dem Sinn.

Sechs sesselähnliche Stühle standen in zwei Lichtkreisen. Jeder Stuhl war besetzt, denn ich hatte die ausgestreckten Beine der Personen gesehen, auch die Arme und Hände, die auf den Lehnen lagen.

Keiner von ihnen hatte sich bewegt, und das empfand ich als sehr ungewöhnlich.

Mit möglichst leisen Schritten bewegte ich mich auf die Seite der Bühne zu, die beim Konzert immer durch ein Gitter gesichert war, das ich aber jetzt nicht sah.

Ich duckte mich, als ich die Deckung des nicht ganz zugezogenen Vorhangs verließ. Sehr tief musste ich hinunter und kroch sogar auf Händen und Füßen weiter.

Der Boden war uneben und schmutzig. Ich schob mich weiter und sah nicht weit von mir entfernt den Schatten einer Bank, die zum Glück nicht direkt an der Wand stand, sondern ein Stück vorgeschoben war, sodass ich zwischen ihr und der Wand eine Deckung fand, wenn ich mich ganz flach machte.

Der Blickwinkel war nicht ideal, aber er reichte aus.

Wieder benötigte ich etwas Zeit, um mich an das Licht auf der Bühne zu gewöhnen.